- Die Lehren Śrī Kṛṣṇa Caitanyas -    
Original Version - Erste Auflage 1975
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von Seiner Göttlichen Gnade A.C Bhaktivedanta Swami Prabhupāda

Gründer und ācārya der Internationalen Gesellschaft für Kṛṣṇa-Bewußtsein


Die Lehren
Śrī Kṛṣṇa Caitanyas

von
Seine Göttliche Gnade
A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda

Gründer-Ācārya der Internationalen Gesellschaft
für Kṛṣṇa-Bewußtsein e.V.

Inhalt

Geleitwort ....................................................................
Vorwort .......................................................................
Prolog...........................................................................
Einleitung.....................................................................
Die Botschaft Śrī Kṛṣṇa Caitanyas - Śrī Śiksāṣṭaka.......
Die Unterweisung Rūpa Gosvāmīs..................................
Sanātana Gosvāmī........................................................
Die Unterweisung Sanātana Gosvāmīs...........................
Der Weise ...................................................................
Wie man Gott näherkommt..........................................
Kṛṣṇas unzählige Formen sind eins ..............................
Die unzähligen Formen Gottes .....................................
Die Avatāras ...............................................................
Die unermeßlichen Füllen Kṛṣṇas..................................
Die Schönheit Kṛṣṇas..................................................
Der Dienst für den Herrn ..............................................
Der Gottgeweihte.........................................................
Hingebungsvolles Dienen in transzendentaler Anhaftung..
Die Ekstase des Herrn und Seiner Geweihten .................
Erklärung des ātmārāma-Verses aus dem Bhāgavatam ..
Śrī Caitanya beendet Seine Unterweisung Sanātanas ......
Śrī Kṛṣṇa Caitanya, der Ursprüngliche Persönliche Gott ...
Gespräche mit Prakāṣānanda Sarasvatī..........................
Das Ziel des Vedānta ....................................................
Die Māyāvādī-Philosophen werden überzeugt ................
Weitere Gespräche mit Prakāṣānanda Sarasvatī.............
Prakāṣānanda Sarasvatī gibt sich hin..............................
Das Śrīmad-Bhāgavatam ..............................................
Gespräche mit Sārvabhauma Bhaṭṭācārya .....................
Persönliche und unpersönliche Verwirklichung.................
Sārvabhauma Bhaṭṭācārya ist überzeugt ......................
Śrī Caitanya und Rāmānanda Rāya ...............................
Die Erhabenheit des hingebungsvollen Dienens ..............
Die transzendentale Beziehung Rādhā und Kṛṣṇas ........
Reine Liebe zu Kṛṣṇa...................................................
Die höchste Vollkommenheit ........................................
Schlußfolgerung............................................................
Erklärung wichtiger Sanskritwörter und Eigennamen ......
16 farbige Bildtafeln aus dem Buch

 








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Die Lehren
Śrī Kṛṣṇa Caitanyas

Eine Abhandlung
über wirkliches spirituelles Leben

THE BHAKTIVEDANTA BOOK TRUST BBT

Titel der Originalausgabe:
Teachings of Lord Caitanya

Für die Übersetzung aus dem Englischen verantwortlich:

Vedavyāsa dāsa brahmacārī (Christian Jansen)
Śacīnandana dāsa brahmacārī (Thorsten Pettersson)
Nikhilānanda dāsa brahmacārī (Nikolay Jankowsky)

1. Auflage 1.-10. Tausend

BBT-Logo

Copyright © THE BHAKTIVEDANTA BOOK TRUST
Alle Rechte vorbehalten

Herausgeber:
Internationale Gesellschaft für Kṛṣṇa-Bewußtsein e.V.
6241 Schloß Rettershof/i. Ts.
Tel.: 06174/21357

Gesamtherstellung: Clausen & Bosse, Leck

Für seine unersetzliche Hilfe bei der Herausgabe
dieses Werkes gilt unser besonderer Dank
Prof. Dr. W. H. Wolf-Rottkay

Associate Professor Emeritus of German and
Linguistics at the University of Southern California.
Die Übersetzer


Gewidmet

dem heiligen Dienst
Śrīla Sac-cid-ānanda Bhaktivinoda Ṭhākuras
der die Lehren Śrī Kṛṣṇa Caitanyas im Jahre 1896
dem Jahr meiner Geburt
in die westliche Welt brachte
(McGill University, Canada)

A. C. Bhaktivedanta Swami    



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12. KAPITEL

Caitanya

Der Gottgeweihte

Jeder, der Kṛṣṇa-Bewußtsein praktiziert und dem Herrn in transzendentaler Liebe völlig hingegeben ist, entwickelt zahllose gute Eigenschaften, die göttlich genannt werden, weil auch die Halbgötter diese Qualitäten besitzen. Śrī Caitanya beschrieb Sanātana Gosvāmī jedoch nur die wichtigsten: Ein Gottgeweihter ist zu jedermann freundlich. Er sucht mit niemandem Streit. Er nimmt die Essenz des Lebens und führt ein spirituelles Leben. Er behandelt jeden gleich. Niemand kann an einem Gottgeweihten einen Fehler finden. Sein großherziges Gemüt ist stets frisch und rein und ohne jede materielle Beeinträchtigung. Er ist der Wohltäter aller Lebewesen. Er ist friedvoll und Kṛṣṇa immer hingegeben. Er hat kein materielles Verlangen. Er ist demütig und zielstrebig. Er ist den sechs materiellen Feinden wie Lust und Zorn überlegen. Er ißt nicht mehr als nötig. Er ist stets besonnen. Er ist respektvoll anderen gegenüber, erwartet aber für sich selbst keinen Respekt. Er ist ernsthaft. Er ist gütig. Er ist freundlich. Er ist ein Dichter. Er ist gewissenhaft in der Ausführung seiner Arbeiten, und er ist schweigsam.

Im Śrīmad-Bhāgavatam ist im 25. Kapitel des Dritten Cantos ebenfalls die Beschreibung eines Kṛṣṇa-bewußten Menschen zu finden, der dem Herrn in dienender Liebe hingegeben ist; es heißt dort: »Solch ein Gottgeweihter ist immer tolerant und gütig. Er ist der Freund aller Lebewesen, und er hat keine Feinde. Er ist friedvoll und besitzt alle guten Eigenschaften. Dies sind die Merkmale eines Menschen, der Kṛṣṇa-Bewußtsein praktiziert.«

Im Bhāgavatam wird auch gesagt, daß der Pfad zur Befreiung jedem offen steht, der die Gelegenheit erhält, einer großen Seele, einem mahātma, zu dienen. Diejenigen jedoch, die lieber mit materialistischen Menschen verkehren, beschreiten den Pfad der Dunkelheit. Die Gottgeweihten sind ausgeglichen, friedvoll, niemals zornig und allen Lebewesen freundlich gesinnt. Deshalb wird man schon durch das Zusammensein mit solchen Heiligen ebenfalls zu einem Gottgeweihten. Die Gemeinschaft mit Gottgeweihten ist unbedingt notwendig, um Liebe zu Gott zu entwickeln. Jeder, der mit einem Heiligen in Berührung kommt, kann den Pfad des spirituellen Lebens beschreiten, und wenn man diesem Pfad folgt, ist es sicher, daß man allmählich reines hingebungsvolles Dienen in völligem Kṛṣṇa-Bewußtsein entwickelt.

Im Śrīmad-Bhāgavatam, im 2. Kapitel des Elften Cantos, fragt Vasudeva, der Vater Kṛṣṇas, Nārada Muni nach der größten Segnung im Leben. Als Antwort zitierte Nārada Muni einen Auszug aus dem Gespräch der neun Weisen mit König Nimi: »O ihr großen Weisen«, sagte der König, »schon ein Augenblick mit Heiligen wie euch ist das wertvollste Geschenk im Leben. Dieser Augenblick erschließt mir den Pfad zum spirituellen Fortschritt.« Auch im 25. Kapitel des Dritten Cantos finden wir diese Wahrheit bestätigt; dort heißt es: »Die Gemeinschaft mit Heiligen und das Erörtern transzendentaler Themen mit ihnen sind Gelegenheiten, die einen Menschen vom Pfad des hingebungsvollen Dienens überzeugen. Schon bald wird es ein Genuß für sein Ohr und sein Herz sein, von Kṛṣṇa zu hören.« Wenn man versucht, das Wissen, das man von Heiligen oder reinen Gottgeweihten empfangen hat, im eigenen Leben anzuwenden, entwickelt man ganz natürlich zunächst Glauben, dann Zuneigung und schließlich dienende Hingabe.

Der Herr beschrieb Sanātana Gosvāmī als nächstes das Verhalten eines Gottgeweihten. Sein wesentlichstes Merkmal ist, daß er sich immer von nicht-heiligen Menschen fernhält. Und was versteht man unter »nicht-heiligen Menschen«? Gemeint ist das Zusammensein mit denen, die zu sehr den Frauen ergeben und die keine Geweihten Śrī Kṛṣṇas sind. Man muß die Gesellschaft nicht-heiliger Nicht-Gottgeweihter ebenso sorgsam meiden, wie man das Zusammensein mit heiligen Gottgeweihten suchen muß. Die reinen Geweihten Kṛṣṇas achten sehr darauf, sich stets von den nicht-heiligen Nicht-Gottgeweihten fernzuhalten.

Die üblen Folgen nicht-heiliger Gemeinschaft mit Nicht-Gottgeweihten werden im Śrīmad-Bhāgavatam im 31. Kapitel des Dritten Cantos beschrieben. Dort heißt es, daß man einen Menschen, der ein Spielball der Frauen ist, meiden sollte; denn wenn man mit solch einem nicht-heiligen Menschen verkehrt, wird man aller guten Eigenschaften beraubt wie Wahrheitsliebe, Sauberkeit, Güte, Ernsthaftigkeit, Intelligenz, Bescheidenheit, Schönheit, Ruhm, Nachsicht, Beherrschung der Gedanken, Beherrschung der Sinne und alle sonstigen Fähigkeiten und Qualitäten, die einem Gottgeweihten eigen sind. Niemals wird ein Mensch so sehr erniedrigt, wie durch den Umgang mit Männern, die den Frauen verfallen sind. In diesem Zusammenhang zitierte Śrī Caitanya einen Vers aus der Katyayāṇī-saṁhitā: »Man sollte es vorziehen, in einem brennenden Käfig zu sein, als sich in der Gesellschaft von Nicht- Gottgeweihten aufzuhalten.« Es wird sogar geraten, ungläubigen, d. h. dem Höchsten Herrn nicht ergebenen Menschen nicht ins Gesicht zu sehen. Der Herr fordert uns auf, die Gesellschaft Verworfener peinlichst zu vermeiden und ganz beim Höchsten Herrn Kṛṣṇa Zuflucht zu suchen. Die gleiche Anweisung erhält Arjuna auf den letzten Seiten der Bhagavad-gītā von Kṛṣṇa: »Gib alles andere auf und gib dich einfach Mir hin. Ich werde für dich sorgen und dich vor allen sündhaften Reaktionen schützen.«

Der Herr ist sehr gütig, und Er ist dankbar, allmächtig und großherzig. Deshalb ist es unsere Pflicht, Seinen Worten zu glauben. Und wenn wir intelligent sind und genügend Kenntnisse besitzen, werden wir diesem Prinzip ohne Zögern folgen. Im Śrīmad-Bhāgavatam sagt Akrūra im 84. Kapitel des Zehnten Cantos zu Kṛṣṇa: »Wer könnte sich Dir nicht hingeben? Es gibt niemanden, der so gütig, so wahrhaftig, so freundlich und so dankbar ist wie Du. Du bist so vollkommen und vollendet, daß Du vollendet und vollkommen bleibst, auch wenn Du Dich Deinem Geweihten hingibst. Du kannst daher alle Wünsche einer Dir hingegebenen Seele erfüllen und sogar Dich Selbst Deinem Geweihten schenken.«

Jeder, der intelligent genug ist, die Philosophie des Kṛṣṇa-Bewußtseins zu verstehen, gibt ganz von selbst alles auf und sucht einzig und allein bei Kṛṣṇa Zuflucht. Dazu zitierte Śrī Caitanya folgenden Vers aus dem Śrīmad-Bhāgavatam (Dritter Canto, 2. Kapitel): »Uddhava sprach: Wie könnte man bei einem anderen als Kṛṣṇa Zuflucht suchen? Oder gibt es jemanden, der so gütig ist wie Er? Obwohl Bakāsuras Schwester Pūtanā Ihn töten wollte, als Er noch ein Säugling war, indem sie Ihm ihre vergiftete Brust zum Trinken bot, wurde dieses abscheuliche Geschöpf befreit und auf die gleiche Stufe erhoben wie Seine Mutter.«

Zwischen einer ganz und gar hingegebenen Seele und einem Menschen auf der Lebensstufe der Entsagung besteht im Grunde kein wesentlicher Unterschied. Das einzige verschiedene Merkmal liegt darin, daß eine völlig hingegebene Seele in jeder Hinsicht von Kṛṣṇa abhängig ist. Der Vorgang der Hingabe hat sechs Stufen: Als erstes sollte der Gottgeweihte alles annehmen, was die Ausführung seiner Kṛṣṇa-bewußten Pflichten oder die dienende Hingabe fördert. Dann sollte er sich mit Entschlossenheit an diesen Vorgang halten. Als nächstes sollte er alles aufgeben, was bei der Ausführung des hingebungsvollen Dienens hinderlich ist, und alles Nachteilige kompromißlos zurückzuweisen. Als drittes sollte er die feste Überzeugung entwickeln, daß ihm außer Kṛṣṇa niemand Zuflucht gewähren kann, und so sollte er fest darauf vertrauen, daß er stets von Kṛṣṇa beschützt wird. Hierzu ist zu bemerken, daß die Anhänger der Unpersönlichkeitslehre denken, sie seien in ihrer wirklichen Identität mit Kṛṣṇa oder dem Höchsten eins. Ein Gottgeweihter jedoch zerstört seine Identität nicht, sondern lebt im festen Vertrauen, daß Kṛṣṇa in Seiner Güte ihn in jeder Hinsicht beschützen wird. Der vierte Punkt ist, daß ein Gottgeweihter immer wissen sollte, daß allein Kṛṣṇa sein Erhalter ist. Menschen, die nach materiellen Gütern streben, vertrauen sich im allgemeinen dem Schutz eines Halbgottes an; doch ein Gottgeweihter erwartet nicht, von den Halbgöttern beschützt zu werden. Er ist der festen Überzeugung, daß Kṛṣṇa ihn vor jeder mißlichen Lage bewahren wird. Als nächstes ist sich ein Gottgeweihter stets der Tatsache bewußt, daß seine Wünsche niemals unabhängig von Kṛṣṇa sind. Wenn sie nicht von Kṛṣṇa erfüllt werden, können sie nie in Erfüllung gehen. Und schließlich sollte er sich immer als den Gefallensten betrachten und Kṛṣṇa bitten, ihn in Seine Obhut zu nehmen.

Solch eine hingegebene Seele sollte an einem heiligen Ort wie Vṛndāvana, Mathurā, Dvārakā oder Māyāpūra Zuflucht suchen und sich ganz dem Herrn anvertrauen, indem sie betet: »O Herr, von heute an bin ich Dein. Du kannst mich beschützen oder töten, ganz wie es Dir beliebt.« Wenn ein Gottgeweihter in dieser Weise bei Kṛṣṇa Zuflucht sucht, wird Kṛṣṇa Sich gewiß seiner annehmen und ihm jeden Schutz gewähren. Dies wird auch im Śrīmad-Bhāgavatam im 29. Kapitel des Elften Cantos bestätigt, wo gesagt wird, daß ein Mensch, der im Sterben liegt und beim Höchsten Persönlichen Gott Zuflucht sucht, unsterblich wird und die Gelegenheit erhält, mit dem Höchsten Herrn zusammenzusein und in Seiner Gesellschaft transzendentale Glückseligkeit zu genießen.

Der Herr erklärte Sanātana Gosvāmī als nächstes die verschiedenen Arten und Merkmale des praktischen hingebungsvollen Dienens. Wenn die dienende Hingabe in die Praxis umgesetzt, d. h. mit unseren gegenwärtigen Sinnen ausgeführt wird, nennt man dies »praktisches hingebungsvolles Dienen«. Im Grunde ist das hingebungsvolle Dienen das ewige Leben jedes Lebewesens, doch liegt diese Neigung im bedingten Dasein schlummernd in seinem Herzen. Die Methode, mit der man die schlafende dienende Hingabe wiedererwecken kann, nennt man praktisches hingebungsvolles Dienen. Jedes Lebewesen ist in Wirklichkeit ein Teil des Höchsten Herrn; der Herr wird mit dem Feuer verglichen und das Lebewesen mit den winzigen Funken des Feuers. Durch den Kontakt mit der illusionierenden Energie ist der spirituelle Funke, das Lebewesen, fast erloschen, doch durch praktische dienende Hingabe kann er wieder zum Glühen gebracht werden und seine natürliche, wesenseigene Position einnehmen. Wenn man hingebungsvolles Dienen praktiziert, bedeutet das die Rückkehr zum ursprünglichen, befreiten Zustand. Unter der Führung eines autorisierten geistigen Meisters kann gottgeweihtes Dienen schon mit den gegenwärtigen Sinnen ausgeführt werden.

Die spirituellen Aktivitäten im Kṛṣṇa-Bewußtsein bzw. im hingebungsvollen Dienen beginnen, wenn man das erste Mal von Kṛṣṇa hört. Hören ist für den Fortschritt im Kṛṣṇa-Bewußtsein am wichtigsten. Man sollte sehr begierig sein, ständig mehr über Kṛṣṇa zu hören. Man sollte aufhören, zu spekulieren oder gewinnbringenden Tätigkeiten nachzugehen, und einfach Gott verehren und den Wunsch hegen, Liebe zu Gott zu entwickeln. Diese Liebe zu Gott befindet sich bereits in uns; sie ist ewig, und wir müssen lediglich von Kṛṣṇa hören, um sie wiederzuerwekken. Hören und Chanten sind somit die beiden wichtigsten Aktivitäten im hingebungsvollen Dienen.

Hingebungsvolles Dienen kann entweder reguliert oder spontan, d. h. mit sehr viel Zuneigung ausgeführt werden. Wer noch keine transzendentale Zuneigung für Kṛṣṇa entwickelt hat, sollte sein Leben nach den Anweisungen der Schriften und den Unterweisungen des geistigen Meisters führen. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird im 1. Kapitel des Zweiten Cantos beschrieben, wie Śukadeva Gosvāmī Mahārāja Parīkṣit unterweist: »O Bester der Bhāratas. Es ist die erste Pflicht aller Menschen, die furchtlos werden wollen, über den Höchsten Persönlichen Gott, Hari, zu hören, über Ihn zu chanten und sich stets an Ihn zu erinnern. Man muß ständig an Śrī Viṣṇu denken und darf Ihn nicht für einen einzigen Augenblick vergessen. Er ist der Wesensinhalt aller regulierenden Prinzipien.«

Dieser Vers soll deutlich machen, daß es in den offenbarten Schriften zwar viele Regeln und Regulierungen - Gebote und Verbote - gibt, daß aber die Quintessenz aller Unterweisungen darin besteht, ständig in Gedanken an den Höchsten Herrn versunken zu sein. Sich fortwährend an den Höchsten Persönlichen Gott zu erinnern, ist die wichtigste Aktivität im hingebungsvollen Dienen. Hierfür gibt es keine regulierenden Prinzipien und keine Vorschriften und Verbote.

Jeder, der sich im hingebungsvollen Dienen beschäftigen will, sollte folgende Prinzipien beachten: 1. Er sollte Zuflucht bei einem autorisierten geistigen Meister suchen, 2. sich von ihm einweihen lassen, 3. ihm dienen, 4. ihm Fragen stellen und von ihm lernen, Gott zu lieben, und 5. dem Beispiel von Heiligen folgen, die dem Herrn in transzendentaler dienender Liebe hingegeben sind. 6. Um Kṛṣṇa zu erfreuen, sollte er darauf vorbereitet sein, alle möglichen Freuden aufzugeben und Leiden auf sich zu nehmen; 7. er sollte an einem Ort leben, wo Kṛṣṇa Seine Spiele offenbarte; 8. er sollte mit dem zufrieden sein, was Kṛṣṇa ihm zur Erhaltung des Körpers gibt, und nicht nach mehr trachten; 9. er sollte an Ekādaṣī, dem elften Tag nach Vollmond und dem elften Tag nach Neumond, fasten. Er kann dann mäßige Mengen einfache Gemüse und Milch (jedoch niemals Getreideprodukte, Reis oder Bohnen) zu sich nehmen und sollte mehr Hare Kṛṣṇa chanten und mehr aus den Schriften lesen. 10. Er sollte den Gottgeweihten, den Kühen und Bäumen wie dem Feigenbaum Respekt erweisen.

Diese zehn Regeln sind für einen Neuling, der auf dem Pfad des gottgeweihten Dienens Fortschritte machen will, äußerst wichtig. Als nächstes sollte er versuchen, im Dienst des Herrn und beim Chanten der heiligen Namen des Herrn Vergehen zu vermeiden.

Es gibt zehn Vergehen beim Chanten der heiligen Namen, die unbedingt vermieden werden sollten. Es ist ein Vergehen, 1. einen Gottgeweihten zu beleidigen oder zu verleumden, 2. zu glauben, daß der Herr und die Halbgötter sich auf der gleichen Ebene befänden, oder zu denken, es gebe viele Götter, 3. die Anweisungen des geistigen Meisters zu mißachten, 4. die Autorität der vedischen Schriften herabzuwürdigen, 5. die heiligen Namen Gottes auszulegen, 6. im Vertrauen auf die Kraft des Chantens zu sündigen, 7. Ungläubige über die Herrlichkeit des heiligen Namens zu unterrichten, 8. das Chanten der heiligen Namen mit materieller Frömmigkeit zu vergleichen, 9. während des Chantens der heiligen Namen unaufmerksam zu sein und 10. trotz des Chantens der heiligen Namen weiter an materiellen Dingen zu haften. 11. Man sollte die Gesellschaft nicht-heiliger Nicht-Gottgeweihter meiden. 12. Man sollte nicht versuchen, viele Schüler um sich zu sammeln. 13. Man sollte sich nicht die Mühe machen, viele verschiedene Bücher oder irgendein besonderes Buch zu studieren. 14. Man sollte es vermeiden, andere Doktrinen zu diskutieren. 15. Man sollte in Gewinn und Verlust Gleichmut bewahren. 16. Man sollte um nichts klagen. 17. Man sollte den Halbgöttern und anderen Schriften gegenüber nicht respektlos sein. 18. Man sollte keinerlei Blasphemie gegen den Höchsten Herrn oder Seine Geweihten dulden. 19. Man sollte gewöhnliche Romane und Geschichten meiden - es gibt jedoch keine Vorschrift, die das Anhören oder Lesen von Nachrichten verbietet. 20. Man sollte keinem Lebewesen, nicht einmal einem kleinen Käfer, Leid zufügen.

Die wichtigsten der obenerwähnten 20 Regeln sind: 1. bei einem echten geistigen Meister Zuflucht zu suchen, 2. von ihm eingeweiht zu werden und 3. ihm zu dienen. Der Vorgang des hingebungsvollen Dienstes besteht aus: 1. Hören, 2. Chanten, 3. Sich-Erinnern, 4. Verehren, 5. Beten, 6. Dienen, 7. ein Diener des Herrn werden, 8. eine freundschaftliche Beziehung zum Herrn aufnehmen, 9. Ihm alles hingeben, 10. vor den transzendentalen Bildgestalten Gottes tanzen, 11. Singen, 12. andere über Kṛṣṇa informieren, 13. Ehrerbietungen erweisen, 14. Aufstehen, um anderen Gottgeweihten Respekt zu erweisen, 15. einen Gottgeweihten, der das Haus bzw. den Tempel verläßt, zur Tür begleiten, 16. den Tempel des Herrn betreten, 17. den Tempel umkreisen, 18. Gebete sprechen, 19. Hymnen singen, 20. saṅkīrtana ausführen, d. h. gemeinsam mit anderen Gottgeweihten die heiligen Namen chanten, 21. den Weihrauch und die Blumen riechen, die dem Herrn geopfert wurden, 22. prasāda essen (Nahrung, die Kṛṣṇa geopfert wurde), 23. an der ārātrika-Zeremonie, der Zeremonie zur Begrüßung des Herrn, teilnehmen, 24. die transzendentale Bildgestalt des Herrn betrachten, 25. dem Herrn wohlschmeckende Speisen opfern, 26. Meditieren, 27. die tulasī-Pflanze begießen, 28. den Vaiṣṇavas, d. h. den fortgeschrittenen Gottgeweihten Respekt erweisen, 29. in Mathurā oder Vṛndāvana leben, 30. das Śrīmad-Bhāgavatam verstehen, 31. sich aufs äußerste für Kṛṣṇa bemühen, 32. auf Kṛṣṇas Gnade vertrauen, 33. die Zeremonien zur Verehrung Kṛṣṇas zusammen mit anderen Gottgeweihten ausführen, 34. sich ohne Vorbehalt hingeben und 35. die verschiedenen Feiertage und Zeremonien begehen.

Zu diesen 35 Punkten kommen weitere vier: 1. den Körper an verschiedenen Stellen mit Sandelholzpaste markieren, um zu zeigen, daß man ein Vaiṣṇava ist; 2. die heiligen Namen des Herrn auf den Körper schreiben; 3. den Körper mit den Blumen und Girlanden schmücken, die dem Herrn geopfert wurden, und 4. caraṇāmṛtam, das Wasser vom Bad der transzendentalen Bildgestalten, trinken. Außer diesen 39 Regeln für das gottgeweihte Dienen sind fünf weitere sehr wichtig: 1. Mit Gottgeweihten zusammensein, 2. den heiligen Namen des Herrn chanten, 3. aus dem Śrīmad-Bhāgavatam hören, 4. an einem heiligen Ort wie Mathurā oder Vṛndāvana leben, und 5. der transzendentalen Bildgestalt des Höchsten Herrn mit großer Hingabe dienen. Diese Regeln werden von Rūpa Gosvāmī in seinem Buch Bhakti-rasāmṛta-sindhu besonders hervorgehoben. Wenn wir zu diesen insgesamt 44 Punkten die 20 vorbereitenden Beschäftigungen zählen, erhalten wir die Gesamtzahl von 64 Faktoren für die Ausführung des hingebungsvollen Dienstes. Befolgt man diese 64 Regeln mit Körper, Geist und Sinnen, so wird die dienende Hingabe allmählich rein werden. Einige der Punkte sind völlig verschieden voneinander, einige sind identisch und andere vermischt.

Da Śrīla Rūpa Gosvāmī empfohlen hat, mit Menschen gleicher Gesinnung zusammen zu leben, war es notwendig, die Internationale Gesellschaft für Kṛṣṇa-Bewußtsein zu gründen; damit ist den Gottgeweihten die Möglichkeit gegeben, zusammen zu leben und gemeinsam Wissen über Kṛṣṇa und das hingebungsvolle Dienen für Ihn zu entwickeln. Der wichtigste Punkt, in diesem Zusammenleben ist das gemeinsame Studieren und Verstehen der Bhagavad-gītā und des Śrīmad-Bhāgavatam. Wenn sich dann Glaube und Hingabe in den neuen Gottgeweihten entwickeln, folgen ganz von selbst die Verehrung der transzendentalen Bildgestalt, das Chanten der heiligen Namen und der Aufenthalt an Orten wie Māyāpūra, Mathurā und Vṛndāvana.

Diese fünf zuletzt genannten Punkte sind äußerst wichtig, denn schon wenn man nur diese fünf Punkte erfüllen kann - man braucht nicht einmal alle zugleich zu befolgen -, kann man die höchste Stufe der Vollkommenheit erreichen. Es ist nicht entscheidend, ob man nur einen oder mehrere Punkte ausführen kann, denn das, was zum Fortschritt auf dem Pfad des hingebungsvollen Dienens führt, ist einzig und allein die völlige Anhaftung an den jeweiligen Dienst für Kṛṣṇa. Es gibt viele Gottgeweihte, die nur einen Punkt erfüllten und so die Vollkommenheit der dienenden Hingabe erreichten, und es gibt viele andere Gottgeweihte, wie z. B. Mahārāja Ambariṣa, die alle diese verschiedenen Punkte zugleich befolgten. Einige Gottgeweihte, die schon durch die Erfüllung eines Punktes die Vollkommenheit im hingebungsvollen Dienen erreichten, sind: Mahārāja, Parīkṣit, der einfach nur von Kṛṣṇa hörte; Śukadeva Gosvāmī, der nur über Kṛṣṇa chantete; Lakṣmī, die nur den Lotosfüßen des Herrn diente; König Pṛthu, der den Herrn nur verehrte; Akrūra, der einfach zum Herrn betete; Hanumān, der Śrī Rāma als Diener gehorchte; Arjuna, der Kṛṣṇas Freund wurde, und Bali Mahārāja, der einfach alles opferte, was er besaß.

Was Mahārāja Ambariṣa betrifft, so befolgte dieser praktisch alle Punkte des hingebungsvollen Dienens: Als erstes richtete er seine Gedanken auf die Lotosfüße Kṛṣṇas; mit seinen Worten beschrieb er die transzendentalen Eigenschaften des Höchsten Herrn; mit seinen Händen wusch er den Tempel des Herrn; mit seinen Ohren hörte er von Kṛṣṇa; mit seinen Augen betrachtete er die transzendentale Bildgestalt Kṛṣṇas; er gebrauchte seinen Tastsinn dazu, die Körper der Gottgeweihten zu berühren, und seinen Geruchsinn, die Blumen zu riechen, die Kṛṣṇa geopfert worden waren; mit seiner Zunge schmeckte er die tulasī-Blätter, die zu Kṛṣṇas Lotosfüßen geopfert worden waren; seine Beine benutzte er, um in Kṛṣṇas Tempel zu gehen, und seinen Kopf, um der transzendentalen Bildgestalt Kṛṣṇas seine Ehrerbietungen darzubringen. Alle Wünsche und Neigungen von Mahārāja Ambariṣa waren somit im hingebungsvollen Dienen für den Herrn beschäftigt, und deshalb ist er das beste Beispiel dafür, wie man alle Arten des hingebungsvollen Dienens zugleich ausführen kann.

Jeder, der dem Herrn in vollem Kṛṣṇa-Bewußtsein mit Liebe und Hingabe dient, ist von allen Verpflichtungen befreit, die er für gewöhnlich gegenüber den Weisen, den Halbgöttern und den Vorvätern hat. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird dies wie folgt bestätigt: »Jeder, der vollständig im Dienst des Herrn aufgeht, ohne an eine andere Pflicht zu denken, ist den Halbgöttern, den Weisen, seinen Verwandten, seinem Nächsten, den Vorvätern und allen anderen Lebewesen nichts mehr schuldig« Wir alle sind schon bei unserer Geburt all den ebengenannten Persönlichkeiten verschuldet und deshalb wird von uns erwartet, daß wir später alle möglichen Riten und Opfer vollziehen, um diese Schuld zu begleichen; doch ein Mensch, der sich ganz und gar Kṛṣṇa hingegeben hat, ist von solchen Verpflichtungen befreit. Obwohl er also diesen Verpflichtungen nicht nachkommt, ist er niemandem mehr etwas schuldig.

Man sollte in diesem Zusammenhang wissen, daß jeder, der alle Pflichten aufgibt und sich einfach Kṛṣṇas transzendentalem Dienst zuwendet, keine Wünsche mehr hat, nicht länger den Folgen sündhafter Handlungen unterworfen ist und auch nicht die Absicht hat, jemals wieder sündig zu handeln. Wenn er dennoch irgendwelche Sünden begeht - nicht willentlich, sondern ohne eigenes Verschulden -gewährt Kṛṣṇa ihm jeden Schutz; so daß er sich nicht durch irgendeinen der Reinigungsvorgänge zu läutern braucht. Dies wird im Śrīmad-Bhāgavatam im 5. Kapitel des Elften Cantos wie folgt bestätigt: »Ein Gottgeweihter, der voll und ganz damit beschäftigt ist, dem Herrn in transzendentaler Liebe hingegeben zu dienen, steht unter dem Schutz der Höchsten Person, und wenn er aus Versehen eine Sünde begeht oder unter gewissen Umständen gezwungen ist, sündig zu handeln, so gewährt ihm Gott, der in seinem Herzen wohnt, allen nur erdenklichen Schutz.«

Spekulatives Wissen und Entsagung sind nicht unbedingt erforderlich, um auf eine höhere Ebene des hingebungsvollen Dienens zu gelangen, und auch die Prinzipien der Gewaltlosigkeit und der Sinnenbeherrschung braucht man sich nicht durch irgendwelche besonderen Methoden anzueignen. Der Gottgeweihte entwickelt diese Eigenschaften auch ohne solche Verfahren, indem er einfach dem Herrn mit Liebe und Hingabe dient. Im Elften Canto des Śrīmad-Bhāgavatam sagt der Herr, daß es für die, die Ihm wirklich hingegeben dienen, nicht notwendig ist, spekulatives Wissen zu entwickeln oder Entsagung zu üben.

13. KAPITEL

Caitanya

Hingebungsvolles Dienen in transzendentaler Anhaftung

Aus schierem Mißverständnis denken einige Transzendentalisten, Wissen und Entsagung seien unerläßlich, wenn man zur Stufe des hingebungsvollen Dienens aufsteigen wolle. Doch dem ist nicht so. Das Ansammeln von Wissen und der Verzicht auf die Früchte des Tuns mögen wohl dazu beitragen, unsere spirituelle Existenz zu erkennen, doch gehören diese Dinge nicht unbedingt zum hingebungsvollen Dienen. Wissen und gewinnbringende Tätigkeiten haben Befreiung und materielle Sinnenbefriedigung zum Ziel und sind deshalb für die Ausführung des hingebungsvollen Dienens wertlos. Erst wenn man von den aus Wissen und fruchtbringenden Aktivitäten resultierenden Handlungen befreit ist, kann man sich dem hingebungsvollen Dienen zuwenden. Ein Geweihter Śrī Kṛṣṇas ist von Natur aus gewaltlos und selbstbeherrscht, und deshalb braucht er keine besondere Anstrengung zu machen, die Eigenschaften zu entwickeln, die durch Wissen und materiell-einträgliche Tätigkeiten erlangt werden.

Uddhava fragte Śrī Kṛṣṇa einmal nach den Regeln und Regulierungen, die in den vedischen Schriften dargelegt sind: »Wie ist es zu erklären, daß die vedischen Hymnen uns einerseits zu materiellem Genuß ermuntern, uns jedoch andererseits alle Illusionen nehmen und uns auffordern, nach Befreiung zu streben?« Diese Schriften wurden zwar vom Höchsten Persönlichen Gott verfaßt, doch anscheinend sind sie voller Widersprüche. Und so fragte Uddhava, wie diese sich widersprechenden Anweisungen der Veden zu verstehen seien.

Als Antwort darauf informierte Śrī Kṛṣṇa ihn über die Vortrefflichkeit des hingebungsvollen Dienens; Er sagte: »Für Menschen, die Mir bereits in Hingabe dienen und ständig an Mich denken, ist Streben nach Wissen und Entsagung weder praktisch noch notwendig.«

Die Erklärung hierfür lautet, daß hingebungsvolles Dienen von allen Pfaden der Erkenntnis unabhängig ist. Die Pfade des Wissens, der Entsagung oder der Meditation mögen am Anfang hilfreich sein, doch sind sie nicht unbedingt erforderlich, um Gott zu dienen. Mit anderen Worten: Hingebungsvolles Dienen kann unabhängig von diesen Pfaden ausgeführt werden. In diesem Zusammenhang gibt es einen Vers im Skanda Purāṇa, in welchem Parbuta Muni zu einem Jäger sagt: »O Jäger, es ist nicht weiter erstaunlich, daß du viele gute Eigenschaften wie Gewaltlosigkeit und andere entwickelt hast, denn wer dem Höchsten Herrn in Hingabe dient, wird es niemals übers Herz bringen, einem anderen Lebewesen ein Leid zuzufügen.«

Nach diesen Ausführungen sagte der Herr zu Sanātana Gosvāmī: »Bisher habe Ich dir nur die dienende Hingabe nach regulierenden Prinzipien dargelegt, doch nun werde Ich dir die dienende Hingabe in transzendentaler Anhaftung erklären.«

Die Einwohner von Vṛndāvana, Vrajabhūmi, geben das beste Beispiel für diese Hingabe, denn sie praktizieren ideales hingebungsvolles Dienen in transzendentaler Anhaftung. Solche Hingabe ist ausschließlich in Vrajabhūmi zu finden. Wenn man dienende Hingabe mit Anhaftung an Kṛṣṇa entwickelt, indem man in die Fußstapfen der Einwohner von Vrajabhūmi tritt, nennt man diese Stufe »rāga-marga-bhakti« - »dienende Hingabe mit Anhaftung an den Herrn«. Im Bhakti-rasāmṛta-sindhu wird dazu gesagt: »Hingebungsvolles Dienen mit ekstatischer Anhaftung, die für den Gottgeweihten ganz natürlich wird, nennt man »rāga« oder »transzendentale Zuneigung«. Den hingebungsvollen Dienst auf der rāga-Stufe bezeichnet man als »rāgātmika (Hingabe)«; tiefe Zuneigung und vollständige Meditation über das Objekt der Liebe sind seine charakteristischen Merkmale. Beispiele für

Gottgeweihte, die sich auf dieser Stufe des hingebungsvollen Dienens befinden, sind die Einwohner von Vrajabhūmi, und jemand, der sich zu Kṛṣṇa hingezogen fühlt, wenn er von ihrer Zuneigung hört, ist gewiß vom Glück begünstigt. Für einen Menschen, der von der dienenden Hingabe der Einwohner von Vrajabhūmi tief bewegt wird und sich bemüht, ihrem Beispiel zu folgen, gelten die Vorschriften und Regulierungen der offenbarten Schriften nicht mehr. Das ist das Merkmal von rāga-bhakti.

Hingebungsvolles Dienen in transzendentaler Anhaftung ist die natürliche Neigung jedes Lebewesens. Ein Mensch, in dem diese natürliche Neigung erweckt worden ist, läßt sich durch kein Argument in seiner Überzeugung beirren, selbst dann nicht, wenn solche Einwände auf den Aussagen der Schriften beruhen. Diese natürliche Neigung wird in den Schriften als das höchste Gut des Lebewesens beschrieben, und deshalb sollte sich jemand, der eine Zuneigung für diese besondere Art des hingebungsvollen Dienstes für den Höchsten Herrn entwickelt hat, nicht aufgrund von Argumenten aus den Schriften davon abbringen lassen. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, daß es auch sogenannte Gottgeweihte gibt (sie sind als prākṛta-sahajiyās bekannt), die ihren eigenen, aus der Luft gegriffenen Vorstellungen folgen. Sie imitieren Rādhā und Kṛṣṇa, indem sie sexuellen Ausschweifungen frönen; doch ihr sogenanntes »hingebungsvolles Dienen« und ihre »Liebe« sind nicht echt. Die prākṛta-sahajiyās betrügen sich nur selbst und gleiten auf diese Weise in die Hölle hinab.

Hingebungsvolles Dienen in transzendentaler Anhaftung kann auf zweierlei Art ausgeführt werden: äußerlich und innerlich. Beim äußeren Dienen folgt der Gottgeweihte streng den regulierenden Prinzipien - angefangen mit Chanten und Hören und anderen Regulierungen -, während er innerlich ständig an seine Zuneigung für Kṛṣṇa denkt, die ihn dazu bringt, dem Höchsten Herrn zu dienen. Er denkt fortwährend an seinen bestimmten hingebungsvollen Dienst und an das Objekt seiner Anhaftung. Die Anhaftung eines echten Gottgeweihten verletzt jedoch niemals die regulierenden Prinzipien des hingebungsvollen Dienens - ganz im Gegenteil, der echte Gottgeweihte hält sich streng an diese Regeln, denkt aber trotzdem ständig an das Objekt seiner transzendentalen Anhaftung. Alle Einwohner von Vṛndāvana sind Kṛṣṇa sehr lieb. Ein Gottgeweihter, der sich auf der Stufe der Anhaftung befindet, wählt sich daher einen dieser Einwohner aus und folgt in dessen Fußstapfen, um so in seinem eigenen hingebungsvollen Dienst Erfolg zu haben. Im Bhakti-rasāmṛta-sindhu erklärt Śrīla Rūpa Gosvāmī, daß sich ein reiner Gottgeweihter auf der Stufe der Anhaftung stets an die Aktivitäten eines bestimmten Einwohners von Vraja erinnern solle - auch wenn es ihm selbst nicht möglich sei, in Vrajabhūmi zu leben -, denn auf diese Weise könne er ständig an Vrajabhūmi denken.

Unter solchen überzeugten Gottgeweihten gibt es verschiedene Charaktere: Einige sind Diener, andere Freunde, wieder andere Eltern oder Geliebte. Im hingebungsvollen Dienst mit Anhaftung sollte man einem bestimmten Gottgeweihten aus Vrajabhūmi nachfolgen.

Im Śrīmad-Bhāgavatam heißt es im 25. Kapitel des Dritten Cantos: »Nur diejenigen, die damit zufrieden sind, Meine Geweihten zu sein, sind matparas. Sie betrachten Mich als ihre Seele, ihren Freund, ihren Sohn, ihren Meister, ihren Gönner, ihren Gott und ihr höchstes Ziel. Solche Gottgeweihte sind frei vom Einfluß der Zeit. Im Bhakti-rasāmṛta-sindhu erweist der Autor all jenen Menschen seine respektvollen Ehrerbietungen, die immer an Kṛṣṇa denken - entweder als ihren Sohn, Gönner, Bruder, Vater, Freund oder in irgendeiner ähnlichen Beziehung. Jeder, der die Prinzipien des hingebungsvollen Dienens in Anhaftung befolgt und sich einen bestimmten Gottgeweihten aus Vrajabhūmi zum Vorbild nimmt und ihm nachfolgt, erreicht mit Sicherheit die Stufe der höchsten und vollkommensten Liebe zu Gott.

Es gibt zwei Merkmale, an denen man erkennen kann, daß der Gottgeweihte Liebe zu Gott entwickelt hat. Sie heißen »rati«, (Anhaftung) und »bhāva« (der Zustand, der der Liebe zu Gott unmittelbar vorangeht). Gottgeweihte, die diese beiden Merkmale besitzen, können Kṛṣṇa leicht erobern.

Nachdem Śrī Caitanya Sanātana Gosvāmī dies alles erklärt hatte, sagte Er, die Beschreibung des hingebungsvollen Dienens in Anhaftung könne endlos weitergeführt werden, und Er versuche lediglich, einige Beispiele für solche dienende Hingabe zu geben.

Śrī Caitanya beschrieb dann das endgültige Ziel des hingebungsvollen Dienens, das von den Gottgeweihten erreicht wird, die die höchste Vollkommenheit erlangen wollen. Wenn die Anhaftung an Kṛṣṇa sehr stark wird, nennt man diesen Zustand » Liebe zu Gott«. Kṛṣṇadāsa Kavirāja Gosvāmī pries Śrī Caitanya für dessen erhabene Lehre von der Liebe zu Gott und brachte Ihm seine respektvollen Ehrerbietungen dar. Im Caitanya-caritāmṛta heißt es: » O Höchster Persönlicher Gott, keine Deiner anderen Inkarnationen hat jemals solch reine dienende Hingabe an jeden verschenkt! Du großmütigste Inkarnation Gottes, ich erweise Dir, der Du den Namen Gaura Kṛṣṇa trägst, meine respektvollen Ehrerbietungen. «

Im Bhakti-rasāmṛta-sindhu vergleicht Śrīla Rūpa Gosvāmī den Zustand der Liebe zu Gott mit dem Sonnenschein, der von der Sonne der Liebe zu Gott ausgeht, und dieser »Sonnenschein« erfüllt das Herz des Gottgeweihten mit immer größerer Liebe. Ein solcher Gottgeweihter ist im Herzen transzendental zu den Erscheinungsweisen der materiellen Natur - sogar zu der der Reinheit. Der Vorgang, durch den das Herz durch den Sonnenschein der Liebe mehr und mehr gereinigt wird, ist als bhāva bekannt. Bhāva ist die bleibende Eigenschaft des Gottgeweihten, und den entscheidenden Punkt für den Fortschritt in bhāva nennt man »das Anfangsstadium der Liebe zu Gott«. Wenn sich das bhāva-Stadium mehr und mehr vertieft, nennen die erfahrenen Gottgeweihten diesen Zustand »Liebe zu Gott«. Im Nārada-pañcarātra heißt es dazu: »Wenn man fest davon überzeugt ist, daß Viṣṇu die einzige Person ist, der alle Liebe und Verehrung gebührt, und daß man niemanden sonst lieben und verehren sollte - auch keinen Halbgott - so bedeutet dies, daß man in seiner Liebe eine enge Verbindung mit Gott erfährt. Dies wird von solch großen Persönlichkeiten wie Bhīṣma, Prahlāda, Uddhava und Nārada bestätigt.«

Wenn jemand aufgrund seiner rechtschaffenen Handlungen, die gewöhnlich die Neigung zum hingebungsvollen Dienen hervorrufen, bei reinen Gottgeweihten Zuflucht sucht, entwickelt er schon nach kurzer Zeit eine Neigung zum Chanten und Hören von Kṛṣṇas Namen. Je mehr und je reiner der Neuling chantet und hört, desto mehr Fortschritte macht er im regulierten hingebungsvollen Dienen für den Höchsten Herrn, und in dem Maße, wie er im regulierten Dienst für den Höchsten Herrn Fortschritte macht, vermindert sich seine Anhaftung an die materielle Welt. Als erstes gewinnt er Vertrauen, das sich immer mehr verstärkt, je mehr er von Kṛṣṇa hört und chantet. Dieses Vertrauen entwickelt sich allmählich zum Geschmack am Kṛṣṇa-Bewußtsein und wird schließlich zur Zuneigung. Wenn die Zuneigung reiner wird, treten bhāva und rati auf. Wenn sich dann die rati (Anhaftung) vergrößert, hat man Liebe zu Gott erreicht, das höchste Ziel des menschlichen Lebens.

Diesen Vorgang faßt Śrīla Rūpa Gosvāmī im Bhakti-rasāmṛta-sindhu folgendermaßen zusammen: »Die erste Voraussetzung, um im hingebungsvollen Dienen Fortschritte zu machen, ist Glaube; durch diesen Glauben sucht man die Gesellschaft reiner Gottgeweihter auf, und durch ihre Gemeinschaft entwickelt man hingebungsvolles Dienen. Wenn man auf diese Stufe gelangt, wird man frei von allen Ängsten und Befürchtungen und gewinnt eine feste Überzeugung, aus der sich als nächstes ein Geschmack am Kṛṣṇa-Bewußtsein entwickelt. Schließlich erreicht man die Stufe der Anhaftung, d. h. die Stufe der regulierenden Prinzipien im hingebungsvollen Dienen, und wenn man weitere Fortschritte macht, kommt man zur Stufe der bhāva, der beständigen Liebe. Diese Liebe zu Gott kann noch weiter entwickelt und, wenn sie tief genug ist, sogar zur höchsten Stufe der Liebe zu Gott werden. Im Sanskrit wird diese höchste Stufe »prema« genannt. Das Wort »prema« kann man mit »reine Liebe zu Gott« übersetzen, denn der Gottgeweihte erwartet für diese Liebe nichts zurück. Eigentlich ist das Wort »Liebe« für »prema« nicht so recht zutreffend, denn was wir im allgemeinen unter Liebe verstehen, ist nichts weiter als Lust; prema hingegen ist völlig rein und transzendental, d. h. frei von persönlichen Motiven. Wer die Stufe der prema erreicht hat, ist auf der höchsten Stufe der Vollkommenheit angelangt. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird diese Feststellung im 25. Kapitel des Dritten Cantos wie folgt bestätigt: »Nur durch die Gemeinschaft mit reinen Gottgeweihten kann man Geschmack am Kṛṣṇa-Bewußtsein entwickeln, und wenn man dann versucht, in jeder Sekunde Kṛṣṇa-bewußt zu handeln, wird man sehr leicht die Stufen der bhāva und prema erreichen.«

Als nächstes beschrieb Śrī Caitanya die Symptome eines Menschen, der vom bloßen Glauben zur Stufe der bhāva fortgeschritten ist. Er weist folgende Merkmale auf: Er ist niemals erregt, selbst dann nicht, wenn ein Grund dazu besteht. Er verschwendet nicht einmal einen Augenblick seiner Zeit. Er ist stets bestrebt, etwas für Kṛṣṇa zu tun, und wenn er einmal keine Beschäftigung hat, sucht er sich selbst eine Tätigkeit, mit der er den Herrn erfreuen kann. Er lehnt alles ab, was nicht in Beziehung zu Kṛṣṇa steht und erwartet keinen Respekt für sich selbst. Obwohl er sich auf einer sehr hohen Stufe der Verwirklichung befindet, verlangt er niemals danach, von anderen geehrt zu werden. Er ist davon überzeugt, daß er seine Aufgabe erfüllen kann. Er denkt niemals, er mache keinen Fortschritt oder werde das höchste Ziel des Lebens nicht erreichen, nämlich zurück zu Gott, zurück nach Hause zu gehen. Im Gegenteil, er ist fest davon überzeugt, daß er Fortschritte in dieser Richtung macht. Und somit bemüht er sich mit immer größerem Vertrauen, das höchste Ziel des Lebens zu erreichen. Stets ist er eifrig bestrebt, den Herrn zu erfreuen, und von Seiner Herrlichkeit zu hören und zu chanten. Es ist ihm immer eine Freude, die transzendentalen Eigenschaften des Herrn zu beschreiben. Er möchte an Orten wie Mathurā, Vṛndāvana oder Dvārakā leben. All diese Symptome treten bei einem Menschen auf, der die Stufe der bhāva erreicht hat.

Diese Stufe der bhāva wird auch im Śrīmad-Bhāgavatam beschrieben. Als nämlich Mahārāja Parīkṣit, der von einem Brahmanenknaben dazu verwünscht worden war, innerhalb von sieben Tagen an einem Schlangenbiß zu sterben, am Ufer des Ganges saß und auf den Tod wartete, sagte er: »All ihr anwesenden brāhmaṇas und auch Du, Mutter Ganges, sollt wissen, daß ich eine Kṛṣṇa völlig hingegebene Seele bin. Ich hätte nichts dagegen, sofort von der Schlange gebissen zu werden, die der Brahmanenknabe mir geschickt hat; doch ich habe noch einen Wunsch: Bitte fahrt fort, Kṛṣṇas transzendentale Spiele zu preisen.« Solch ein Gottgeweihter ist immer darauf bedacht, seine Zeit nicht mit etwas zu verschwenden, was nicht mit Kṛṣṇa verbunden ist. Er hegt deshalb keine Wünsche, die sich auf fruchtbringende Tätigkeiten, yoga-Meditation oder das Ansammeln von Wissen richten. Er möchte nur über etwas sprechen oder hören, was in Beziehung zu Kṛṣṇa steht. Solche reinen Gottgeweihten beten ständig mit Tränen in den Augen zum Höchsten Herrn und sind stets bemüht, sich an die transzendentalen Spiele des Herrn zu erinnern, während sie Ihm ihre Ehrerbietungen darbringen. Nur so können sie zufrieden sein. Jeder Gottgeweihte, der sich auf diese Weise im hingebungsvollen Dienen beschäftigt, weiht sein Leben und seinen Körper dem Herrn.

König Bharata, ein reiner Gottgeweihter, nach dem Indien einstmals Bhāratavarṣa genannt wurde, verließ schon in jungen Jahren seine Familie und sein Königreich als verlasse er Kot. Dies sind die Symptome eines Menschen, der bhāva entwickelt hat. Er sieht sich selbst als den nichtswürdigsten aller Menschen an, und seine einzige Freude liegt in der Hoffnung, daß Kṛṣṇa eines Tages so gütig sein wird, ihn in Seinem transzendentalen Dienst zu beschäftigen. Im Padma Purāṇa findet man die Geschichte eines Königs, der, obwohl er als der Beste unter den Menschen galt, bettelnd von Tür zu Tür ging und selbst die Niedrigsten der menschlichen Gesellschaft, die caṇḍālas (Hunde-Esser), anflehte, Kṛṣṇa-bewußt zu werden.

Śrī Sanātana Gosvāmī verfaßte später folgenden Vers: »Ich habe nur wenig Liebe zu Gott, und an mir ist nichts, das mich würdig macht, über hingebungsvolles Dienen zu hören. Auch besitze ich kein Verständnis von der Wissenschaft der dienenden Hingabe, noch verfüge ich überhaupt über irgendwelches Wissen. Weder habe ich in der Vergangenheit rechtschaffen gelebt noch bin ich in einer hohen Familie geboren. Aber, o Liebling der Mädchen von Vraja, ich gebe dennoch nicht die Hoffnung auf, Dich zu erreichen, und diese Hoffnung macht mich ganz verwirrt.« Ein solcher Gottgeweihter wird von einem derartig starken Verlangen tief bewegt und chantet daher ständig »Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare - Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare.«

In diesem Zusammenhang gibt es einen schönen Vers von Śrīla Bilvamaṅgala Ṭhākura, der im Kṛṣṇa-karṇāmṛta sagt: »O Kṛṣṇa, das Spiel Deiner Flöte klingt so lieblich, und die Schönheit Deiner Kindheitsspiele ist einzigartig in dieser Welt. Du weißt, wonach mein Geist begehrt, und auch ich kenne Dich gut. Niemand sonst weiß, wie vertraut unsere Beziehung ist. Meine Augen sehnen sich danach, Dich und Dein Lächeln zu sehen, aber sie vermögen es nicht. Bitte, sage mir, was ich tun soll.« Im Bhakti-rasāmṛta-sindhu von Śrīla Rūpa Gosvāmī kann man einen ähnlichen Vers finden: »O Govinda! Dieses junge Mädchen hat Tränen in den Augen, und während sie leise vor sich hin weint, singt sie mit süßer Stimme von Deiner Herrlichkeit.« Solche reinen Gottgeweihten möchten ständig Kṛṣṇas glorreiche Taten preisen und an einem Ort leben, wo Kṛṣṇa Seine transzendentalen Spiele offenbarte.

Ein ähnlicher Vers begegnet uns auch im Kṛṣṇa-karṇāmṛta: »Der Körper Kṛṣṇas ist so anmutig und Sein Antlitz so schön - alles an Ihm ist voller Liebreiz und Duft.« Und im Bhakti-rasāmṛta-sindhu heißt es: »O Lotosäugiger, wann werde ich endlich Deinen heiligen Namen ohne Unterlaß chanten und in Ekstase am Ufer der Yamunā tanzen?«

Alle oben angeführten Beschreibungen, die Śrī Caitanya Sanātana Gosvāmī vortrug, schildern Symptome der bhāva-Stufe.

Als nächstes beschrieb der Herr die Symptome, die bei einem Gottgeweihten sichtbar werden, der wirkliche Liebe zu Kṛṣṇa erlangt hat. Er sagte: »Niemand kann einen Menschen begreifen, der Liebe zu Kṛṣṇa entwickelt hat, denn weder seine Worte noch seine Handlungen, noch seine Symptome sind normal. Selbst wenn man sehr gebildet ist, wird es einem äußerst schwerfallen, einen reinen Gottgeweihten im Stadium der Liebe zu Gott zu verstehen. « Dies wird auch im Bhakti-rasāmṛta-sindhu bestätigt.

Einem reinen Gottgeweihten stockt das Herz, wenn er vom Ruhm des Höchsten Herrn singt. Weil er Kṛṣṇa so sehr liebt, zeigt er die Symptome eines Geistesgestörten, wenn er Seinen Namen, Seinen Ruhm oder Seine Spiele preist, und in solchem Zustand lacht er manchmal oder weint oder tanzt, ohne sich im geringsten um seine Umgebung zu kümmern. Und wenn dann seine Liebe zu Gott noch mehr zunimmt, steigern sich auch seine Zuneigung, seine Gefühle und seine Ekstase, bis hin zur mahābhāva oder prema, der höchsten Stufe der hingebungsvollen Liebe. Die Liebe zu Gott kann mit einer Zuckerlösung verglichen werden, die durch den Entzug von Wasser immer konzentrierter wird, bis der Zucker schließlich zu Kandis wird. In diesen verschiedenen Stadien wird der Zucker von Mal zu Mal schmackhafter. Ähnlich erfährt auch ein wirklicher Gottgeweihter in der Liebe zu Gott eine immer größere transzendentale Freude, bis er letzten Endes die höchste Stufe erlangt.

14. KAPITEL

Caitanya

Die Ekstase des Herrn und Seiner Geweihten

Manchmal versuchen Nicht-Gottgeweihte die ekstatischen Symptome der reinen Gottgeweihten nachzuahmen. Eine nähere Erläuterung hierzu findet man im Bhakti-rasāmṛta-sindhu. Menschen, die mit der Wissenschaft des hingebungsvollen Dienens nicht so vertraut sind, lassen sich durch die Zurschaustellung solcher Symptome vielleicht beeindrucken, doch wer die Wissenschaft der dienenden Hingabe kennt, kann solche Symptome nicht als echt gelten lassen. Hierin sind sich alle erfahrenen Gottgeweihten einig.

Nach den verschiedenen Arten und Klassen der Gottgeweihten werden die Beziehungen im hingebungsvollen Dienen in fünf Kategorien unterteilt: 1. die neutrale Beziehung, 2. die Beziehung als Diener, 3. die Beziehung als Freund, 4. die Beziehung als Vater, Mutter, Verwandter oder Lehrer und 5. die Beziehung als Geliebte. In jedem der verschiedenen Aspekte der Liebe zu Gott gibt es einen unterschiedlichen Geschmack und Genuß, doch der Gottgeweihte ist mit der jeweiligen Art der dienenden Hingabe, die er besitzt, zufrieden. Die charakteristischen Symptome eines reinen Gottgeweihten sind Lachen und Weinen; wenn die Gefühlsregung erfreulich ist, lacht er, und wenn die Gefühlsregung unerfreulich ist, weint er.

Über diesen beiden Gefühlsregungen liegt der unveränderliche Zustand der Liebe, sthāyi-bhāva genannt. Diese beständige liebende Haltung vermischt sich manchmal mit verschiedenen Empfindungen, die man vibhāva, anubhāva und vyabhicārī nennt. Vibhāva ist eine besondere Art der Zuneigung zu Kṛṣṇa und läßt sich in zwei weitere Kategorien unterteilen, nämlich ālambana und uddīpana. Im Agni Purāṇa und in anderen maßgeblichen Schriften wird gesagt, daß vibhāva die Ursache für das Anwachsen der Liebe zu Kṛṣṇa ist. Diese Liebe steigert sich schließlich zu ālambana. Die hingebungsvolle Gefühlsregung, die in den Gottgeweihten durch Kṛṣṇas transzendentale Eigenschaften, Seine unvergleichlichen Taten, Sein wunderschönes lächelndes Gesicht, den Wohlgeruch Seines Körpers, den Klang Seiner Flöte, den Ton Seines Muschelhorns, die Linien auf Seinen Fußsohlen, Sein Reich, und durch andere Einzigartigkeiten des hingebungsvollen Dienstes wie Gottgeweihte, bestimmte Feierlichkeiten, tulasī-Blätter und Ekādaṣī hervorgerufen wird, bezeichnet man als ālambana und uddīpana. Wenn sich im Innern des Geweihten ekstatische Gefühle und Emotionen regen, nennt man dies anubhāva. Im Gemütszustand der anubhāva tanzt der Gottgeweihte oder fällt zu Boden, singt laut oder verfällt in Zuckungen, und manchmal verspürt er auch eine starke Sehnsucht nach Kṛṣṇa und seufzt oder atmet schwer - all diese Ekstasen manifestiert er, ohne dabei Rücksicht auf die jeweiligen äußeren Umstände zu nehmen. Diese äußerlichen Symptome, die im Körper des Gottgeweihten auftreten, nennt man udbhāṣvara. Außerdem gibt es 33 vyabhicārī-Symptome. Bei diesen Symptomen handelt es sich hauptsächlich um Worte und verschiedene körperliche Erscheinungen. Wenn sich die körperlichen Merkmale wie Tanzen, Zittern oder Lachen mit den vyabhicārī-Symptomen vermischen, nennt man sie saṁcārī. Wenn sich die bhāva-, anubhāva- und vyabhicārī-Symptome miteinander vermischen, tauchen sie den Gottgeweihten in den Ozean der Unsterblichkeit, den Bhakti-rasāmṛta-sindhu, den Ozean des reinen Nektars der dienenden Hingabe, und wer in diesen Ozean versunken ist, erfährt in seinen brausenden, nektarnen Wogen ständig transzendentale Freude.

Die verschiedenen rasas oder Beziehungen der Gottgeweihten, die in diesen Ozean des bhakti-rasāmṛta tauchen, sind, wie schon einmal erklärt, Neutralität, Dienstwilligkeit, Freundschaft, Elternschaft und vertraute Liebe. Der rasa der innigen Liebe, mit solchen Merkmalen wie den Wunsch, sich schön zu kleiden und zurechtzumachen, um für Kṛṣṇa anziehend zu sein, übertrifft alle anderen rasas. Der rasa des Dienstes steigert sich bis zur Zuneigung, zum Zorn, zur Freundschaft und Anhaftung; der rasa der Freundschaft steigert sich bis zur Zuneigung, zum Zorn, zur Freundschaft, Anhaftung und Hingabe, und beim rasa der elterlichen Liebe steigert sich die Anhaftung bis zur Zuneigung, zum Zorn, zur Freundschaft und zur Hingabe. Besondere rasas der Freundschaft mit dem Höchsten Herrn zeigen sich z. B. bei Kṛṣṇas Freunden wie Subala. Ihre Hingabe steigert sich bis zur bhāva.

Die verschiedenen rasas teilen sich in zwei Arten der Ekstase, und zwar in yoga und viyoga, d. h. in Zusammenkommen und Trennung. In den rasas der Freundschaft und der Elternschaft gibt es viele verschiedene Arten dieser Gefühle.

Im rasa der vertrauten Liebe gibt es zwei Arten von Empfindungen, die »rudha« und »adhirudha« genannt werden. Die Liebe der Königinnen von Dvārakā nennt man »rudha«, und die Liebe der Mädchen von Vraja »adhirudha«. Die höchste Vollkommenheit der adhirudha-Zuneigung in der vertrauten Liebe hat zwei Aspekte. Das Zusammenkommen der Liebenden bezeichnet man als »madana«; werden sie voneinander getrennt, so wird dies »mohana« genannt. In der Ekstase der madana küssen sich die Liebenden, und in der Ekstase der mohana treten die Symptome der udghurna und citrajalpa auf. Auf der citrajalpa-Ebene gibt es insgesamt zehn Unterteilungen. Im Śrīmad-Bhāgavatam gibt es einen Teil, der als Bhramorgītā bekannt ist, und dort werden die verschiedenen Arten der citrajalpa näher beschrieben. Udgahurna ist ein Symptom der Trennung. Ein anderes Symptom, das ein Gottgeweihter in Trennung von Kṛṣṇa zeigt, ist transzendentales Irresein; in dieser Phase glaubt der Geweihte, selbst der Höchste Persönliche Gott zu sein, und ahmt Kṛṣṇa deshalb auf verschiedene Weise nach.

Im liebenden Beisammensein werden zwei Bekleidungsarten getragen, nämlich sambhoga und vipralambha. Im Gegensatz zur vipralambha-Ebene, auf der die Gottgeweihten vier Arten der Kleidung tragen, kann die Bekleidung auf der sambhoga-Ebene nach Belieben ausgesucht werden.

Die Ekstase, die sich vor dem Zusammentreffen in den Liebenden bemerkbar macht, ihre Verzückung, wenn sie zusammenkommen, und ihren Gemütszustand, wenn sie sich nicht getroffen haben, nennt man vipralambha. Diese vipralambha, die auch »das erwartungsvolle Vorstadium der Liebe« genannt wird, dient als nährendes Element für das spätere Zusammentreffen. Wenn der Liebende und die Geliebte sich dann schließlich treffen, einander umarmen und höchste ekstatische Glückseligkeit verspüren, nennt man diesen Gemütszustand »sambhoga«. In unterschiedlichen Situationen ist diese sambhoga-Ekstase auch als 1. saṁkṣipta, 2. saṁkirṇa, 3. saṁpanna und 4. saṁriddhiman bekannt. Diese Symptome treten zuweilen auch in Träumen auf.

Der Zustand vor der eigentlichen Begegnung heißt »purvarāga«. Die Hindernisse, die der Begegnung des Liebenden und der Geliebten im Wege stehen, werden »mana (Zorn)« genannt. Wenn die Liebenden voneinander getrennt sind, nennt man ihr Gefühl »pravāṣa«. Und die Gefühle der Trennung, die unter bestimmten Umständen selbst während des Zusammenseins vorhanden sein können, nennt man »Liebesängste«. Diese Liebesangst wird im Śrīmad-Bhāgavatam im 90. Kapitel des Zehnten Cantos beschrieben: »Die Prinzessinnen blieben nachts wach, um Kṛṣṇa beim Schlafen zu beobachten, denn sie fürchteten, schon bald wieder von Ihm getrennt zu werden. Dabei erzählten sie sich gegenseitig, wie sehr sie von Kṛṣṇas schönen Augen und Seinem Lächeln bezaubert waren.«

Kṛṣṇa in Vṛndāvana ist der höchste Liebhaber, und Rādhārāṇī ist Seine höchste Geliebte. Da Kṛṣṇa der höchste Liebende ist, besitzt Er 64 Haupteigenschaften, die dem Gottgeweihten, der von ihnen hört, transzendentale Freude bereiten. Die Merkmale Kṛṣṇas werden im Bhakti-rasāmṛta-sindhu folgendermaßen beschrieben:

1. Er besitzt einen wohlgeformten Körper; 2. Sein Körper ist über und über mit glückverheißenden Malen bedeckt; 3. Er ist unbeschreiblich schön; 4. Er ist strahlend; 5. Er ist stark; Er ist immer jugendlich, wie ein sechzehnjähriger Knabe; 7. Er spricht alle Sprachen fließend; 8. Er ist wahrhaftig; 9. Er ist anziehend durch liebliche Worte; 10. Er ist von scharfsinniger Beredsamkeit; 11. Er ist sehr gelehrt; 12. Er ist hochintelligent; 13. Er ist ein Genie; 14. Er ist künstlerisch; 15. Er ist findig; 16. Er ist äußerst geschickt; 17. Er ist dankbar; 18. Er ist fest entschlossen; 19. Er ist in der Beurteilung von Zeit und Umständen erfahren; 20. Er ist ein Kenner der Veden; 21. Er ist rein; 22. Er ist selbstbeherrscht; 23. Er ist beständig; 24. Er ist geduldig; 25. Er ist nachsichtig; 26. Er ist ernsthaft; Er ist in Sich Selbst zufrieden; 28. Er ist ausgeglichen; 29. Er ist großmütig; 30. Er ist religiös; 31. Er ist heldenhaft; 32. Er ist mitfühlend; 33. Er ist respektvoll; 34. Er ist sanft; 35. Er ist weitherzig; 36. Er ist scheu; 37. Er ist der Beschützer der Ihm hingegebenen Seelen; 38. Er ist immer glücklich; 39. Er ist der wohlmeinende Freund Seiner Geweihten; 40. Er ist durch Liebe zu erobern; 41. Er ist ganz und gar glückverheißend; 42. Er ist unvorstellbar mächtig; 43. Er ist hochberühmt; 44. Er ist beliebt; 45. Er ist den Gottgeweihten besonders zugeneigt; 46. Er ist für alle Frauen sehr anziehend; 47. Ihm gebührt alle Verehrung; 48. Er ist die Quelle aller transzendentalen Füllen; 49. Er ist der Höchste und 50. Er ist der Höchste Kontrollierende.

Diese 50 Eigenschaften sind teilweise auch in den Lebewesen zu finden. Wenn ein Mensch seine spirituelle Identität wiedererweckt hat und sich in seiner ursprünglichen Position befindet, können sich bei ihm noch im gleichen Leben alle 50 Eigenschaften manifestieren - doch nur in winzigem Ausmaß. Darüber hinaus besitzt Kṛṣṇa noch fünf weitere transzendentale Eigenschaften, die alle in Viṣṇu, dem Höchsten Herrn, und teilweise auch in Śiva zu finden sind, - jedoch nicht in den Lebewesen: 1. Er befindet Sich immer in Seinem ursprünglichen Zustand; 2. Er ist allwissend; 3. Er ist stets frisch; 4. Er ist ewiglich voller Glückseligkeit und 5. Er besitzt alle mystischen Vollkommenheiten.

Neben den obengenannten fünf transzendentalen Eigenschaften gibt es noch fünf weitere Eigenschaften, die Kṛṣṇa, insbesondere auf den Vaikuṇṭha-Planeten, in der spirituellen Welt entfaltet, wo Er als vierarmiger Nārāyaṇa residiert:

1. Er besitzt unermeßliche Kräfte; 2. aus ihm gehen unzählige Universen hervor; 3. Er ist der ursprüngliche Quell aller Inkarnationen; 4. Er gewährt denen, die Er tötet, Befreiung und 5. Er ist überaus anziehend für alle befreiten Seelen.

Die bisher erwähnten 60 Eigenschaften sind auch in einigen Inkarnationen Gottes sichtbar, doch darüber hinaus hat Kṛṣṇa Selbst noch vier weitere ganz besondere Eigenschaften, die Er mit niemandem teilt:

1. Er offenbart wunderbare transzendentale Spiele; 2. Sein transzendentales Flötenspiel zieht jedes Lebewesen an; 3. Er ist ewig jung, und 4. Er ist von einzigartiger Schönheit.

Śrīmatī Rādhārāṇī, die ewige Gefährtin Śrī Kṛṣṇas, besitzt 25 transzendentale Eigenschaften, mit denen Sie sogar Kṛṣṇa beherrschen kann:

1. Sie ist der Inbegriff der Lieblichkeit; 2. Sie ist ein frisches junges Mädchen; 3. Ihre Augen sind stets in Bewegung; 4. Sie hat immer ein strahlendes Lächeln auf den Lippen; 5. Ihr Körper ist mit allen Glückslinien gezeichnet; 6. selbst Kṛṣṇa wird von dem Duft Ihres Körpers erregt; 7. Sie beherrscht die Kunst, wunderschön zu singen; 8. Sie kann sehr lieblich und betörend reden; 9. Sie weiß Ihre weiblichen Reize zur Geltung zu bringen; 10. Sie ist bescheiden; 11. Sie ist sanft; 12. Sie ist immer barmherzig; 13. Sie ist sehr listig; 14. Sie weiß sich schön zu kleiden; 15. Sie ist immer scheu; 16. Sie ist stets respektvoll; 17. Sie ist stets geduldig; 18. Sie ist sehr ernsthaft; 19. Sie ist zu Kṛṣṇas Freude bestimmt; 20. Sie befindet sich auf der höchsten Stufe der Hingabe; 21. Sie kann allen Gottgeweihten Zuflucht gewähren; 22. Sie ist Höher- und Tieferstehenden gegenüber stets voller Zuneigung; 23. Sie fühlt Sich Ihren Gefährtinnen stets zu Dank verpflichtet; 24. Sie ist die beste von Kṛṣṇas Freundinnen, und 25. Sie beherrscht Kṛṣṇa durch Ihre Liebe.

Kṛṣṇa und Rādhārāṇī besitzen also beide transzendentale Eigenschaften und fühlen Sich deshalb zueinander hingezogen. Und doch ist Rādhārāṇī Kṛṣṇa an transzendentaler Anziehungskraft überlegen. Diese Anziehungskraft Rādhārāṇīs ist das Element, das die vertraute Liebesbeziehung zwischen Ihr und Kṛṣṇa so köstlich macht. Aber auch in den rasas der Diener, der Freunde und der Eltern gibt es transzendentale Genüsse, und sie werden im Bhakti-rasāmṛta-sindhu wie folgt beschrieben: »Menschen, die durch hingebungsvolles Dienen völlig geläutert worden und daher stets freudvoll sind, die ein erhöhtes Bewußtsein haben, die sich sehr zum Studium des Śrīmad-Bhāgavatam hingezogen fühlen, die immer glücklich sind, wenn sie mit Gottgeweihten zusammensein dürfen, die die Lotosfüße Kṛṣṇas zum Ziel ihres Lebens gemacht haben, und denen es große Freude bereitet, dem Höchsten Herrn mit Liebe und Hingabe zu dienen - solche Menschen tragen in ihren reinen Herzen die transzendentale Ekstase der Anhaftung an Kṛṣṇa.« Wenn dieser Zustand durch Liebe zu Kṛṣṇa und transzendentale Erfahrungen bereichert wird, entwickelt er sich allmählich zur reifen Stufe des spirituellen Lebens. Dieser spirituelle Geschmack kann jedoch niemals von Menschen gekostet werden, denen es an Kṛṣṇa-Bewußtsein und damit an dienender Hingabe mangelt.

Dies wird ebenfalls im Bhakti-rasāmṛta-sindhu bestätigt, wo es heißt: »Es ist für den Nicht-Gottgeweihten sehr schwierig, den Wohlgeschmack des hingebungsvollen Dienens zu kosten.

Nur, wer bedingungslos Zuflucht bei den Lotosfüßen Kṛṣṇas gesucht und sein Leben in den Ozean des hingebungsvollen Dienens getaucht hat, kann diesen transzendentalen Genuß erfahren.«

Śrī Caitanya erläuterte somit kurz die transzendentale Stufe und den spirituellen Lebensgenuß, die sich, wie Er sagte, auf der fünften Stufe der Vervollkommnung befinden. Die erste Stufe der Vervollkommnung besteht darin, das zu werden, was man im allgemeinen unter einem religiösen Menschen versteht. Die zweite Stufe ist materieller Reichtum, die dritte Sinnengenuß und die vierte das Streben nach Befreiung. Wer jedoch die fünfte Stufe der Vervollkommnung erreicht hat, befindet sich auf der befreiten Stufe, die auch als Kṛṣṇa-Bewußtsein oder hingebungsvolles Dienen bekannt ist. Die höchste Vollkommenheit solcher dienenden Hingabe im Kṛṣṇa-Bewußtsein bildet die Ekstase, die erfahren wird, wenn man den spirituellen Genuß kostet.

Der Herr berichtete Sanātana Gosvāmī anschließend von Seiner Begegnung mit dessen jüngeren Bruder Rūpa Gosvāmī in Prāyāga und erwähnte dabei auch, daß Er Rūpa Gosvāmī unterwiesen und dazu ermächtigt habe, dieses Wissen zu verkünden. Daraufhin gab Er auch Sanātana Gosvāmī den Auftrag, Bücher über das transzendentale gottgeweihte Dienen zu schreiben und ermächtigte ihn zugleich, die verschiedenen Orte im Bezirk von Mathurā wieder ausfindig zu machen, an denen Kṛṣṇa vor 5000 Jahren Seine Spiele offenbarte. Sanātana wurde außerdem angewiesen, in Vṛndāvana Tempel zu errichten und Bücher über die von Śrī Caitanya Mahāprabhu autorisierten Prinzipien der Vaiṣṇava-Philosophie zu schreiben. Sanātana Gosvāmī erfüllte im Laufe der Zeit all diese Wünsche des Herrn, indem Er in Vṛndāvana den Madana-mohana-Tempel errichtete, und Bücher wie den Hari-bhakti- vilāsa über die Prinzipien der dienenden Hingabe schrieb. Śrī Caitanya lehrte Sanātana Gosvāmī weiterhin, wie man schon in der materiellen Welt in völliger Verbundenheit mit Kṛṣṇa leben kann, und wies ihn darauf hin, daß es wenig Sinn habe, trockene Entsagung zu üben. Er sagte dies, weil Er wußte, daß es gerade in der heutigen Zeit viele Menschen geben würde, die in die Lebensstufe der Entsagung (sannyāsa) eintreten würden, ohne im spirituellen Leben fortgeschritten zu sein. Śrī Caitanya wollte mit dieser Anweisung Sein Mißfallen über die sogenannten sannyāsīs ausdrücken, die nicht das geringste vom Kṛṣṇa-Bewußtsein wissen. Tatsächlich treten heute immer häufiger sogenannte sannyāsīs oder svāmīs auf, die sich schlechter benehmen als gewöhnliche Menschen, aber dennoch behaupten, der Lebensstufe der Entsagung anzugehören. Śrī Caitanya Mahāprabhu mißbilligte solche Heuchler und legte Sanātana Gosvāmī deshalb nahe, in seinen Büchern ausführlich über dieses Thema zu schreiben.

Im Zwölften Kapitel der Bhagavad-gītā wird die Stufe der höchsten Vollkommenheit wie folgt beschrieben: »Ein Gottgeweihter, der kein Lebewesen beneidet, der freundlich, gütig und von aller Anhaftung an materiellen Besitz befreit ist, der sich nicht mit dem Körper identifiziert und in Glück und Leid gleichmütig bleibt, der nachsichtig und stets zufrieden ist und dem Höchsten Herrn fortwährend mit Körper und Geist dient, ist dem Herrn sehr lieb. Solch ein Gottgeweihter fügt keinem Lebewesen ein Leid zu, er wird niemals von materiellem Glück oder Leid berührt und ist nie über etwas Materielles erzürnt oder erfreut. Er ist von niemandem in dieser Welt abhängig. Wer sich dem Höchsten Herrn völlig hingegeben hat, ist geläutert, weise, gerecht, unempfindlich gegenüber Schmerzen und frei von allen materiellen Begehren - solch ein Gottgeweihter ist Śrī Kṛṣṇa ebenfalls sehr lieb.«

Und wer frei ist von materiellem Glück, materiellem Haß, materiellem Klagen und materiellem Streben, wer sich von allen glückverheißenden sowie unglückbringenden Handlungen in der materiellen Welt fernhält und sich ganz im Kṛṣṇa-Bewußtsein hingibt - der ist Śrī Kṛṣṇa sehr lieb. Ein Gottgeweihter, der Freund und Feind gleichgesinnt ist, der durch Wärme und Kälte nicht beeinflußt wird, der an nichts haftet und gleichmütig bleibt, wenn er respektiert oder beleidigt wird, der immer ernst ist, zufrieden in jeder Lebenslage, und keinen festen Wohnort hat und stets im Kṛṣṇa-Bewußtsein verankert ist - der wird von Śrī Kṛṣṇa sehr geliebt.

Selbst wenn man sich nicht auf der oben beschriebenen transzendentalen Ebene befindet, wird man Kṛṣṇa doch bald sehr lieb werden, wenn und sobald man ein solches transzendentales Leben gutheißt und bemüht ist, ebenfalls so zu leben.

Im Śrīmad-Bhāgavatam findet man im 2. Kapitel des zweiten Cantos einen sehr schönen Vers, in dem gesagt wird, daß der Gottgeweihte immer auf der Gnade des Höchsten Herrn vertrauen soll. Was materielle Bedürfnisse anbelangt, so soll er mit dem zufrieden sein, was er ohne unnötigen Aufwand erhält. Als Śukadeva Gosvāmī dem König Parīkṣit das Bhāgavatam erzählte, wies er ihn darauf hin, daß ein Gottgeweihter niemals einen materialistischen Menschen um Hilfe bitten solle. Vielmehr solle er sich mit einem alten, fortgeworfenen Tuch bekleiden, die Früchte der Bäume essen, das Wasser der Flüsse trinken und in einer Höhle in den Bergen leben. Wenn er nicht imstande sei, all diese Regeln zu befolgen, solle er zumindest erkennen, daß er vollständig vom Höchsten Herrn abhängig sei und verstehen, daß der Höchste Herr bereits jeden mit Nahrung und Obdach versorge, und es deshalb auch nicht versäumen werde, für Seinen Geweihten zu sorgen, der sich Ihm ganz und gar hingegeben habe. In beiden dieser Fälle werde der Gottgeweihte von Kṛṣṇa beschützt, und brauche sich deshalb nicht im geringsten um seinen Lebensunterhalt zu sorgen.

Sanātana Gosvāmī stellte Śrī Caitanya viele Fragen über die verschiedenen Phasen des hingebungsvollen Dienens, und der Herr beantwortete sie alle, indem er fortwährend sehr vertrauliche Stellen aus den maßgeblichen Schriften wie z. B. dem Śrīmad-Bhāgavatam anführte.

Auf die Frage, wo das transzendentale Reich Śrī Kṛṣṇas liege, zitierte der Herr aus der vedischen Schrift Hari-vaṁṣa, in der die Gebete Indras aufgezeichnet sind, die dieser Śrī Kṛṣṇa darbrachte, nachdem er vergeblich versucht hatte, Śrī Kṛṣṇas unvorstellbare Macht herauszufordern. In diesen Gebeten wird gesagt, daß die Vögel und die Piloten zwar am Himmel fliegen können, daß sie aber außerstande sind, die höheren Planetensysteme zu erreichen. Die ersten höheren Planetensysteme beginnen mit der Sonne. Die Sonne befindet sich in der Mitte des Universums, und über ihr liegen noch andere, höhere Planetensysteme, wo Wesen leben, die durch große Opfer und Bußen dorthin erhoben worden sind.

Das gesamte materielle Universum wird devidhāma genannt. Über devidhāma liegt ṣivadhāma, wo Śiva und Seine Frau Pārvatī seit ewigen Zeiten wohnen. Dieses Planetensystem liegt bereits in der spirituellen Welt, in der es unzählige spirituelle Vaikuṇṭha-Planeten gibt. Doch über allen anderen Planeten einschließlich der Vaikuṇṭhas liegt Kṛṣṇas Planet Goloka. Weil Kṛṣṇa Kühe über alles liebt, heißt Sein Reich »Goloka«, »der Planet der Kühe«. Goloka ist größer als alle materiellen und spirituellen Planeten zusammen.

Indra gesteht in seinen Gebeten ein, daß er Goloka nicht einmal verstehen konnte, nachdem er Brahmā gefragt hatte.

Die Geweihten Nārāyaṇas, einer Erweiterung Kṛṣṇas, gehen nach ihrer Befreiung nur zu den Vaikuṇṭha-Planeten, denn selbst für sie ist es unmöglich, den Goloka-Planeten zu betreten. Dieser höchste Planet kann nur von denen erreicht werden, die sich Śrī Kṛṣṇa oder Śrī Kṛṣṇa Caitanya geweiht haben.

Indra sagte in seinen Gebeten: »Lieber Kṛṣṇa, Du bist von Goloka, Deinem spirituellen Reich, in die materielle Welt herabgestiegen; ich bitte Dich, mir alle Vergehen zu verzeihen, die ich in meiner Torheit beging, da ich Dich für einen gewöhnlichen Menschen hielt.«

Die letzte Phase der Spiele Śrī Kṛṣṇas, d. h. Sein Fortgehen aus der materiellen Welt, wird im Śrīmad-Bhāgavatam als mauṣāla-līlā beschrieben: In diesem transzendentalen Spiel tat Kṛṣṇa, als lasse Er Sich von einem Jäger töten. Es gibt noch viele andere unverständlich erscheinende Begebenheiten in Śrī Kṛṣṇas Spielen, wie z. B. die Inkarnation Seiner Haare, die oft völlig falsch ausgelegt werden, doch Śrī Caitanya gab sie alle in ihrer korrekten Interpretation wieder.

Als Er Seine Unterweisung beendet hatte, war Sanātana Gosvāmī so erleuchtet und erfreut, daß Er Śrī Caitanya zu Füßen fiel und sprach: »Ich wurde in einer niedrigen Familie geboren und war immer mit Menschen übelster Gesinnung zusammen. Doch obwohl ich der sündigste aller Sünder bin, warst Du so gütig, mir Dinge zu enthüllen, von denen nicht einmal Brahmā, das größte Wesen, auch nur das geringste weiß. In Deiner unvorstellbaren Gnade hast Du mir die nötige Intelligenz gegeben, Deine Schlußfolgerungen richtig zu verstehen. Aber leider bin ich so tief gefallen, daß ich nicht einmal einen Tropfen aus dem Ozean Deiner Lehren kosten kann. Wenn du deshalb wünscht, daß ich, der ich nur ein Lahmer bin, tanze - so gib mir bitte Deinen Segen und berühre meinen Kopf mit Deinen Lotosfüßen.«

Er bat den Herrn außerdem, so gütig zu sein, Seine Lehren in seinem Herzen heranreifen zu lassen, denn er selbst fühle sich außerstande, diese Wissenschaft aus eigener Kraft heraus zu verkünden. Aus dieser Bitte geht eindeutig hervor, daß ein ācārya, ein geistiger Meister, von höheren Autoritäten ermächtigt werden muß - Belehrungen allein können niemanden zum guru machen. Wenn man nicht vom geistigen Meister gesegnet wird, können seine Unterweisungen keine Früchte tragen. Man sollte sich deshalb um die Gnade des geistigen Meisters bemühen, denn nur so kann man seine Unterweisungen im Innern verwirklichen.

Nachdem Sanātana Gosvāmī Śrī Caitanya so gebeten hatte, berührte dieser Sanātanas Kopf mit Seinen Lotosfüßen und gab ihm den Segen, daß sich all Seine Unterweisungen vollkommen in ihm entwickeln sollten.

Śrī Caitanya hatte Sanātana die höchste Stufe der Liebe zu Gott erklärt, doch wies Er ihn gleichzeitig darauf hin, daß auch die ausführlichste Beschreibung niemals vollständig sein könne.

Jeder, der diese Unterweisungen Śrī Caitanyas an Sanātana Gosvāmī aufmerksam hört oder liest, wird sehr bald Kṛṣṇa-bewußt werden und die Gelegenheit erhalten, dem Herrn in Hingabe zu dienen.

15. KAPITEL

Caitanya

Die Erklärung des ātmārāma-Verses aus dem Śrīmad-Bhāgavatam

Als nächstes erklärte Śrī Caitanya den berühmten ātmārāma-Vers aus dem Śrīmad-Bhāgavatam (1.7.10):

ātmārāmāṣ ca munayo
nirgranthā apy urukrame
kurvanty ahaitukīṁ bhaktim
ittham-bhūta-guṇo hariḥ

Die allgemeine Bedeutung dieses Verses ist, daß die befreiten Seelen, die völlig in sich selbst zufrieden sind, später einmal Gottgeweihte werden. Dies trifft insbesondere auf die Anhänger der Unpersönlichkeitslehre zu, die keine Kenntnis vom Höchsten Persönlichen Gott haben. Sie versuchen, im unpersönlichen Brahman Zufriedenheit zu finden, doch Kṛṣṇa ist so anziehend und so mächtig, daß Er selbst den Geist solcher Unpersönlichkeitsanhänger an Sich zieht. Das ist die Bedeutung des ātmārāma-Verses.

Diesen Vers hatte Śrī Caitanya bereits dem großen Vedantisten Sārvabhauma Bhaṭṭācārya erklärt, und der Autor des Caitanya-caritāmṛta, den diese Erklärung tief beeindruckte, pries Śrī Caitanya für Sein außergewöhnliches Wissen. Als nun Sanātana Gosvāmī unterwiesen wurde, erinnerte dieser den Herrn an diese Begebenheit und bat Ihn, indem er Ihm zu Füßen fiel, den ātmārāma-Vers noch einmal so zu erläutern, wie Er es zuvor für Sārvabhauma Bhaṭṭācārya getan hatte.

Śrī Caitanya entgegnete jedoch: »Ich verstehe nicht, warum Sārvabhauma Bhaṭṭācārya Meine Auslegung so sehr schätzt; Ich jedenfalls kann Mich nicht einmal mehr an das erinnern, was Ich ihm damals gesagt habe. Doch weil Du Mich darum bittest, will Ich versuchen, dir zu erzählen, woran Ich Mich, inspiriert durch deine Anwesenheit, erinnern kann.« Aus diesen Worten geht deutlich hervor, daß zwischen dem Sprecher und der Zuhörerschaft eine enge Verbindung besteht. Der Sprecher oder der geistige Meister wird durch die Gegenwart der Zuhörerschaft erleuchtet, denn wenn diese aufmerksam zuhört, wird er angespornt, mehr über transzendentale Themen zu sprechen. Deshalb sagte Śrī Caitanya: »Eigentlich weiß Ich gar nicht, wie man Sanskritverse interpretiert, doch weil deine Gegenwart so erleuchtend ist, werde Ich Mein Bestes versuchen. Der ātmārāma-Vers besteht aus elf Worten: 1. ātmārāma, 2. munayaḥ, 3. nirgrantha, 4. api, 5. ca, 6. urukrama, 7. kurvanti, 8. ahaitukīm, 9. bhaktim, 10. ittham-bhūta-guṇaḥ und 11. hariḥ.« Dann begann der Herr, jeden einzelnen Begriff zu erklären:

»Das Wort »ātma« hat folgende Bedeutungen: 1. Höchste Absolute Wahrheit, 2. Körper, 3. Geist, 4. Bemühung, 5. Intelligenz, 6. Überzeugung und 7. Natur. »Rāma« bedeutet »Freude«. Mit »ātmārāmas« sind also diejenigen gemeint, denen es Freude bereitet, Wissen über die obengenannten sieben Punkte zu erwerben.« Der Herr erklärte daraufhin die verschiedenen Arten von ātmārāmas bzw. Transzendentalisten.

Im allgemeinen bedeutet das Wort »muni« »großer Denker«, doch manchmal bezeichnet es auch sehr ernsthafte Menschen, große Weise, große Asketen, große Mystiker oder große Gelehrte.

»Nirgrantha« bedeutet »von der Knechtschaft der Illusion befreit«. Eine weitere, jedoch völlig andere Bedeutung von »nirgrantha« lautet »ein Mensch, der zu den Unterweisungen der Schriften keine Beziehung hat«.

»Grantha« bedeutet »offenbarte Schriften«. Es gibt viele Unterweisungen, die den Menschen in den Schriften gegeben werden, um ihnen zu helfen, Fortschritte im spirituellen Leben zu machen. Die meisten haben jedoch keinerlei Beziehung zu ihnen und werden daher »nirgrantha« genannt.

»Nir« ist eine Vorsilbe, die drei Bedeutungen hat: 1. keine Verbindung, 2. errichten und 3. verbieten. Es gibt viele Menschen, die töricht, von niedriger Herkunft und von schlechtem Betragen sind und deshalb keinen Zugang zu den offenbarten Schriften haben. Deshalb nennt man sie »nirgrantha«. Weil man »grantha« auch im Sinne von »Reichtümer« und »Ansammeln« verwendet, bedeutet »nirgrantha« auch »jemand, der danach strebt, Reichtümer anzusammeln« oder »jemand, der keine Reichtümer besitzt«.

Das Wort »urukrama« bezeichnet eine mächtige Person. »Krama« wird jedoch auch manchmal im Sinne von »Vorwärtsschreiten« verwandt. »Urukrama« nennt man jemanden, der große Schritte tun kann. Den größten Schritt, der jemals gemacht wurde, tat Śrī Vāmanadeva, als Er mit einem einzigen Schritt das gesamte Universum durchmaß; deshalb meint urukrama den Höchsten Herrn, Vāmanadeva. Zu dieser außergewöhnlichen Tat Śrī Vāmanadevas erklärt das Śrīmad-Bhāgavatam: »Niemand kann die unvorstellbaren Fähigkeiten Śrī Viṣṇus ermessen. Selbst wenn die Wissenschaftler die genaue Anzahl der Atome in der materiellen Welt bestimmen könnten, wären sie doch nicht in der Lage, die verschiedenen Energien des Höchsten Herrn zu zählen. Vāmanadeva war so mächtig, daß Er das gesamte Universum, von Brahmaloka bis hinunter zu Patālaloka, mit einem Mal durchschreiten konnte.«

Die unvorstellbaren Energien des Herrn breiten sich über die gesamte Schöpfung aus. Er ist alldurchdringend, und durch Seine Energie hält Er alle Planetensysteme in ihrer Bahn. Mit Seiner Freudenkraft weilt Er in Seinem Reich Goloka Vṛndāvana; durch Expansion Seiner Macht und Fülle beherrscht Er als Nārāyaṇa alle Vaikuṇṭha-Planeten, und durch Seine materielle Energie erschafft Er unzählige Universen mit unzähligen Planeten. Niemand kann die wunderbaren Aktivitäten des Höchsten Herrn ermessen. - Aus diesem Grund wird Er »urukrama« genannt, was soviel bedeutet wie » der Vollbringer wundervoller Taten«.

Im Viṣva-prakāṣa-Wörterbuch wird das Wort »krama« sowohl mit »geschickte Entfaltung von Energien« als auch mit »einen weiten Schritt nach vorn tun« übersetzt.

Das Wort »kurvanti« bedeutet »für andere arbeiten«. Es gibt ein ähnliches Wort, was soviel bedeutet wie »zum eigenen Sinnengenuß handeln«, doch das Wort »kurvanti« wird nur dann verwandt, wenn man eine Tätigkeit meint, die zur Freude des Höchsten Herrn ausgeführt wird. Deshalb kann dieses Wort nur in Beziehung zum transzendentalen Dienst für den Herrn gebraucht werden.

Das Wort »hetu« bedeutet soviel wie »Grund« oder »Ursache«. Im allgemeinen wenden sich die Menschen aus drei Gründen transzendentalen Aktivitäten zu: entweder sie ersehnen materielles Glück, oder sie streben nach mystischen Kräften, oder sie wollen von den Fesseln der Materie befreit werden. Es gibt unzählige Freuden, nach denen der materialistische Mensch streben kann; der yogī kennt acht Vollkommenheiten in mystischen Kräften, und der jñānī* sehnt sich nach Befreiung, die von fünferlei Art ist. Darüber hinaus gibt es jedoch noch eine transzendentale Stufe, »ahaituka« genannt; wer sie erreicht, ist von allen materiellen Verlangen befreit, und wenn er dem Herrn in diesem reinen Bewußtsein dient, kann er Seinen Segen erlangen. Das Wort »bhakti« hat zehn verschiedene Aspekte. Einer der zehn heißt »sādhana-bhakti«, »vorgeschriebenes hingebungsvolles Dienen«; die anderen neun nennt man »prema-bhakti (Liebe zu Gott)«. Auch wer eine neutrale Beziehung zu Kṛṣṇa hat, kann sich bis zur Stufe der Liebe zu Gott erheben. Ähnlich erreichen die Gottgeweihten, die sich in einer dienenden Beziehung befinden, Liebe zu Gott bis zur Stufe der Zuneigung. Wer eine freundschaftliche Beziehung zum Höchsten Herrn hat, erlangt Liebe zu Gott bis hin zur Brüderlichkeit. Wer den Höchsten Herrn als Vater oder Mutter liebt, kann bis zur Stufe der Emotion gelangen; doch nur, wer eine vertraute Liebesbeziehung zu Kṛṣṇa hat, erreicht die höchste Stufe der Ekstase. Dies sind die verschiedenen Bedeutungen des Begriffs »bhakti«.

* Der spekulierende Philosoph

Als nächstes erklärte der Herr die verschiedenen Bedeutungen des Begriffes »ittham-bhūta-guṇaḥ«. »Ittham-bhūta« meint »vollkommen transzendental«, oder anders gesagt, einen Zustand, mit dem verglichen selbst die transzendentale Freude des brahmānanda** wie fader Strohgeschmack anmutet. Im Hari-bhakti-sudhodaya heißt es: »Mein lieber Herr, o Höchster Persönlicher Gott, einfach indem wir Dich verstehen oder Dich sehen, erfahren wir eine solche Freude, daß die Freude des brahmānanda alle Anziehung für uns verliert.« Mit anderen Worten: Die Freude, die man empfindet, wenn man Kṛṣṇa so versteht, wie Er ist - nämlich als den alles-anziehenden Quell aller Freuden und den Ursprung aller freudenspendenden rasas, der alle transzendentalen Eigenschaften in Sich birgt - diese Freude führt einen Menschen dazu, sich Ihm zu weihen, und jemand, der sich zu Kṛṣṇa hingezogen fühlt, kann mit Leichtigkeit alle fruchtbringenden Tätigkeiten, das Streben nach Befreiung und das Verlangen nach Vollkommenheit in der Beherrschung mystischer Kräfte aufgeben. Die Anziehungskraft Kṛṣṇas wird für einen Menschen auf dieser Stufe so intensiv, daß er sich einfach aufgrund dieser Anziehung dem Höchsten Persönlichen Gott hingibt, ohne sich weiter mit einem anderen Weg zur Selbsterkenntnis zu befassen.

** Glücksgefühl, das bei der unpersönlichen Verwirklichung erfahren wird.

»Guṇa« bedeutet »die unbegrenzten transzendentalen Eigenschaften Kṛṣṇas« und bezieht sich vor allem auf Seine sac-cid-ānanda-Form. Kṛṣṇa ist in Seinem transzendentalen, glückseligen Wissen und Seiner ewigen Existenz vollkommen, und indem Er Sich Seinem Geweihten, der alle Gedanken auf Ihn gerichtet hat, unterordnet, zeigt Er einen weiteren Aspekt Seiner Vollkommenheit. Gott ist so gütig und barmherzig, daß Er die Hingabe Seines Geweihten erwidert und Sich ihm ebenfalls hingibt. Seine Eigenschaften sind so vortrefflich, daß die Vollkommenheit Seiner Schönheit, der vollkommene Austausch von Liebe zwischen Ihm und Seinen Geweihten und der Geschmack Seiner transzendentalen Eigenschaften durch die verschiedenartigen Manifestationen dieser Eigenschaften viele Transzendentalisten und befreite Seelen anziehen.

Zum Beispiel zog Er Sanaka-kumāra durch den Duft der Ihm geopferten Blumen zu Sich hin und Śukadeva Gosvāmī durch Seine transzendentalen Spiele; die Mädchen von Vṛndāvana bezauberte Er mit Seiner Schönheit, und die Gedanken Rukmiṇīs lenkte Er durch Seine körperliche Erscheinung und Seine unvergleichlichen Eigenschaften auf Sich. Die Göttin des Glücks fesselte Er durch den Klang Seiner Flöte und durch verschiedene andere Merkmale Seines transzendentalen Wesens. Er wirkt auf alle jungen Mädchen äußerst anziehend. Mit Seinen kindlichen Spielen bezaubert Er die älteren Frauen, und in Seiner Erscheinung als Hirtenjunge zieht Er die Zuneigung Seiner Freunde auf Sich. Als Er in Vṛndāvana weilte, fühlten sich sogar die Tiere und Pflanzen zu Ihm hingezogen. Jeder empfand für Kṛṣṇa große Zuneigung.

Das Wort »Hari« hat verschiedene Bedeutungen, von denen zwei besonders wichtig sind. »Hari« meint einmal, daß Kṛṣṇa alle unheilvollen Dinge aus dem Leben eines Gottgeweihten entfernt, und zum anderen, daß Er Seine Geweihten zu Sich hin zieht, indem Er sie mit transzendentaler Liebe zu Ihm segnet. Kṛṣṇa ist so anziehend, daß jeder, der sich an Ihn erinnert, von den vier materiellen Leiden - Geburt, Alter, Krankheit und Tod - befreit wird. Der Herr kümmert Sich ganz besonders um Seine Geweihten und beschützt sie vor den Folgen ihrer früheren Sünden, die ihren Fortschritt im hingebungsvollen Dienen nur behindern würden. Auf diese Weise bereitet Er dem Einfluß der Unwissenheit ein Ende. Und einfach dadurch, daß der Gottgeweihte über den Höchsten Herrn hört, entwickelt er Liebe zu Ihm. Das ist die besondere Gnade des Herrn. Mit anderen Worten: Hari, Kṛṣṇa, nimmt einerseits alles Schlechte von uns, und gibt uns andererseits alles zum Fortschritt Notwendige.

Wenn ein Mensch Liebe zu Gott entwickelt, wird er durch die Anziehungskraft der transzendentalen Eigenschaften des Herrn mit Körper und Geist zu Ihm hingezogen. Das ist das Zeichen der Barmherzigkeit Kṛṣṇas und zeigt deutlich die Besonderheit Seiner Eigenschaften. Er ist so anziehend, daß Seine Geweihten aus reiner Zuneigung zu Ihm alle Wünsche nach Religiosität, wirtschaftlicher Entwicklung, Sinnenfreude oder Erlösung aufgeben. »Api« und »ca« sind Adverbien, die man praktisch in jedem Zusammenhang gebrauchen kann, und es ergibt sich aus dem Gebrauch von »ca« (und) an dieser Stelle, daß die Gesamtkonstruktion des Verses sieben verschiedene Bedeutungen annehmen kann.

Somit stellte der Herr zunächst die Grundbedeutung der elf Punkte im ātmārāma-Vers heraus. Anschließend begann Er, die Bedeutung jedes einzelnen Punktes näher zu erläutern.

Das Wort »Brahman«, so erklärte Er Sanātana, bedeutet »derjenige, der in jeder Hinsicht der Größte ist«. Er besitzt alle Füllen in Vollkommenheit. Niemand kann Seinen Reichtum übertreffen; niemand kann Seine Stärke übertreffen; niemand kann Seinen Ruhm übertreffen; niemand kann Seine Schönheit übertreffen; niemand kann Sein Wissen übertreffen, und niemand kann Seine Entsagtheit übertreffen. Deshalb bedeutet »Brahman« in Wirklichkeit »der Höchste Persönliche Gott Kṛṣṇa«.

Im Viṣṇu Purāṇa wird die Bedeutung des Wortes »Brahman« näher erklärt: »Er ist der Größte, und als der Größte erweitert Er Sich ständig. Deshalb kann sich niemand vorstellen, wie groß Er tatsächlich ist. Die verschiedenen Transzendentalisten erkennen den Höchsten Persönlichen Gott in drei Aspekten, die im Grunde jedoch eins sind, nämlich als Brahman, Paramātma und Bhagavān.« Die Absolute Wahrheit, die Höchste Person, Kṛṣṇa, ist ewig. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird gesagt, daß Er bereits vor der Manifestation der kosmischen Welt existierte, daß Er während ihres Bestehens existiert, und daß Er auch nach ihrer Vernichtung weiterhin existiert. Deshalb ist Er die Seele allen Seins. Er ist alldurchdringend; Er ist allwissend, und Er ist die Höchste Person.

In den vedischen Schriften werden drei verschiedene transzendentale Vorgänge erwähnt, durch die man die Höchste Absolute Wahrheit verstehen und die höchste Vollkommenheit erreichen kann: 1. der Vorgang des Wissens, 2. der Vorgang des mystischen yoga und 3. der Vorgang des hingebungsvollen Dienens. Die Anhänger dieser verschiedenen Methoden erkennen die Höchste Wahrheit, den Persönlichen Gott am Ende ihrer Verwirklichung in drei Aspekten: Die Transzendentalisten, die dem Vorgang des Wissens folgen, erkennen Ihn als das unpersönliche Brahman; diejenigen, die yoga praktizieren, erkennen Ihn als Paramātma, die lokalisierte Überseele, und diejenigen, die hingebungsvolles Dienen ausführen, erkennen Ihn als Bhagavān, den Höchsten Persönlichen Gott, Śrī Kṛṣṇa. Mit anderen Worten: Obwohl Brahman ebenso wie Paramātma und Bhagavān »Kṛṣṇa« bedeutet, und nichts anderes, erkennen Ihn die verschiedenen Transzendentalisten oder ātmārāmas entsprechend der Methode, die sie praktizieren, in einem der drei obengenannten Aspekte.

Der hingebungsvolle Dienst besteht aus zwei Stufen. Am Anfang steht vidhi-bhakti, d. h. hingebungsvolles Dienen nach regulierenden Prinzipien, und auf der höchsten Stufe steht rāga-bhakti, hingebungsvolles Dienen in reiner Liebe.

Der Höchste Persönliche Gott ist die Absolute Wahrheit und daher in Sich Selbst vollkommen, und dennoch erweitert Er Sich in unzählige Manifestationen. Diejenigen, die den regulierenden Prinzipien des hingebungsvollen Dienstes folgen, erreichen nach ihrer Befreiung die Vaikuṇṭhas in der spirituellen Welt, während jemand, der den Prinzipien des Dienens in Liebe folgt, in das höchste Reich, Kṛṣṇaloka, gelangt.

Die Transzendentalisten lassen sich in weitere drei Gruppen gliedern: 1. akāma, wer keine materiellen Verlangen mehr hegt, 2. mokṣa-kāma, wer nach der Befreiung von den materiellen Leiden strebt, und 3. sarva-kāma, wer sich materielle Genüsse wünscht. Der intelligente Transzendentalist gibt jedoch alle anderen Wege auf, und beschäftigt sich, auch wenn er noch viele Begehren hat, im hingebungsvollen Dienen für den Herrn. Ohne ein wenig dienende Hingabe zu entwickeln, kann niemand Vollkommenheit in irgendeiner der transzendentalen Aktivitäten erreichen, sei es nun im Streben nach materiellem Gewinn, in der Entwicklung von Wissen oder im mystischen yoga.

Außer hingebungsvollem Dienen sind alle transzendentalen Vorgänge wie die Zitzen am Hals einer Ziege. Am Hals einer Ziege hängen zwar Zitzen, die denen einer Kuh ähneln, doch sie geben keine Milch. Wenn man deshalb die höchste Vollkommenheit erreichen will, muß man Kṛṣṇa in Liebe und Hingabe dienen.

In der Bhagavad-gītā wird im 16. Vers des Siebten Kapitels erklärt, daß es vier Arten frommer Menschen gibt, die sich dem hingebungsvollen Dienen zuwenden. Es sind die Notleidenden, die Neugierigen, diejenigen, die nach materiellem Gewinn streben und die jñānīs, die Weisen. Wenn diese Menschen rechtschaffen gelebt haben, kommen sie zum hingebungsvollen Dienen. Die Notleidenden und die nach materiellem Besitz Trachtenden nennt man »Gottgeweihte mit Wünschen«, wohingegen die anderen beiden, die Neugierigen und die Weisen als »Gottgeweihte, die nach Befreiung streben«, bezeichnet werden. Aber weil sie alle Kṛṣṇa verehren, betrachtet man sie als vom Glück gesegnet, denn im Laufe der Zeit werden sie ihre Wünsche aufgeben und zu reinen Gottgeweihten werden.

Derart gesegnete Gottgeweihte, die mit hingebungsvollem Dienen begonnen haben, können in der Gemeinschaft reiner Geweihter Śrī Kṛṣṇas rasch spirituelle Fortschritte machen, denn wenn man mit reinen Gottgeweihten zusammen ist, wird man sehr bald selbst zu einem reinen Gottgeweihten. Dies wird im Śrīmad-Bhāgavatam im Zehnten Kapitel des Ersten Cantos bestätigt, wo es heißt: »Ein wahrhaft kluger Mensch ist bestrebt, in der Gesellschaft reiner Gottgeweihter über Śrī Kṛṣṇa und dessen Taten zu hören.« Diese Aktivitäten des Herrn sind so wunderbar, daß er Seine Gesellschaft nicht wieder aufgibt.

Außer der Gemeinschaft reiner Gottgeweihter ist jede andere Gemeinschaft kaitava (Betrug). Das wird im Ersten Canto des Śrīmad-Bhāgavatam festgestellt, wo unter anderem gesagt wird, daß jedes betrügerische Unterfangen, das für die transzendentale Erkenntnis hinderlich sein könnte, unterlassen werden muß. Mit Hilfe des Śrīmad-Bhāgavatam kann man die Dinge im richtigen Licht sehen, und so wird es einem möglich, die Leiden des materiellen Daseins zu überwinden. Das Śrīmad-Bhāgavatam wurde von Vyāsadeva, dem größten Weisen aller Zeiten, als Ergebnis ausgereifter Erfahrung verfaßt, und deshalb kann man den Höchsten Herrn leicht in seinem Herzen erkennen, wenn man das Śrīmad-Bhāgavatam durch hingebungsvolles Dienen versteht.

Śrī Caitanya erklärte dann, daß projjhitta, der Wunsch nach Befreiung, von einem berühmten Kommentator des Bhāgavatam als das größte Hindernis auf dem Weg zur Verwirklichung des Höchsten Herrn bezeichnet worden sei. Wenn aber jemand trotz aller Hindernisse zu Kṛṣṇa komme und beginne, über Ihn zu hören, zeige Kṛṣṇa Sich dankbar und gewähre ihm in Seiner Güte bei Seinen Lotosfüßen Zuflucht. Solch ein Gottgeweihter oder Transzendentalist vergesse dann alles andere und beschäftige sich voll und ganz im hingebungsvollen Dienen für den Herrn.

Jeder, der sich in dienender Hingabe bzw. im vollen Kṛṣṇa-Bewußtsein dem Herrn zuwendet, wird Ihn mit Sicherheit erreichen. Wenn solch ein Mensch schließlich dem Höchsten Herrn dient, hat er kein Begehren mehr wie etwa der Notleidende und derjenige, der nach materiellem Besitz trachtet. Die Methode des hingebungsvollen Dienens, das Dienen selbst, das Zusammensein mit reinen Gottgeweihten und die grundlose Barmherzigkeit des Herrn - diese Dinge haben eine so wunderbare Wirkung, daß jeder Gottgeweihte, sei er nun eine notleidende Seele, sei er voller Verlangen nach materiellem Besitz, neugierig oder ein Weiser, der Wissen ansammelt, alle bisherigen Tätigkeiten aufgibt und sich voll und gänzlich im Kṛṣṇa-Bewußtsein beschäftigt. Zusammengefaßt bedeutet dies, daß sich künftig jede Bedeutung, die für die Worte des ātmārāma-Verses gebraucht werden kann, einzig auf Kṛṣṇa bezieht.

Bis hierher hatte Śrī Caitanya nur die Einleitung zur Erklärung des ātmārāma-Verses geben, doch dann erklärte Er die eigentliche Bedeutung des Verses: »Es gibt zwei Arten von Transzendentalisten, die den Pfad des Wissens beschreiten. Die einen verehren das unpersönliche Brahman, und die anderen streben nach Befreiung. Die Monisten (die Verehrer des Brahman) teilen sich in drei Gruppen: 1. Neuling, 2. in Gedanken an das Brahman Versunkene und 3. tatsächlich Brahman-Verwirklichte. Der Brahman-Verwirklichte kann jedoch nur dann befreit werden, wenn zu Seiner Verwirklichung hingebungsvolles Dienen hinzukommt.

Jeder, der ganz und gar im hingebungsvollen Dienen für Kṛṣṇa aufgeht, ist bereits eine Brahman-verwirklichte Seele. Der hingebungsvolle Dienst ist so mächtig, daß selbst jemand, der noch das Brahman verehrt, zu Kṛṣṇa hingezogen wird. Wenn er dann die transzendentalen Eigenschaften Śrī Kṛṣṇas mehr und mehr erkennt und von ihnen angezogen wird, wendet er sich mit ganzem Herzen dem hingebungsvollen Dienen zu. Śukadeva Gosvāmī z. B. war vom Beginn seines Lebens an eine befreite Seele. Trotzdem wurde er in seinem späteren Leben von Kṛṣṇas transzendentalen Spielen angezogen und gab sich deshalb Kṛṣṇa hin. Es gibt aber auch Gottgeweihte, die, wie die vier Kumāras, durch die transzendentalen Eigenschaften des Herrn angezogen wurden und auf diese Weise zum hingebungsvollen Dienen kamen. Im Elften Canto des Śrīmad-Bhāgavatam wird erwähnt, daß die berühmten neun Mystiker, die dort genannt werden, von Geburt an Transzendentalisten waren, weil sie von Brahmā, Śiva und Nārada über Kṛṣṇas transzendentale Eigenschaften hörten.

Manchmal wird man schon von Kṛṣṇa und Seinen transzendentalen Eigenschaften fasziniert, wenn man nur die unvergleichliche Schönheit Seines transzendentalen Körpers sieht; man gibt dann das Verlangen nach Befreiung auf und beginnt, dem Herrn in Liebe und Hingabe zu dienen. In diesem Zustand bereut der Gottgeweihte die Zeit, die er damit vertan hat, sogenanntes Wissen anzusammeln, und wird zu einem reinen Gottgeweihten.

Es gibt zwei Arten von Seelen, die bereits im materiellen Körper Befreiung erlangt haben: die Seele, die durch hingebungsvolles Dienen befreit wurde, und die Seele, die durch die Ansammlung von Wissen zur Befreiung gelangte. Der grundlegende Unterschied zwischen ihnen besteht darin, daß die durch dienende Hingabe befreite Seele aufgrund ihrer Anziehung zu den transzendentalen Eigenschaften Kṛṣṇas mehr und mehr Fortschritte macht, wohingegen die spekulierenden Philosophen, die lediglich trockenes Wissen angesammelt haben und nichts mit hingebungsvollem Dienen zu tun haben wollen, wegen ihrer vielen Vergehen wieder ins materielle Leben zurückfallen. Dies wird im Śrīmad-Bhāgavatam im Zweiten Kapitel des Zehnten Cantos bestätigt, wo es heißt: »O mein Herr, die Intelligenz derer, die sich für befreit halten, obwohl sie nicht die geringste Hingabe besitzen, ist nicht rein, denn trotzdem sie durch strengste Bußen und Entsagungen bis zur höchsten Stufe der Befreiung aufsteigen, müssen sie doch wieder ins materielle Dasein herabfallen, da sie es versäumt haben, bei Deinen Lotosfüßen Zuflucht zu suchen.« Die Bhagavad-gītā bestätigt diese Tatsache im 54. Vers des Achtzehnten Kapitels mit den Worten: »Wer im Brahman verankert ist, klagt niemals, noch verlangt er danach, irgend etwas zu besitzen. Er ist jedem gleichgesinnt und somit geeignet, reines hingebungsvolles Dienen zu praktizieren.«

Auch Bilvamaṅgala Ṭhākura bestätigt dies. Am Ende seines Lebens sagte er: »Ich war ein Monist und wollte mit dem Höchsten Herrn eins werden, doch dann traf ich diesen frechen kleinen Jungen und wurde Sein ewiger Diener.«

Jeder, der sich nicht zu Kṛṣṇa hingezogen fühlt, befindet sich noch im Banne māyās; dagegen ist schon jemand, der nur versucht, durch hingebungsvolles Dienen befreit zu werden, aus der Gewalt māyās erlöst. Im Elften Canto des Śrīmad-Bhāgavatam gibt es viele Beispiele von Gottgeweihten, die einfach dadurch, daß sie dem Höchsten Herrn in Liebe und Hingabe dienten, befreit wurden.

16. KAPITEL

Caitanya

Śrī Caitanya beendet Seine Unterweisung Sanātana Gosvāmīs

Viele Menschen, die befreit werden möchten, praktizieren zu diesem Zweck hingebungsvolles Dienen. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird im 2. Kapitel des Ersten Cantos bestätigt, daß diejenigen, die ernsthaft nach Befreiung streben, von der Verehrung der Halbgötter ablassen und beginnen, Nārāyaṇa, den Höchsten Persönlichen Gott, zu verehren. Solche Menschen dienen zunächst Nārāyaṇa, doch wenn sie mit reinen Gottgeweihten zusammenkommen, entwickeln auch sie die Neigung, Kṛṣṇa mit Liebe und Hingabe zu verehren, und geben den Wunsch nach Befreiung auf. Im Hari-bhakti-sudhodaya findet man folgenden Vers: »O ihr großen Seelen, obwohl dieses Leben viele Mängel hat, gibt es doch etwas Wunderbares - die Gemeinschaft mit reinen Gottgeweihten. Pflegt stets solche Gemeinschaft, denn wenn ihr mit ihnen zusammen seid, schwindet allmählich euer Verlangen nach Befreiung.«

Im Śrīmad-Bhāgavatam, Elftes Canto, 2. Kapitel, 35. Vers, wird gesagt, daß alle Menschen nur deshalb so von Angst erfüllt sind, weil sie ihre ewige Beziehung zum Höchsten vergessen und ein materialistisches Bewußtsein entwickelt haben.

Sie stehen unter der Kontrolle der materiellen Energie, und deshalb widmet sich ein Mensch mit genügender Intelligenz mit seiner ganzen Kraft dem hingebungsvollen Dienst für den Höchsten Herrn; denn niemand kann von der materiellen Bedingtheit befreit werden, ohne dem Herrn in Hingabe zu dienen. Wenn man schließlich von der materiellen Verunreinigung frei geworden ist, kann man sich dem Kṛṣṇa-Bewußtsein voll und ganz zuwenden.

Im Śrīmad-Bhāgavatam wird im 14. Kapitel des Zehnten Cantos gesagt: »Wenn sich ein Mensch im hingebungsvollen Dienen beschäftigt, um Wissen zu erlangen, aber nicht den Wunsch entwickelt, Kṛṣṇa zu dienen, bleiben die Mühen, die er auf sich nimmt, seine einzige Errungenschaft. - Sein Leben hat keinen Wert. Jedes Lebewesen ist ein winziges Teil des Höchsten Herrn und hat deshalb die Pflicht, dem Höchsten Ganzen zu dienen. Wenn es dies nicht tut, fällt es in die materielle Welt zurück, und sein Leben war vergebens.

Śrī Caitanya erklärte schließlich, daß jeder der erwähnten sechs Arten von ātmārāmas Kṛṣṇa auf irgendeine Weise in Hingabe dient. Mit anderen Worten: Für jeden wirklichen Transzendentalisten kommt irgendwann einmal die Zeit, da er versteht, daß er Kṛṣṇa mit Liebe und Hingabe dienen muß, und dann wird er völlig Kṛṣṇa-bewußt. Selbst wenn man überaus gelehrt ist oder eine sehr hohe Position einnimmt, kann man dem Herrn seinen Fähigkeiten entsprechend dienen.

Die sechs Arten von Transzendentalisten sind: 1. der Neuling, 2. der in Gedanken an den Höchsten Versunkene, 3. der tatsächlich in der Transzendenz Verankerte, 4. der nach Befreiung Strebende, 5. der tatsächlich Befreite und 6. derjenige, der seine wesenseigene Position verwirklicht hat und dementsprechend handelt. Sie alle nennt man ātmārāma. Wenn ein Mensch die Stufe des ātmārāma erreicht hat, d. h. ein großer Denker im Kṛṣṇa-Bewußtsein wird, beschäftigt er sich mit all seiner Energie im hingebungsvollen Dienen. Den grammatischen Regeln nach gibt es viele ātmārāmas, doch im allgemeinen haben alle ātmārāmas etwas gemeinsam, nämlich die Neigung, den Höchsten Herrn, Kṛṣṇa, zu verehren.

Auch der Mystiker, der die Überseele in seinem Inneren verehrt, wird ātmārāma genannt. Es gibt zwei Arten dieser ātmārāma-yogīs: den einen nennt man »sagarbha« und den anderen »nigarbha«. Im Śrīmad-Bhāgavatam heißt es im 2. Kapitel des Zweiten Cantos: »Manche yogīs meditieren über den lokalisierten Aspekt Viṣṇus in ihrem Herzen, der in Seinen vier Händen Lotosblume, Feuerrad, Muschelhorn und Keule trägt.« Der yogī, der ständig an den vierarmigen Viṣṇu denkt, entwickelt allmählich hingebungsvolle Ekstase und zeigt bald auch die verschiedenen Symptome dieses Zustandes: Manchmal weint er, manchmal fühlt er Trennungsschmerz usw. So geht er schließlich in transzendentaler Glückseligkeit auf und ist durch diese Glückseligkeit gefangen wie ein Fisch im Netz.

Die sagarbha und nigarbha-yogīs lassen sich in drei Gruppen teilen: die Anfänger, die Fortgeschrittenen und die Vollkommenen. In der Bhagavad-gītā wird dazu folgendes gesagt: »Menschen, die versuchen, sich durch den Pfad des mystischen yoga-Systems zu erheben, nennt man »arurukṣas«. Im arurukṣa-yoga gibt es verschiedene Sitzstellungen, mit deren Hilfe man lernt, den Geist auf ein Objekt zu konzentrieren. Nur durch Meditation und Loslösung kann man ein fortgeschrittener yogī werden, und erst dann, wenn man nicht mehr danach trachtet, für die Befriedigung der Sinne zu arbeiten, wird man allmählich frei und erreicht schließlich die Stufe der Ekstase, die auch »yoga-rudha« genannt wird. Wenn solche mystischen yogīs das Glück haben, mit einem reinen Gottgeweihten in Verbindung zu kommen, werden auch sie zu Geweihten Kṛṣṇas.

Im Śrīmad-Bhāgavatam wird im 87. Kapitel des Zehnten Cantos über die sagarbha- und nigarbha-yogīs folgendes gesagt: »Die yogīs beginnen ihre Übungen mit der Verehrung des Rumpfes und richten dabei ihr Bewußtsein auf die Eingeweide. Dann lassen sie es allmählich bis zur Brust aufsteigen und konzentrieren sich auf das Herz. Wenn sie ihr Bewußtsein bis zur Schädeldecke erhoben haben, gelten sie als vollkommen und sind nicht länger Geburt und Tod unterworfen.« Begegnen solche yogīs reinen Gottgeweihten, beginnen selbst sie, dem Höchsten in Liebe und Hingabe zu dienen.

Das Wort »urukrama« ist bereits erklärt worden: »Urukrama« bezeichnet den Höchsten Herrn, dem alle ātmārāmas mit Hingabe dienen. Bevor sich diese Transzendentalisten dem hingebungsvollen Dienen zuwenden, nennt man sie »ṣāntas« (friedvolle Gottgeweihte).

»Ātma«, das Selbst, bedeutet manchmal auch »Geist« bzw. »Verstand«. Es gibt viele spekulierende Intellektuelle, die den verschiedenartigsten philosophischen Ideen nachhängen, doch auch sie werden zu Gottgeweihten, wenn sie mit Heiligen zusammenkommen, die sich dem hingebungsvollen Dienst geweiht haben.

Eine andere Bedeutung von »ātma« ist »Bemühung«. Bei allem, was man tut, muß man sich bemühen, und die höchste Bemühung besteht in dem Versuch, die höchste Stufe der Vollkommenheit im hingebungsvollen Dienen zu erreichen. Im Ersten Canto des Śrīmad-Bhāgavatam wird im 18. Vers des Kapitels dazu aufgefordert, nach dem höchsten Gewinn zu streben, der auf keinem der Planeten in der materiellen Welt erhältlich ist. Das bedeutet, daß materielles Glück und Leid in jedem Planetensystem im Laufe der Zeit zu bekommen sind, doch daß man die höchste Vollkommenheit im hingebungsvollen Dienen nirgendwo ohne Bemühung erlangen kann. Deshalb wird im Nārada Purāṇa gesagt, daß jemand, der den ernsthaften Wunsch hat, die höchste Vollkommenheit im hingebungsvollen Dienen zu erreichen, schon durch seine Bemühung erfolgreich sein kann.

Die höchste Stufe im hingebungsvollen Dienen kann also nicht ohne persönliche Bemühung erreicht werden. Dazu heißt es im 10. Kapitel der Bhagavad-gītā: »Denen, die dem Höchsten Herrn ständig mit Liebe und Hingabe dienen, gibt der Herr die Intelligenz, durch die sie ungehindert im hingebungsvollen Dienen Fortschritte machen können.«

Eine andere Bedeutung von »ātma« ist »Geduld« und »Ausdauer«. Durch Geduld und Ausdauer kann man sehr leicht die höchste Stufe im hingebungsvollen Dienen erreichen.

Das Wort »muni« bedeutet in einigen Fällen auch »Vogel« und »große Hummel«. Eine andere Bedeutung für »nirgrantha« ist » Dummkopf«. Selbst Vögel, Insekten und sogar Dummköpfe beginnen, dem Höchsten Herrn zu dienen, wenn sie mit der Gunst eines reinen Gottgeweihten gesegnet werden. Zum Beispiel wird im Śrīmad-Bhāgavatam beschrieben, wie die Vögel in Vṛndāvana dem Höchsten Herrn dienten und die Bienen Kṛṣṇa und Balarāma auf ihrem Weg zu den Weidegründen folgten. Balarāma sagte bei dieser Gelegenheit zu Kṛṣṇa: »O höchst Vortrefflicher, o Ursprünglicher Persönlicher Gott, sieh nur, wie die Bienen und Hummeln Dir folgen und Dich verehren, indem sie Deinen transzendentalen Ruhm preisen! In Wirklichkeit sind diese Bienen große Weise, die die Gelegenheit nutzen, Dich, die Höchste Seele, zu verehren. Obwohl gewöhnliche Menschen Dich nicht erkennen können, wissen diese Bienen doch, wer Du bist, und deshalb folgen sie Dir und preisen Dich.

O Verehrungswürdiger, sieh nur, wie die Pfaue Dich voller Freude empfangen! Sie sind gerade so wie die Mädchen von Vraja, und auch die Kuckucke in den Zweigen der Bäume begrüßen Dich auf ihre Art. Die Einwohner von Vṛndāvana sind so erhaben, daß jeder von ihnen bereit ist, Dir in seiner Weise zu dienen.«

Im Zehnten Canto heißt es im 11. Vers des 35. Kapitels: »O sieh nur, wie die Kraniche und Schwäne von Kṛṣṇas Herrlichkeit singen! Und während sie im Wasser stehend meditieren, verehren sie den Höchsten Herrn.« Im 4. Kapitel des Zweiten Cantos findet man folgenden Vers: »Selbst Eingeborene und Unzivilisierte wie die Kīrata, Huṇa, Andhra, Puliṇḍa, Pulkāṣa, Abhira, Śumbha, Yāvana, Khaṣa und andere Menschen niederer Lebensformen können gereinigt werden, wenn sie bei Geweihten des Herrn Zuflucht suchen.« Somit erwies Śukadeva Gosvāmī, der Mahārāja Parīkṣit diesen Vers vortrug, Viṣṇu, dem Herrn, im Śrīmad-Bhāgavatam seine respektvollen Ehrerbietungen, dessen Geweihte so viel Wunderbares tun können.

Eine weitere Bedeutung von »dṛti« ist »zu erkennen, daß man erhoben worden ist«. In diesem Zustand fühlt man sich frei von allen Leiden und gelangt somit zur höchsten Stufe des Lebens. Die Gottgeweihten befinden sich ständig in diesem Zustand, und daher sind sie stets freudvoll und ausgefüllt im Dienst für den Herrn beschäftigt. Die Gottgeweihten sind Menschen, die wissen, was wirkliches Glück bedeutet. - Sie sind so glücklich, daß sie sich nicht einmal wünschen, die spirituellen Planeten zu erreichen, und da sie völlig darin aufgehen, dem Herrn in transzendentaler Liebe zu dienen, verlangt es sie nicht nach materiellem Besitz oder materieller Sinnenfreude. In einem Vers der sechs Gosvāmīs heißt es: »Menschen, die ihre rastlosen Sinne im Dienst des Höchsten Herrn beschäftigen, sind friedvoll zu nennen.«

»Ātmārāma« bedeutet also, daß selbst Tiere und Dummköpfe - d. h. jeder - von den transzendentalen Eigenschaften Kṛṣṇas angezogen werden, so daß sie sich Seinem Dienst zuwenden und auf diese Weise befreit werden.

Eine weitere Bedeutung von »ātmārāma« ist »Intelligenz«. Jemand, der besonders intelligent ist, wird »ātmārāma« genannt. Solche ātmārāmas gliedern sich in zwei Gruppen: die gelehrten Weisen und diejenigen, die kein Wissen von den Schriften besitzen. Wenn sie mit einem reinen Gottgeweihten zusammenkommen, kann selbst der ungebildete ātmārāma alles aufgeben und sich in reiner Hingabe dem Kṛṣṇa-Bewußtsein zuwenden.

Im Śrīmad-Bhāgavatam wird gesagt, daß der Herr der Ursprung alles Existierenden ist. Jeder, der wirklich intelligent ist, kann dies einsehen und beginnt deshalb, Ihm zu dienen. Im Zweiten Canto heißt es im 45. Vers des 7. Kapitels: »Abgesehen von den Intelligenten, die vielleicht sogar die Veden studiert haben, können auch weniger intelligente Menschen wie Frauen, Arbeiter, Bergbewohner und sogar die Vögel und Tiere - alle Wesen - die höchste Vollkommenheit im Leben erreichen. In der Bhagavad-gītā wird im 10. Vers des Zehnten Kapitels gesagt, daß Kṛṣṇa einem Menschen, der intelligent genug ist, sich dem Kṛṣṇa-Bewußtsein zuzuwenden, in Erwiderung dafür die transzendentale Intelligenz schenkt, durch die er zum Reich des Höchsten Herrn gelangen kann.

Der Herr erklärte Sanātana Gosvāmī dann, daß die Gemeinschaft mit Gottgeweihten, die Beschäftigung im transzendentalen Dienst für den Herrn, das Verstehen des Śrīmad-Bhāgavatam, das Chanten der heiligen Namen des Herrn, sowie das Wohnen an einem Ort wie Vṛndāvana oder Mathurā sehr wichtig seien, um auf die transzendentale Ebene zu gelangen. Selbst wenn man sich auf nur einen dieser Punkte völlig konzentriert - ganz zu schweigen von allen fünf -, erreicht man bald die Stufe der Liebe zu Gott. Auf jeden Fall sollte jeder, der wirklich intelligent ist, alle persönlichen Begehren aufgeben und sich ganz dem transzendentalen Dienst für Kṛṣṇa zuwenden. Wenn man sich im hingebungsvollen Dienen beschäftigt, wird man allmählich frei von allen materiellen Wünschen, und, angezogen von den transzendentalen Eigenschaften des Herrn, macht man Kṛṣṇa zum Zentrum seines Lebens.

Eine andere Bedeutung von »ātma« ist »Wesen«. »ātmārāma« bedeutet also auch, daß »jeder seinem Wesen entsprechend genießt«. Das eigentliche Wesen jedoch, d. h. das immerwährende, ewige Wesen des Lebewesens, besteht darin, dem Höchsten Herrn zu dienen. Jeder, der sein wirkliches Wesen erkennt, d. h. verwirklicht, daß er für immer und ewig der Diener des Herrn ist, gibt seine materielle bzw. körperliche Lebensauffassung auf. Das ist der Beweis für wirkliches Wissen. Wenn diejenigen, die nach Erkenntnis streben, das Glück haben, einem reinen Gottgeweihten zu begegnen, beginnen sie ebenfalls, dem Herrn in Hingabe zu dienen. Sogar Weise wie die vier Kumāras, aber auch unwissende Menschen und selbst Tiere können dem Herrn dienen. Das bedeutet, daß jeder, der mit Kṛṣṇas grundloser Gnade gesegnet ist, zur Stufe des Kṛṣṇa-Bewußtseins erhoben werden kann.

Jeder, der von Kṛṣṇas transzendentalen Eigenschaften angezogen wird, beginnt sogleich, dem Höchsten mit Hingabe zu dienen. Im Śrīmad-Bhāgavatam heißt es im 15. Kapitel des Zehnten Cantos: »O Kṛṣṇa, das Land von Vrajabhūmi wurde herrlich durch die Spuren Deiner Füße, und auch die Sträucher sind der Verehrung würdig, da sie von Deinen Händen berührt wurden. Alle Hügel, die Flüsse und die Tiere sind durch Deinen Blick geheiligt, und am verehrungswürdigsten sind die gopīs, da sie von Deinen transzendentalen Armen umfangen wurden.« Die gopīs priesen Vṛndāvana mit folgenden Worten: »Liebe Freundinnen, alle Einwohner von Vrajabhūmi, selbst die Vögel, Bienen und Bäume, sind erfüllt von Jubel, wenn sie sehen, wie Kṛṣṇa in Begleitung Seiner Freunde und Seines Bruders Baladeva zu den Weidegründen zieht, während sie auf ihren Flöten spielen.«

Der Herr erklärte dann, daß »ātma« auch »Körper« bedeutet, und wies Sanātana darauf hin, daß selbst yogīs, die den Körper für das Selbst halten und körperliche Übungen praktizieren, dem Herrn zu dienen beginnen, wenn sie mit reinen Gottgeweihten zusammenkommen. Es gibt viele Menschen, die der Ansicht sind, sie seien mit dem Körper identisch. Aufgrund dieses Irrtums trachten sie nach materiellem Gewinn und vollziehen bestimmte Rituale oder gehen gewöhnlichen weltlichen Tätigkeiten nach; doch wenn sie einem reinen Gottgeweihten begegnen, beginnen auch sie, dem Herrn transzendentale Dienste darzubringen.

Im Śrīmad-Bhāgavatam heißt es im 18. Kapitel des Ersten Cantos: »O Sūta Gosvāmī, in deiner Güte hast du uns den Nektar von den Lotosfüßen Kṛṣṇas zuteil werden lassen, obwohl unsere Körper bereits vom Rauch des fruchtbringenden Opferfeuers geschwärzt sind.« Und im 21. Kapitel des Vierten Cantos wird gesagt: »Der Ganges entspringt zwischen den Zehen der Lotosfüße Kṛṣṇas, und durch ein Bad in seinen Wellen kann jeder - der Weise wie auch der nach materiellem Gewinn Strebende - allen Unrat aus seinem Herzen fortwaschen.«

In gewissem Sinne kann man auch diejenigen, die sich mit dem Körper identifizieren, und die voller materieller Verlangen sind, als »ātmārāmas« bezeichnen, denn wenn sie mit reinen Gottgeweihten zusammenkommen, ist es möglich, daß auch sie ihre materiellen Wünsche aufgeben und im Dienst für den Herrn vollkommen werden. Das beste Beispiel dafür findet sich im Hari-bhakti-sudhodaya; dort sagt Mahārāja Dhruva im 28. Vers des 7. Kapitels: »Mein lieber Herr, ich kam mit der Absicht zu Dir, Dich um ein Königreich zu bitten, aber nun, da ich Dich gefunden habe, der Du Dich jenseits der Vorstellungskraft der großen Weisen und Heiligen befindest, bin ich so glücklich, daß ich keinen Wunsch mehr hege. Ich suchte nach bunten Glasscherben und fand statt dessen Dich, den kostbarsten Edelstein.«

Das Wort »nirgrantha« hat noch eine weitere Bedeutung, nämlich »törichter Jäger« oder »erbärmlicher armer Mann«. Durch die Begegnung mit dem reinen Gottgeweihten Nārada Muni erlangte auch solch ein sündiger Mensch wie ein Jäger die Erlösung und beschäftigte sich im hingebungsvollen Dienen für den Herrn. Die folgende Geschichte erzählt von der Begegnung des Jägers mit Nārada:

Im Wald von Prayāga lebte einmal ein Jäger, der das Glück hatte, den großen Weisen Nārada Muni zu treffen, als dieser gerade von einem Besuch bei Nārāyaṇa von den Vaikuṇṭhas zurückkehrte. Nārada kam nach Prayāga, um dort am Zusammenfluß des Ganges und der Yamunā sein Bad zu nehmen, und während er durch den Wald ging, sah er unversehens vor sich auf dem Boden einen von einem Pfeil durchbohrten, halbtoten Vogel liegen, der jämmerlich schrie. An einer anderen Stelle sah er ein Reh im Todeskampf wild um sich schlagen, ein wenig weiter ein gefangenes Wildschwein, das Todesqualen litt, und dann ein Kaninchen, das sich vor Schmerzen am Boden wand. All dies ging ihm sehr nahe, und so dachte er bei sich: »Wer ist so töricht, solche schweren Sünden auf sich zu laden?« Jeder Gottgeweihte empfindet großes Mitleid mit den leidenden Lebewesen, und ganz besonders natürlich der große Weise Nārada. Der Anblick der armen Tiere stimmt ihn sehr traurig, und als er ein paar Schritte weitergegangen war, erblickte er plötzlich in einiger Entfernung einen Jäger, der mit Pfeil und Bogen bewaffnet auf der Pirsch war. Die Hautfarbe des Jägers war fast schwarz, seine Augen waren stark gerötet, und es schien schon gefährlich zu sein, ihn nur anzuschauen, wie er so dastand mit Bogen und Pfeilen, gleich einem Gefährten Yamarājas - des Todes. Als Nārada ihn so sah, ging er auf ihn zu, und während er durch das Gehölz brach, schreckte er die vom Jäger zu seinen Fallen gelockten Tiere auf, die eilig flohen. Darüber wurde der Jäger sehr erbost und wollte Nārada schon verwünschen, doch der Einfluß des großen Heiligen machte es ihm unmöglich, ein schlechtes Wort über die Lippen zu bringen.

Stattdessen fragte er Nārada sanft: »Mein lieber Herr, warum kommt Ihr zu mir, während ich jage? Habt Ihr Euch verirrt? Durch Euer Kommen habt Ihr alle Tiere verjagt.«

Nārada antwortete: »Es tut mir leid, daß ich dich störe. Ich bin nur gekommen, um nach dem Weg zu fragen. Übrigens habe ich auf dem Weg hierher Wildschweine, Rehe und Kaninchen gesehen, die sich halbtot am Boden wanden. Weißt du, wer das getan hat?«

Der Jäger erwiderte: »Was Ihr gesehen habt, mein Herr, hat seine Richtigkeit; ich selbst habe es getan.«

»Wenn du schon all diese armen Tiere jagst«, fragte Nārada weiter, »warum tötest du sie dann nicht sofort? Du läßt sie halbtot liegen, so daß sie einen qualvollen Tod sterben müssen. Das ist eine große Sünde. Wenn du schon ein Tier töten willst, warum tötest du es dann nicht vollständig? Warum läßt du es angeschossen liegen, bis es unter Qualen stirbt?«

Der Jäger entgegnete: »Mein lieber Herr, mein Name ist Mrigāri, der Feind der Tiere. Mein Vater hat mich gelehrt, die Tiere nur halb zu töten, und es bereitet mir große Freude zu sehen, wie sie zuckend verenden.« Daraufhin sagte Nārada: »Mein lieber Jäger, bitte erfülle mir einen Wunsch.«

Sogleich erklärte sich der Jäger bereit: »O ja, Herr, ich will Euch geben, was immer Euer Herz begehrt. Wenn Ihr ein paar Tierfelle wollt, so kommt nur mit zu meiner Hütte. Ich besitze Felle von Tigern, Rehen und vielen anderen Tieren - was immer Euch gefällt, will ich Euch geben.«

Nārada antwortete jedoch: »Ich möchte keine Felle; mein Wunsch ist ein anderer. Versprich mir bitte, nie wieder ein Tier nur halb zu töten - wann immer du von heute an ein Tier schießt, erlege es bitte ganz, und laß es nicht halbtot liegen.«

Dem Jäger gefiel dies jedoch nicht sonderlich, und so entgegnete er: »O mein Herr, was verlangt Ihr da von mir? Warum wollt Ihr ausgerechnet so etwas? Was ist der Unterschied zwischen halbtot und ganz tot?«

Nārada sagte: »Wenn du ein Tier nur halb tötest, muß es unter großen Qualen verenden, und es ist eine schwere Sünde, einem anderen Lebewesen unnötige Schmerzen zuzufügen. Ein Tier zu töten ist bereits ein großes Vergehen, doch viel schlimmer noch ist es, ein Tier nur zu verletzen und qualvoll sterben zu lassen. Die gleichen Schmerzen, die du jetzt einem Tier zufügst, wirst du selber in einem zukünftigen Leben erleiden müssen.«

Obwohl der Jäger ein sehr sündiger Mensch war, wurde er doch von den Worten eines solch großen Gottgeweihten wie Nārada tief berührt, und er begann, sich vor seinen begangenen Sünden zu fürchten. Skrupellose Menschen haben keinerlei Bedenken, alle möglichen Sünden zu begehen; doch der Jäger war durch die Gegenwart des großen Heiligen bereits ein wenig gereinigt worden, und so begann er sich vor den Folgen seiner Untaten zu fürchten.

Er sagte deshalb: »Mein lieber Herr, ich bin von Kindheit an dazu erzogen worden, Tiere auf diese Weise zu töten. Was soll ich nun tun? Könnt Ihr mir bitte sagen, wie ich vor den Reaktionen, die all die Vergehen und Sünden nach sich ziehen, bewahrt werden kann? Ich vertraue mich ganz Euch an und falle Euch zu Füßen. Bitte rettet mich vor den Folgen meiner Grausamkeiten, und führt mich auf den rechten Pfad!«

Nārada erwiderte: »Nur wenn du bereit bist, meinen Anweisungen zu folgen, werde ich dir sagen, wie du von allen sündhaften Reaktionen frei werden kannst.«

Der Jäger erklärte sich sogleich dazu bereit und versicherte: »Was immer Ihr von mir verlangt, will ich ohne Zögern tun.«

Nārada bat ihn daraufhin, als erstes den Bogen zu zerbrechen - dann würde er ihm Näheres über den Pfad der Befreiung offenbaren.

Der Jäger fragte angstvoll: »Ihr bittet mich, meinen Bogen zu zerbrechen, aber wie soll ich dann für meinen Lebensunterhalt sorgen?«

Nārada erwiderte: »Mache dir darüber keine Gedanken; ich werde schon dafür sorgen, daß du genügend zu essen hast.«

Daraufhin zerbrach der Jäger den Bogen und fiel Nārada zu Füßen. Doch Nārada hieß ihn aufstehen und sagte: »Geh nun zu deiner Hütte, suche alles Geld und Gut zusammen, und verteile dies an die Gottgeweihten und brāhmaṇas. Gehe dann ans Flußufer und baue dort ein kleines, strohgedecktes Haus; säe einen tulasī-Baum in der Nähe; umschreite ihn täglich; iß jeden Tag eines der abgefallenen Blätter, und chante ständig »Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare -Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare«. Was deinen Lebensunterhalt betrifft, so werde ich dir alles Notwendige zukommen lassen. Aber du sollst nur soviel annehmen, wie du für dich und deine Frau brauchst.«

Nachdem Nārada geendet hatte, befreite er die halbtoten Tiere, die, erlöst aus ihrer schrecklichen Lage, sofort entflohen, und als der schwarze Jäger dieses Wunder sah, fiel er Nārada erneut zu Füßen und brachte ihm seine demütigen Ehrerbietungen dar.

Nārada entfernte sich dann, und der Jäger begann, die Unterweisungen des Heiligen in die Tat umzusetzen.

Mittlerweile verbreitete sich in den umliegenden Dörfern die Nachricht, daß aus dem Jäger ein Gottgeweihter geworden sei, und so kamen die Dorfbewohner herbei, um den neuen Vaiṣṇava zu sehen. Nach vedischem Brauch ist es üblich, einem Heiligen Früchte und Getreide zu schenken, und als die Dorfbewohner sahen, daß der Jäger ein großer Gottgeweihter geworden war, brachten sie ihm reichlich Reis, Weizen, Gemüse und Früchte. Jeden Tag wurde ihm so viel gebracht, daß nicht weniger als zwanzig Menschen hätten satt werden können, doch der ehemalige Jäger hielt sich an Nāradas Anordnung und nahm nicht mehr an, als er für sich und seine Frau zum Leben brauchte.

Als nach einigen Wochen Nārada mit seinem Freund Parbuta Muni wieder in dieselbe Gegend kam, sagte er: »Hier in der Nähe wohnt einer meiner Schüler; laß uns ihn besuchen gehen und sehen, wie es ihm geht.« Als sich die beiden großen Weisen der Hütte des ehemaligen Jägers näherten und dieser seinen geistigen Meister aus der Ferne kommen sah, ging er den beiden Weisen mit großem Respekt entgegen. Doch beim Gehen bemerkte er plötzlich, daß Ameisen über den Weg liefen und weil er sich vor Nārada und Parbuta verbeugen wollte, räumte er vorher die Ameisen behutsam mit einem Tuch beiseite, um sie nicht zu zerdrücken. Als Nārada dies sah, erinnerte er sich an einen Vers aus dem Skaṇḍa Purāṇa, in dem es heißt: »Ist es nicht wunderbar, daß ein Gottgeweihter niemanden, nicht einmal einer Ameise, Schmerz zufügen will?«

Der Jäger, der früher Freude daran gefunden hatte, Tiere halb zu töten und sie eines qualvollen Todes sterben zu sehen, mochte nun, da er ein großer Gottgeweihter geworden war, nicht einmal eine Ameise verletzen.

Der Jäger empfing die beiden Weisen mit großer Ehrfurcht, bot ihnen einen Platz zum Sitzen an, brachte ihnen Wasser zum Trinken und wusch dann ihre Füße. Nachdem er und seine Frau ihre Häupter mit dem Waschwasser besprenkelt hatten, begannen sie in transzendentaler Ekstase zu tanzen und sangen mit hocherhobenen Händen und flatternden Kleidern »Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa. Hare Hare - Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare«.

Als die beiden Heiligen sahen, wie der ehemalige Jäger und seine Frau in ekstatische Liebe zu Gott getaucht waren, sagte Parbuta Muni zu Nārada: »Du bist wie der Stein der Weisen, denn durch deine Gesellschaft konnte selbst ein grausamer Jäger zu einem großen Gottgeweihten werden.«

Im Skaṇḍa Purāṇa heißt es dazu: »O Devarṣi, Nārada, sei gepriesen, denn durch deine Gnade wurde selbst ein solch niedriges Geschöpf wie ein Jäger zur Stufe der Hingabe erhoben und erlangte transzendentale Liebe zu Kṛṣṇa.«

Nārada fragte den neuen Gottgeweihten: » Habt ihr auch genug zu essen?«
»O ja«, antwortete der ehemalige Jäger, »Ihr schickt so viele Menschen hierher, und sie bringen uns so reichlich Nahrung, daß wir beide nicht alles allein aufessen können.«

Nārada sagte daraufhin: »Das freut mich zu hören. Kümmere dich nicht darum, ob du viel oder wenig bekommst; sei stets zufrieden und verrichte deinen Dienst für Kṛṣṇa weiter mit Liebe und Hingabe.« Und nachdem er so gesprochen hatte, verließ er mit Parbuta Muni den Ort.

Śrī Caitanya erzählte die Geschichte vom Jäger, um Sanātana zu zeigen, daß selbst ein Mensch mit den schlechtesten Voraussetzungen durch die Gnade eines Gottgeweihten beginnen kann, Kṛṣṇa zu dienen.

Dann sagte Er, daß »ātma« noch eine andere Bedeutung habe, nämlich »die mannigfaltigen Formen des Höchsten Persönlichen Gottes.« Im allgemeinen werden sowohl Kṛṣṇa Selbst als auch Seine verschiedenen Erweiterungen als »Höchster Persönlicher Gott« bezeichnet. Deshalb wird jeder, der irgendeiner Form oder Erweiterung des Höchsten Persönlichen Gottes verehrend dient, ātmārāma genannt; alle ātmārāmas dienen dem Herrn entweder nach regulierenden Prinzipien oder in transzendentaler Liebe.

Diese Gottgeweihten werden in drei Kategorien eingeteilt: 1. die vertrauten Gefährten, 2. diejenigen, welche die Vollkommenheit im hingebungsvollen Dienen erreicht haben, und 3. die Neulinge im hingebungsvollen Dienen. Die neuen Gottgeweihten werden wiederum in zwei Untergruppen gegliedert: diejenigen, die bereits ein wenig Liebe für den Herrn entwickelt haben, und jene, die noch keine solche Zuneigung empfinden. Unterscheidet man diese insgesamt vier Arten von Gottgeweihten nach den zwei Arten des hingebungsvollen Dienens in transzendentaler Liebe, so ergeben sich acht Arten von Gottgeweihten. Die vertrauten Gefährten teilen sich in weitere vier Gruppen: die Diener, die Freunde, die Eltern und die Geliebten.

Wie es Gottgeweihte gibt, die durch hingebungsvolles Dienen die Vollkommenheit erreichen, so gibt es auch solche, die seit ewigen Zeiten vollkommen sind. Sowohl auf der Anfänger- als auch auf der Fortgeschrittenen-Stufe im hingebungsvollen Dienen nach regulierenden Prinzipien gibt es sechzehn verschiedene Arten von Gottgeweihten. Die ātmārāmas lassen sich also in zweiunddreißig Gruppen einteilen. Wendet man die Worte »muni«, »nirgrantha«, »ca« und »api« auf diese zweiunddreißig Gruppen an, so ergeben sich insgesamt achtundfünfzig verschiedene Arten von Gottgeweihten. Sie alle können unter dem Oberbegriff »ātmārāma« zusammengefaßt werden.

Der Herr gab somit sechzig verschiedene Bedeutungen des Wortes »ātmārāma«, doch danach begann Er noch einmal und wies Sanātana darauf hin, daß »ātma« auch »Lebewesen« bedeute, womit alle Lebewesen, angefangen mit dem ersten lebenden Geschöpf, Brahmā, bis hinunter zur Ameise gemeint seien. Er zitierte in diesem Zusammenhang einen Vers aus dem 6. Kapitel des Viṣṇu Purāṇa, in dem gesagt wird, daß im Grunde alle Energien des Herrn spirituell sind. Von diesen Energien ist die, welche als die Ursache der Lebewesen verstanden wird, im eigentlichen Sinne spirituell, wohingegen diejenige, die voller Unwissenheit ist und sich in materiellen Aktivitäten manifestiert, als »materielle Natur« bezeichnet wird. In der materiellen Schöpfung gibt es unzählige Lebewesen, und wenn zufällig eines von ihnen mit einem reinen Gottgeweihten zusammenkommt, kann es ebenfalls im transzendentalen Dienst für Kṛṣṇa glücklich werden. Der Herr sagte: »Bis jetzt kannte Ich nur sechzig verschiedene Bedeutungen für das Wort »ātmārāma«, doch weil deine Gesellschaft so erleuchtend ist, ist Mir eine weitere Bedeutung eingefallen.«

Nachdem Sanātana Gosvāmī die verschiedenen Bedeutungen des Wortes »ātmārāma« aus dem Munde des Herrn vernommen hatte, war er von Staunen wie gebannt und fiel Śrī Caitanya ergeben zu Füßen. Er sagte: »Ich weiß genau, daß Du der Höchste Persönliche Gott, Kṛṣṇa, bist, und daß sich aus Deinem Mund die vielen vedischen Schriften manifestieren. Du bist der ursprüngliche Lehrer des Śrīmad-Bhāgavatam, und daher kennst Du die Bedeutung der Bhāgavatam-Verse am besten. Ohne Deine Gnade ist es niemandem möglich, die tieferen Bedeutungen des Śrīmad-Bhāgavatam zu verstehen.«

Darauf erwiderte der Herr: Bitte rühme Mich nicht auf diese Weise. Versuche lieber zu verstehen, wie wunderbar das Śrīmad-Bhāgavatam ist; es ist die Klangrepräsentation des Höchsten Herrn, Kṛṣṇa, und ist deshalb nicht von Ihm verschieden. Und ebenso wie Kṛṣṇa unbegrenzt ist, so hat auch jedes Wort, ja jeder Buchstabe des Śrīmad-Bhāgavatam unendlich viele Bedeutungen, und durch das Zusammensein mit Gottgeweihten kann man sie alle verstehen. Glaube also nicht, daß Bhāgavatam sei nur eine Sammlung von Geschichten.«

Die Weisen von Naimiṣāraṇya stellten Sūta Gosvāmī sechs Fragen, die dieser im Śrīmad-Bhāgavatam beantwortete. In den vedischen Schriften gibt es einen Vers, in dem Śiva sagt: »Es mag sein, daß ich das Bhāgavatam kenne oder daß Śukadeva oder Vyāsadeva es kennen, doch in jedem Fall läßt sich mit Sicherheit sagen, daß man das Bhāgavatam allein durch gottgeweihtes Dienen und die Hilfe eines Gottgeweihten verstehen kann und nicht durch eigene Intelligenz oder gelehrte Kommentare.«

Eine der Fragen der Weisen von Naimiṣāraṇya lautete: »O Sūta, da nun Śrī Kṛṣṇa, die Absolute Wahrheit, der Meister aller mystischen Kräfte, wieder in Sein höchstes Reich zurückgekehrt ist, sage uns bitte, wer gegenwärtig über die religiösen Prinzipien wacht.«

Sūtas Antwort war: »Nachdem Kṛṣṇa mit allen religiösen Prinzipien in Sein Reich zurückgekehrt ist, weist uns das Śrīmad-Bhāgavatam, das Mahā Purāṇa, als strahlende Sonne den Weg.«

Der Herr sagte dann: »Ich muß verrückt gewesen sein, daß Ich den ātmārāma-Vers auf so viele Arten beschrieb; sei Mir also bitte nicht böse, wenn Ich etwas Närrisches gesagt habe. Doch wisse, daß jemand, der ein Verrückter wird wie Ich, die wirkliche Bedeutung des Śrīmad-Bhāgavatam verstehen kann.«

Sanātana Gosvāmī fiel daraufhin Śrī Caitanya mit gefalteten Händen zu Füßen und betete: »Mein lieber Herr, Du hast mich gebeten, die regulierenden Prinzipien des hingebungsvollen Dienens aufzuschreiben, doch ich glaube nicht, daß ich allein diese Aufgabe bewältigen kann, denn ich gehöre der niedrigsten Kaste an und besitze kein Wissen. Wenn Du mir gütigerweise einige Ratschläge erteilen könntest, wie man ein solches Buch über hingebungsvolles Dienen schreibt, werde ich diese Aufgabe vielleicht meistern können.«

Da segnete ihn der Herr und sprach: »Durch die Gnade Kṛṣṇas wird dir alles, was du schreibst, aus dem Herzen strömen. Trotzdem werde ich dir einige Anweisungen geben. Der erste und wichtigste Punkt ist, daß man einen echten geistigen Meister annimmt. Das ist der Anfang des spirituellen Lebens.«

Dann bat Er Sanātana Gosvāmī, über die Merkmale eines wahren guru und Gottgeweihten zu schreiben. Die Merkmale eines echten geistigen Meisters werden im Padma Purāṇa wie folgt beschrieben: Ein Mensch, der ein qualifizierter brāhmaṇa ist und gleichzeitig alle Merkmale eines Gottgeweihten aufweist, kann der geistige Meister aller Arten von Menschen werden, und er muß geehrt werden wie Gott Selbst. Wer aber nur in einer angesehenen brāhmaṇa-Familie geboren wurde und kein Gottgeweihter ist, kann kein geistiger Meister werden. Man sollte deshalb nicht irrtümlich denken, ein echter geistiger Meister müsse unbedingt in einer sogenannten brāhmaṇa-Familie geboren sein. Ein geistiger Meister ist vielmehr daran zu erkennen, daß er stets wie ein qualifizierter brāhmaṇa handelt. Dies wird im Śrīmad-Bhāgavatam von Nārada bestätigt, der dort über die Merkmale der verschiedenen Klassen der Gesellschaft spricht und zusammenfassend erklärt, daß man die brāhmaṇas, kṣatriyas, vaiṣyas und ṣūdras nach ihren individuellen Eigenschaften bestimmen sollte. Śrīdhara Swami hat in einem Kommentar zu diesem Vers angemerkt, daß man noch lange kein brāhmaṇa ist, nur weil man in einer brāhmaṇa-Familie geboren wurde, sondern daß man die in den ṣāstras beschriebenen Eigenschaften eines brāhmaṇa aufweisen muß. Wir selbst wissen aus praktischer Erfahrung, daß es viele Gottgeweihte in der Nachfolge der Gauḍīya Viṣṇu sampradāya gibt, wie z. B. die beiden großen ācāryas Ṭhākura Narottama und Śyāmānanda Gosvāmī, die nicht in brāhmaṇa-Familien geboren wurden und doch von vielen berühmten brāhmaṇas wie Ganganārāyaṇa Rāmakṛṣṇa als geistige Meister anerkannt wurden.

Es gibt also bestimmte Merkmale eines Gottgeweihten, und sowohl der Schüler als auch der geistige Meister müssen sich gegenseitig prüfen, ob der andere ein echter geistiger Meister bzw. ein echter Schüler ist. Als nächstes sollte der Schüler wissen, daß der Höchste Persönliche Gott das Ziel der Verehrung ist, und er sollte lernen, verschiedene mantras (transzendentale Lieder) zu chanten.

Der Herr wies Sanātana Gosvāmī außerdem an, die Merkmale der Menschen zu beschreiben, die fähig sind, das Chanten des Hare Kṛṣṇa mantra anzunehmen, und bat ihn zu erklären, wie man mantras verstehen und durch rituelle Handlungen zur Vollkommenheit bringen könne. Dann beschrieb der Herr die Einweihung, die morgendlichen Pflichten, die Reinlichkeitsprinzipien wie das tägliche Bad und Zähneputzen, die Prinzipien des Arbeitens, die Morgen- und Abendgebete, die Verehrung des geistigen Meisters; er beschrieb, wie man den Körper mit gopī-candana zeichnet, wie man tulasī-Blätter sammelt, wie man den Altarraum und den Tempel des Herrn säubert und wie man die transzendentale Bildgestalt Kṛṣṇas aufweckt. Er beschrieb verschiedene Methoden der Verehrung des Herrn, nämlich die Verehrung mit fünf Opfergegenständen und die Verehrung mit fünfzig Opfergegenständen. Er erklärte, wie man den Herrn verehrt, indem man Ihm fünfmal am Tag Opferungen und ārātrika darbringt, wie man Ihm Speisen opfert, wie man Ihn zu Bett bringt usw. Es gibt sehr viele Dienste, die man der transzendentalen Bildgestalt darbringen kann. Außerdem empfahl Er, die heiligen Orte zu besuchen, wo verschiedene Tempel des Herrn stehen, in denen die Bildgestalten Gottes aufgestellt sind. Weiterhin sollte man ständig die transzendentalen Namen des Herrn lobpreisen und die verschiedenen Vergehen während der Verehrung vermeiden. Zur Verehrung gehören noch andere Dinge wie Muschelhorn, Wasser, duftende Blumen, Gebete und Hymnen, Umschreitungen des Tempels, Ehrerbietungen, die regulierenden Prinzipien des puroṣarāma, das Essen von Kṛṣṇa-prasāda, das Zurückweisen von Speisen, die Kṛṣṇa nicht geopfert wurden, und das Vermeiden verleumderischer Reden über einen Gottgeweihten. Weiterhin sollte man die Merkmale eines Heiligen kennen und wissen, wie man einen Weisen erfreuen kann; man sollte möglichst wenig mit materialistischen Menschen verkehren und ständig aus dem Śrīmad-Bhāgavatam hören. Auch sollte man die täglichen, die 14-tägigen und die monatlichen Pflichten erfüllen, besondere Festtage wie den Erscheinungstag des Herrn (Janmāṣṭami) feiern und auch andere Festtage wie Ekādaṣī, Vāmana-dvādaṣī, Śrī Rāmanavāmi und Nṛsiṁha Caturdaṣī beachten, an denen gefastet wird. Wenn man diese Fastentage einhält, sollte man auch biddha, das Zusammentreffen von Fastentage mit anderen besonderen Tagen berücksichtigen, denn solche Gelegenheiten sind für den Fortschritt im hingebungsvollen Dienen sehr förderlich. Śrī Caitanya wies Sanātana Gosvāmī weiter an, zur Bestätigung dieser Regeln aus den Purāṇas zu zitieren. Auch erwähnte der Herr, wie man Tempel baut, und sprach mit Sanātana über das allgemeine Betragen und die Merkmale eines Vaiṣṇavas und seine Pflichten und Beschäftigungen. So erklärte Śrī Caitanya in allen Einzelheiten, wie man Bücher über die regulierenden Prinzipien der Vaiṣṇavas schreibt.

Sanātana Gosvāmī, der vom Höchsten Herrn direkt die Anweisung empfing, durch das Verfassen von Büchern den bhakti-Kult zu verbreiten, war ein großer Gottgeweihter. Eine ausführliche Beschreibung seiner Person findet man im Caitanya-candrodaya. Obwohl er der führende Minister in Nawab Hussains Regierung war, legte er, ebenso wie sein Bruder Rūpa Gosvāmī, sein einträgliches Regierungsamt nieder und wurde Bettelmönch, um sein Leben dem Höchsten Herrn zu weihen. Sein Herz war erfüllt von transzendentaler Liebe für den Hirtenjungen von Vṛndāvana, und deshalb war Sanātana Gosvāmī allen Gottgeweihten seiner Zeit sehr lieb.

2. TEIL

17. KAPITEL

Caitanya

Śrī Kṛṣṇa Caitanya, der Ursprüngliche Persönliche Gott

Als Nachfolger von Śrīla Kṛṣṇadāsa Kavirāja Gosvāmī bringen wir den Lotosfüßen Śrī Kṛṣṇa Caitanya Mahāprabhus unsere demütigen Ehrerbietungen dar. Śrī Kṛṣṇa Caitanya ist die einzige Zuflucht für die verlorensten und am tiefsten gefallenen Seelen. Er ist die einzige Hoffnung für diejenigen, denen es gänzlich an spirituellem Wissen mangelt. Hiermit wollen wir versuchen, über Sein großzügiges Geschenk, das gottgeweihte Dienen, zu sprechen.

Der Allmächtige Persönliche Gott, Śrī Kṛṣṇa, manifestierte Sich in fünf verschiedenen Kräften. Obgleich Er eins ist, erweiterte Er Sich in fünf Persönlichkeiten, um mit ihnen verschiedene spirituelle Absichten zu erfüllen. Diese verschiedenen Manifestationen sind ewig und voller Glückseligkeit, d. h. genau das Gegenteil von der Auffassung des monotonen Einsseins der Unpersönlichkeitsanhänger. Aus den vedischen Schriften erfahren wir, daß die Absolute Wahrheit, der Höchste Persönliche Gott, ewiglich zusammen mit Seinen mannigfaltigen Energien existiert. So erschien auch Śrī Kṛṣṇa Caitanya in Begleitung vier verschiedener Energien, und daher sagt man, daß Er Śrī Kṛṣṇa ist, der Sich zusammen mit verschiedenen Energien inkarnierte. Da auf der spirituellen Ebene kein Unterschied zwischen der Energie und dem Ursprung der Energie besteht, gibt es auch keinen Unterschied zwischen Śrī Kṛṣṇa Caitanya Mahāprabhu und Seinen vier Gefährten Nityānanda Prabhu, Advaita Prabhu, Gadādhara und Śrīvāsa. Diese fünf Manifestationen des Höchsten Herrn als Seine Inkarnation, Seine Erweiterung und Seine spirituellen Energien sind im Grunde nicht voneinander verschieden. Alle fünf sind die eine Absolute Wahrheit. Die Absolute Wahrheit erschien also zu Ihrer eigenen transzendentalen Freude in fünf Aspekten, nämlich in der Gestalt eines vorbildlichen Gottgeweihten, als der geistige Meister des Gottgeweihten, als Seine Inkarnation, als Seine Energie und als reiner Gottgeweihter, um die transzendentalen Empfindungen in der Absoluten Wahrheit kennenzulernen. Von diesen fünf Manifestationen der Absoluten Wahrheit ist Śrī Kṛṣṇa Caitanya der Ursprüngliche Höchste Persönliche Gott, Kṛṣṇa; Nityānanda Prabhu ist eine Manifestation Balarāmas, der ersten Erweiterung des Höchsten Herrn, und Advaita Prabhu ist eine Manifestation Mahā-Viṣṇus, der ersten puruṣa-Inkarnation des Höchsten. Diese drei transzendentalen Persönlichkeiten sind Viṣṇu-tattva, die Höchste Absolute Wahrheit. Śrīvāsa, die vierte Persönlichkeit, repräsentiert den reinen Gottgeweihten, und Gadādhara ist die Repräsentation der inneren Energie des Höchsten Herrn, die den Gottgeweihten hilft, Fortschritte im reinen hingebungsvollen Dienen zu machen. Obwohl auch Gadādhara und Śrīvāsa zum Viṣṇu-tattva gehören, sind sie Repräsentanten verschiedener Energien des Höchsten Herrn. Mit anderen Worten: Obgleich sie sich nicht vom Ursprung der Energie unterscheiden, haben sie dennoch verschiedene Formen angenommen, um die Glückseligkeit der transzendentalen Beziehungen zu kosten. Unter hingebungsvollem Dienen versteht man den Austausch von liebevollen Beziehungen zwischen dem Verehrten und dem Verehrer. Ohne solch einen Austausch transzendentaler Empfindungen wäre hingebungsvolles Dienen undenkbar.

In der Kathopaniṣad wird festgestellt, daß der Höchste Herr das höchste Lebewesen unter allen Lebewesen ist. Es gibt unzählig viele Lebewesen, doch eines von ihnen ist das höchste, der Absolute Höchste Persönliche Gott. Der Unterschied zwischen diesem einen Lebewesen und allen anderen besteht darin, daß das höchste Lebewesen die anderen erhält und ihr Herr ist. Śrī Kṛṣṇa Caitanya ist mit diesem höchsten Lebewesen identisch. Dennoch erschien Er in der materiellen Welt, um die unzähligen gefallenen Seelen zurück nach Hause, in das Reich Gottes, zu holen. Der einzige Grund für Sein Erscheinen vor rund 500 Jahren bestand darin, die in allen Veden bestätigte Tatsache zu verkünden, daß es einen Höchsten Persönlichen Gott gibt, der die unzähligen Lebewesen beherrscht und erhält. Die Māyāvādīs, die Unpersönlichkeitsphilosophen, können diese ewige Wahrheit nicht verstehen, und so erschien Śrī Caitanya, um sie und alle anderen Menschen an ihre Beziehung zum Höchsten zu erinnern.

In der Bhagavad-gītā gibt Śrī Kṛṣṇa die eindeutige Unterweisung, alle anderen Tätigkeiten aufzugeben und Ihm allein mit Hingabe zu dienen; doch nach Seinem Fortgehen wurde diese Aussage von Menschen mit geringer Intelligenz falsch ausgelegt. Das führte dazu, daß unwissende Menschen, die von der Māyāvāda-Philosophie beeinflußt wurden, ihre wirkliche Beziehung zur Absoluten Wahrheit mißverstanden. Aus diesem Grunde erschien der Höchste Herr noch einmal, als Śrī Caitanya Mahāprabhu, um die gefallenen Seelen erneut zu lehren, wie sie sich Śrī Kṛṣṇa nähern können. In der Bhagavad-gītā fordert Śrī Kṛṣṇa uns auf, die Welt der materiellen Anhaftung aufzugeben und Ihn zu verehren. Als Śrī Caitanya predigte Er das gleiche, und daher ist ein reiner Geweihter Kṛṣṇas jemand, der Śrī Caitanyas Philosophie folgt. Śrī Kṛṣṇa gibt in der Bhagavad-gītā die klare Anweisung, »Verehre Mich, den Absoluten Gott«, und doch mißverstanden Ihn die Māyāvādī-Philosophen und behaupteten, jeder sei mit »Absoluter Gott« gemeint. Daher wiederholte Śrī Kṛṣṇa in der Gestalt des Gottgeweihten, als Śrī Caitanya, noch einmal Seine Aufforderung und sagte: »Man sollte niemals von sich behaupten, Kṛṣṇa gleich zu sein, sondern statt dessen Ihn, den Höchsten Persönlichen Gott verehren.«

Es ist ein großer Fehler zu denken, Śrī Caitanya sei eine bedingte Seele; Er ist vielmehr die Höchste Absolute Wahrheit, der Höchste Persönliche Gott, Śrī Kṛṣṇa Selbst. Śrīla Kṛṣṇadāsa Kavirāja Gosvāmī erklärte daher im Caitanya-caritāmṛta: »Kṛṣṇa ist nun in Seinen fünf Manifestationen anwesend.« Solange man sich jedoch nicht auf der Ebene der absoluten Reinheit befindet, fällt es einem sehr schwer zu erkennen, daß Śrī Caitanya mit dem Höchsten Persönlichen Gott identisch ist. Um Śrī Caitanya verstehen zu können, muß man Seinen direkten Schülern, den sechs Gosvāmīs folgen und sich dabei ganz besonders an Śrīla Jīva Gosvāmī halten.

Das Erstaunlichste aber an Śrī Caitanya ist, daß Er Selbst niemals sagte, Er sei Kṛṣṇa. Ganz im Gegenteil - jedesmal, wenn fortgeschrittene Gottgeweihte Seine wirkliche Identität erkannten und Ihn als Śrī Kṛṣṇa ansprachen, wehrte Er Sich entschieden dagegen und hielt Sich manchmal sogar die Ohren zu, um zu zeigen, daß niemand als der Höchste Herr angeredet werden dürfe. Auf diese Weise lehrte Er die Māyāvāda-Philosophen, daß ein gewöhnlicher Sterblicher niemals von sich behaupten solle, er sei der Höchste Herr. Auch sollten die Anhänger eines solchen Schurken nicht so dumm sein, jemanden als den Höchsten Persönlichen Gott anzuerkennen, ohne ihn vorher anhand der Schriften und im Hinblick auf sein Tun geprüft zu haben. Das Wunderbare an Śrī Caitanya Mahāprabhu ist, daß Er, obgleich Er Selbst der Höchste Persönliche Gott ist, als Gottgeweihter erschien, um alle bedingten Seelen zu lehren, wie sie hingebungsvolles Dienen praktizieren können. Daher sollte jeder, der mit dem gottgeweihten Dienen beginnen möchte, dem Beispiel Śrī Caitanyas folgen, um von Ihm zu lernen, wie man Śrī Kṛṣṇa durch hingebungsvolles Dienen erreichen kann. Der Höchste Herr Selbst also lehrt die bedingten Seelen als Caitanya Mahāprabhu, wie sie sich Ihm durch hingebungsvolles Dienen nähern können.

Bei einem analytischen Studium der fünf Manifestationen des Höchsten Herrn kommt man zu folgendem Schluß: Śrī Kṛṣṇa Caitanya Mahāprabhu ist der Höchste Persönliche Gott Selbst; Nityānanda Prabhu ist eine direkte Erweiterung der selben Höchsten Absoluten Wahrheit, und Śrī Advaita Prabhu, der ebenfalls zur Kategorie des Höchsten Persönlichen Gottes gehört, ist Śrī Caitanya und Nityānanda Prabhu untergeordnet. Der Höchste Persönliche Gott wie auch Seine direkte und Seine untergeordnete Erweiterung werden von der Verkörperung der inneren Energie und von der Verkörperung der am Rande verlaufenden Energie - Gadādhara und Śrīvāsa - verehrt.

Die Manifestation der inneren Energie, Gadādhara, repräsentiert den reinen Gottgeweihten, und die Manifestation der am Rande verlaufenden Energie, Śrīvāsa, repräsentiert den vertrauten Gottgeweihten. Diese beiden Inkarnationen verehren die beiden anderen Manifestationen; doch sowohl die beiden Manifestationen der verehrenden Kategorie als auch die beiden Manifestationen der verehrten Kategorie dienen in transzendentaler Liebe Śrī Kṛṣṇa Caitanya Mahāprabhu, dem Höchsten Persönlichen Gott.

Um den Unterschied zwischen den reinen Gottgeweihten und den vertrauten Gottgeweihten zu verstehen, muß man wissen, daß die verschiedenen göttlichen Energien dem Herrn in unterschiedlichen transzendentalen Beziehungen dienen, nämlich in vertraulicher Liebe, als Vater oder Mutter, als Freund, als Diener oder in einer neutralen Beziehung. Die inneren Kräfte des Höchsten Herrn, d. h. die vertrauten Geweihten, die eine innige Liebesbeziehung zu Ihm haben, sind, ganz unvoreingenommen betrachtet, die besten Gottgeweihten. Doch auch die reinen Gottgeweihten, die ebenfalls die innige Liebesbeziehung mit der Höchsten Absoluten Wahrheit ersehnen, werden zu den engsten Geweihten Śrī Kṛṣṇa Caitanya Mahāprabhus gezählt. Andere reine Gottgeweihte, die mehr Śrī Nityānanda Prabhu und Advaita Prabhu zugeneigt sind, fühlen sich zu anderen transzendentalen Beziehungen hingezogen, wie z.B. der Beziehung als Vater oder Mutter, als Freund oder als Diener des Herrn. Wenn solche Gottgeweihte jedoch mehr und mehr von Śrī Caitanya angezogen werden, werden auch sie zu vertrauten Geweihten, die eine enge Liebesbeziehung zum Höchsten Herrn haben. In diesem Zusammenhang gibt es ein sehr schönes Lied von einem großen Gottgeweihten und ācārya, der ein enger Schüler von Śrīla Kṛṣṇadāsa Kavirāja und den sechs Gosvāmīs war. Sein Name ist Śrīla Narottama dāsa Ṭhākura, und er sang: »Wann endlich wird ein transzendentales Beben meinen Körper durchlaufen, wenn ich den Namen »Gaurānga« höre? Wann endlich werden beim Singen der heiligen Namen des Herrn Tränen der Liebe meine Augen überfluten, und wann wird Nityānanda Prabhu mich mit Seiner Barmherzigkeit segnen, so daß alle Verlangen nach materiellem Genuß bedeutungslos für mich werden? Wann werde ich materielle Sinnenfreude aufgeben und rein werden? Wann werde ich das transzendentale Land von Vṛndāvana sehen können? Wann werde ich die Entschlossenheit aufbringen, dem Beispiel der sechs Gosvāmīs zu folgen, und wann werde ich die innige Liebe zwischen Rādhā und Kṛṣṇa verstehen können?« Aus diesem Gebet geht eindeutig hervor, daß niemand versuchen sollte, die innige Liebe zwischen Rādhā und Kṛṣṇa zu verstehen, ohne den Fußstapfen der sechs Gosvāmīs zu folgen.

Die saṅkīrtana-Bewegung ist ein transzendentales Spiel des Herrn, der als Śrī Kṛṣṇa Caitanya erschien, um das Chanten der heiligen Namen in der materiellen Welt zu verbreiten und reine Liebe zu Gott zu predigen. An der saṅkīrtana-Bewegung Śrī Kṛṣṇa Caitanyas beteiligen sich Nityānanda und Advaita als Seine Erweiterungen und Gadādhara und Śrīvāsa als Seine innere und Seine mittlere Energie.

Die Lebewesen gehören zur mittleren Energie, denn sie haben sowohl die Neigung, sich Kṛṣṇa hinzugeben, als auch die Tendenz zu versuchen, vom Herrn unabhängig zu sein und durch den Wunsch, die materielle Welt zu genießen, verunreinigt zu werden. Sowie das Lebewesen von dem Verlangen nach materiellem Genuß beherrscht wird, und sich in die materielle Welt verstrickt, ist es den dreifachen materiellen Leiden ausgesetzt. Wie aber kann es nun vor diesem leidvollen Zustand bewahrt werden? Die Antwort lautet: So wie ein Same in der Erde, der von Wasser überschwemmt wird, nicht heranreifen kann, so kann auch das Verlangen nach materiellem Genuß, das stets wie ein Same im Herzen der bedingten Seele vorhanden ist, nicht zu einem völlig bedingten materiellen Leben heranreifen, wenn es von der Flut transzendentaler Aktivitäten überschwemmt wird, die in Liebe zu Gott verrichtet werden. Die bedingten Lebewesen in der materiellen Welt, ganz besonders aber jene, die im gegenwärtigen Zeitalter des Kali leben, werden von der Flut der Liebe zu Gott überschwemmt, die von Śrī Caitanya und Seinen Gefährten hervorgerufen wurde.

Hierzu gibt es einen treffenden Vers, von Śrīla Prabodhānanda Sarasvatī, der in seinem Buch Caitanya-candrāmṛta schreibt, daß die materialistischen Menschen übermäßig darum bemüht sind, für ihre Familien zu sorgen, und daß die mystischen yogīs und die Philosophen unter großen Opfern und Bußen versuchen, durch Meditieren und Spekulieren von den Leiden des materiellen Lebens frei zu werden, daß aber diejenigen, die die höchste transzendentale Glückseligkeit in der saṅkīrtana-Bewegung Śrī Caitanya Mahāprabhus gefunden haben, sich nicht länger für bloßes Familienglück oder philosophische Spekulationen interessieren.

Menschen, die der Ansicht sind, die Gestalt des Höchsten Persönlichen Gottes und das gottgeweihte Dienen seien von der materiellen Natur verunreinigt, werden »Māyāvādīs« genannt. Aufgrund ihrer unvollkommenen Spekulationen behaupten solche unwissenden Narren, das unpersönliche Brahman sei die einzige Wahrheit in der kosmischen Manifestation, und der Höchste Persönliche Gott sei nur ein Produkt māyās, der illusionierenden Energie. So glauben sie auch, alle Inkarnationen des Höchsten Herrn seien von der materiellen Natur verunreinigt, und die materiellen Körper des Lebewesens und die Wechselwirkungen der Materie, die diese Körper beeinflussen, seien materielle Manifestationen. All diese falschen Vorstellungen führen sie zu dem Schluß, daß Befreiung bedeute, die Individualität bzw. das reine Lebewesen zu vernichten. Mit anderen Worten: Sie denken, das Lebewesen werde nach seiner Befreiung eins mit dem unpersönlichen Brahman.

Nach der Theorie der Māyāvāda-Philosophen stehen der Höchste Persönliche Gott, das Reich des Höchsten und die Gottgeweihten unter dem Bann māyās und sind daher den materiellen Bedingungen ausgesetzt. Ähnlich wie die Māyāvādīs glauben auch die karmis, die nach materiellem Gewinn Strebenden, das transzendentale Wesen des Höchsten Persönlichen Gottes, Sein transzendentales Reich, das hingebungsvolle Dienen und die Gottgeweihten existierten nur in der Vorstellungswelt einiger Naiver. Wieder eine andere Art von Unwissenden, nämlich die Agnostiker, sind der Ansicht, man könne über die Transzendenz nicht sprechen, und die Atheisten schließlich denken, sie könnten die Transzendenz kritisieren. Śrī Kṛṣṇa Caitanya wollte Sich aller Atheisten, Agnostiker, Skeptiker und Ungläubigen annehmen und sie in die Flut der Liebe zu Gott tauchen. Dazu mußte Er jedoch als erstes ihren Respekt gewinnen, und mit dieser Absicht trat Er schließlich mit 25 Jahren in die Lebensstufe der Entsagung ein.

Zu der Zeit, als Er nur im Rahmen Seiner Familie die saṅkīrtana-Bewegung verbreitete, hatten Ihn viele Māyāvādīs und sannyāsīs nicht ernst genommen, doch nachdem Er ebenfalls in die Lebensstufe der Entsagung eingetreten war, schlossen sich viele dieser sannyāsīs Seiner saṅkīrtana-Bewegung an. Selbst die spekulierenden Philosophen, die Atheisten, die karmis und die Kritiker ehrten Ihn als sannyāsī und wurden schließlich durch Ihn erlöst. Der Herr war so gütig, daß Er sie alle annahm und ihnen das Wichtigste im Leben schenkte: Liebe zu Gott.

Um Seine Mission zu erfüllen und die bedingten Seelen mit Liebe zu Gott zu segnen, fand Śrī Caitanya viele Methoden, um auch all diejenigen zu gewinnen, die nicht an der Liebe zu Gott interessiert waren. Nachdem Er in die Lebensstufe der Entsagung eingetreten war, wurden also auch all diejenigen, die sich früher gegen Gott gewandt hatten, Seine Schüler und Anhänger. Selbst Menschen, die nicht nach den vedischen Prinzipien lebten, nahmen Śrī Caitanya als den höchsten Lehrer an.

Nur die Māyāvāda-sannyāsīs von Benares mieden Śrī Caitanyas Barmherzigkeit. Śrīla Bhaktisiddhānta Sarasvatī Gosvāmī beschrieb ihre hoffnungslose Lage wie folgt: »Die Māyāvādī-Philosophen von Benares waren nicht sehr intelligent, denn sie wollten alles durch direkte Sinneswahrnehmung verstehen. Ihr ganzes Wissen beruhte daher nur auf durch materielle Sinneswahrnehmung gewonnenen Schlußfolgerungen. Die Vielfalt der Absoluten Wahrheit ist völlig transzendental zur materiellen Vielfalt, doch diese Philosophen vertreten die Ansicht, es gebe in der Transzendenz keine Mannigfaltigkeit; alles, was Vielfalt besitze, sei māyā

Zur Zeit Śrī Caitanyas gab es noch eine andere Gruppe von Māyāvāda-Philosophen, die in Saranātha lebte. Saranātha ist ein Ort in der Nähe von Benares, wo die buddhistischen Philosophen ansässig waren. Auch heute noch gibt es dort viele stūpas (Tempel) der Buddhisten und Māyāvādīs. Die Māyāvāda-Philosophen von Saranātha unterscheiden sich von den anderen Unpersönlichkeitsphilosophen, die glauben, das unpersönliche Brahman sei die Absolute Wahrheit, insofern, als es nach ihrer Meinung überhaupt keine spirituelle Existenz gibt.

Sowohl die Māyāvāda-Philosophen von Benares, als auch die Māyāvādīs von Saranātha stehen unter dem Einfluß der materiellen Natur, denn beide kennen sie nicht die wirkliche Natur der Absoluten Transzendenz. Obwohl die Philosophen von Benares oberflächlich den vedischen Prinzipien folgen und sich als Transzendentalisten bezeichnen, wollen sie nicht anerkennen, daß es spirituelle Vielfalt gibt. Sie wissen nichts vom hingebungsvollen Dienen und werden daher als »Nicht-Gottgeweihte« bezeichnet, d.h. als Menschen, die gegen das hingebungsvolle Dienen für Śrī Kṛṣṇa sind. Die Unpersönlichkeitsphilosophen spekulieren über den Höchsten Persönlichen Gott und Seine Geweihten, wobei sie sich jedoch immer innerhalb der Grenzen ihrer direkten Sinneswahrnehmung bewegen. Aber der Herr, Seine Geweihten und das hingebungsvolle Dienen können niemals durch direkte Sinneswahrnehmung verstanden werden.

Den Māyāvādī-Philosophen von Benares war, genau wie allen anderen Unpersönlichkeitsanhängern, die Existenz spiritueller Vielfalt unbekannt, und daher begannen sie, den Herrn zu kritisieren, als dieser die saṅkīrtana-Bewegung verbreitete. Sie wunderten sich sehr über Śrī Caitanyas Verhalten, denn da Er von Keṣava Bhāratī, einem Mitglied der Māyāvāda-Schule, als sannyāsī eingeweiht worden war, gehörte Er eigentlich auch zu den Māyāvādī-sannyāsīs. Daher konnten sie es kaum fassen, daß Śrī Caitanya ständig chantete und tanzte, doch niemals den Vedānta las oder hörte, wie es für einen sannyāsī Pflicht ist. Die Māyāvādī-Philosophen schätzen den Vedānta sehr hoch ein, doch leider interpretieren sie diese Schrift nach ihrem eigenen Gutdünken.

Sie begannen also Śrī Kṛṣṇa Caitanya zu kritisieren und warfen Ihm vor, Er verhalte Sich nicht wie ein sannyāsī, sondern führe Sich wie ein sentimentaler Schwärmer auf. Als der Herr von diesen Beschuldigungen erfuhr, zeigte Er Sich jedoch nicht im geringsten betroffen, sondern lächelte nur. Er vermied auch weiterhin die Gesellschaft der Māyāvāda-sannyāsīs und widmete Sich voll und ganz Seiner saṅkīrtana-Bewegung.

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