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Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas

Von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada
Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas
Kṛṣṇa - Der Höchste Persönliche Gott
Originale Version 1. Auflage 1974
86. Kapitel:
 
Krishna
 
Kṛṣṇa besucht Śrutadeva und Bahulāśva


 

Mahārāja Parīkṣit verlangte es sehr danach, noch mehr über Kṛṣṇa zu hören, und so erzählte Śukadeva Gosvāmī, nachdem er berichtet hatte, wie Arjuna Subhadrā entführte, eine weitere Geschichte: Es lebte einst ein Haushälter und brāhmaṇa in Mithilā, der Hauptstadt des Königreiches Videha. Dieser brāhmaṇa - er hieß Śrutadeva - war ein großer Geweihter Śrī Kṛṣṇas. Weil er völlig Kṛṣṇa-bewußt war und sich ständig in Kṛṣṇas Dienst beschäftigte, war er sehr friedfertig und frei von allen Wünschen nach materiellen Dingen. Auch war er sehr gelehrt, und wünschte sich nichts anderes, als völlig im Kṛṣṇa-Bewußtsein verankert zu sein. Obwohl er im Haushälterstand lebte, unternahm er niemals große Anstrengungen, etwas für seinen Lebensunterhalt zu verdienen; er war mit dem zufrieden, was er ohne viel Mühe bekam, und konnte sich auf diese Weise irgendwie am Leben halten. Jeden Tag hatte er nur gerade das zum Leben unbedingt Nötige. Das war sein Schicksal. Der brāhmaṇa wünschte sich eben nicht mehr, als er unbedingt brauchte, und so lebte er in Frieden nach den regulierenden Prinzipien der brāhmaṇas, wie sie in den offenbarten Schriften vorgeschrieben werden.

Glücklicherweise war der König von Mithilā ein ebenso guter Gottgeweihter wie der brāhmaṇa. Der Name dieses berühmten Königs lautete Bahulāśva. Er war überall dafür bekannt, ein guter König zu sein, und war völlig frei von dem Wunsch, sein Königreich zur Befriedigung seiner Sinne auszudehnen. So lebten sowohl der brāhmaṇa als auch König Bahulāśva als reine Geweihte Śrī Kṛṣṇas in Mithilā. Da Kṛṣṇa dem König Bahulāśva und dem brāhmaṇa Śrutadeva überaus wohlgesinnt war, bat Er eines Tages Seinen Wagenlenker Dāruka, Ihn zur Hauptstadt Mithilā zu fahren. Śrī Kṛṣṇa wurde von den großen Weisen Nārada, Vāmadeva, Atri, Vyāsadeva, Paraśurāma, Asita, Aruṇi, Bṛhaspati, Kaṇva, Maitreya, Cyavana und anderen begleitet. Er und die Weisen kamen auf ihrer Fahrt durch viele Dörfer und Städte, und überall empfingen die Bürger sie mit großer Achtung und brachten ihnen zur Verehrung Gaben dar. Wenn die Bürger herbeiliefen, um den Herrn zu sehen, und sie sich alle versammelten, schien die Sonne mit den sie umgebenden Planeten gegenwärtig zu sein. Auf ihrer Reise fuhren Kṛṣṇa und die Weisen durch die Königreiche Ānarta, Dhanva, Kurujāṅgala, Kaṅka, Matsya, Pāñcāla, Kunti, Madhu, Kekaya, Kośala und Arṇa, und so bekamen alle Bewohner, Männer sowie Frauen, die Gelegenheit, Kṛṣṇa von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Dadurch genossen sie mit weitoffenen Herzen, die voll Liebe zum Herrn waren, himmlisches Glück, und als sie Kṛṣṇas Antlitz sahen, war ihnen, als tränken ihre Augen Nektar. Sobald sie Kṛṣṇa erblickten, verschwanden all ihre aus Unwissenheit entstandenen falschen Lebensauffassungen. Als Kṛṣṇa durch die besagten Länder fuhr und die Menschen herbeikamen, um Ihn zu sehen, segnete der Herr sie einfach durch Seinen Blick mit allem Glück und befreite sie somit aus aller Unwissenheit. An einigen Orten gesellten sich sogar die Halbgötter zu den Menschen, und ihre Lobpreisungen reinigten alles ringsum von allen unheilvollen Dingen. So erreichte Kṛṣṇa schließlich das Königreich Videha.

Die Bewohner des Königreichs freuten sich grenzenlos, als sie die Nachricht von Kṛṣṇas Ankunft vernahmen, und kamen mit Geschenken in den Händen herbeigelaufen, um den Herrn zu begrüßen. Sobald sie Śrī Kṛṣṇa sahen, erblühten ihre Herzen in transzendentaler Glückseligkeit wie Lotosblumen, die sich beim Sonnenaufgang öffnen. Sie hatten zwar schon die Namen der großen Weisen gehört, doch hatten sie diese niemals selbst zu Gesicht bekommen. Nun war es ihnen durch Śrī Kṛṣṇas Gnade vergönnt, sowohl die großen Weisen als auch den Herrn Selbst zu sehen.

König Bahulāśva und der brāhmaṇa Śrutadeva, die wohl wußten, daß Kṛṣṇa im Grunde nach Videha gekommen war, um sie mit Seiner Gunst zu segnen, fielen sofort vor den Lotosfüßen des Herrn nieder und erwiesen Ihm ihre Ehrerbietungen. Dann luden sowohl der König als auch der brāhmaṇa den Herrn und die Weisen mit gefalteten Händen zu sich ein. Um beide zu erfreuen, erweiterte Sich Kṛṣṇa sogleich in zwei Gestalten und besuchte sie gleichzeitig, wobei aber weder der König noch der brāhmaṇa wußte, daß der Herr auch zum Haus des anderen gegangen war. Jeder dachte, der Herr sei nur zu seinem eigenen Haus gegangen. Daß Kṛṣṇa und Seine Begleiter in beiden Häusern zugleich anwesend waren, obgleich sowohl der brāhmaṇa als auch der König dachte, Kṛṣṇa sei nur bei ihm zu Gast, ist eine der Füllen des Höchsten Persönlichen Gottes. Diese Fülle wird in den offenbarten Schriften als Vaibhava-prakāśa bezeichnet. In ähnlicher Weise erweiterte Sich Kṛṣṇa auch, als Er 16000 Frauen heiratete, in 16000 Formen, von denen jede einzelne so mächtig war wie Er Selbst. Und als Brahmā in Vṛndāvana Kṛṣṇas Kühe, Kälber und Hirtenjungen stahl, erweiterte Sich Kṛṣṇa in viele neue Kühe, Kälber und Hirtenjungen.

Bahulāśva, der König von Videha, war sehr intelligent und ein vollkommener Ehrenmann. Es erstaunte ihn sehr, daß so viele große Weise und sogar der Höchste Persönliche Gott persönlich in seinem Palast zugegen waren; er wußte nämlich sehr wohl, daß die bedingte Seele, besonders, wenn sie weltlichen Angelegenheiten nachgeht, niemals ganz rein sein kann, wohingegen der Höchste Persönliche Gott und Seine reinen Geweihten immer transzendental zur weltlichen Verunreinigung sind. Als er den Höchsten Persönlichen Gott mit allen großen Weisen in seinem Palast sah, war daher seine Verwunderung groß, und er dankte Śrī Kṛṣṇa für Seine grundlose Gnade.

Da er sich seinen Gästen gegenüber sehr verpflichtet fühlte und sie nach bestem Vermögen empfangen wollte, ließ er bequeme Stühle und Kissen bringen, auf die sich Kṛṣṇa und die Weisen behaglich niederließen. König Bahulāśva war innerlich aufgeregt, doch nicht irgendwelcher Probleme wegen, sondern weil er von einer tiefen Ekstase der Liebe und Hingabe ergriffen war. Sein Herz war von Liebe zum Herrn und Seinen Gefährten erfüllt, und in seinen Augen standen Tränen der Glückseligkeit. Er übernahm es persönlich, seinen göttlichen Gästen die Füße zu waschen, und sprengte dann sich und seinen Familienangehörigen das Wasser auf den Kopf. Danach überreichte er seinen Gästen hübsche Blumengirlanden, Sandelholzpaste, Räucherwerk, neue Gewänder, Schmuck, Lampen, Kühe und Stiere. So verehrte er jeden von ihnen in einer Art, die seiner königlichen Stellung entsprach. Als schließlich alle reichlich gespeist waren und in Behagen beieinander saßen, ging Bahulāśva zu Śrī Kṛṣṇa und berührte Seine Lotosfüße. Er nahm sie auf seinen Schoß, und während er sie massierte, begann er mit wohltönender Stimme die Herrlichkeit des Herrn zu rühmen.

»Mein lieber Herr, Du bist die Überseele aller Lebewesen, und als Zeuge in allen Herzen kennst Du die Handlungen eines jeden. Daher denken wir, gezwungenermaßen gleichsam, ständig an Deine Lotosfüße, so daß wir auf einer sicheren Ebene bleiben können, indem wir niemals von dem ewigen Dienst für Dich abweichen. Weil wir uns unablässig an Deine Lotosfüße erinnerten, warst Du so gütig, persönlich hierherzukommen, um mich mit Deiner grundlosen Gnade zu segnen. Wir haben, mein lieber Herr, gehört, Du habest mehrfach erklärt, Deine reinen Geweihten seien Dir lieber als Balarāma oder Deine ständige Dienerin, die Glücksgöttin. Du liebst Deine reinen Geweihten mehr als Brahmā, Deinen ersten Sohn, und deshalb bin ich mir sicher, daß Du in Deiner Güte meinen Palast besucht hast, um Deine göttliche Verkündung zu bestätigen. Es ist unvorstellbar für mich, wie man selbst dann noch gottlos und dämonisch sein kann, wenn man von Deiner grundlosen Barmherzigkeit und Zuneigung für Deine Geweihten weiß, die unablässig im Kṛṣṇa-Bewußtsein tätig sind. Wie nur können sie Deine Lotosfüße vergessen?

»Mein lieber Herr, wir wissen, daß Du so gütig und großmütig bist, Dich jemandem, der alles aufgibt, um sich ausschließlich im Kṛṣṇa-Bewußtsein zu beschäftigen, manchmal für sein lauteres Dienen Selbst zu geben. Du bist in der Yadu-Dynastie erschienen, um Deine Mission zu erfüllen, die bedingten Seelen, die im Sündenpfuhl des materiellen Daseins verderben, zu Dir zurückzuholen, und dafür bist Du bereits auf der ganzen Welt berühmt. Mein lieber Herr, Du bist der Ozean grenzenloser Barmherzigkeit, Liebe und Zuneigung. Deine transzendentale Gestalt ist voll Glückseligkeit, Wissen und Ewigkeit. Du kannst das Herz eines jeden durch Deine herrliche Gestalt als Śyāmasundara, Kṛṣṇa, bezaubern. Dein Wissen kennt keine Grenzen, und um alle Menschen das hingebungsvolle Dienen zu lehren, hast Du Deine Inkarnation Nara-Nārāyaṇa geschickt, der sich in Badarīnārāyaṇa große Entsagungen und Bußen auferlegt. Sei daher bitte so gütig und nimm meine demütigen Ehrerbietungen entgegen, die ich Deinen Lotosfüßen erweise. Mein lieber Herr, Ich möchte Dich und Deine Begleiter, die großen Weisen und brāhmaṇas, bitten, in meinem Haus zu verweilen, so daß unsere Familie des berühmten Königs Nimi wenigstens für einige Tage durch den Staub Deiner Lotosfüße geheiligt wird.«

Śrī Kṛṣṇa konnte Seinem reinen Geweihten diese Bitte nicht abschlagen, und so blieb Er mit den Weisen einige Tage bei ihm, um die Stadt Mithilā und all ihre Einwohner zu heiligen.

Unterdessen wurde der brāhmaṇa, der Śrī Kṛṣṇa und dessen Gefährten zur gleichen Zeit in seinem Hause empfing, von transzendentaler Freude ergriffen. Nachdem er seine Gäste gebeten hatte, sich niederzulassen, begann er zu tanzen, wobei er sich den Umhang um den Körper warf. Weil Śrutadeva wirklich nicht sehr reich war, bot er seinen ehrwürdigen Gästen, Kṛṣṇa und den Weisen, nur Sitzkissen, hölzerne Liegen, Strohteppiche und ähnliches zum Sitzen, doch empfing auch er sie nach bestem Vermögen. Er sprach vom Herrn und von den Weisen voll höchster Achtung und wusch, gemeinsam mit seiner Frau, jedem von ihnen die Füße. Danach nahm er das Wasser und besprengte damit seine Familienangehörigen; zu dieser Zeit war der brāhmaṇa, obwohl er, materiell gesehen, sehr arm erschien, doch wirklich vom Glück gesegnet. Während Śrutadeva Śrī Kṛṣṇa und Seine Gefährten willkommen hieß, vergaß er sich völlig in seiner transzendentalen Freude. Nach dem Empfang der Gäste brachte er an Früchten, Räucherstäben, Duftwasser, wohlriechendem Ton, tulasī-Blättern, kuśa-Stroh und Lotosblumen, was immer seine Mittel ihm erlaubten. Es waren dies zwar keine teuren Dinge, und sie ließen sich sehr leicht beschaffen, doch weil sie in hingegebener Liebe dargebracht wurden, nahmen Śrī Kṛṣṇa und Seine Gefährten sie mit Freude entgegen. Die Frau des brāhmaṇa kochte ganz einfache Gerichte, wie Reis und dhal, und doch nahmen Kṛṣṇa und Seine Gefährten sie dankbar zu sich, denn auch sie wurden ihnen mit Hingabe und Liebe dargebracht. Als Kṛṣṇa und Seine Begleiter auf diese Weise gespeist wurden, dachte der brāhmaṇa Śrutadeva bei sich: »Ich bin in den tiefen, dunklen Brunnen des Haushälterlebens gefallen, und ich bin der unglücklichste aller Menschen. Wie kann es unter diesen Umständen nur möglich sein, daß Śrī Kṛṣṇa, der Höchste Persönliche Gott, und Seine Gefährten, die großen Weisen, deren bloße Gegenwart jeden Ort so heilig macht wie eine Pilgerstätte, sich dazu herabgelassen haben, in meine Hütte zu kommen?« Während der brāhmaṇa darüber nachdachte, beendeten seine Gäste ihr Mahl und lehnten sich behaglich zurück. Sogleich traten Śrutadeva, seine Frau, seine Kinder und andere Verwandte vor ihre ehrwürdigen Gäste, um ihnen zu dienen. Während der brāhmaṇa Kṛṣṇas Lotosfüße berührte, sagte er: »Mein lieber Herr, Du bist die Höchste Person, Puruṣottama, und somit transzendental zur manifestierten und nicht manifestierten materiellen Schöpfung. Die Aktionen der materiellen Welt und der bedingten Lebewesen können Dich in Deiner Stellung nicht berühren. Wir wissen, daß Du mich nicht nur heute mit Deiner Anwesenheit beehrst; vielmehr bist Du seit Anbeginn der Schöpfung als Paramātmā mit allen Lebewesen zusammen.«

Die Worte des brāhmaṇa sind sehr lehrreich. Es ist eine Tatsache, daß der Höchste Herr, der Persönliche Gott, in Seinem Paramātmā-Aspekt als Mahā-Viṣṇu, Garbhodakaśāyī-Viṣṇu und Kṣīrodakaśāyī-Viṣṇu in die Schöpfung der materiellen Welt eingegangen ist und in Seiner großen Güte neben der bedingten Seele im Körper weilt. Deshalb ist jedes Lebewesen schon seit Anbeginn mit dem Herrn zusammen, doch weil es ein falsches Bewußtsein vom Leben hat, vermag es dies nicht zu erkennen. Wenn jedoch sein Bewußtsein in Kṛṣṇa-Bewußtsein gewandelt wird, kann es ohne weiteres erkennen, wie Kṛṣṇa versucht, der bedingten Seele zu helfen, der materiellen Verstrickung zu entkommen.

Śrutadeva fuhr fort: »Mein lieber Herr, Du bist in einem schlafähnlichen Zustand in diese Welt eingegangen. Die bedingte Seele schafft im Schlaf falsche, d. h. zeitweilige Welten, und beschäftigt sich dabei mit so vielen illusorischen Dingen. Manchmal wird sie König; ein anderes Mal wird sie ermordet; dann wieder besucht sie eine unbekannte Stadt - doch all diese Dinge sind nur vorübergehend existent. In ähnlicher Weise begibst Du Dich, o Herr, scheinbar ebenfalls wie im Schlaf in die materielle Welt, um eine vorübergehende Manifestation zu schaffen - allerdings nicht eigener Bedürfnisse wegen, sondern für die bedingte Seele, die Dich, o Herr, als Genießer nachahmen möchte. Der Genuß der bedingten Seele in der materiellen Welt ist zeitweilig und eine Täuschung, doch ist die bedingte Seele nicht selbst in der Lage, die zeitweiligen Gegebenheiten für ihren illusionären Genuß zu schaffen. Obwohl also die Wünsche der bedingten Seele vorübergehend sind und eine Täuschung darstellen, gehst Du, um sie zu erfüllen und dem Lebewesen zu helfen, in die zeitweilige Manifestation ein. Somit bist Du von dem Zeitpunkt an, zu dem die bedingte Seele in die materielle Welt kommt, ihr ständiger Begleiter. Wenn aber die bedingte Seele einem reinen Gottgeweihten begegnet und sich dem hingebungsvollen Dienen zuwendet, das damit beginnt, daß man von Deinen transzendentalen Spielen hört, Deine transzendentalen Taten preist, Deine ewige Gestalt im Tempel verehrt, Dir Gebete darbringt und Gespräche führt, um Deine transzendentale Stellung zu verstehen, so wird sie allmählich von der Verunreinigung des materiellen Daseins befreit. Das Herz eines solchen Gottgeweihten wird dann von allem materiellen Staub gereinigt, und so wirst Du nach und nach in seinem Herzen sichtbar. Obwohl Du ständig mit der bedingten Seele zusammen bist, wirst Du ihr nur dann offenbar, wenn sie durch hingebungsvolles Dienen für Dich rein geworden ist. Andere, die durch fruchtbringende Tätigkeiten - ob sie nun nach den vedischen Anweisungen ausgeführt werden oder auf alltägliche Weise vor sich gehen - in Verwirrung geraten und sich nicht dem hingebungsvollen Dienst zuwenden, werden von den äußeren Freuden angelockt, die die körperliche Lebensauffassung mit sich bringt. Solchen Menschen offenbarst Du Dich nicht, sondern bleibst für sie in sehr weiter Ferne. Wer sich jedoch Deinem hingebungsvollen Dienst widmet und sein Herz durch unablässige Anrufung Deines heiligen Namens gereinigt hat, erkennt Dich leicht als seinen ewigen Begleiter.

»Es heißt, daß Du, o Herr, dem Gottgeweihten vom Herzen her die Anleitung gibst, wie er schnell nach Hause, zurück zu Dir, gelangen kann. Diese direkte Führung offenbart dem Gottgeweihten Deine Anwesenheit in seinem Herzen. Nur ein Gottgeweihter vermag ohne weiteres, Deine Anwesenheit in seinem Herzen wahrzunehmen, wohingegen Du für jemanden, der nur eine körperliche Lebensauffassung hat und der Befriedigung seiner Sinne nachjagt, immer durch den Schleier der yoga-māyā verborgen bleibst. Ein solcher Mensch kann nicht erkennen, daß Du - ihm ganz nah - in seinem Herzen weilst. Der Nichtgottgeweihte nimmt Dich nur als endgültigen Tod wahr. Der Unterschied zwischen seiner Sicht und der eines Gottgeweihten gleicht dem Unterschied zwischen dem Empfinden eines Katzenjungen und dem einer Ratte, wenn sie im Maul einer Katze fortgetragen werden: Die Ratte erfährt im Katzenmaul den Tod, während das Katzenjunge im Maul der Katze deren mütterliche Zuneigung verspürt. Ebenso erfahren, obwohl Du für jeden da bist, die Nichtgottgeweihten Dich nur als den endgültigen, grausamen Tod, wohingegen Du für den Gottgeweihten der höchste Lehrer und Philosoph bist. Der Atheist erkennt also Gottes Existenz als Tod; der Gottgeweihte dagegen erkennt Gottes Gegenwart stets in seinem Herzen, nimmt Anweisungen von Ihm entgegen und lebt völlig transzendental, da er nicht von der verunreinigenden materiellen Natur berührt wird.

»Du bist der höchste Herrscher und der über das Wirken der materiellen Natur Wachende. Die Atheisten beobachten lediglich die Vorgänge der materiellen Natur, doch können sie Dich nicht als die Grundlage ihrer Existenz erkennen. Ein Gottgeweihter dagegen sieht Deine Hand in jeder Regung der materiellen Natur. Der Schleier yoga-māyās kann nicht die Augen Deiner Geweihten, o Herr, bedecken; er kann sich nur über die Augen der Nichtgottgeweihten breiten. Der Nichtgottgeweihte ist außerstande, Dich von Angesicht zu Angesicht zu sehen, ebenso wie ein Mensch, dessen Sicht von einer Wolke begrenzt ist, die Sonne nicht sehen kann, obwohl ein anderer, der über der Wolkendecke fliegt, das Sonnenlicht so hell sieht, wie es ist. Mein lieber Herr, ich bringe Dir meine achtungsvollen Ehrerbietungen dar. Mein lieber aus Dir selbst strahlender Herr, ich bin Dein ewiger Diener. Bitte befiehl mir deshalb was kann ich für Dich tun? Die bedingte Seele erfährt die Schmerzen der materiellen Verunreinigung in Form der dreifachen Leiden, solange Du ihr nicht sichtbar bist. Doch sobald sie Dich durch ihr wiedererlangtes Kṛṣṇa-Bewußtsein sehen kann, überwindet sie damit sogleich alle Leiden des materiellen Daseins.«

Der Höchste Persönliche Gott, Kṛṣṇa, ist Seinen Geweihten natürlicherweise sehr zugetan. Als Er daher Śrutadevas in reiner Hingabe gesprochenen Gebete hörte, freute Er Sich sehr; Er nahm ihn bei den Händen und sagte: »Mein lieber Śrutadeva, all die großen Weisen und Heiligen hier sind so gütig zu dir, daß sie persönlich gekommen sind, um dich zu besuchen. Betrachte dies als ein großes Glück für dich. Sie sind so gütig, Mich auf Meiner Reise zu begleiten, und wohin sie auch kommen, machen sie alles allein durch den Staub von ihren Lotosfüßen so rein wie die transzendentale Sphäre. Die Menschen pflegen zu der Tempeln Gottes zu gehen und die heiligen Pilgerorte zu besuchen. Wenn sie dies lange Zeit getan und viele Tage in deren Bereich und mit ihrer Verehrung verbracht haben, werden sie allmählich geläutert. Der Einfluß großer Heiliger und Weiser indessen ist so mächtig, daß man, allein wenn man sie nur sieht, sogleich geläutert wird.

»Darüber hinaus kommt einem auch die reinigende Kraft zugute, die dem Besuch der Pilgerstätten oder der Verehrung verschiedener Halbgötter durch die Gnade Heiliger entspringt. Ein Pilgerort wird durch die Anwesenheit der Heiligen dort zu einem heiligen Ort. Mein lieber Śrutadeva, wenn jemand als brāhmaṇa geboren wird, zählt er bereits zu den Besten der Menschen. Und wenn ein solcher brāhmaṇa, während er stets selbstgenügsam bleibt, Bußen auf sich nimmt, die Veden studiert und sich, wie es die Pflicht des brāhmaṇa ist, in Meinem hingebungsvollen Dienst beschäftigt - wenn er also, mit anderen Worten, ein Vaiṣṇava wird, wie wunderbar ist dann seine Vortrefflichkeit! Meine Erweiterung als vierarmiger Nārāyaṇa ist Mir nicht so lieb wie ein brāhmaṇa-Vaiṣṇava. Brāhmaṇa bedeutet »jemand, der mit dem vedischen Wissen vertraut ist«; ein brāhmaṇa ist der Inbegriff vollkommenen Wissens, und Ich bin die vollständige Manifestation aller Götter. Die weniger Intelligenten erkennen nicht, daß Ich das höchste Wissen bin, noch haben sie eine Vorstellung von der Bedeutung der brāhmaṇa-Vaiṣṇavas. Sie stehen unter dem Einfluß der drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur und wagen es daher sogar in ihrer Unwissenheit, Mich und Meine reinen Geweihten zu schmähen. Ein brāhmaṇa-Vaiṣṇava, d. h. ein Gottgeweihter, der bereits die brahmanische Ebene erreicht hat, kann Mich in seinem Herzen erkennen und gelangt daher zu dem eindeutigen Schluß, daß die gesamte kosmische Manifestation mit ihren verschiedenen Aspekten durch Meine verschiedenen Energien geschaffen wurde. Damit hat er ein klares Verständnis von der gesamten materiellen Natur und der materiellen Energie, und in allem, was geschieht, sieht ein solcher Gottgeweihter Mich allein, und nichts anderes.

»Mein lieber Śrutadeva, du kannst deshalb all diese großen Heiligen, brāhmaṇas und Weisen als Meine echten Vertreter betrachten. Wenn du sie gläubig verehrst, verehrst du Mich damit in noch vortrefflicher Weise. Ich sehe es lieber, daß man Meine Geweihten, als daß man Mich unmittelbar Selbst verehrt. Wenn man versucht, Mich direkt zu verehren, ohne Meine Geweihten zu verehren, nehme Ich eine solche Verehrung nicht an, selbst wenn sie sehr prunkvoll ist.«

So verehrten der brāhmaṇa Śrutadeva und der König von Mithilā, unter der Anleitung des Herrn, Kṛṣṇa und dessen Gefolge, die großen Weisen und heiligen brāhmaṇas, als auf gleicher Stufe spiritueller Bedeutung Stehende. Der brāhmaṇa und der König erreichten beide letztlich das höchste Ziel und gelangten in die spirituelle Welt. Der Gottgeweihte kennt niemanden außer Kṛṣṇa, und Kṛṣṇa ist Seinem Geweihten sehr zugeneigt. Śrī Kṛṣṇa verweilte noch einige Zeit im Hause des brāhmaṇa Śrutadeva wie auch im Palast König Bahulāśvas in Mithilā, und nachdem Er beide in reichem Maße mit transzendentalen Unterweisungen gesegnet hatte, begab Er Sich wieder nach Seiner Hauptstadt Dvārakā.

Die Lehre, die wir aus dieser Begebenheit ziehen können, besteht darin, daß der Herr den König Bahulāśva und den brāhmaṇa Śrutadeva gleich behandelte, da beide reine Gottgeweihte waren. Ein reiner Gottgeweihter zu sein, ist die einzige Eigenschaft, durch die man die Anerkennung des Höchsten Persönlichen Gottes findet. Da es eine Erscheinung des gegenwärtigen Zeitalters ist, daß Menschen sich zu Unrecht etwas auf ihre Geburt in einer kṣatriya- oder brāhmaṇa-Familie einbilden, können wir häufig beobachten, wie Menschen, ohne eine andere Eignung als ihre Herkunft zu besitzen, die Behauptung aufstellen, brāhmaṇa, kṣatriya oder vaiśya zu sein. In den Schriften steht jedoch: kalau śūdra-sambhava: »Im Zeitalter des Kali ist jeder ein śūdra.« Das liegt daran, daß heute keine der als saṁskāra bekannten Läuterungsvorgänge mehr durchgeführt werden. Niemand kann seiner Herkunft wegen zu einer bestimmten Kaste gezählt werden, insbesondere nicht zu einer der höheren Kasten, den brāhmaṇas, kṣatriyas oder vaiśyas! Wenn man nicht durch die Samengebungszeremonie, die des Garbhādhāna-saṁskāra, gereinigt worden ist, gehört man auf jeden Fall von Geburt an zu den śūdras, denn nur die śūdras unterziehen sich nicht diesem Läuterungsvorgang. Ein Geschlechtsleben ohne den Reinigungsvorgang des Kṛṣṇa-Bewußtseins ist nichts anderes als der Begattungsakt bei śūdras und Tieren. Kṛṣṇa-Bewußtsein jedoch ist die höchste Vollkommenheit des Lebens, durch die jeder auf die Ebene eines Vaiṣṇava gelangen kann. Diese Stufe schließt bereits mit ein, daß man alle Eigenschaften eines brāhmaṇa besitzt. Die Vaiṣṇavas werden dazu erzogen, von den vier Arten der Sünde frei zu werden, die darin bestehen, daß man unzulässige sexuelle Beziehungen unterhält, Rauschmittel einnimmt, sich an Glücksspielen beteiligt oder Essen zu sich nimmt, das aus Tierleichen zubereitet wurde. Niemand kann sich auf der brahmanischen Ebene befinden, ohne zumindest diese Grundvoraussetzungen zu erfüllen, und ohne ein echter brāhmaṇa zu sein, kann man kein reiner Gottgeweihter werden.

Hiermit endet die Erläuterung Bhaktivedantas zum 86. Kapitel des Buches Kṛṣṇa:
»Kṛṣṇa besucht Śrutadeva und Bahulāśva«.