Photo Gallery

Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas

Von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada
Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas
Kṛṣṇa - Der Höchste Persönliche Gott
Originale Version 1. Auflage 1974
80. Kapitel:
 
Krishna
 
Der brāhmaṇa Sudāmā wird von Śrī Kṛṣṇa gesegnet


 

Śrī Kṛṣṇa, der Höchste Persönliche Gott, die Überseele aller Lebewesen, kennt das Herz eines jeden genau. Er ist besonders den brāhmaṇa-Gottgeweihten zugetan. Śrī Kṛṣṇa wird auch brahmaṇyadeva genannt, was bedeutet, daß Er von den brāhmaṇas verehrt wird. Ein Gottgeweihter, der dem Höchsten Persönlichen Gott völlig hingegeben ist, hat deshalb die Stufe des brāhmaṇa bereits erreicht. Ohne ein brāhmaṇa zu werden, kann man sich nicht dem Höchsten Brahman, Śrī Kṛṣṇa, nähern. Kṛṣṇa liegt besonders viel daran, die Nöte Seiner Geweihten zu beseitigen, und Er ist die einzige Zuflucht der reinen Gottgeweihten.

Śrī Kṛṣṇa sprach lange Zeit mit Sudāmā Vipra über ihre früheren gemeinsamen Erlebnisse. Nur um Sich der Gesellschaft Seines alten Freundes zu erfreuen, begann der Herr unvermittelt zu lächeln und fragte: »Lieber Freund, was hast du Mir mitgebracht? Hat dir deine Frau nicht etwas Schönes zum Essen für Mich mitgegeben?« Während Śrī Kṛṣṇa Seinen Freund dies fragte, sah Er ihn an und lächelte liebevoll. Er sagte: »Lieber Freund, du mußt Mir doch ein Geschenk von zu Hause mitgebracht haben.«

Śrī Kṛṣṇa wußte, daß Sudāmā sich schämte, Ihm den armseligen Bruchreis zu geben, der sich eigentlich nicht dafür eignet, vom Herrn gegessen zu werden. Da der Herr Sudāmās Gedanken kannte, versicherte Er ihm: »Lieber Freund, es mangelt Mir zweifellos an nichts, doch wenn Mir Mein Geweihter aus Liebe ein Geschenk anbietet, nehme Ich es, selbst wenn es etwas ganz Unbedeutendes ist, mit großer Freude an. Wenn andererseits jemand kein Gottgeweihter ist, nehme Ich, auch wenn er Mir noch so kostbare Dinge anbietet, Seine Gaben nicht gern an. Ich nehme im Grunde nur Gaben an, die mir in Liebe und Hingabe dargebracht werden; etwas anderes nehme Ich nicht an, ganz gleich, wie wertvoll es auch sein mag. Selbst wenn Mir Mein reiner Geweihter höchst unbedeutende Dinge anbietet, wie etwa eine kleine Blume, ein kleines Blatt oder ein wenig Wasser, die Opferung jedoch mit hingebungsvoller Liebe durchtränkt, nehme Ich sie nicht nur erfreut an, sondern esse sie auch mit großem Behagen.«

Śrī Kṛṣṇa versicherte Sudāmā Vipra somit, daß Er Sich sehr glücklich schätzen würde, den Bruchreis, den dieser Ihm mitgebracht hatte, entgegenzunehmen, doch aus Schamhaftigkeit scheute sich Sudāmā immer noch, sein Geschenk dem Herrn zu übergeben. Er sagte sich: »Wie kann ich es wagen, Krṣṇa etwas so Unbedeutendes anzubieten?«, und so senkte er nur schamvoll den Kopf.

Śrī Kṛṣṇa, die Überseele, weiß alles, was in den Herzen der Lebewesen vor sich geht, und kennt daher die Entschlüsse und Wünsche eines jeden. Deshalb war Ihm auch der Grund für Sudāmās Kommen bekannt. Er wußte, daß Sudāmā, durch äußerste Armut getrieben, Ihn auf Bitten seiner Frau aufgesucht hatte. Während Er Sudāmā als Seinen lieben Schulfreund betrachtete, wußte Er, daß Sudāmās freundschaftliche Liebe zu Ihm niemals durch ein materielles Verlangen befleckt war. Kṛṣṇa dachte: »Sudāmā ist nicht gekommen, um Mich um etwas zu bitten, sondern er ist gekommen, weil er sich dem Bitten seiner Frau verpflichtet fühlt und sie lediglich zufriedenstellen will.« Śrī Kṛṣṇa beschloß deshalb, Sudāmā Vipra mehr materiellen Reichtum zu geben als selbst der König des Himmels sich zu erträumen wagt. Unvermittelt griff Er nach dem kleinen Reisbündel, das an der Schulter des armen brāhmaṇa in einer Falte seines Übertuchs verborgen hing, und sagte: »Was ist das? Mein lieber Freund, du hast Mir ja wunderbaren, köstlichen Bruchreis gebracht!« Er ermutigte Sudāmā Vipra: »Ich glaube, daß diese Menge Reis nicht nur Mich, sondern auch die gesamte Schöpfung sättigen wird.« Aus dieser Bemerkung wird ersichtlich, daß Krṣṇa die Wurzel der gesamten Schöpfung ist, da ursprünglich alles aus Ihm hervorging. So wie es dem ganzen Baum nützt, wenn man seine Wurzel begießt, da das Wasser in alle Teile des Baumes verteilt wird, ist auch eine Opferung, die Kṛṣṇa dargebracht wird, d.h., jede Handlung, die für Kṛṣṇa getan wird, als die höchste Wohltätigkeit für jeden anzusehen, denn der Nutzen einer solchen Darbringung verteilt sich auf die ganze Schöpfung. Liebe zu Kṛṣṇa wird an alle Lebewesen verteilt.

Während Śrī Kṛṣṇa mit Sudāmā Vipra sprach, aß Er ein wenig Bruchreis aus dem Bündel; als Er versuchte, einen zweiten Bissen zu nehmen, ergriff Rukmiṇīdevī, die Glücksgöttin, Seine Hand und sagte: »Mein lieber Herr, dieser eine Krumen Reis genügt, denjenigen, der ihn Dir darbrachte, in diesem Leben sehr reich zu machen und ihm auch für sein nächstes Leben Reichtum zu sichern. Mein Herr, Du bist so gütig zu Deinem Geweihten, daß schon dieser eine Bissen Bruchreis Dich überaus erfreut, und Deine Freude sichert dem Gottgeweihten sowohl in diesem als auch im nächsten Leben großen Reichtum.« Diese Worte deuten darauf hin, daß sich Rukmiṇī, die Glücksgöttin, wenn ein Gottgeweihter Kṛṣṇa mit Liebe und Hingabe etwas zu essen opfert, und Er Sich darüber freut und es von ihm annimmt, dem Gottgeweihten so sehr zu Dank verpflichtet fühlt, daß sie persönlich in sein Haus kommt, um es in das reichste Haus der Welt zu verwandeln. Wenn jemand Nārāyaṇa reichlich speist, wird damit auch die Glücksgöttin Lakṣmī ein Gast in seinem Haus, wodurch Wohlstand darin einkehrt. Der gelehrte brāhmaṇa Sudāmā verbrachte die Nacht in Kṛṣṇas Palast, und während seines Aufenthaltes fühlte er sich wie auf den Vaikuṇṭha-Planeten. Und in der Tat war er in Vaikuṇṭha, denn jeder Ort, an dem Śrī Kṛṣṇa, der ursprüngliche Nārāyaṇa, und Rukmiṇīdevī, die Glücksgöttin, weilen, ist nicht verschieden von Vaikuṇṭhaloka, den spirituellen Planeten.

Der gelehrte brāhmaṇa Sudāmā schien kein sichtbares Geschenk von Śrī Kṛṣṇa zu erhalten, während er am Hof des Herrn weilte, und doch bat er Ihn um nichts. Am nächsten Morgen machte er sich auf den Weg nach Hause, wobei er ständig an den Empfang dachte, den Kṛṣṇa ihm bereitet hatte, und deshalb in transzendentale Glückseligkeit tauchte. Auf dem ganzen Heimweg dachte er nur an Kṛṣṇas Verhalten und war sehr glücklich, den Herrn gesehen zu haben.

Der brāhmaṇa dachte bei sich: »Es ist so freudvoll, Śrī Kṛṣṇa, der den brāhmaṇas so ergeben ist, zu begegnen. Welch ein Freund der brahmanischen Kultur Er ist! Obwohl Selbst das Höchste Brahman, zeigt Er Sich den brāhmaṇas erkenntlich. Er achtet sie so sehr, daß Er einen armen brāhmaṇa wie mich an Seine Brust drückt, obwohl Er sonst niemanden außer der Glücksgöttin umarmt. Wie könnte man mich, einen armen, sündigen brāhmaṇa, im entferntesten mit dem Höchsten Herrn vergleichen, der die einzige Zuflucht der Glücksgöttin ist? Und dennoch schloß Er mich, weil Er mich als einen brāhmaṇa betrachtete, mit herzlicher Freude in Seine beiden transzendentalen Arme. Śrī Kṛṣṇa war so gütig, daß Er mir erlaubte, mich auf das Bett zu setzen, auf dem sonst die Glücksgöttin ruht. Er behandelte mich wie Seinen eigenen Bruder. Wie könnte ich jemals ermessen, wie sehr ich Ihm verpflichtet bin? Als ich müde war, fächelte mir Śrīmatī Rukmiṇīdevī persönlich Kühlung zu, wozu sie selbst den cāmara-Wedel in die Hand nahm. Sie dachte nie an ihre erhabene Stellung als erste Königin Śrī Kṛṣṇas. Der Höchste Persönliche Gott erwies mir Dienste, weil Er die brāhmaṇas so sehr schätzt, und indem Er mir die Beine massierte und mir eigenhändig zu Essen gab, verehrte Er mich geradezu! Jeder im Universum, ob er danach trachtet, die himmlischen Planeten zu erreichen, ob er Befreiung, materielle Güter oder die Vollkommenheit im Beherrschen mystischer yoga-Kräfte begehrt, verehrt die Lotosfüße Śrī Kṛṣṇas. Trotzdem war der Herr so gütig zu mir, mir nicht mal einen Heller zu geben, da Er ganz genau wußte, daß ich ein armer Mann bin, der, sowie er etwas Geld bekommt, stolz und verrückt nach materiellen Gütern werden und Ihn dadurch vergessen könnte.«

Dieser Gedanke des brāhmaṇa Sudāmā ist berechtigt. Ein gewöhnlicher Mensch, der sehr arm ist und zum Herrn bittet, ihn mit materiellen Gütern zu segnen, vergißt, wenn er dann tatsächlich auf irgendeine Weise reicher wird, sofort seine Verpflichtung gegenüber dem Herrn. Deshalb bietet der Herr Seinem Geweihten keinen Reichtum, solange dieser nicht völlig hilflos ist. Der Herr verhindert sogar, daß ein neuer Gottgeweihter, der Ihm sehr ernsthaft dient, aber zugleich materielle Güter begehrt, diese erlangt.

Mit solchen Gedanken näherte sich der gelehrte brāhmaṇa allmählich seinem Heim. Als er ankam wurde er von Verwunderung ergriffen, denn alles hatte sich in wunderbarer Weise verändert. Dort, wo früher einmal eine Hütte gewesen war, standen nun riesige Paläste aus kostbaren Edelsteinen und Juwelen, die wie Sonne, Mond und Feuer strahlten. Nicht nur große Paläste sah er, sondern auch in regelmäßigen Abständen wunderbar gepflegte Parks, in denen schöne Männer und Frauen lustwandelten. In diesen Parks gab es herrliche Teiche mit Lotosblumen, wunderbaren Lilien und Schwärmen farbenprächtiger Vögel. Als der brāhmaṇa die wundersame Veränderung seines Geburtshauses sah, dachte er: »Wie sind nur all diese Wandlungen zu erklären, die ich hier sehe? Ist dies alles etwa mein Eigentum, oder gehört es jemand anderem? Wenn dies tatsächlich dieselbe Stelle ist, an der ich früher lebte, wie hat sich dann alles in so wundervoller Weise verändert?«

Während der gelehrte brāhmaṇa so hin und her überlegte, trat eine Gruppe schöner Männer und Frauen, die wie Halbgötter aussahen, begleitet von Sängern auf ihn zu, um ihn zu begrüßen. Sie sangen dabei glückbringende Lieder. Die Frau des brāhmaṇa eilte, als sie von der Ankunft ihres Mannes erfuhr, aus einem der Paläste herbei. Sie sah so lieblich aus, daß es schien, als sei die Glücksgöttin persönlich gekommen, um Sudāmā zu empfangen. Als sie ihren Gatten vor sich sah, strömten Tränen der Freude aus ihren Augen, und die Stimme versagte ihr, so daß sie ihrem Mann nicht einmal einige Worte zur Begrüßung sagen konnte. So schloß sie nur die Augen in Verzückung, verneigte sich voller Liebe vor ihm und umarmte ihn in Gedanken. Sie war mit einer Halskette und anderem Geschmeide köstlich geschmückt, und inmitten ihrer Dienerinnen sah sie aus, als sei sie die Frau eines Halbgottes und soeben aus ihrem Himmelsfahrzeug gestiegen. Der brāhmaṇa war überrascht, als er sah, wie schön seine Frau war, und erfüllt von Zuneigung, ging er, ohne ein Wort zu sagen, mit ihr in den Palast.

Als der brāhmaṇa dann sein persönliches Gemach im Palast betrat, sah er, daß es nicht etwa eine schlichte Wohnung war, sondern geradezu eine Residenz für den König des Himmels. Der Palast war von vielen edelsteingeschmückten Säulen umgeben; die Diwane und Betten waren aus Elfenbein mit Gold und Juwelen verziert, und die Polster waren so weiß wie der Schaum auf der Milch und so weich und sanft wie Lotosblüten. Es waren viele Wedel mit goldenen Griffen zu sehen und mehrere goldene Thronsessel mit Sitzkissen, die gleichfalls so weich waren wie Lotosblüten. Überall hingen mit Perlen bestickte Baldachine aus Samt und Seide. Das Gebäude selbst bestand aus feinstem klaren Marmor, in den Verzierungen aus Smaragden eingelassen waren. Die Frauen im Palast trugen Lampen aus kostbaren Edelsteinen, die, weil der Flammenschein sich in den Edelsteinen brach, ein wundervoll strahlendes Licht verbreiteten. Als der brāhmaṇa sich in solchem Reichtum wiederfand und es ihm nicht gelang, den Grund dieses plötzlichen Wandels seiner Lage zu deuten, verfiel er in tiefes Nachdenken und überlegte, wie dies alles hatte geschehen können.

Er dachte bei sich: »Von Anfang an lebte ich in äußerster Armut. Was kann also die Ursache für diesen gewaltigen und plötzlichen Wandel sein? Ich kann keine andere Ursache finden als den allbarmherzigen Blick meines Freundes Śrī Kṛṣṇa, des Führers der Yadu-Dynastie. Bestimmt ist all das, was ich hier sehe, eine Gabe aus Kṛṣṇas grundloser Gnade. Der Herr ist in Sich Selbst zufrieden; Er ist der Gemahl der Glücksgöttin und besitzt alle sechs Füllen. Er kennt die Gedanken Seiner Geweihten und erfüllt ihnen ihre Wünsche zur Genüge. Deshalb sind all diese wundersamen Geschehnisse auf meinen Freund Śrī Kṛṣṇa zurückzuführen. Mein schöner dunkler Freund Kṛṣṇa ist großzügiger als die Wolke, die den riesigen Ozean mit Wasser auffüllen kann. Weil die Wolke den Landmann nicht während des Tages mit ihrem Regen behelligen will, bringt sie ihm nachts großzügig Regen, um ihn zu erfreuen. Dennoch geschieht es manchmal, daß der Bauer, wenn er am Morgen aufwacht, meint, es habe nicht genug geregnet. Ebenso erfüllt der Herr die Wünsche aller Lebewesen je nach ihrer Position, und doch betrachtet jemand, der nicht Kṛṣṇa-bewußt ist, die Gaben des Herrn als seinen Wünschen nicht entsprechend. Der Herr dagegen betrachtet, wenn Er von Seinem Gottgeweihten mit Liebe und Hingabe ein kleines Geschenk bekommt, dieses als etwas sehr Großes und Wertvolles. Das beste Beispiel bin ich selbst: Ich brachte Ihm nur ein wenig Bruchreis, und Er gab mir dafür mehr Reichtum als der König des Himmels sein eigen nennt.«

Der Herr benötigt das, was Sein Geweihter Ihm darbringt, im Grunde nicht, denn Er ist in Sich Selbst zufrieden. Wenn der Geweihte dem Herrn etwas opfert, wirkt sich das zu seinem eigenen Vorteil aus, denn alles, was er dem Herrn gibt, bekommt er millionenfach zurück. Man verliert also nichts, wenn man dem Herrn etwas gibt, sondern gewinnt millionenfach.

Der brāhmaṇa Sudāmā fühlte sich Kṛṣṇa sehr zu Dank verpflichtet und dachte: »Ich bete darum, mit Śrī Kṛṣṇa Freundschaft zu halten und in Seinem Dienst beschäftigt zu sein, wie auch, mich Ihm in Liebe und Zuneigung völlig hingeben zu können - Leben für Leben. Ich begehre keinen Reichtum. Mein einziges Verlangen ist es, niemals zu vergessen, Ihm zu dienen, und ich wünsche mir nur, stets mit Seinen reinen Geweihten zusammenzusein. Mögen mein Geist und meine Handlungen immer Seinem Dienst geweiht sein. Der ungeborene Höchste Persönliche Gott Śrī Kṛṣṇa weiß, daß schon viele große Persönlichkeiten durch übergroßen Reichtum aus ihrer hohen Stellung stürzten. Deshalb gibt der Herr Seinem Geweihten nicht immer Reichtum, selbst wenn dieser Ihn darum bittet. Der Herr trägt achtsam Sorge für Seine Geweihten. Ein Gottgeweihter, der im hingebungsvollen Dienst noch nicht weit fortgeschritten ist, könnte, wenn sich ihm großer Reichtum böte, stürzen, da er sich in der materiellen Welt befindet, und deshalb bietet ihm der Herr keinen Reichtum an. Dies ist ebenfalls ein Zeichen der grundlosen Barmherzigkeit des Herrn gegenüber Seinen Geweihten. Kṛṣṇas erstes Anliegen ist es, Seine Geweihten vor dem Sturz zu bewahren. Er ist wie ein wohlmeinender Vater, der seinem unreifen Sohn nicht viel Geld in die Hand gibt, ihm aber, wenn er erwachsen ist und mit Geld umzugehen weiß, seine ganze Schatzkammer anvertraut.«

Der gelehrte brāhmaṇa beschloß, allen Reichtum, den er vom Herrn bekommen hatte, nicht für ausschweifende materielle Befriedigung zu verschwenden, sondern im Dienst des Herrn zu gebrauchen. Er nahm den unverhofften Reichtum zwar an, doch tat er dies in einer entsagungsvollen Haltung und ohne Begehren nach der Befriedigung sinnenhafter Wünsche. So lebte er sehr friedlich mit seiner Frau, indem er alle Möglichkeiten, die der Reichtum ihm bot, als prasāda des Herrn entgegennahm und sich an ihnen erfreute. Er genoß, beispielsweise, vielerlei schöne Speisen, indem er sie dem Herrn opferte und dann als prasāda zu sich nahm. Auch wenn die Gnade des Herrn uns materielle Füllen, wie Reichtum, Ruhm, Macht, Wissen und Schönheit, gewährt, ist es unsere Pflicht, daran zu denken, daß dies alles vom Herrn verliehene Gaben sind und als solche in Seinem Dienst, und nicht zu unserem eigenen Sinnengenuß, verwendet werden müssen. Der gelehrte brāhmaṇa erinnerte sich stets daran, und statt durch den vielen Reichtum Schaden zu leiden, steigerte sich seine Liebe und Zuneigung zu Kṛṣṇa von Tag zu Tag. Materieller Reichtum kann zu Entartung sowie zur Erhebung führen, je nachdem, wie man ihn verwendet. Wenn der Reichtum zur Befriedigung der Sinne mißbraucht wird, führt er zur Entartung, wenn er jedoch im Dienst des Herrn verwendet wird, führt er zur Erhebung.

An Śrī Kṛṣṇas Verhalten gegenüber Sudāmā Vipra wird deutlich, daß Sich der Höchste Persönliche Gott sehr über jemanden freut, der die brahmanischen Eigenschaften besitzt. Ein fähiger brāhmaṇa wie Sudāmā Vipra ist von Natur aus ein Geweihter Kṛṣṇas. Daher heißt es: brāhmaṇo vaiṣṇavaḥ - ein brāhmaṇa ist ein Vaiṣṇava. Und manchmal sagt man auch: brāhmaṇaḥ paṇḍitaḥ. Paṇḍita bedeutet soviel wie »hochgelehrter Mensch«. Ein brāhmaṇa darf nicht dumm oder ungebildet sein. Somit gibt es zwei Arten von brāhmaṇas, nämlich die Vaiṣṇavas und die paṇḍitas. Diejenigen, die nur gelehrt sind, sind paṇḍitas, aber noch keine Gottgeweihten oder Vaiṣṇavas. Mit diesen ist Śrī Kṛṣṇa nicht sonderlich zufrieden. Nur die Eigenschaft, ein gelehrter brāhmaṇa zu sein, reicht nicht aus, das Wohlgefallen des Höchsten Persönlichen Gottes zu erwerben. Ein brāhmaṇa sollte nicht nur die Anforderungen erfüllen, die Schriften wie die Śrīmad-Bhāgavad-gītā und das Śrimad-Bhāgavatam an ihn stellen, sondern er muß auch gleichzeitig ein Geweihter Kṛṣṇas sein. Das vorbildliche Beispiel für einen solchen brāhmaṇa ist Sudāmā Vipra. Er war ein fähiger brāhmaṇa, der keinerlei Anhaftung an irgendeine Form materieller Sinnenfreude besaß, und zugleich ein großer Geweihter des Herrn. Śrī Kṛṣṇa, der Genießer aller Opfer und Bußen, ist einem brāhmaṇa wie Sudāmā Vipra sehr zugetan, und an Seinem Verhalten können wir tatsächlich sehen, wie sehr Er einen solchen brāhmaṇa schätzt. Es bedeutet daher Erreichung der höchsten Stufe menschlicher Vollkommenheit, ein brāhmaṇa-Vaiṣṇava wie Sudāmā Vipra zu werden.

Sudāmā Vipra erkannte, daß Śrī Kṛṣṇa, obwohl Er unbezwingbar ist, Sich dennoch von Seinen Gottgeweihten erobern läßt. Ihm wurde bewußt, wie gütig Śrī Kṛṣṇa zu ihm war, und er war ständig in Verzückung, da er unaufhörlich an Ihn dachte. Da er auf diese Weise ständig mit Kṛṣṇa zusammen war, erhellte sich alle Finsternis materieller Verunreinigung, die noch in seinem Herzen übrig war, vollständig, und binnen kurzem wurde er in das spirituelle Königreich, das Ziel aller Heiligen auf der Lebensstufe der Vollkommenheit, erhoben.

Śukadeva Gosvāmī erklärt, daß alle, die diese Geschichte von Sudāmā und Śrī Kṛṣṇa hören, erkennen werden, wie sehr Kṛṣṇa brāhmaṇa-Gottgeweihten wie Sudāmā Vipra zugetan ist. Jeder, der diese Geschichte anhört, wird deshalb nach und nach ebenso fähig werden wie Sudāmā und somit in das spirituelle Königreich Śrī Kṛṣṇas gelangen.

Hiermit endet die Erläuterung Bhaktivedantas zum 80. Kapitel des Buches Kṛṣṇa:
»Der brāhmaṇa Sudāmā wird von Śrī Kṛṣṇa gesegnet«.