Kṛṣṇa war, nachdem Er Rukmiṇīs Botschaft vernommen hatte, sehr erfreut. Er schüttelte dem brāhmaṇa die Hand und sagte: »Mein lieber brāhmaṇa, es macht Mich sehr froh zu erfahren, daß Rukmiṇī sich wünscht, Mich zu heiraten, denn auch Ich sehne Mich danach, ihre Hand zu gewinnen. Meine Gedanken weilen ständig bei der Tochter Bhīṣmakas, und manchmal kann Ich nachts nicht schlafen, weil Ich an sie denken muß. Ich weiß auch, daß ihr älterer Bruder ihre Heirat mit Śiśupāla aus einer feindlichen Gesinnung gegen Mich heraus geplant hat. Deshalb bin Ich entschlossen, all diesen Prinzen eine unvergeßliche Lehre zu erteilen. So wie man Feuer erhält und es für seine Zwecke gebraucht, nachdem man Holz aneinander gerieben hat, werde ich Rukmiṇī aus der Mitte der dämonischen Prinzen entführen, nachdem Ich mit ihnen gekämpft habe.« Als Kṛṣṇa den genauen Tag von Rukmiṇīs Heirat erfahren hatte, wollte Er schnellstens aufbrechen. Er bat Seinen Fahrer Dāruka, die Pferde vor den Streitwagen zu spannen und alles für die Fahrt zum Königreich Vidarbha vorzubereiten. Auf Kṛṣṇas Befehl brachte der Wagenlenker vier ganz besondere Pferde herbei. Die Namen und Beschreibungen dieser Pferde werden im Padma Purāṇa aufgeführt. Das erste, Śaivya, hatte eine grünliche Hautfarbe; das zweite, Sugrīva, war eisgrau; das dritte, Meghapuṣpa, hatte die Farbe einer frischen Wolke, und das letzte, Balāhaka, war aschfarben. Als die Pferde eingespannt waren, und der Wagen fahrbereit war, half Kṛṣṇa dem brāhmaṇa auf den Sitz an Seiner Seite. Schon fuhren sie los, hatten Dvārakā bald hinter sich gelassen und erreichten noch in der gleichen Nacht die Provinz Vidarbha. Das Königreich Dvārakā liegt im Westen Indiens und Vidarbha befindet sich im nördlichen Teil. Die Entfernung zwischen den beiden Ländern beträgt nicht weniger als tausend Meilen, doch die Pferde waren so schnell, daß sie ihr Ziel, die Stadt Kuṇḍina in Vidarbha, innerhalb einer Nacht, das heißt in höchstens zwölf Stunden, erreichten.
König Bhīṣmaka war zwar nicht sehr angetan von dem Gedanken, seine Tochter Śiśupāla zur Frau zu geben, doch fühlte er sich aus überstarker Zuneigung zu seinem ältesten Sohn, der die Heirat ausgemacht hatte, verpflichtet, der Heirat zuzustimmen. Er ließ also, wie man es von ihm erwartete, die Stadt auf das Hochzeitsfest vorbereiten, wobei er sich alle Mühe gab, das Fest zu einem großen Erfolg werden zu lassen. Überall in den Straßen wurde Wasser versprengt, und die ganze Stadt wurde aufs sorgfältigste gereinigt. Weil Indien in der tropischen Zone liegt, ist das Klima dort, außer in der Regenzeit, immer trocken. Daher sammelt sich auf den Straßen und Wegen ständig Staub an, so daß sie mindestens einmal täglich mit Wasser besprengt werden müssen - in Großstädten wie Kalkutta sogar zweimal täglich. Die Straßen von Kuṇḍina wurden mit farbenprächtigen Fähnchen und Girlanden geschmückt, und an den wichtigen Straßenkreuzungen errichtete man Torbögen. Die gesamte Stadt wurde in alle Pracht gekleidet, und ihr Aussehen verschönerte sich noch durch den Anblick der Einwohner, die alle frische Kleider trugen und sich mit Sandelholzpaste, Perlenketten und Blumengirlanden hergerichtet hatten. Überall brannte Weihrauch, und Duftessenzen wie aguru füllten die Luft. Die Priester und brāhmanas wurden ausgiebig gespeist und erhielten, wie es sich bei rituellen Festen gehörte, viele Kostbarkeiten und Kühe als Zuwendung. Nach der Speisung und Beschenkung begannen sie, vedische Hymnen zu chanten.
Rukmiṇī, die Tochter des Königs, war wirklich außergewöhnlich schön. Sie war überaus wohlgepflegt und hatte wunderschöne Zähne. Um ihr Handgelenk war das glückverheißende heilige Band geschlungen; dazu trug sie verschiedenartige Schmuckstücke aus Juwelen, und ihr Oberkörper war, wie ihre übrige Gestalt, in seidene Tücher gehüllt. Gelehrte Priester chanteten schutzbringende mantras aus dem Sāma-, dem Ṛg-und dem Yajur-veda. Als sie Opfergaben im Feuer darbrachten, um ungünstige Konstellationen von Gestirnen zu beschwichtigen, chanteten sie mantras aus dem Atharva-veda.
König Bhīṣmaka wußte wohl, wie man sich bei solchen Zeremonien den brāhmaṇas und Priestern gegenüber zu verhalten hat, und so ehrte er die brāhmaṇas besonders, indem er ihnen große Mengen Gold und Silber, mit Sirup vermischte Körnerfrüchte sowie Kühe mit goldenem Zierwerk schenkte. Damaghoṣa, Śiśupālas Vater, führte alle möglichen Rituale aus, um eine glückliche Zukunft für seine Familie zu erflehen. Er war als Damaghoṣa bekannt wegen seiner besonderen Fähigkeit, undisziplinierte Bürger niederzuzwingen. »Dama« bedeutet »bezwingen« und »ghoṣa« wird mit »berühmt« übersetzt. Damaghoṣa war also dafür berühmt, die Bürger unter strenger Aufsicht zu halten. Daher vertraute er darauf, daß er, wenn Kṛṣṇa kommen sollte, um die Heirat zu stören, Ihn mit seinen Soldaten bezwingen werde. Nachdem er die verschiedenen glückverheißenden Zeremonien durchgeführt hatte, sammelte er seine Madasravi-Truppen um sich und nahm überdies viele mit goldenen Ketten geschmückte Elefanten und zahlreiche Streitwagen und Pferde mit, die ähnlich prunkvoll ausgestattet waren. Es hatte den Anschein, als hätten Dhamaghoṣa, sein Sohn und seine Gefährten zwar die Heirat nicht völlig vergessen, doch als seien sie in erster Linie des Kämpfens wegen nach Kuṇḍina gekommen.
Als König Bhīṣmaka erfuhr, daß Damaghoṣa und sein Gefolge sich Kuṇḍina näherten, verließ er die Stadt, um sie willkommen zu heißen. Vor dem Stadttor lagen viele Gärten, in denen die Gäste begrüßt wurden, und die als Gästequartiere gedacht waren. Nach vedischem Brauch ist es üblich, daß der Brautvater die Gefolgschaft des Bräutigams empfängt und sie zwei oder drei Tage, bis die Heiratszeremonie vorüber ist, in angemessenen Unterkünften bewirtet. Damaghoṣas Gefolgschaft bestand aus Tausenden von Leuten, unter denen sich auch so berühmte Könige und Persönlichkeiten wie Jarāsandha, Dantavakra, Vidūratha und Pauṇḍraka befanden. Es war ein offenes Geheimnis, daß Rukmiṇī eigentlich Kṛṣṇa hatte heiraten sollen, daß aber Rukmī, ihr ältester Bruder, ihre Heirat mit Śiśupāla beschlossen hatte. Es ging auch das Gerücht um, Rukmiṇī habe Kṛṣṇa einen Boten gesandt, weshalb die Soldaten argwöhnten, daß Kṛṣṇa gegen die Heirat vorgehen und versuchen werde, Rukmiṇī zu entführen. Doch obgleich sie nicht frei von Angst waren, waren sie doch bereit, Kṛṣṇa einen harten Kampf zu liefern, um so zu verhindern, daß Er das Mädchen entführe. Inzwischen hatte Balarāma erfahren, daß Kṛṣṇa, nur von einem brāhmaṇa begleitet, nach Kuṇḍina gefahren war, und daß sich Śiśupāla dort mit einer beträchtlichen Anzahl von Soldaten aufhielt; und weil Er befürchtete, daß sie Kṛṣṇa angreifen könnten, erschien Er mit starken Heeresabteilungen, bestehend aus Streitwagen, Fußvolk, Reiterei und Elefanten, vor Kuṇḍina.
Rukmiṇī harrte unterdessen sehnsüchtig in ihrem Palast der Ankunft Kṛṣṇas. Doch als weder Er noch der brāhmaṇa, dem sie die Botschaft anvertraut hatte, eintrafen, wurde sie sehr unruhig und begann, sich sehr unglücklich zu fühlen. Sie sagte sich: »Es trennt mich jetzt nur noch eine Nacht vom Hochzeitstag, aber bisher sind weder der brāhmaṇa noch Śyāmasundara erschienen. Warum nur?« Sie hatte schon fast alle Hoffnung verloren und dachte, Kṛṣṇa sei vielleicht aus irgendeinem Grund mit ihr unzufrieden und habe deshalb ihren freimütigen Antrag zurückgewiesen. Als Folge davon, so malte sie sich aus, sei der brāhmaṇa vielleicht enttäuscht gewesen und deshalb gar nicht erst zurückgekehrt. Doch obwohl Rukmiṇī viele Gründe für das Ausbleiben der beiden in den Sinn kamen, erwartete sie jeden Augenblick ihre Ankunft. Rukmiṇī fiel weiterhin ein, daß möglicherweise Halbgötter wie Brahmā, Śiva und die Göttin Durgā ihr ungnädig geworden seien. Wenn nämlich die Halbgötter nicht richtig verehrt werden, erzürnt sie das. Als Indra zum Beispiel einst merkte, daß die Einwohner von Vṛndāvana ihm kein Opfer mehr darbringen wollten (denn Kṛṣṇa hatte ihnen den Indra-yajña untersagt), wurde er sehr zornig und wollte sie bestrafen. Rukmiṇī, die dies wußte, dachte nun, Śiva oder Brahmā seien böse auf sie geworden und versuchten, ihre Wünsche zu durchkreuzen, denn sie hatte nie viel an die Verehrung dieser Halbgötter gedacht. Noch mehr fürchtete sie, daß die Göttin Durgā ebenso ärgerlich wie ihr Gatte geworden sei. Śiva ist auch als Rudra bekannt und seine Frau als Rudrāṇī. Rudrāṇī und Rudra nennt man diejenigen, die dazu neigen, anderen solches Leid zu bereiten, daß diese für immer weinen. Rukmiṇī dachte daran, daß die Göttin Durgā, auch als Girijā, »die Tochter des Himalaya-Gebirges«, bekannt ist. Die Himalaya-Berge sind sehr kalt und hart, und Rukmiṇī stellte sich die Göttin Durgā ebenso hartherzig und kalt vor. In ihrer Sehnsucht nach Kṛṣṇa machte sich Rukmiṇī, die ja im Grunde immer noch ein Kind war, in dieser Weise Gedanken über die Halbgötter. Selbst die gopīs verehrten einst die Göttin Kātyāyanī, um Kṛṣṇa als ihren Ehemann zu bekommen, und so wandte sich jetzt auch Rukmiṇī an die Halbgötter - nicht, um von ihnen eine materielle Segnung zu erhalten, sondern um Kṛṣṇa zu bekommen. Zu den Halbgöttern um Kṛṣṇas Gunst zu beten ist durchaus nichts Unstatthaftes, und was Rukmiṇī betrifft, so war sie völlig in Gedanken an Kṛṣṇa vertieft.
Obwohl Rukmiṇī sich mit dem Gedanken zu beruhigen versuchte, daß es für Govindas Ankunft noch nicht zu spät sei, hatte sie das Gefühl, als seien ihre Hoffnungen vergebens. Sie begann Tränen zu vergießen, und als der Tränenstrom immer heftiger wurde, schloß sie hilflos die Augen. Während Rukmiṇī so tief in Gedanken war, zeigten sich an mehreren Stellen ihres Körpers glückverheißende Symptome: An ihrem linken Augenlid und an ihren Armen und Schenkeln machte sich ein Zittern bemerkbar. Wenn an diesen Stellen des Körpers ein Zittern auftritt, ist das ein Zeichen dafür, daß etwas Erfreuliches zu erwarten ist.
Und da sah die verzweifelte Rukmiṇī auch schon den brāhmaṇa, ihren Boten. Kṛṣṇa wußte, als Überseele in allen Lebewesen, von Rukmiṇīs Befürchtungen und hatte daher den brāhmaṇa in den Palast geschickt, um sie davon zu unterrichten, daß Er in Kuṇḍina angekommen sei. Als Rukmiṇī den brāhmaṇa sah, wußte sie das glückverheißende Zittern an ihrem Körper zu deuten und wurde deshalb unsagbar froh. Sie lächelte und fragte ihn, ob Kṛṣṇa bereits angekommen sei, und er ermutigte sie weiter, indem er sagte, der Herr habe versprochen, sie unter allen Umständen zu entführen. Rukmiṇī war so froh über die Botschaft des brāhmaṇa, daß sie ihm alles schenken wollte, was sie besaß. Als sie jedoch nichts Passendes finden konnte, brachte sie ihm einfach ihre achtungsvollen Ehrerbietungen dar. Die Bedeutung der Darbringung respektvoller Ehrerbietungen ist, daß man der geehrten Person aus Dankbarkeit verpflichtet ist. Rukmiṇī bedeutete dem brāhmaṇa mit dieser Geste also, daß sie ihm für alle Zeit dankbar sein werde. Jeder der, wie dieser brāhmaṇa, die Gunst der Glücksgöttin erlangt, kann sich zweifellos stets materiellen Reichtums erfreuen.
Als König Bhīṣmaka hörte, daß Kṛṣṇa und Balarāma in seine Stadt gekommen seien, lud er Sie ein, der Heiratszeremonie seiner Tochter beizuwohnen. Auch sorgte er sogleich dafür, daß Sie und Ihre Soldaten in einem angemessenen Gartenhaus Quartier erhielten, und bot Kṛṣṇa und Balarāma nach vedischer Sitte Honig und frischgewaschene Gewänder. Außer Kṛṣṇa und Balarāma und Könige, wie z. B. Jarāsandha, die er sehr gastfreundlich aufnahm, empfing er noch viele andere Könige und Prinzen, entsprechend ihrer Stärke, ihrem Alter und ihrem materiellen Reichtum. Bald versammelten sich die Einwohner von Kuṇḍina aus Neugierde und Interesse um Kṛṣṇa und Balarāma und tranken den Nektar Ihrer Schönheit. Mit tränenerfüllten Augen erwiesen sie Ihnen schweigend ihre Ehrerbietung. Sie waren glücklich, in Kṛṣṇa den geeigneten Gatten Rukmiṇīs zu sehen. Sie wünschten sich so sehr, Kṛṣṇa und Rukmiṇī vereint zu sehen, daß sie zum Persönlichen Gott beteten: »Lieber Herr, wenn wir jemals irgendwelche frommen Werke getan haben, die Dich erfreuten, dann sei bitte so gütig und nimm Rukmiṇī zur Frau.«
Rukmiṇī war ganz offenbar eine sehr beliebte Prinzessin, denn alle Bürger beteten aus Liebe zu ihr um ihr Bestes. Inzwischen begab sich Rukmiṇī, zauberhaft gekleidet und von vielen Leibwächtern bewacht, aus dem Palast, um den Tempel Ambikās, den Tempel der Göttin Durgā, zu besuchen.
Das Verehren von Bildgestalten im Tempel ist schon seit den Anfängen der vedischen Kultur gebräuchlich. Es gibt jedoch eine Gruppe von Menschen, die in der Bhagavad-gītā als veda-vāda-rata bezeichnet werden, was bedeutet, daß sie nur an die vedischen rituellen Prinzipien glauben, doch nichts von der Verehrung im Tempel halten. Solche Toren sollten hieraus lernen, daß bereits vor 5000 Jahren, als Kṛṣṇa Rukmiṇī heiratete, Tempelverehrung üblich war. In der Bhagavad-gītā erklärt der Herr: yānti deva-vratā devān. - »Die Verehrer der Halbgötter gelangen in die Reiche der Halbgötter.« Damals gab es viele Verehrer der Halbgötter, aber auch viele, die den Höchsten Persönlichen Gott direkt verehrten. Die Verehrung der Halbgötter richtete sich hauptsächlich auf Brahmā, Śiva, Gaṇeśa, den Sonnengott Vivasvān und die Göttin Durgā. Śiva und die Göttin Durgā wurden sogar von den königlichen Familien verehrt, andere, unbedeutende Halbgötter meist nur von einfältigen Menschen niederer Herkunft. Was dagegen die brāhmaṇas und Vaiṣṇavas betrifft, so verehrten sie einzig und allein Śrī Viṣṇu, den Höchsten Persönlichen Gott. In der Bhagavad-gītā wird die Verehrung der Halbgötter zwar verurteilt, jedoch nicht verboten. Es wird deutlich gesagt, daß nur die weniger intelligenten Menschen die verschiedenen Halbgötter materieller Segnungen wegen verehren. Andererseits jedoch besuchte auch Rukmiṇī, obwohl sie die Glücksgöttin selbst war, den Tempel Durgās, weil dort die Gottheit der Familie verehrt wurde. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird dazu erklärt, daß Rukmiṇī auf ihrem Weg zum Tempel in ihrem Innern unablässig an die Lotosfüße Śrī Kṛṣṇas dachte. Als Rukmiṇī daher zu dem Tempel ging, tat sie dies nicht mit der gleichen Absicht wie ein gewöhnlicher Mensch, der dort um materiellen Nutzen betteln will; ihr einziges Ziel war Kṛṣṇa. Letzten Endes ist immer, wenn Menschen zum Tempel eines Halbgottes gehen, Kṛṣṇa der Gegenstand der Verehrung, denn Er ist es, der die Halbgötter dazu ermächtigt, ihren Verehrern materielle Segnungen zu erteilen.
Während Rukmiṇī zum Tempel ging, war sie sehr schweigsam und ernst. Ihre Mutter und ihre Freundinnen gingen an ihrer Seite, und in der Mitte der Prozession befand sich die Frau eines brāhmaṇa. Dazu wurde Rukmiṇī von königlichen Leibwächtern begleitet. Auch heute noch wird der Brauch, daß die Braut vor der Heirat in den Tempel eines Halbgottes geht, in Indien eingehalten. Während der Prozession ertönten die verschiedensten Instrumente, wie Trommeln, Muschelhörner und Trompeten verschiedener Größen, so paṇavas, turyas und bheris, und dies vereinigte sich zu einem bunten Konzert, das nicht nur glückverheißend war, sondern auch sehr köstlich anzuhören. Tausende von ehrwürdigen brāhmaṇa-Frauen waren zugegen, die sich mit ausgesuchtem Geschmeide geschmückt hatten. Sie reichten Rukmiṇī Blumengirlanden, Sandelholzpaste und eine Vielzahl farbenprächtiger Gewänder, um ihr so bei der Verehrung Śivas und der Göttin Durgā behilflich zu sein. Einige dieser Damen hatten ein beträchtliches Alter und waren sehr erfahren im Chanten von Gebeten für Durgā und Śiva. Gefolgt von Rukmiṇī und den anderen trugen sie also den Bildgestalten Gebete vor.
Anschließend betete Rukmiṇī zu der Bildgestalt; sie sagte: »Meine liebe Göttin Durgā, ich bringe dir wie auch deinen Kindern meine achtungsvollen Ehrerbietungen dar.« Die Göttin Durgā hat vier berühmte Kinder: zwei Töchter - die Glücksgöttin Lakṣmī und Sarasvatī, die Göttin der Gelehrsamkeit - und zwei berühmte Söhne - Gaṇeśa und Kārttikeya. Sie alle sind als Halbgötter bzw. Halbgöttinnen anzusehen. Weil die Göttin Durgā immer zusammen mit ihren berühmten Kindern verehrt wird, erwies Rukmiṇī der Bildgestalt mit besonderen Worten ihre Ehrerbietungen. Ihre Gebete unterschieden sich jedoch wesentlich von den Gebeten gewöhnlicher Menschen. Die meisten Menschen beten zur Göttin Durgā, um von ihr solche Dinge wie materiellen Reichtum, Ruhm, Zufriedenheit, Kraft usw. zu erhalten; Rukmiṇī jedoch flehte die Göttin an, ihr gnädig zu sein und sie zu segnen, weil sie Kṛṣṇa zum Gemahl haben wolle. Da sie einzig und allein nach Kṛṣṇa begehrte, war nichts Falsches daran, daß sie die Halbgöttin verehrte. Während Rukmiṇī ihr Gebet vortrug, wurden der Gottheit eine Vielzahl von Opfergaben dargebracht, vor allem Wasser, Feuerflammen in verschiedener Form, Weihrauch, Gewänder, Girlanden, Speisen, die mit Butterfett zubereitet worden waren, wie puris und kacuris, und weiterhin Früchte, Zuckerrohr, Betelnüsse und Gewürze. Mit großer Hingabe opferte Rukmiṇī der Gottheit dies alles nach den vorgeschriebenen Regeln unter Anleitung der alten brāhmaṇa-Frauen. Nach der rituellen Zeremonie boten die Frauen Rukmiṇī die Reste der Speisen als prasāda an, die diese ehrfürchtig zu sich nahm. Anschließend brachte Rukmiṇī den Frauen und der Göttin Durgā ihre respektvollen Ehrerbietungen dar, und da die Verehrung der Bildgestalt nun beendet war, faßte sie eine ihrer Freundinnen bei der Hand und verließ zusammen mit den anderen den Tempel.
Unterdessen hatten sich alle Prinzen und Besucher, die nach Kuṇḍina gekommen waren, um der Heirat beizuwohnen, vor dem Tempel versammelt, um Rukmiṇī zu sehen. Die Prinzen waren besonders begierig, Rukmiṇī zu sehen, denn eigentlich hoffte jeder von ihnen, sie zur Frau zu bekommen. Als sie Rukmiṇī tatsächlich erblickten, waren sie wie gebannt vor Erstaunen und meinten, sie müsse eigens vom Schöpfer geschaffen worden sein, um alle großen Helden und Prinzen zu verwirren. Ihr Körper war wohlgestaltet und sie war schmal über den Hüften. Sie hatte grüne Augen, rosa Lippen und ein liebliches Antlitz, das sich durch anmutige Haarlocken und verschiedenartige Ohrringe noch verschönerte. Um ihre Fußgelenke trug sie Juwelenanhänger. Die Ausstrahlung und Schönheit Rukmiṇīs waren wie ein Künstlerbild, das die Schönheit selbst nach den Beschreibungen großer Poeten darstellen sollte. Rukmiṇīs Brust wird als »ein wenig gewölbt« beschrieben, was darauf hinweist, daß sie noch ein junges Mädchen war - nicht älter als höchstens dreizehn oder vierzehn Jahre. Ihre Schönheit war einzig dafür bestimmt, die Aufmerksamkeit Kṛṣṇas auf sich zu ziehen. Obwohl alle Prinzen sie ihrer Schönheit wegen anstarrten, war sie nicht im geringsten eitel. Ihre Augen huschten unruhig hin und her, und wenn sie wie ein unschuldiges kleines Mädchen einfach lächelte, wurden ihre Zähne sichtbar, die wie Lotosblüten waren. In der Erwartung, daß Kṛṣṇa sie jeden Augenblick fortnehmen werde, schritt sie ganz langsam dem Palast entgegen. Die Bewegungen ihrer Beine waren wie die eines Schwanes, und die Glöckchen an ihren Fußgelenken klingelten sanft.
Wie bereits geschildert, gerieten die edlen Prinzen, die sich vor dem Tempel versammelt hatten, über Rukmiṇīs Schönheit so sehr außer Fassung, daß einige fast das Bewußtsein verloren. Voller Lust begehrten sie, entgegen jeder Hoffnung, nach Rukmiṇīs Hand und verglichen ihre eigene Schönheit mit der ihren. Rukmiṇī jedoch beachtete keinen von ihnen. Im Innersten ihres Herzens wartete sie nur darauf, daß Kṛṣṇa kommen und sie entführen würde. Als sie dann einmal Schmuckstücke an einem Finger ihrer linken Hand zurechtrückte, warf sie zufällig einen Blick auf die Prinzen - und sah plötzlich Kṛṣṇa mitten unter ihnen.
Obwohl Rukmiṇī Kṛṣṇa niemals gesehen hatte, war sie immer in Gedanken bei Ihm, und so war es nicht schwer für sie, Ihn unter den vielen Prinzen zu erkennen. Kṛṣṇa nahm, ohne Sich um die anderen Prinzen zu kümmern, sofort die Gelegenheit wahr und trug Rukmiṇī in Seinen Streitwagen, der durch die Flagge mit dem Bild Garuḍas gekennzeichnet war. Sodann fuhr Er gemächlich, ohne jede Furcht, mit Rukmiṇī davon, wie ein Löwe, der aus einer Meute von Schakalen ein Reh fortträgt. Währenddessen erschien Balarāma mit den Soldaten der Yadu-Dynastie auf dem Schauplatz. Jarāsandha, der schon viele Male zuvor eine Niederlage von Kṛṣṇa hatte hinnehmen müssen, begann zu brüllen: »Das darf doch wohl nicht wahr sein! Kṛṣṇa entführt uns Rukmiṇī, ohne daß wir irgend etwas unternehmen! Wozu sind wir denn heldenhafte Kämpfer mit Pfeil und Bogen? Liebe Prinzen, seht euch das nicht mit an! Durch diesen Vorfall verlieren wir unseren Ruf. Es ist gerade so, wie wenn ein Schakal dem Löwen die Beute wegstiehlt.«