Vollkommene Frageb Bob Cohen
Vollkommene Fragen
Vollkommene Antworten
Gespräche zwischen His Divine Grace
A. C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda und
Bob Cohen, einem Entwicklungshelfer in Indien
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
Perfect Questions, Perfect Answers
Übersetzung aus dem Englischen:
Vedavyāsa dāsa (Christian Jansen)
© THE BHAKTIVEDANTA BOOK TRUST 1979
Alle rechte vorbehalten
1.-200. Tausend Januar 1979
Druck: Mohndruck, Gütersloh
ISBN 0-89213-018-0
Herausgeber: Internationale Gesellschaft
für Kṛṣṇa-Bewußtsein e.V.
6241 Schloß Rettershof/i. Ts. Tel.: 06174/21357




Vollkommene Fragen

Vollkommene Antworten

Gespräche zwischen His Divine Grace
A. C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda und
Bob Cohen, einem Entwicklungshelfer in Indien


His Divine Grace

A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda
Gründer-Ācārya der Internationalen Gesellschaft für Krischna-Bewußtsein


INHALT


Einführung

Gott, spirituelles Leben — diese Begriffe waren für mich sehr vage, bevor ich Śrīla Prabhupāda traf. Ich hatte mich immer schon für Religion interessiert, doch bevor ich mit den Kṛṣṇa-bewußten Geweihten zusammenkam, hatte ich irgendwie nicht die richtige Sicht, die notwendig ist, um aufschlußreiche Fragen über spirituelles Leben zu stellen. Die Existenz eines Schöpfers ist für jemanden mit gesundem Menschenverstand selbstverständlich — aber wer ist Gott? Wer bin ich? Ich hatte eine hebräische Schule besucht und orientalische Philosophie studiert, doch konnte ich niemals befriedigende Antworten auf meine Fragen bekommen.

Im Herbst 1968 hörte ich in Greenwich Village, New York, den Hare-Kṛṣṇa-mantra zum ersten Mal.

Hare Kṛṣṇa Hare Kṛṣṇa
Kṛṣṇa Kṛṣṇa Hare Hare
Hare Rāma Hare Rāma
Rāma Rāma Hare Hare

Das Chanten faszinierte mich und vermittelte mir ein angenehmes Gefühl. Der mantra setzte sich in meinem Geist fest, und bald bereute ich, daß ich von den Gottgeweihten keine Zeitschrift entgegengenommen hatte. Wie mir später erklärt wurde, war ein transzendentaler Same gesät worden, der schließlich zu Gottesliebe reifen konnte.

Einige Monate später kam mir eine Karte in die Hände, auf die der Hare-Kṛṣṇa-mantra gedruckt war. Die Karte versprach: „Chante diese Namen Gottes und dein Leben wird erhaben sein!“ Gelegentlich chantete ich und fand, daß der mantra mir tatsächlich ein Gefühl inneren Friedens gab.

Nachdem ich mein Examen in Chemie bestanden hatte, schloss ich mich 1971 dem Friedenskorps an und fuhr als Chemielehrer nach Indien. In Indien erkundigte ich mich nach der Hare-Kṛṣṇa-Bewegung. Ich fühlte mich zu dem Chanten hingezogen und war von der Philosophie beeindruckt und fragte mich, inwieweit die Bewegung authentisch sei. Bevor ich nach Indien reiste, hatte ich den Hare-Kṛṣṇa-Tempel in New York mehrere Male besucht, doch konnte ich mir nicht vorstellen, daß das recht einfache und enthaltsame Leben eines Gottgeweihten für mich jemals in Betracht kam.

In Indien begegnete ich den Kṛṣṇa-bewußten Geweihten zum ersten Mal im Oktober 1971 während eines Festivals, das sie in Kalkutta abhielten. Die Gottgeweihten erklärten mir den Zweck von yoga und die Notwendigkeit, über spirituelles Leben Fragen zu stellen. Ich begann damals das Gefühl zu entwickeln, daß die Rituale und Zeremonien, die sie vollzogen, keine abgestumpften sentimentalen Pflichtübungen waren, sondern Bestandteil einer echten und empfindungsreichen Lebensweise.

Zunächst fiel es mir jedoch sehr schwer, die Philosophie des Kṛṣṇa-Bewußtseins zu begreifen. In so vieler subtiler Weise hielt mich meine westliche Erziehung davon ab, Dinge zu sehen, die so nah waren wie die Nase in meinem Gesicht! Glücklicherweise überzeugten mich die Gottgeweihten von der Notwendigkeit, mir einige grundlegende Enthaltungen aufzuerlegen, und so begann ich einige Einsicht in spirituelles Leben zu gewinnen. Heute kann ich sehr deutlich sehen, wie schwach und unzureichend meine Vorstellungen von Spiritualität und transzendentalem Dasein waren. Damals, im November 1971, begegnete ich Śrīla Prabhupāda nur kurz und faßte bald darauf den Entschluss, Vegetarier zu werden. (Ich war stolz darauf Vegetarier zu sein, doch später wies mich Śrīla Prabhupāda darauf hin, daß auch die Tauben vegetarisch leben.)

Im Februar 1972 sah ich einige Gottgeweihte in Kalkutta, die mich zu einem Festival in Mayapur (eine heilige Insel etwa 145 Kilometer nördlich) einluden. Das Festival fand zu Ehren Śrī Caitanya Mahāprabhus statt, der als eine Inkarnation Kṛṣṇa gilt. Ich hatte eine Reise nach Nepal geplant, doch hatte mir das Friedenskorps die Erlaubnis verweigert, Indien zu verlassen, und so fuhr ich nach Mayapur.

Als ich nach Mayapur aufbrach, hatte ich vor, höchstens zwei Tage zu bleiben, doch blieb ich schließlich eine ganze Woche. Ich war der einzige westliche Nichtgottgeweihte auf der Insel, und da ich mit den Gottgeweihten auf ihrem Land wohnte, war dies eine einzigartige Gelegenheit für mich, etwas mehr über Kṛṣṇa-Bewußtsein zu lernen.

Am dritten Tag des Festivals wurde ich dazu eingeladen, Śrīla Prabhupāda zu sehen. Er lebte in einer kleinen Hütte — halb aus Ziegeln und halb aus Stroh mit zwei oder drei einfachen Möbelstücken darin. Śrīla Prabhupāda bat mich, Platz zu nehmen, und fragte mich dann, wie es mir gehe und ob ich einige Fragen hätte. Die Gottgeweihten hatten mir erklärt, daß Śrīla Prabhupāda all meine Fragen beantworten könne, da er eine Schülernachfolge von spirituellen Meistern repräsentiere. Ich dachte, daß Śrīla  Prabhupāda vielleicht wirklich wisse, was in der Welt los sei — immerhin behaupteten seine Geweihten dies, und ich bewunderte und achtete sie. In dieser Haltung begann ich also, meine Fragen zu stellen. Ohne es richtig zu wissen, hatte ich mich einem guru, einem spirituellen Meister, in der vorgeschriebenen Weise genähert, indem ich nämlich in ergebener Haltung Fragen über spirituelles Leben stellte.

Śrīla Prabhupāda schien an mir Gefallen zu finden und beantwortete in den nächsten Tagen alle meine Fragen. Ich stellte meine Fragen meistens von einem akademischen Standpunkt aus, doch gab mir Śrīla Prabhupāda immer persönliche Antworten, so daß ich mein Leben spiritualisierte. Seine Antworten waren logisch, wissenschaftlich befriedigend und erstaunlich klar. Bevor ich Śrīla Prabhupāda und seinen Schülern begegnete, war spirituelles Leben für mich immer etwas Obskures und Undeutliches gewesen. Aber die Gespräche mit Śrīla  Prabhupāda waren realistisch, klar und aufregend! Śrīla Prabhupāda versuchte mir geduldig zu dem Verständnis zu verhelfen, daß Kṛṣṇa, Gott, der Höchste Genießer, Höchste Freund und Höchste Besitzer ist. Ich erhob viele Einwände gegen das Offensichtliche: daß ich Gottesbewußtsein ernstnehmen mußte, um Gott zu verstehen. Aber unermüdlich und doch gütig drängte Śrīla Prabhupāda mich dazu. Obwohl ich mich nur mehr schlecht als recht auszudrücken wusste, verstand Śrīla Prabhupāda jede einzelne meiner Fragen und antwortete in vollkommener Weise.

Bob Cohen
14. August 1974

KAPITEL EINS

Kṛṣṇa, der allanziehend Wirkende
27. Februar 1972

Bob: Was ist ein Wissenschaftler?
Śrīla Prabhupāda: Jemand, der die Dinge so kennt, wie sie sind.

Bob: Er denkt, er kenne die Dinge so, wie sie sind.
Śrīla Prabhupāda: Wie bitte?

Bob: Er hofft, die Dinge so zu kennen, wie sie sind.
Śrīla Prabhupāda:  Nein, er sollte eigentlich Bescheid wissen. Wir wenden uns an einen Wissenschaftler, weil wir von ihm erwarten, daß er Bescheid weiß. Ein Wissenschaftler ist jemand,  der die Dinge  so kennt, wie sie sind. Kṛṣṇa bedeutet „der allanziehend Wirkende“.

Bob: Allanziehend?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Wenn Gott nicht allanziehend ist, wie kann Er dann Gott dein? Ein Mann ist bedeutend, wenn er anziehend wirkt. Ist es nicht so?
Bob: So ist es.
Śrīla Prabhupāda: Demnach muß Gott anziehend wirken, und zwar anziehend auf alle. Wenn daher Gott überhaupt einen Namen hat, oder wenn man Ihm irgendeinen Namen geben möchte, dann ist nur „Kṛṣṇa“ zutreffend.

Bob: Aber warum nur der Name Kṛṣṇa?
Śrīla Prabhupāda: Weil Er allanziehend wirkt. Kṛṣṇa bedeutet „allanziehend“.

Bob: Ah, ich verstehe.
Śrīla Prabhupāda: Ja, Gott hat keinen Namen, aber Seinen Eigenschaften gemäß geben wir Ihm Namen. Wenn ein Mensch von großer körperlicher Schönheit ist, bezeichnen wir ihn als „schön“. Wenn jemand sehr intelligent ist, bezeichnen wir ihn als „weise“. Der Name wird also gemäß der Eigenschaft gegeben. Weil Gott allanziehend wirkt, kann sich der Name „Kṛṣṇa“ nur auf Ihn beziehen. Kṛṣṇa bedeutet „allanziehend“. Es beinhaltet alles.

Bob: Aber was ist mit einem Namen, der „allmächtig“ bedeutet?
Śrīla Prabhupāda: Ja... solange du nicht mächtig bist, wie kannst du allanziehend wirken?
Śyāmasundara
(ein amerikanischer Gottgeweihter, Śrīla Prabhupādas Sekretär): Er umfasst alles.
Śrīla Prabhupāda: Alles. Er muß sehr schön sein; Er muß sehr weise sein; Er muß sehr mächtig sein; Er muß sehr berühmt sein...

Bob: Wirkt Kṛṣṇa auch auf Halunken anziehend?
Śrīla Prabhupāda: O ja! Er war der größte Schlingel!
Bob: Wie ist das zu verstehen?
Śrīla Prabhupāda (lachend): Weil Er stets die gopīs neckte.
Śyāmasundara: Neckte?
Śrīla Prabhupāda: Ja, wenn Rādhārāṇī manchmal hinausging, tat Kṛṣṇa so, als wolle Er Sie ergreifen, und wenn Sie dann niederfiel — „Kṛṣṇa tu Mir nichts“ — fielen Sie beide zu Boden, und Kṛṣṇa nahm dann die Gelegenheit wahr, Sie zu küssen. (Er lacht) Rādhārāṇī gefiel dies sehr, aber oberflächlich betrachtet war Kṛṣṇa der größte Schlingel. Wenn es diese Neigung nicht in Kṛṣṇa gäbe, wie könnte es dann überhaupt Gauner geben? Unsere Formel von Gott lautet, daß Er die Quelle aller Dinge ist. Wenn es Gaunertum nicht in Kṛṣṇa gäbe, wie könnte es überhaupt existieren..., denn Er ist der Ursprung aller Dinge. Aber Sein Gaunertum ist so wunderbar, daß jeder es verehrt.

Bob: Aber was ist mit den Gaunern, die nicht so nett sind?
Śrīla Prabhupāda: Nein, Gaunertum ist nicht schön, aber Kṛṣṇa ist absolut. Er ist Gott. Deshalb ist Sein Gaunertum ebenfalls gut. Kṛṣṇa ist allgut. Gott ist gut.
Bob: Ja.
Śrīla Prabhupāda: Wenn Er daher ein Gauner wird, dann ist auch das gut. Das ist Kṛṣṇa. Gaunertum ist nicht gut, aber wenn Kṛṣṇa es zeigt, ist es ebenfalls gut, weil Er absolut gut ist. Dies muß man verstehen.

Bob: Gibt es Menschen, die Kṛṣṇa nicht anziehend finden?
Śrīla Prabhupāda: Nein. Alle werden Ihn anziehend finden. Wer fühlt sich nicht zu Ihm hingezogen? Gib ein Beispiel: „Dieser Mensch oder dieses Lebewesen fühlt sich nicht zu Kṛṣṇa hingezogen.“ Finde eine solche Person.

Bob: Jemand, der Dinge im Leben tun möchte, bei denen er das Gefühl hat, daß sie falsch sind, der aber Macht oder Prestige oder Geld erreichen möchte...
Śrīla Prabhupāda: Ja.

Bob: ...mag Gott nicht anziehend finden. Er mag Gott nicht anziehend finden, weil Gott ihm ein Gefühl der Schuld gibt.
Śrīla Prabhupāda: Nein, nicht Gott. Sein Wunsch mächtig zu werden beweist, daß er sich hingezogen fühlt. Ein Mann möchte mächtig oder reich werden, nicht wahr? Aber niemand ist reicher als Kṛṣṇa. Deshalb wirkt Kṛṣṇa auf ihn anziehend.

Bob: Wenn jemand, der reich werden möchte, zu Kṛṣṇa betet, wird er dann reich werden?
Śrīla Prabhupāda: O ja!

Bob: Er kann auf diese Weise reich werden?
Śrīla Prabhupāda: O ja. Weil Kṛṣṇa allmächtig ist, wird Kṛṣṇa dich reich machen, wenn du zu Kṛṣṇa um Reichtum betest.

Bob: Wenn jemand ein verworfenes Leben führt, aber betet, um reich zu werden, wird er dann immer noch reich werden?
Śrīla Prabhupāda: Ja, zu Kṛṣṇa zu beten ist nicht verwerflich.

Bob: Hm.
Śrīla Prabhupāda (schmunzelnd): Auf irgendeine Weise betet er zu Kṛṣṇa, und daher kannst du nicht sagen, er sei verworfen.

Bob: Ach so.
Śrīla Prabhupāda: Kṛṣṇa sagt in der Bhagavad-gītā

(9.30): api cet suduārcāro bhajate mām ananya-bhāk. Hast du das gelesen?

Bob: Ja. Das Sanskrit kenne ich nicht, aber die englische Übersetzung.
Śrīla Prabhupāda: Hm.

Bob: „Selbst wenn der verworfenste Mensch zu Mir betet ...“
Śrīla Prabhupāda: Ja.

Bob: ...wird er erhoben werden.“
Śrīla Prabhupāda: Ja. Sobald er anfängt, zu Kṛṣṇa zu beten, ist er nicht mehr verwerflich. Deshalb ist Śrī Kṛṣṇa allanziehend. Es heißt in den Veden, daß die Absolute Wahrheit oder die Höchste Persönlichkeit Gottes das Behältnis aller Freude ist — raso vai saḥ. Jeder sehnt sich nach etwas oder jemandem, weil er einen rasa dabei kostet.

Bob: Wie bitte?
Śrīla Prabhupāda: Einen rasa. Angenommen ein Mann trinkt. Warum trinkt er? Er zieht aus dem Trinken einen rasa. Ein Mann trachtet nach Geld, weil der Besitz des Geldes ihm einen rasa beschert.

Bob: Was bedeutet rasa?
Śrīla Prabhupāda (zu Śyāmasundara): Wie definiert man rasa?
Śyāmasundara: Geschmack, Freude.

Bob: Aha.
Śrīla Prabhupāda: Angenehmer Geschmack. In den Veden heißt es also: raso vai saḥ. Die genaue Übersetzung von „angenehmer Geschmack“ ist rasa. (Mālatī, Śyāmasundaras Frau, kommt mit einer Speiseplatte herein.) Was ist das?

Mālatī: Gebratene Auberginen.
Śrīla Prabhupāda: Oh, Allanziehend! Allanziehend! (Alle lachen)
Śyāmasundara: Wie ist es zu verstehen, daß Kṛṣṇa der größte Wissenschaftler ist?
Śrīla Prabhupāda: Weil Er alles weiß. Ein Wissenschaftler ist jemand, der einen Sachverhalt gründlich kennt. Das ist ein Wissenschaftler. Kṛṣṇa — Er weiß alles.

Bob: Ich bin zur Zeit als Chemielehrer tätig.
Śrīla Prabhupāda: Ja, Lehren ist gut. Aber solange du nicht vollkommenes Wissen besitzt, wie kannst du da lehren? Das ist unsere Frage.

Bob: Aber man kann doch auch ohne vollkommenes Wissen lehren.
Śrīla Prabhupāda: Das ist Betrug, das ist nicht Lehren. Das ist Betrug. Genau wie die Wissenschaftler, die sagen: „Es gab einen Urknall... und dann fand die Schöpfung statt. Vielleicht. Eventuell...“ Aber was ist das? Nur Betrug! Es ist nicht Lehren, sondern Betrügen.

Bob: Laß mich wiederholen, was du heute morgen sagtest — das war interessant. Ich fragte nach Wundern, und du sagtest, daß nur ein Narr an Wunder glaube, weil — angenommen du bist ein Kind, und ein Erwachsener hebt diesen Tisch hoch. Das ist ein Wunder. Oder du bist ein Chemiker und verbindest eine Säure und eine Base, und es entsteht Rauch, eine Explosion oder etwas anderes. Für einen Unwissenden ist das ein Wunder. Aber für alles gibt es einen Vorgang, und wenn man daher ein Wunder zu sehen glaubt, so ist dies nur darauf zurückzuführen, daß man den Vorgang nicht kennt. Also nur ein Narr würde an Wunder glauben und — berichtige mich nur, wenn ich etwas Falsches sage...
Śrīla Prabhupāda: Ja, ja.

Bob: Du sagtest, als Jesus kam, seien die Leute in großer Unwissenheit gewesen und hätten daher Wunder als Hilfsmittel gebraucht. Ich war mir nicht sicher, ob das genau das war, was du sagtest.
Śrīla Prabhupāda: Ja, richtig. Wunder sind nur für die Unwissenden.

Bob: Ich hatte diese Frage in Verbindung mit all den Wundertätern gestellt, von denen man hier in Indien hört.

Śrīla Prabhupāda: Kṛṣṇa ist der Höchste Wundertäter.
Bob: Ja.
Śrīla Prabhupāda: Das wird von Kuntī bestätigt...

Bob: Kann ich nicht auch ohne vollkommenes Wissen gewisse Dinge lehren? Zum Beispiel mag ich —
Śrīla Prabhupāda:
Du kannst so weit lehren, wie du weißt.

Bob: Ja, aber ich sollte nicht den Anspruch erheben, mehr lehren zu wollen als ich weiß.
Śrīla Prabhupāda: Ja, das wäre Betrug.
Śyāmasundara: Mit anderen Worten: Mit teilhaftem Wissen kann man nicht die Wahrheit lehren.
Śrīla Prabhupāda: Ja, das ist für einen Menschen nicht möglich. Ein Mensch hat unvollkommene Sinne. Wie kann er also vollkommenes Wissen lehren? Angenommen, du siehst die Sonne als Scheibe. Du hast kein Mittel, der Sonne näher zu kommen. Wenn du sagst, daß wir die Sonne mit dem Fernrohr sehen können, so muß man einwenden, daß auch dieses von dir hergestellt wurde und daß du unvollkommen bist. Wie kann also dein Gerät vollkommen sein? Deshalb ist dein Wissen von der Sonne unvollkommen. Lehre also nicht über die Sonne, solange du kein vollkommenes Wissen hast. Das ist Betrug.

Bob: Aber was ist, wenn man lehrt, daß man annimmt, daß die Sonne etwa 1,5 Milliarden Kilometer entfernt ist?
Śrīla Prabhupāda: Sobald du sagst „daß man annimmt„, ist es nicht wissenschaftlich.

Bob: Aber ich denke, daß dann fast die ganze Wissenschaft nicht wissenschaftlich ist.
Śrīla Prabhupāda: So ist es!

Bob: Die ganze Wissenschaft beruht, wie du weißt, auf Annahmen von diesem oder jenem.
Śrīla Prabhupāda: Ja. Ihre Lehre ist unvollkommen. Zum Beispiel wird so viel vom Mond geredet. Denkst du, ihr Wissen sei vollkommen?

Bob: Nein.
Śrīla Prabhupāda: Dann?

Bob: Was ist die eigentliche Pflicht eines Lehrers in der Gesellschaft? Zum Beispiel eines Dozenten der Wissenschaft. Was soll er im Hörsaal tun?
Śrīla Prabhupāda: Im Hörsaal? Du solltest einfach über Kṛṣṇa lehren.

Bob: Er sollte nicht lehren über ...
Śrīla Prabhupāda: Nein. Das wird alles umfassen. Sein Ziel sollte es sein, Kṛṣṇa zu kennen.

Bob: Kann ein Wissenschaftler die Wissenschaft von der Verbindung von Säuren und Basen lehren und diese Art der Wissenschaft mit Kṛṣṇa als Ziel?
Śrīla Prabhupāda: Wie soll das gehen?

Bob: Wenn du — wenn man Wissenschaft studiert, findet man allgemeine Tendenzen der Natur, und diese allgemeinen Tendenzen der Natur weisen auf eine beherrschende Kraft hin ...
Śrīla Prabhupāda: Das erklärte ich vor ein paar Tagen. Ich fragte einen Chemiker, ob nach chemischen Formeln Wasserstoff und Sauerstoff in einer Verbindung zu Wasser werden. Ist es nicht so?

Bob: Ja, das ist richtig.
Śrīla Prabhupāda: Wir haben nun gewaltige Wassermassen im Atlantischen Ozean und im Pazifischen Ozean. Welche Mengen von chemischen Stoffen waren dazu notwendig?

Bob: Wieviel?
Śrīla Prabhupāda: Ja, wieviele Tonnen?

Bob: Viele!
Śrīla Prabhupāda: So, wer hat dafür gesorgt?

Bob: Gott sorgte dafür.
Śrīla Prabhupāda: Jemand muß dafür gesorgt haben.
Bob: Ja.
Śrīla Prabhupāda: Das ist Wissenschaft. Das kannst du lehren.

Bob: Sollte man überhaupt lehren, daß man eine neutrale Substanz bekommt, wenn man eine Säure und eine Base miteinander verbindet?
Śrīla Prabhupāda: Die gleiche Sache. Es gibt so viele schäumende Stoffe. Aber wer ist der eigentliche Urheber? Wer sorgt für die Säure und die Base? (Es folgt eine lange Pause.)

Bob: Diese Dinge kommen also aus der gleichen Quelle wie das Wasser?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Du kannst kein Wasser herstellen, solange du nicht Wasserstoff und Sauerstoff hast. So, hier sind gewaltige Wassermassen — nicht nur der Atlantik oder Pazifik. Es gibt Millionen von Planeten und es gibt Millionen von Atlantischen und Pazifischen Ozeanen. Wer aber schuf das Wasser mit dem Sauerstoff und Wasserstoff, und wie wurde es dort hingebracht? So lautet unsere Frage. Jemand muß es dort hingebracht haben, wie sonst kann es da sein?

Bob: Aber sollte nicht auch gelehrt werden, wie man Wasser aus Sauerstoff und Wasserstoff herstellt? Der Vorgang der Verbrennung zum Beispiel, sollte das nicht auch gelehrt werden?
Śrīla Prabhupāda: Das ist zweitrangig. Das ist nicht sehr schwierig. Ebenso wie Mālatī (eine Gottgeweihte, die als Köchin tätig war) diesen puri (eine Art von Brot) machte. Da ist Mehl und da ist ghee (Butterfett), und sie hat einen puri gemacht. Aber solange kein ghee und kein Mehl da ist, wie kann man da einen puri machen? In der Bhagavad-gītā (7.4) heißt es: „Wasser, Erde, Luft, Feuer — das sind Meine Energien.“ Was ist dein Körper? Dieser äußere Körper — das ist deine Energie. Bist du dir dessen bewußt? Dein Körper ist aus deiner Energie gemacht. Zum Beispiel esse ich ...
Bob: Ja.
Śrīla Prabhupāda: Und so schaffe ich Energie, und daher wird mein Körper erhalten.

Bob: Ah, ich verstehe.
Śrīla Prabhupāda: Deshalb ist dein Körper aus deiner Energie gemacht.

Bob: Aber wenn du Nahrungsmittel ißt, dann ist die Sonnenenergie in der Nahrung.
Śrīla Prabhupāda: Ich gebe nur ein Beispiel. Ich erzeuge Energie, indem ich Nahrung verdaue, und so wird mein Körper erhalten. Wenn deine Energieversorgung nicht in Ordnung ist, dann wird dein Körper schwach oder krank. Dein Körper ist aus deiner eigenen Energie gemacht. In ähnlicher Weise ist dieser gigantische kosmische Körper — das Universum — aus Kṛṣṇas Energie gemacht. Wie kannst du das verneinen? So wie dein Körper aus deiner Energie gemacht ist, so muß auch der universale Körper aus jemandes Energie gemacht sein. Das ist Kṛṣṇa. (Es folgt eine lange Pause.)

Bob: Ich muß darüber nachdenken, um folgen zu  können.
Śrīla Prabhupāda: Was gibt es da zu folgen? Es ist eine Tatsache. (Er lacht.) Dein Haar wächst täglich. Warum? Weil du Energie hast.

Bob: Die Energie bekomme ich aus der Nahrung.
Śrīla Prabhupāda: Irgendwie hast du diese Energie bekommen! Und durch diese Energie wächst dein Haar. Kraft deiner Energie war es dir möglich, deinen Körper zu bilden, und in ähnlicher Weise ist die gesamte gigantische Manifestation aus Gottes Energie gemacht. Das ist eine Tatsache! Es ist nicht deine Energie.

Bob: Ja, das verstehe ich.

Ein Gottgeweihter: Sind nicht auch die Planeten im Universum durch die Energie der Sonne entstanden?
Śrīla Prabhupāda: Ja, aber wer hat die Sonne gemacht? Das ist Kṛṣṇas Energie. Denn die Sonne ist Hitze, und Kṛṣṇa sagt: bhūmir āpo 'nalo vāyuḥ. „Hitze — das ist Meine Energie.“ Die Sonne ist die Repräsentation der Hitzeenergie Kṛṣṇas. Sie ist nicht deine Energie. Du kannst nicht sagen: „Die Sonne ist von mir gemacht worden.“ Aber jemand muß sie gemacht haben, und Kṛṣṇa sagt, daß Er es war. So, wir glauben Kṛṣṇa. Deshalb sind wir Kṛṣṇaiten.

Bob: Kṛṣṇaiten?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Unser Wissen ist vollkommen. Wenn ich sage, daß Hitze die Energie Kṛṣṇas ist, kannst du das nicht verneinen, denn es ist nicht deine Energie. In deinem Körper gibt es ein bestimmtes Mass an Hitze. In ähnlicher Weise ist Hitze die Energie von jemandem. Und wer ist diese Person? Das ist Kṛṣṇa. Kṛṣṇa sagt: „Ja, das ist Meine Energie.“ Daher ist mein Wissen vollkommen. Weil ich die Version des größten Wissenschaftlers nehme, bin ich der größte Wissenschaftler. Ich mag persönlich ein Narr sein, aber weil ich Wissen von dem größten Wissenschaftler annehme, bin ich der größte Wissenschaftler. Ich habe keine Schwierigkeiten.

Bob: Wie bitte?
Śrīla Prabhupāda: Für mich ist es nicht schwer, der größte Wissenschaftler zu werden, weil ich das Wissen von dem größten Wissenschaftler annehme. (Es folgt eine lange Pause.) „Diese Erde, dieses Wasser, dieses Feuer, diese Luft, dieser Äther, dieser Geist, diese Intelligenz und dieses Ego sind Meine acht gesonderten Energien.“

Bob: Dies sind gesonderte Energien?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Genau wie Milch. Was ist Milch? Die gesonderte Energie der Kuh. (Śyāmasundara und Bob lachen staunend, als sie verstehen.) Ist es nicht so? Milch ist die Manifestation der gesonderten Energie der Kuh.
Śyāmasundara: Sie ist wie ein Nebenprodukt?
Śrīla Prabhupāda: Ja.

Bob: Wie ist es nun zu verstehen, daß diese Energie von Kṛṣṇa gesondert ist?
Śrīla Prabhupāda: „Gesondert“ bedeutet, daß die Milch aus dem Körper der Kuh gemacht ist, aber nicht die Kuh ist. Das heißt gesondert.

Bob: Die Erde und alle anderen Dinge sind also von Kṛṣṇa gemacht worden, aber sie sind nicht Kṛṣṇa?
Śrīla Prabhupāda:
Sie sind nicht Kṛṣṇa. Oder man kann sagen: Sie sind Kṛṣṇa und gleichzeitig nicht Kṛṣṇa. Das ist unsere Philosophie. Eins und verschieden. Du kannst nicht sagen, daß diese Dinge von Kṛṣṇa verschieden sind, denn ohne Kṛṣṇa haben sie keine Existenz. Zur gleichen Zeit kannst du aber auch nicht sagen: „Dann laß mich Wasser verehren. Warum Kṛṣṇa?“ Die Pantheisten sagen, daß alles, was sie tun, Gottesverehrung sei, weil alles Gott sei. Das ist Māyāvāda-Philosophie — daß nämlich alles Gott ist, weil alles von Gott kommt. Aber unsere Philosophie lautet, daß alles Gott ist und gleichzeitig nicht Gott ist.

Bob: Was auf der Erde ist also Gott? Gibt es irgendetwas auf der Erde, das Gott ist?
Śrīla Prabhupāda: Ja, weil alles aus der Energie Gottes gemacht ist. Aber das bedeutet nicht, daß man Gott verehrt, wenn man irgendetwas verehrt.

Bob: Was gibt es nun auf der Erde, was nicht māyā (Illusion) ist?
Śrīla Prabhupāda: Māyā bedeutet „Energie„.

Bob: Es bedeutet Energie?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Māyā — und eine andere Bedeutung ist „Illusion“. Törichte Menschen nun halten die Energie für den Energieursprung. Das ist māyā. Es verhält sich ebenso wie mit dem Sonnenlicht. Sonnenlicht fällt in dein Zimmer. Sonnenlicht ist die Energie der Sonne. Aber weil das Sonnenlicht in dein Zimmer fällt, kannst du nicht sagen, daß die Sonne in dein Zimmer gekommen ist. Wenn die Sonne in dein Zimmer käme, dann würde dein Zimmer und du — alles — vernichtet werden. Augenblicklich. Du würdest nicht einmal genug Zeit haben zu verstehen, daß die Sonne hereingekommen ist. Oder nicht?

Bob: Das stimmt schon.
Śrīla Prabhupāda: Aber trotzdem kannst du nicht sagen, daß das Sonnenlicht nicht die Sonne ist. Ohne die Sonne, wo ist das Sonnenlicht? Du kannst also nicht sagen, daß das Sonnenlicht nicht die Sonne ist. Aber zur gleichen Zeit ist es nicht die Sonne. Es ist die Sonne und es ist nicht die Sonne — beides. Das ist unsere Philosophie. Acintya-bhedābheda — unbegreiflich. Im materiellen Sinne kannst du dir keine Sache vorstellen, die gleichzeitig positiv und negativ ist. An so etwas kannst du nicht denken. Das ist unbegreifliche Energie. Und weil alles Kṛṣṇas Energie ist, kann Sich Kṛṣṇa aus jeder Energie manifestieren. Wenn wir daher Kṛṣṇa in einer Form aus irgendetwas, wie Erde, Wasser oder etwas anderem, verehren, dann ist das Kṛṣṇa. Du kannst nicht sagen, daß es nicht Kṛṣṇa ist. Wenn wir die Metallform Kṛṣṇas verehren (die Bildgestalt im Tempel), dann ist das Kṛṣṇa. Es ist eine Tatsache, denn Metall ist eine Energie Kṛṣṇas. Deshalb ist es nicht verschieden von Kṛṣṇa, und Kṛṣṇa ist so mächtig, daß Er in Seiner Energie vollständig gegenwärtig sein kann. Deshalb ist diese Bildgestaltenverehrung kein Heidentum. Es ist tatsächlich Gottesverehrung, vorausgesetzt, daß man den Vorgang kennt.

Bob: Wenn man den Vorgang kennt, dann wird die Bildgestalt Kṛṣṇa?
Śrīla Prabhupāda: Nein sie wird nicht — sie ist Kṛṣṇa.

Bob: Die Bildgestalt ist Kṛṣṇa, aber nur wenn man den Vorgang kennt?
Śrīla Prabhupāda: Ja, es ist wie mit dem elektrischen Draht — das ist Elektrizität. Jemand, der den  Vorgang kennt, kann aus dem Draht Elektrizität ableiten.
Śyāmasundara: Sonst ist es nur ein Draht.
Śrīla Prabhupāda: Ja, nur ein Draht.

Bob: Wenn ich also eine Statue von Kṛṣṇa baue, dann ist diese nicht Kṛṣṇa, solange nicht ...
Śrīla Prabhupāda: Sie ist Kṛṣṇa. Aber du mußt den Vorgang kennen, wie man versteht, daß sie Kṛṣṇa ist. Sie ist Kṛṣṇa.

Bob: Sie ist nicht nur Erde und Lehm.
Śrīla Prabhupāda: Nein. Erde hat keine gesonderte Existenz ohne Kṛṣṇa. Kṛṣṇa sagt „Meine Energie“. Du kannst nicht die Energie vom Energieursprung trennen. Das ist nicht möglich. Du kannst nicht Hitze vom Feuer trennen. Aber Feuer ist verschieden von der Hitze, und Hitze ist verschieden vom Feuer. Du nimmst die Hitze, aber das heißt noch nicht, daß du das Feuer berührst. Feuer behält seine Identität, obwohl Hitze davon ausgeht. In ähnlicher Weise bleibt Kṛṣṇa immer Kṛṣṇa, obwohl Er durch Seine verschiedenen Energien alles erschafft. Die Māyāvāda-Philosophen denken, wenn alles Kṛṣṇa ist, dann habe Kṛṣṇa Seine gesonderte Identität verloren. Das ist materielles Denken. Wenn ich zum Beispiel Milch trinke, einen Schluck nach dem anderen, dann gibt es keine Milch mehr, wenn ich das Glas ausgetrunken habe, denn alles befindet sich in meinem Magen. Kṛṣṇa ist nicht so. Er ist allmächtig. Wir nutzen ständig Seine Energie, und doch ist Er immer noch da. Genau wie ein Mann, der unzählige Kinder zeugt. Der Mann ist immer noch da. Ein grobes Beispiel. Es ist nicht so, daß der Mann, weil er Hunderte von Kindern gezeugt hat, nicht mehr vorhanden ist. In ähnlicher Weise ist Gott oder Kṛṣṇa trotz Seiner unzähligen Kinder immer noch da.

pūrṇasya pūrṇam ādāya pūrṇam evāvaśiṣyate

„Weil Er das vollständige Ganze ist, bleibt Er die vollständige Ausgeglichenheit, obwohl so viele vollständige Einheiten von Ihm ausgehen.“ Das ist Kṛṣṇa-Bewußtsein. Kṛṣṇa ist niemals erschöpft. Kṛṣṇa ist so mächtig. Deshalb ist Er allanziehend. Das ist eine Seite der Entfaltung von Kṛṣṇas Energie. In ähnlicher Weise hat Er unbegrenzte Energien. Dieses Studium der Energie Kṛṣṇas ist nur eine Seite oder nur ein Teil. Wenn du auf diese Weise also weiter Kṛṣṇa studierst, dann ist das Kṛṣṇa-Bewußtsein. Es ist keine betrügerische Sache — „vielleicht“, „eventuell nicht“. Absolut! Es ist!

Syāmasundara: Und das Studium selbst hört niemals auf.
Śrīla Prabhupāda: Nein. Wie kann es? Kṛṣṇa hat unbegrenzte Energie.

KAPITEL ZWEI

Vedische Kultur: Varṇāśrama-dharma
28. Februar 1972

Bob: Ich habe Gottgeweihte gefragt, wie sie in ihren Beziehungen über Sexualität denken, und ich sehe, wie sie fühlen, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß ich auf gleiche Weise handeln werde. Ich möchte nämlich Ende dieses Sommers heiraten.
Śrīla Prabhupāda: Hm?

Bob: Ich werde Ende dieses Sommers, ungefähr im September oder August, wenn ich nach Amerika zurückkehre, heiraten. Die Gottgeweihten sagen, die Haushälter hätten nur Geschlechtsverkehr, um ein Kind zu zeugen, und ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, so zu leben und — was für eine Art Geschlechtsleben kann man überhaupt führen, wenn man in der materiellen Welt lebt?
Śrīla Prabhupāda: Das vedische Prinzip sieht vor, daß man Sexualität ganz vermeidet. Das ganze vedische Prinzip läuft darauf hinaus, sich aus der materiellen Knechtschaft zu befreien. Es gibt verschiedene Anhaftungen an materiellen Genuss, von denen Sexualität der höchste Genuss ist. Das Bhāgavatam sagt, daß die materielle Welt...

puṁsaḥ striyā mithunī-bhāvam etam

Ein Mann haftet an einer Frau, und eine Frau haftet an einem Mann. Nicht nur in der menschlichen Gesellschaft, sondern auch in der tierischen Gesellschaft. Diese Anhaftung bildet das Grundprinzip des materiellen Lebens. Eine Frau sehnt sich nach der Gemeinschaft eines Mannes, und ein Mann sehnt sich nach der Gemeinschaft einer Frau. Alle Romane, Schauspiele, Filme und sogar gewöhnliche Werbeplakate, die du siehst, stellen nichts weiter dar als die Anhaftung zwischen Mann und Frau. Selbst bei einem Friseurladen wirst du im Schaufenster das Bild einer Frau und eines Mannes sehen.

pravṛttir eṣā bhūtānāṁ nivṛttis tu mahāphalām

Diese Anhaftung besteht also bereits.

Bob: Die Anhaftung zwischen Mann und Frau?
Śrīla Prabhupāda: Ja, zwischen Mann und Frau. Wenn man also aus der materiellen Welt befreit werden möchte, dann muß man diese Anhaftung bis auf Null reduzieren. Andernfalls wird man nur weitere Anhaftung kultivieren — dann wirst du wieder geboren werden müssen, entweder als Mensch oder als Halbgott oder als Tier oder als Schlange oder als Vogel oder etwas anderes. Um dieses Grundprinzip, die Anhaftung zu vergrößern, geht es uns daher nicht, obwohl es die allgemeine Tendenz ist. Gṛha, kṣetra, suta (Heim, Land, Söhne). Wenn man diese Tendenz reduzieren und einstellen kann, dann ist dies erstklassig. Deshalb sieht unser vedisches System vor, zunächst alle Jungen als brahmacārīs zu schulen — keine Sexualität. Das vedische Prinzip besteht darin, die Anhaftung zu reduzieren, nicht zu vergrößern. Deshalb nennt man das ganze System varṇāśrama-dharma. Das indische  System sieht varṇas und āśramas vor — vier soziale Schichten und vier spirituelle Stufen. Brahmacarya (zölibatäres Studentenleben), gṛhastha (verheiratetes Leben), vānaprastha (zurückgezogenes Leben) und sannyāsa (entsagungsvolles Leben) — dies sind die spirituellen Stufen. Und die sozialen Schichten bestehen aus brāhmaṇas (Intellektuellen), kṣatriyas (Verwaltern), vaiśyas (Kaufleuten und Bauern) und śūdras (gewöhnlichen Arbeitern). In diesem System sind die regulierenden Prinzipien so gut eingerichtet, daß jemand selbst dann, wenn er die Neigung hat, materielles Leben zu genießen, in solche Bahnen gelenkt wird, daß er schließlich Befreiung erlangt und nach Hause, zu Gott, zurückkehrt. Das ist der Vorgang. Sexualität ist also nicht notwendig, aber weil wir daran haften, gibt es gewisse regulierende Prinzipien, unter denen Sexualität gestattet ist. (Im Hintergrund beginnt irgendwo chanten, begleitet von exotischen mṛdanga Trommelschlägen, dazu Lachen und das laute Tuten von Hörnern.)
Śrīla Prabhupāda: Im Śrīmad-Bhāgavatam (5.5.8) heißt es:

puṁsaḥ striyā mithunī-bhāvam etaṁ
tayor mitho hṛdaya-granthim āhuḥ
ato gṛha-kṣetra-sutāpta-vittair
janasya moho 'yam ahaṁ mameti

Sexualität ist das Grundprinzip des materiellen Lebens — Anhaftung an Mann oder Frau. Und wenn sie sich verbinden, wenn sich ein Mann und eine Frau verbinden, dann vergrößert sich diese Anhaftung, und diese vermehrte Anhaftung wird dazu führen, daß sie sich um gṛha (ein Haus), kṣetra (Land), suta (Kinder), āpta (Freundschaft oder Gesellschaft) und vitta bemühen. Vitta bedeutet Geld. Auf diese Weise — gṛhakṣetra-sutāpta-vittaiḥ — wird man verstrickt. Janasya moho 'yam: Das ist Illusion. Und durch diese Illusion denkt man: ahaṁ mameti. „Ich bin der Körper, und alles in Beziehung zu diesem Körper gehört mir.“

Bob: Wie war das doch gleich?
Śrīla Prabhupāda: Diese Anhaftung nimmt zu. Die materielle Anhaftung beinhaltet den Gedanken: „Ich bin der Körper, und weil ich diesen Körper an einem bestimmten Ort bekommen habe, ist das mein Land.“ Und das sehen wir überall: „Ich bin Amerikaner, ich bin Inder, ich bin Deutscher, ich bin dieses, ich bin jenes — dieser Körper. Das ist mein Land. Ich würde alles für mein Land und meine Gesellschaft tun.“ Auf diese Weise nimmt die Illusion zu. Und wenn man sich in dieser Illusion befindet, bekommt man einen weiteren Körper, wenn man stirbt. Je nach dem karma mag der Körper besser oder schlechter sein. Wenn man einen besseren Körper bekommt, dann ist das ebenfalls Verstrickung, denn man begibt sich dann zu den himmlischen Planeten. Und wenn man eine Katze oder ein Hund wird, dann ist das Leben verloren. Oder ein Baum. Das ist gut möglich. Diese Wissenschaft ist heute unbekannt — wie die Seele von einem Körper zum anderen wandert, und wie sie in verschiedenen Arten von Körpern gefangen ist. Diese Wissenschaft ist unbekannt. Als daher Arjuna sagte „Wenn ich meinen Bruder töte, wenn ich meinen Großvater auf der anderen Seite töte...“, bewegte sich sein Denken nur auf der Grundlage der körperlichen Auffassung vom Leben. Als er aber seine Probleme nicht lösen konnte, ergab er sich Kṛṣṇa und nahm Ihn als seinen spirituellen Meister an. Und als Kṛṣṇa sein spiritueller Meister wurde, da rügte Er Arjuna zu Beginn:

aśocyān anvaśocas tvaṁ
prajñā-vādāṁś ca bhāṣase
gatāsūn agatāsūṁś ca
nānuśocanti paṇḍitāḥ

„Du redest wie ein Gelehrter, bist aber der größte Narr, denn du redest über die körperliche Auffassung vom Leben.“

Die Sexualität vermehrt also die körperliche Auffassung vom Leben. Deshalb sollte man diese ganze Angelegenheit bis zum Nullpunkt reduzieren.
Bob: Man soll sie im Laufe des Lebens reduzieren?
Śrīla Prabhupāda: Ja, reduziere sie. Ein Junge wird bis zu seinem fünfundzwanzigsten Lebensjahr als Student geschult, indem er sein Geschlechtsleben einschränkt. Brahmacārī. Einige der Jungen bleiben dann naiṣṭhika-brahmacārīs (sie verbleiben das ganze Leben im Zölibat). Weil sie ausgebildet und mit spirituellem Wissen voll vertraut geworden sind, wollen sie nicht heiraten. Das ist eine weitere Einschränkung, denn man darf sich nicht sexuell betätigen, ohne verheiratet zu sein. Deshalb gibt es in der menschlichen Gesellschaft Heirat, in der tierischen Gesellschaft jedoch nicht. Heute ist es jedoch so, daß die Menschen allmählich von der menschlichen Gesellschaft auf die Stufe der tierischen Gesellschaft absinken. Sie vergessen die Heirat. Auch das wird in den śāstras vorausgesagt: Dāmpatye 'bhirucir hetuḥ. Im Kali-yuga (dem gegenwärtigen Zeitalter des Streites) wird es schließlich keine Hochzeiten mehr geben; der Junge und das Mädchen werden einfach zusammenleben und ihre Beziehung wird auf sexueller Potenz beruhen. Wenn der Mann oder die Frau im sexuellen Bereich die Erwartungen des Partners nicht erfüllen kann, wird es zur Scheidung kommen. Es gibt viele westliche Philosophen, wie Freud und andere, die viele Bücher über dieses Thema geschrieben haben. Doch der vedischen Kultur gemäß interessieren wir uns für Sexualität nur, um Kinder zu zeugen. Das ist alles. Nicht, um die Psychologie der Sexualität zu studieren. Hierfür gibt es bereits die natürliche Psychologie. Selbst wenn man sich mit keiner Philosophie beschäftigt, neigt man zu sexueller Betätigung. Niemand braucht in den Schulen und Universitäten hierin unterrichtet zu werden. Jeder weiß bereits, wie man es macht. (Er lacht.) Es ist die allgemeine Tendenz. Vielmehr sollte man darin ausgebildet werden, wie man diese ganze Angelegenheit einstellt. Das ist wirkliche Erziehung. (Es folgt eine lange Pause, und man hört die Geräusche von Fahrradklingeln, spielenden Kindern und vielen Menschen, die einander zurufen.)

Bob: In der heutigen Zeit ist diese Auffassung in Amerika ein radikales Konzept.
Śrīla Prabhupāda: Nun, in Amerika gibt es so viele Dinge, die geändert werden müssen, und die  Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein  wird dies tun. Als ich dort hinkam und sah, daß die Jungen und Mädchen wie Freunde zusammenlebten, sagte ich zu meinen Schülern: „Ihr könnt nicht als Freunde zusammenleben, sondern müsst euch verheiraten.“

Bob: Viele Menschen sehen, daß selbst die Heirat nicht heilig ist, und daher haben sie nicht den Wunsch zu heiraten. Denn viele Leute sind verheiratet und lassen sich, wenn sie dann nicht gut miteinander auskommen, sehr schnell wieder scheiden...
Śrīla Prabhupāda: Ja, das auch.

Bob: ...und deshalb vertreten einige Leute die Auffassung, sich zu verheiraten, sei nicht bedeutsam.
Śrīla Prabhupāda: Nein, ihrer Vorstellung nach ist Heirat ein Mittel zur legalisierten Prostitution. Sie denken so, aber das ist nicht Heirat. Selbst in diesem einen christlichen Blatt — welches war das noch? Wacht...
Śyāmasundara:
Wachtturm?
Śrīla Prabhupāda: Ja, der Wachtturm. Dort wurde kritisiert, daß ein Priester eine Heirat zwischen zwei Männern erlaubte — Homosexualität. Solche Dinge kommen vor. Für sie ist es nur Prostitution. Das ist alles. Deshalb denken die Menschen: „Was ist der Vorteil, wenn man sich eine reguläre Prostituierte hält, für die ein solch ungeheurer Kostenaufwand erforderlich ist? Besser nicht.“
Śyāmasundara: Du gabst das Beispiel der Kuh und des Marktplatzes.
Śrīla Prabhupāda: Ja. Wenn man die Milch auf dem Marktplatz kaufen kann, warum soll man sich dann eine Kuh halten? (Jeder lacht.) In den westlichen Ländern sind die Zustände sehr verabscheuenswert — ich habe es selbst gesehen. Auch hier in Indien macht sich diese Auffassung langsam breit. Deshalb haben wir die Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein begonnen, um nämlich die Menschen in den grundsätzlichen Prinzipien des spirituellen Lebens zu erziehen. Es ist keine sektiererische religiöse Bewegung. Es ist eine kulturelle Bewegung, die jedem Nutzen bringt.


KAPITEL DREI

Das wirkliche Ziel des Lebens
28. Februar 1972 (Fortsetzung)

Śrīla Prabhupāda: Diese Bewegung ist vor allem dafür bestimmt, einen Menschen zu befähigen, das wirkliche Ziel des Lebens zu erreichen.

Bob: Das wirkliche Ziel...?
Śrīla Prabhupāda: Das wirkliche Ziel des Lebens.
Bob: Ist es das wirkliche Ziel des Lebens, Gott zu kennen?
Śrīla Prabhupāda: Ja, nach Hause zu Gott zurückzukehren. Das ist das wirkliche Ziel des Lebens. Das Wasser, das aus dem Meer kommt, bildet Wolken; die Wolken fallen als Regen zur Erde, und das eigentliche Ziel besteht darin, den Fluss hinunterzuströmen und wieder ins Meer zu münden. So, wir sind von Gott gekommen, und jetzt sind wir durch das materielle Leben völlig verstört. Deshalb sollte es unser Ziel sein, aus dieser peinlichen Lage herauszukommen und wieder nach Hause, zu Gott, zurückzukehren. Das ist das wirkliche Ziel des Lebens.

mām upetya punar janma
duḥkhālayam aśāśvatam
nāpnuvanti mahātmānaḥ
saṁsiddhiṁ paramāṁ gatāḥ

„Nachdem die großen Seelen, die yogīs in Hingabe sind, Mich erreicht haben, kehren sie nie wieder in diese zeitweilige Welt zurück, die voller Leiden ist, denn sie haben die höchste Vollkommenheit erreicht.“ (Bg. 8.15).

So lautet die Aussage der Bhagavad-gītā. Wenn jemand Mich (Kṛṣṇa) erreicht — mām upetya — kehrt er nicht wieder zurück. Wohin? An diesen Ort — duḥkhālayam aśāśvatam. Dieser Ort ist das Reich der Leiden. Jeder weiß es, aber die Menschen werden von sogenannten Führern zum Narren gehalten. Das materielle Leben ist ein leidvolles Leben. Kṛṣṇa, Gott sagt, daß dieser Ort duḥkhālayam ist — ein Ort des Leids. Und er ist auch aśāśvatam oder zeitweilig. Du kannst keinen Kompromiss schließen: „In Ordnung, soll es ruhig leidvoll sein. Ich werde hier als Amerikaner oder Inder bleiben.“ Nein. Auch das kannst du nicht tun. Du kannst nicht als Amerikaner hier bleiben. Du magst denken, weil du in Amerika geboren wurdest, seiest du sehr glücklich. Aber du kannst nicht sehr lange Amerikaner bleiben. Du wirst diesen Ort verlassen müssen. Und dein nächstes Leben kennst du nicht! Deshalb ist es hier duḥkhālayam aśāśavatam — leidvoll und zeitweilig. Das ist unsere Philosophie.

Bob: Aber wenn du ein wenig von Gott weißt, dann ist das Leben nicht so leidvoll?
Śrīla Prabhupāda: Nein! Ein wenig Wissen genügt nicht. Du mußt vollkommenes Wissen haben.

janma karma ca me divyam  
evaṁ yo vetti tattvataḥ

(Bg. 4.9)

Tattvataḥ bedeutet „vollkommen“. Vollkommenes Wissen wird in der Bhagavad-gītā gelehrt. Wir geben jedem in der menschlichen Gesellschaft eine Möglichkeit, die Bhagavad-gītā, Wie Sie Ist, zu studieren, und das Leben zur Vollkommenheit zu führen. Das ist die Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein . Was sagt deine Wissenschaft über die Seelenwanderung?

Bob: Ich denke... daß die Wissenschaft... diese weder verneinen noch bejahen kann. Die Wissenschaft weiß nichts darüber.
Śrīla Prabhupāda: Deshalb sage ich, daß die Wissenschaft unvollkommen ist.

Bob: Die Wissenschaft mag aber immerhin etwas sagen. Es heißt in der Wissenschaft, daß Energie niemals zerstört wird; sie wandelt sich nur.
Śrīla Prabhupāda: Das stimmt. Aber wie die Energie in der Zukunft arbeitet — das weiß die Wissenschaft nicht zu sagen. Wie wird die Energie aufgeteilt? Wie arbeitet die Energie durch verschiedene Handhabungen auf verschiedene Weise? Nehmen wir zum Beispiel die elektrische Energie. Durch verschiedene Handhabung betreibt sie den Heizlüfter und den Kühlschrank. Diese beiden Dinge sind genau das Gegenteil, aber die elektrische Energie ist die gleiche. In ähnlicher Weise diese Energie — die lebendige Energie — wie wird sie gelenkt? Welchen Weg schlägt sie ein? Wie trägt sie im nächsten Leben Früchte? Das wissen die Wissenschaftler nicht. Aber in der Bhagavad-gītā (2.22) heißt es sehr einfach:

vāsāṁsi jīrṇāni yathā vihāya

Du bist von einem Gewand, einem Hemd bedeckt. Wenn dieses Hemd unbrauchbar ist, dann wechselst du es. In ähnlicher Weise ist der Körper wie ein Hemd und ein Mantel. Wenn er nicht länger arbeiten kann, müssen wir ihn wechseln.

Bob: Was ist das „wir“, das wechseln muß? Was ist beständig?
Śrīla Prabhupāda: Das ist die Seele.

Bob: Von einem Leben zum nächsten?
Śrīla Prabhupāda: Das ist die Seele — ich. Welches „du“ spricht? Du! Welches „ich“ spricht? Die Identität: der ātmā oder die Seele.

Bob: Meine Seele ist von deiner Seele verschieden?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Du bist eine individuelle Seele, und ich bin eine individuelle Seele.

Bob: Du hast dich von karmischen Einflüssen befreit. Wenn ich mich von karmischen Einflüssen befreien sollte, würden dann unsere Seelen gleich sein oder verschieden?
Śrīla Prabhupāda: Die Seele ist insgesamt gesehen von der gleichen Eigenschaft. Du hast gegenwärtig eine bestimmte Auffassung vom Leben, und deine Landsleute hier (die Kṛṣṇa-bewußten Geweihten) hatten ebenfalls eine bestimmte Lebensauffassung, doch durch Schulung haben sie eine andere Auffassung vom Leben angenommen. Die letztliche Schulung läuft darauf hinaus, Kṛṣṇa-bewußt zu werden. Das ist die Vollkommenheit.

Bob: Wenn zwei Menschen Kṛṣṇa-bewußt sind, ist dann ihre Seele ein und dieselbe?
Śrīla Prabhupāda: Die Seele ist immer die gleiche.
Bob: In jeder Person? In jeder Person ist sie die gleiche?
Śrīla Prabhupāda: Ja.

Bob (zeigt auf zwei Gottgeweihte): Wenn diese beiden Kṛṣṇa-bewußt sind, sind dann ihre Seelen dieselbe?
Śrīla Prabhupāda: Die Seele ist die gleiche, aber immer individuell, selbst wenn jemand nicht Kṛṣṇabewußt ist. Zum Beispiel bist du ein Mensch, und ich bin ein Mensch. Auch wenn ich kein Christ bin, und auch wenn du kein Hindu bist, sind wir doch beide Menschen. In ähnlicher Weise mag die Seele nicht Kṛṣṇa-bewußt sein, oder sie mag Kṛṣṇa-bewußt sein — es macht nichts — Seele ist Seele.

Bob: Kannst du mir mehr darüber sagen?
Śrīla Prabhupāda: Seele — als reine spirituelle Wesen sind alle Seelen gleich. Selbst in einem Tier. Deshalb heißt es: paṇḍitāḥ sama darśiṇaḥ. Diejenigen, die wirklich gelehrt sind, sehen nicht die äußere Hülle, weder bei einem Menschen noch bei einem Tier.

Bob: Oder wenn ich vielleicht eine andere Frage in dieser Beziehung stellen darf?
Śrīla Prabhupāda: Ja.

Bob: Ich habe die Seele für so etwas wie ein Teil Gottes gehalten. Manchmal denke ich, ich fühle Gott. Ich bin hier, und du magst sagen, Gott sei hier. Wenn also die Seele in mir ist, sollte ich dann nicht imstande sein, Gott in mir zu fühlen? Nicht alles von Gott, ich meine aber ein...
Śrīla Prabhupāda: Teil Gottes.

Bob: Aber ich fühle nicht Gott in mir, aber Gott mag hier sein, getrennt — getrennt von mir. Aber sollte ich imstande sein, Gott in mir zu fühlen, da meine Seele ein Teil Gottes ist?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Gott ist auch innen. Gott ist überall. Gott ist innen und außen. Das muß man wissen.

Bob: Wie fühlt man Gott in sich?
Śrīla Prabhupāda: Nicht gleich zu Anfang; vielmehr mußt du Wissen aus den śāstras (Schriften), das heißt durch vedische Aussage, bekommen.  Zum Beispiel heißt es in der Bhagavad-gītā: īśvaraḥ sarva-bhūtānām hṛd-deśe 'rjuna tiṣṭhati.  Gott weilt in jedermanns Herzen. Paramāṇu-cayāntara-stham: Gott befindet Sich auch in jedem Atom. Das ist die erste Information. Und dann mußt du durch den yogischen Vorgang diese Dinge verwirklichen.

Bob: Yogischer Vorgang?
Śrīla Prabhupāda: Ja.

Bob: Ist das Chanten von „Hare Kṛṣṇa“ ein solch yogischer Vorgang?
Śrīla Prabhupāda: Ja, das ist ebenfalls ein yogischer Vorgang.

Bob: Welche Art von yogischem Vorgang muß ich praktizieren, um herauszufinden, um diese Information zu fühlen, um die Seele in mir zu fühlen?
Śrīla Prabhupāda: Es gibt viele verschiedene yogische Vorgänge, aber für dieses Zeitalter ist der Vorgang sehr schön.

Bob: Das Chanten.
Śrīla Prabhupāda: Ja.

Bob: Kann ich dadurch Gott nicht nur außen, sondern auch innen fühlen?
Śrīla Prabhupāda: Du wirst alles von Gott verstehen — wie Gott im Innern weilt, wie Er außen weilt, wie Gott wirkt. All das wird offenbart werden. Durch diese Haltung des Dienstes wird Sich Gott offenbaren. Du kannst Gott nicht durch eigene Kraft  verstehen. Nur wenn Gott Sich offenbart. Wenn zum Beispiel die Sonne nachts aus deinem Blickfeld verschwunden ist, kannst du sie nicht mit Hilfe deiner Taschenlampe oder irgendeines anderen Lichts sehen. Am Morgen aber kannst du die Sonne von selbst sehen, ohne irgendeine Lampe. In ähnlicher Weise mußt du eine Bedingung schaffen — du mußt dich in eine solche Lage begeben —, daß Gott Sich offenbaren wird. Es ist nicht so, daß du durch irgendeine Methode Gott bitten kannst: „Bitte, komm her! Ich will Dich sehen!“ Nein, Gott ist nicht dein Befehlsempfänger.

Bob: Man muß Gott erfreuen, damit Er Sich offenbart. Ist das richtig?
Śrīla Prabhupāda: Ja.
Śyāmasundara: Wie wissen wir, wann wir Gott erfreuen?
Śrīla Prabhupāda: Wenn wir Ihn sehen. Dann wirst du verstehen. Wenn du zum Beispiel ißt, brauchst du niemanden zu fragen, ob du dich gestärkt fühlst, oder ob dein Hunger vergangen ist. Wenn du ißt, wirst du verstehen, daß du Energie bekommst. Du brauchst niemanden zu fragen. Ähnlich verhält es sich, wenn du Gott tatsächlich dienst.  Dann  wirst  du  verstehen: „Gott spricht zu mir. Gott ist da. Ich sehe Gott.“

Ein Gottgeweihter: Oder Gottes Stellvertreter.
Śrīla Prabhupāda: Ja.

Gottgeweihter: Das ist leichter.
Śrīla Prabhupāda: Man muß sich zunächst an den Stellvertreter Gottes wenden.

yasya prasādād bhagavat-prasādaḥ

„Durch die Barmherzigkeit des spirituellen Meisters wird man mit der Barmherzigkeit Kṛṣṇas gesegnet.“ Wenn du Gottes Stellvertreter erfreust, wird Gott von selbst erfreut, und so kannst du Ihn unmittelbar sehen.

Ein indischer Besucher: Wie kann man Gottes Stellvertreter erfreuen?
Śrīla Prabhupāda: Sie müssen sich an seine Anweisungen halten, das ist alles. Gottes Stellvertreter ist der guru. Er bittet Sie, dieses oder jenes zu tun, und wenn Sie es tun, bereitet ihm dies Freude.

yasyāprasādān na gatiḥ kuto 'pi

„Ohne die Gnade des spirituellen Meisters kann man keinerlei Fortschritte machen.“

Wenn Sie sein Missfallen erregen, dann befinden Sie sich nirgendwo. Deshalb verehren wir den guru.

sākṣād-dharitvena samasta-śāstrair
uktas tathā bhāvyata eva sadbhiḥ
kintu prabhor yaḥ priya eva tasya
vande guroḥ śrī-caraṇāravindam

[„Der spirituelle Meister wird ebenso geehrt wie der Höchste Herr, da er der vertrauteste Diener des Herrn ist. Dies wird von allen offenbarten Schriften anerkannt und alle Autoritäten halten sich daran. Deshalb erweise ich meine achtungsvollen Ehrerbietungen den Lotosfüßen eines solchen spirituellen Meisters, der ein echter Stellvertreter Kṛṣṇas ist.“]

Der guru sollte wie Gott angesehen werden. So lautet die Unterweisung aller śāstras.

Bob: Der guru sollte als ein Stellvertreter Gottes anerkannt werden?
Śrīla Prabhupāda: Ja, der guru ist Gottes Stellvertreter. Der guru ist die äußere Manifestation Kṛṣṇas.

Bob: Aber er unterscheidet sich von den Inkarnationen Kṛṣṇas, die kommen?
Śrīla Prabhupāda: Ja.

Bob: In welcher Hinsicht ist die äußere Manifestation des guru verschieden von der äußeren Manifestation, sagen wir Kṛṣṇas oder Caitanyas, wenn diese auf die Erde kommen?
Śrīla Prabhupāda: Der guru ist der Stellvertreter Kṛṣṇas. Es gibt Merkmale, an denen man einen guru erkennen kann. Die allgemeinen Kennzeichen werden in den Veden beschrieben:

tad-vijñānārthaṁ sa gurum evābhigacchet
samit-pāṇiḥ śrotriyaṁ brahma-niṣṭham

Ein guru muß in einer Schülernachfolge kommen, und er muß von seinem spirituellen Meister eingehend über die Veden gehört haben. Im allgemeinen ist das Merkmal eines guru, daß er ein vollkommener Gottgeweihter ist, das ist alles. Und er dient Kṛṣṇa, indem er Seine Botschaft predigt.

Bob: Śrī Caitanya — Er war eine andere Art von guru als du bist?
Śrīla Prabhupāda: Nein, nein. Gurus können nicht von verschiedener Art sein. Alle gurus sind von einer Art.

Bob: Aber Er war — war Er nicht auch gleichzeitig eine Inkarnation?
Śrīla Prabhupāda: Ja, Er ist Kṛṣṇa Selbst, aber Er repräsentiert den guru.

Bob: Ich... ich verstehe.
Śrīla Prabhupāda: Ja.

Bob: Und dann...
Śrīla Prabhupāda: Weil Kṛṣṇa Gott ist, forderte Er:

sarva-dharmān parityajya mām ekaṁ śaraṇaṁ vraja

„Gib alle Arten von Religion auf und ergib dich einfach Mir.“

Aber die Menschen verstanden Ihn falsch. Deshalb kam Kṛṣṇa noch einmal als guru und lehrte die Menschen, wie sie sich Kṛṣṇa ergeben sollen.

Śyāmasundara: Sagt Kṛṣṇa nicht in der Bhagavad-gītā: „Ich bin der spirituelle Meister?“
Śrīla Prabhupāda: Ja, Er ist der ursprüngliche spirituelle Meister, denn Er wurde von Arjuna als spiritueller Meister angenommen. Worin liegt also die Schwierigkeit? Śiṣyas te 'haṁ śādhi māṁ tvāṁ prapannam. Arjuna sagte zum Herrn: „Ich bin Dein Schüler und eine Dir ergebene Seele. Bitte unterweise mich.“ Wenn Kṛṣṇa kein spiritueller Meister wäre, wie kommt es dann, daß Arjuna Sein Schüler wurde? Er ist der ursprüngliche guru. Tene brahma hṛdā ya ādi kavaye: „Er allein ist es, der zuerst das vedische Wissen in das Herz Brahmās, des ersterschaffenen Lebewesens, eingab.“ Deshalb ist Er der ursprüngliche guru.

Bob: Kṛṣṇa.
Śrīla Prabhupāda: Ja. Er ist der ursprüngliche guru. Alsdann ist Sein Schüler Brahmā ein guru; dann ist dessen Schüler Nārada ein guru; dann ist dessen  Schüler Vyāsa ein guru — auf diese Weise gibt es eine guru-paramparā (eine Schülernachfolge von gurus). Evaṁ paramparā-prāptam: Das transzendentale Wissen wird durch die Schülernachfolge empfangen.

Bob: Ein guru empfängt sein Wissen also durch die Schülernachfolge, nicht unmittelbar von Kṛṣṇa? Bekommst du Wissen unmittelbar von Kṛṣṇa?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Kṛṣṇas unmittelbare Unterweisung ist hier: in der Bhagavad-gītā.

Bob: Ich verstehe, aber...
Śrīla Prabhupāda: Aber du mußt dieses Wissen durch die Schülernachfolge lernen, andernfalls wirst du es falsch verstehen.

Bob: Aber zur Zeit empfängst du Informationen nicht unmittelbar von Kṛṣṇa, oder? Diese kommen durch die Schülernachfolge aus den Büchern?
Śrīla Prabhupāda: Da ist kein Unterschied. Angenommen ich sage, daß dies ein Bleistift ist. Wenn du dann zu ihm sagst „Das ist ein Bleistift“, und er sagt zu einem anderen „Das ist ein Bleistift“, worin liegt dann der Unterschied zwischen seiner Unterweisung und meinen Unterweisungen?

Bob: Kṛṣṇas Barmherzigkeit gestattet es dir, dies jetzt zu wissen?
Śrīla Prabhupāda: Du kannst auch Kṛṣṇas Barmherzigkeit nehmen, vorausgesetzt, daß sie so vermittelt wird, wie sie ist. Das verhält sich so, wie wir die Bhagavad-gītā lehren. In der Bhagavad-gītā sagt Kṛṣṇa:

sarva-dharmān parityajya mām ekaṁ śaraṇaṁ vraja

„Gib alle anderen Formen von Religion auf und ergib dich einfach Mir.“

Jetzt sagen wir, daß du alles aufgeben und dich Kṛṣṇa ergeben sollst. Deshalb besteht kein Unterschied zwischen Kṛṣṇas Unterweisung und unserer Unterweisung. Es gibt keine Abweichung. Wenn du also Wissen auf diese vollkommene Weise bekommst, dann ist dies ebenso gut, als wenn du unmittelbar von Kṛṣṇa Unterweisung empfängst. Denn wir ändern nichts.

Bob: Wenn ich inbrünstig bete, mit Glauben, hört mich Kṛṣṇa dann?
Śrīla Prabhupāda: Ja.

Bob: Von mir zu Ihm?
Śrīla Prabhupāda: Ja, denn Er weilt in deinem Herzen, Er hört dich immer — ob du betest oder nicht betest. Wenn du irgendwelchen Unsinn treibst, hört Er dich ebenfalls. Und wenn du betest, dann ist das sehr gut — es ist willkommen.

Bob: Ist für Kṛṣṇas Ohr Beten lauter als Unsinn?
Śrīla Prabhupāda: Nein, Er ist allvollkommen. Er kann alles hören. Selbst wenn du nicht sprichst, sondern einfach nur denkst „Ich werde das tun“, hört Er dich. Sarvasya cāhaṁ hṛdi sanniviṣṭaḥ: Kṛṣṇa weilt im Herzen eines jeden.

Bob: Aber man soll beten, nicht wahr?
Śrīla Prabhupāda: Das ist seine Beschäftigung — zu beten.

Bob: Wessen Beschäftigung?
Śrīla Prabhupāda: Eines jeden Lebewesens. Das ist seine einzige Beschäftigung. Eko bahūnāṁ yo vidadhāti kāmān. So lautet die Feststellung der Veden.

Bob: Was bedeutet das?
Śrīla Prabhupāda: Kṛṣṇa versorgt jeden mit allem. Er versorgt jeden mit Nahrung. Er ist daher der Vater. Warum solltest du also nicht beten „Vater, gib mir bitte dies.“? Zum Beispiel heißt es in der christlichen Bibel: „Vater, gib uns unser täglich Brot.“ Das ist gut — sie erkennen den Höchsten Vater an. Aber erwachsene Kinder sollten den Vater nicht um Dinge bitten; vielmehr sollten sie bereit sein, dem Vater zu dienen. Das ist bhakti (Hingabe).

Bob: Du beantwortest meine Fragen so wunderbar. (Jeder lacht wohlwollend.)
Śrīla Prabhupāda: Vielen Dank.

Bob: Soll ich jetzt eine weitere Frage stellen?
Śrīla Prabhupāda: O ja, nur zu!

KAPITEL VIER

Die drei Erscheinungsweisen der Natur
Februar 1972, Fortsetzung


Bob:
Ich habe gelesen, daß es drei guṇas gibt — Leidenschaft, Unwissenheit und Tugend. Es wäre sehr schön, wenn du dies etwas näher erklären könntest, insbesondere was mit der Erscheinungsweise der Unwissenheit und der Erscheinungsweise der Tugend gemeint ist.
Śrīla Prabhupāda: In Tugend kannst du die Dinge richtig verstehen — das ist Wissen. Du kannst verstehen, daß es Gott gibt, daß diese Welt von Ihm geschaffen wurde und so viele andere Dinge, wirkliche Dinge — die Sonne ist dieses, der Mond ist jenes — vollkommenes Wissen. Wenn jemand ein wenig Wissen hat, auch wenn es nicht vollkommen ist, dann ist dies Tugend. In Leidenschaft identifiziert man sich mit dem materiellen Körper und versucht, seine Sinne zu befriedigen. Das ist Leidenschaft. Und Unwissenheit ist tierisches Leben — in Unwissenheit weiß man nicht, was Gott ist, wie man glücklich wird, warum wir uns in dieser Welt aufhalten. Wenn du zum Beispiel ein Tier zum Schlachthof führst, wird es mit dir gehen. Das ist Unwissenheit. Ein Mensch dagegen wird protestieren. Wenn eine Ziege in fünf Minuten der Tod erwartet, du ihr aber ein Büschel Gras hinhältst, wird sie glücklich sein, weil sie frißt. Sie ist wie ein Kind — selbst wenn du planst, das Kind zu töten, wird es glücklich sein und lachen, weil es unschuldig ist. Das ist Unwissenheit.

Bob: Diese Erscheinungsweisen bestimmen das karma. Ist das richtig?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Je nachdem mit welchen Erscheinungsweisen der Natur du zusammen bist, werden deine Tätigkeiten verunreinigt.

kāraṇaṁ guṇa-saṅgo 'sya sad-asad-yoni-janmasu

Je nachdem mit welchen guṇas oder Erscheinungsweisen ein Mensch zusammen ist, bekommt er eine höhere oder niedere Geburt.

Bob: Betrug und Ähnliches — welche Erscheinungsweise ist das?
Śrīla Prabhupāda: Betrug ist gemischte Leidenschaft und Unwissenheit. Angenommen jemand möchte einen anderen betrügen. Das bedeutet, daß er etwas gewinnen möchte, er ist leidenschaftlich. Aber wenn er einen Mord begeht, weiß er nicht, daß er dafür leiden muß; daher ist dies eine Mischung aus Unwissenheit und Leidenschaft.

Bob: Und was ist mit jemandem, der einem anderen helfen möchte?
Śrīla Prabhupāda: Das ist Tugend.

Bob: Warum ist das Tugend? Was für eine Intelligenz ist das? Ich meine — diese Tugend repräsentiert Wissen von was? Du sagtest, Tugend sei dann vorhanden, wenn du Wissen hast.
Śrīla Prabhupāda: Ja.

Bob: Intelligenz.
Śrīla Prabhupāda: Ja.

Bob: Einem anderen zu helfen?
Śrīla Prabhupāda: Das bedeutet, daß er unwissend  ist und du versuchst, ihn zu erleuchten.

Bob: Intelligenz zu geben...
Śrīla Prabhupāda: Ja, das ist Tugend.

Bob: Und wie steht es damit, wenn man jemandem Hilfe leistet?
Śrīla Prabhupāda: Das ist ebenfalls Tugend.

Bob: Wenn ein Bettler nichts hat und du ihm ein Almosen gibst...
Śrīla Prabhupāda: Das mag immer noch Tugend sein, aber wenn du jemandem auf der Bowery ein Almosen gibst und er gleich eine Flasche Wein kauft, sie ausleert und sich flachlegt (alle lachen), so ist das ebenfalls Mildtätigkeit, aber nicht in Tugend. Das ist Unwissenheit.

Bob: Mildtätigkeit ist Unwissenheit?
Śrīla Prabhupāda: Es gibt drei Arten von Mildtätigkeit — gute, leidenschaftliche und unwissende. Tugend bedeutet, jemandem eine Spende zu geben, dem man eine Spende geben muß. Genau wie diese Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein — wenn jemand dieser Bewegung Spenden gibt, dann ist dies Tugend, denn diese Bewegung verbreitet Gottesbewußtsein, KṛṣṇaBewußtsein. Das ist Tugend. Und wenn jemand eine Spende gibt, um dafür etwas zurückzubekommen, dann ist das Leidenschaft. Wenn jemand an einem falschen Ort, zur falschen Zeit und einem unwürdigen Menschen, wie zum Beispiel dem Mann von der Bowery, eine Spende gibt, so ist das Unwissenheit. Aber Kṛṣṇa sagt:

yat karoṣi yad aśnāsi yaj juhoṣi dadāsi yat

„Alles was du tust, alles was du ißt, alles was du opferst und fortgibst, sowie alle tapasya, die du dir auferlegen magst, sollten als eine Opferung für Mich getan werden.“

Wenn Kṛṣṇa der Empfänger ist, dann ist dies die Vollkommenheit des Spendens. Oder irgend jemand, der ein Stellvertreter Kṛṣṇas ist. Wenn er es entgegennimmt, dann ist dies Vollkommenheit.

Bob: Und welche Art von Mildtätigkeit ist es, wenn man einem Hungrigen etwas zu essen gibt?
Śrīla Prabhupāda: Nun, das hängt von den Umständen ab. Wenn zum Beispiel ein Arzt seinem Patienten verboten hat, feste Nahrung zu sich zu nehmen, und der Patient dich bittet „Gib mir etwas Festes zu essen“, und du ihm aus Mildtätigkeit feste Nahrung gibst, dann tust du ihm damit nichts Gutes. Das ist Unwissenheit.

Bob: Häufen die Gottgeweihten kein karma mehr an? Diese Gottgeweihten — fühlen sie karma? Arbeiten sie in diesen Erscheinungsweisen? Befinden sie sich in der Erscheinungsweise der Tugend?
Śrīla Prabhupāda: Sie stehen über Tugend! Śuddhasattva. Die Gottgeweihten befinden sich nicht in der materiellen Welt. Sie sind in der spirituellen Welt. Das wird in der Bhagavad-gītā (14.26) bestätigt:

māṁ ca yo 'vyabhicāreṇa
bhakti-yogena sevate
sa guṇān samatītyaitān
brahma-bhūyāya kalpate

[„Jemand, der sich vollständig im hingebungsvollen Dienst betätigt und unter keinen Umständen zu Fall kommt, transzendiert sogleich die Erscheinungsweisen der materiellen Natur und gelangt so auf die Ebene des Brahman.“]
Gottgeweihte befinden sich weder in Tugend noch in Leidenschaft, noch in Unwissenheit. Sie stehen in transzendentaler Stellung zu all diesen Eigenschaften.

Bob:
Ein Gottgeweihter, der sehr gläubig ist, erreicht diese Stufe?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Du kannst ebenso ein Gottgeweihter werden wie sie. Es ist nicht schwierig. Du brauchst dich nur im transzendentalen liebevollen Dienst des Herrn zu betätigen, das ist alles.

Bob: Ich möchte mehr über Gott wissen und imstande sein, Gottes Gegenwart mehr zu empfinden. Der Grund dafür ist, daß ich denke, das Leben hat wenig Sinn ohne das.
Śrīla Prabhupāda: Ja! Wenn du die Gelegenheit des menschlichen Lebens versäumst, ist das ein großer Verlust. Diese Lebensform ist eine große Möglichkeit, die dem Lebewesen gegeben wurde, um aus der Verstrickung des materiellen Daseins herauszugelangen.

Bob: Ich bin sehr dankbar, daß ich all diese Fragen stellen konnte...
Śrīla Prabhupāda: Ja, so kannst du mehr und mehr lernen.

Bob: Aber ich habe immer noch... meine Verbindung zu Hause. Heirat ist... ich bin verlobt...
Śrīla Prabhupāda: Nein, nein. Es gibt so viele Ehen. (Er deutet auf Śyāmasundara.) Er ist verheiratet. Heirat ist kein Hindernis. Ich habe dir ja gesagt, daß es vier verschiedene Stufen im spirituellen Leben gibt — brahmacārī, gṛhastha, vānaprastha und sannyāsa. Nach einem Leben als brahmacākann man heiraten. Dies ist jedoch nicht obligatorisch. Man kann auch sein ganzes Leben hindurch naiṣṭhika-brahmacābleiben. Aber ein brahmacākann auch heiraten. Und nach der Ehe kommt das vārnaprastha-Leben. Dies bedeutet, daß man sich ein wenig von der Familie löst — der Ehemann und die Frau leben getrennt. Auf dieser Stufe gibt es keine Geschlechtsbeziehungen mehr. Wenn man dann völlig entsagt ist, losgelöst vom Familienleben, nimmt man sannyāsa an.

Bob: Vergißt man dann seine Frau vollständig?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Vergessen ist nicht sehr schwierig, wenn man versucht zu vergessen. Aus den Augen, aus dem Sinn. (Alle lachen) Genauso wie ich meine Frau, meine Kinder und meine Enkel habe — alles. Aber aus den Augen, aus dem Sinn. Das ist alles. Deshalb vānaprastha, sannyāsa — durch das vedische System ist für alles sehr gut gesorgt.


KAPITEL FÜNF

Der Weg zu Reinheit und Glück
Februar 1972

Bob: Ich bin sehr dankbar, daß ich so viele Fragen stellen durfte.
Śrīla Prabhupāda: Das ist meine Mission. Die Menschen sollten die Wissenschaft von Gott verstehen. Solange wir nicht mit dem Höchsten Herrn zusammenarbeiten, ist unser Leben ein Fehlschlag. Ich habe viele Male das Beispiel einer Schraube gegeben, die aus einer Maschine gefallen ist und daher keinen Wert hat. Aber wenn die gleiche Schraube wieder in die Maschine eingesetzt wird, hat sie Wert. In ähnlicher Weise sind wir winzige Teile Gottes. Welchen Wert haben wir also ohne Gott? Keinen Wert! Wir sollten wieder unsere Stellung der Verbundenheit mit Gott einnehmen. Dann haben wir Wert.

Bob: Heute nachmittag traf ich jemand, der gekommen war — es mag komisch klingen —, weil er gehört hatte, in Mayapur seien Hippies.
Śrīla Prabhupāda: Wie?

Bob: Er hörte, in Mayapur seien Hippies. Zuerst sprach ich mit ihm, und dann redeten einige Gottgeweihte mit ihm. Er sagte einige Dinge, auf die ich keine Antwort finden konnte. Er versprach noch, morgen zurückzukommen, um sich mit einigen Gottgeweihten zu treffen. Aber laß mich berichten, was er sagte. Es war verwirrend. Als er jung war...
Śrīla Prabhupāda: Ein Inder?

Bob: Ja, ein Inder. Er wohnt in der Nähe und spricht ziemlich gut Englisch. Als er jung war, verehrte er Kālī (eine bekannte Halbgöttin) jeden Tag nach sehr strengen Regeln, und dann kam eine Flut. Als die Flut kam, ging es den Menschen sehr schlecht, und jetzt hat er keine Religion. Er sagt, er finde Glück bei dem Versuch, unter den Menschen Liebe zu entwickeln. Und ich wußte nicht, was ich zu ihm sagen sollte, um seinem Leben Gott und Religion hinzuzufügen. Er sagt, nach dem Tode würde er vielleicht ein Teil Gottes werden, oder auch nicht, aber er könne sich jetzt nicht darum kümmern. Er sagt, er habe religiöse Erfahrung versucht, doch sei nichts dabei herausgekommen. Ein Grund, warum ich dies frage, ist der Umstand, daß ich in Amerika, wenn ich dorthin zurückkehre, eine Menge Menschen treffe, die genauso sind. Ihre Erfahrung ist, daß Religion, wie die Verehrung Kālīs oder andere Arten von Religion, mit denen sie sich befaßt haben, nichts einbringen. Und ich weiß nicht, was ich sagen soll, um sie davon zu überzeugen, daß es einen Versuch wert ist.
Śrīla Prabhupāda: Versuche so etwas nicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Versuche erst einmal, selbst davon überzeugt zu werden.

Bob: Ja. Ich bat ihn dann, Gottgeweihte aufzusuchen, aber dann auf dem Weg nach draußen, als ich die Strasse hinunterging, traf ich ihn wieder und sagte zu ihm „Komm zurück“, aber... Ach, ich verstehe.
Śrīla Prabhupāda: Du versuche zunächst einmal, überzeugt zu werden. Dann versuche, andere zu überzeugen. Caitanya Mahāprabhus Unterweisung  lautet, daß man sich erst dann um das Wohl anderer kümmern kann, wenn man das eigene Leben zum Erfolg geführt hat.

bhārata-bhūmite haila manuṣya-janma yāra
janma sārthaka kari' kam para-upakāra

Zunächst bringe dein eigenes Leben zur Vollkommenheit. Dann versuche, andere zu belehren.

Bob: Die Gottgeweihten sagten zu mir, man könne nicht glücklich sein, ohne immer Kṛṣṇa-bewußt zu sein. Aber manchmal fühle ich mich glücklich.
Śrīla Prabhupāda: Manchmal, aber nicht immer.

Bob: Ja.
Śrīla Prabhupāda: Aber wenn du Kṛṣṇa-bewußt wirst, dann wirst du dich immer glücklich fühlen.

Bob: Sie versuchten, mir klar zu machen, daß man sich ohne Kṛṣṇa-Bewußtsein überhaupt nicht glücklich fühlen kann.
Śrīla Prabhupāda: Das ist eine Tatsache. Wenn du zum Beispiel ein Landtier bist und dann ins Wasser geworfen wirst, kannst du im Wasser unter keinen Umständen glücklich sein. Wenn man dich dann wieder herauszieht und an Land bringt, dann wirst du glücklich sein. In ähnlicher Weise sind wir winzige Teile Kṛṣṇas. Wir können nicht glücklich sein, ohne Kṛṣṇas Teile zu sein. Das gleiche Beispiel: Das Maschinenteil hat ohne die Maschine keinen Wert, aber wenn es wieder in die Maschine eingesetzt wird, hat es Wert. Wir sind Teile Kṛṣṇas, und wir müssen uns mit Kṛṣṇa verbinden. Du kannst dich augenblicklich durch dein Bewußtsein mit Kṛṣṇa verbinden, wenn du denkst „Ich gehöre Kṛṣṇa, und Kṛṣṇa gehört mir“. Das ist alles.
Bob:
Was heißt das? Kṛṣṇa gehört...
Śrīla Prabhupāda: Kṛṣṇa gehört mir.

Bob: Gehört mir?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Gehört mir. Mein Kṛṣṇa.

Bob: Ah.
Śrīla Prabhupāda: Kṛṣṇa gehört mir. Kṛṣṇa gehört mir.
Bob: Ja.
Śrīla Prabhupāda: Und ich gehöre Kṛṣṇa. Das ist unsere eigentliche Stellung.

Bob: Wir sind Teile Kṛṣṇas.
Śrīla Prabhupāda: Ja. Alles ist ein Teil Kṛṣṇas. Weil alles durch die Energie Kṛṣṇas erzeugt wird und alles die Energie Kṛṣṇas ist.

Ein indischer Besucher: Śrīla Prabhupāda, ich habe eine Frage. Was ist Dienst ohne Hingabe?
Śrīla Prabhupāda: Hm? Das ist nicht Dienst, sondern Geschäft. Zum Beispiel haben wir hier in Mayapur einen Bauunternehmer beauftragt. Das ist nicht Dienst — das ist Geschäft. Ist es nicht so? Manchmal sieht man die Werbung „Der Kunde ist König“. Nicht wahr? Aber trotz der blumenreichen Sprache — „der Kunde ist König“ — ist es ein Geschäft, denn niemand ist ein geeigneter Kunde, wenn er nicht bezahlt. Aber Dienst ist nicht so. Dienst — Caitanya Mahāprabhu betet zu Kṛṣṇa:

yathā tathā vā vidadhātu lampaṭo
mat-prāṇa-nāthas tu sa eva nāparaḥ

„Tu was immer Du möchtest, aber immer bleibst Du Mein verehrenswerter Herr.“ Das ist Dienst. „Ich bitte Dich um nichts als Gegenleistung.“ Das ist Dienst. Wenn du etwas als Gegenleistung erwartest, dann ist es Geschäft.

Bob: Ich möchte dich bitten, mir zu raten, wie ich dahin kommen kann, mich Gott näher zu fühlen. Ich werde bald abreisen. Und ich bin —
Śrīla Prabhupāda: Du mußt geläutert werden.

Bob: Ich komme von Zeit zu Zeit zum Tempel, und dann gehe ich wieder, und ich bin mir nicht sicher, wie viel ich mit mir nehme.
Śrīla Prabhupāda: Es nimmt nicht viel Zeit in Anspruch. Innerhalb von sechs Monaten wirst du deinen Fortschritt bemerken. Aber du mußt dich an die regulierenden Prinzipien halten. Dann wird es kein Problem sein. Genau wie diese Jungen und Mädchen es tun.

Bob: Ja, ich verstehe.
Śrīla Prabhupāda:  Sie  haben  nicht  mehr  den Wunsch, ins Kino oder in ein Hotel zu gehen. Sie haben alle anarthas, alle unnötigen Dinge eingestellt.
Bob: Ich — ich denke, wenn ich zurückgehe, dann werden sie —
Śrīla Prabhupāda: Das ganze menschliche Leben ist zur Läuterung bestimmt.

Bob: Ja.
Śrīla Prabhupāda:

tapo divyaṁ putrakā yena sattvaṁ
śuddhyed yasmād brahma-saukhyaṁ tv anantam

Sattva bedeutet „Dasein“. Wenn du daher dein Dasein nicht läuterst, wirst du deinen Körper wechseln müssen. Von diesem Körper zu jenem. Manchmal mag es ein besserer sein, manchmal ein schlechterer. Wenn du zum Beispiel eine Krankheit nicht heilst, dann kann sie dich in vieler Hinsicht in Schwierigkeiten bringen. In ähnlicher Weise wirst du von Körper zu Körper wandern müssen, wenn du dein Dasein nicht läuterst. Das sind die sehr subtilen Gesetze der Natur. Es gibt keine Garantie dafür, daß du wieder einen angenehmen Körper oder einen amerikanischen Körper bekommen wirst. Deshalb ist es für einen Menschen unbedingt erforderlich, sein Dasein zu läutern. Solange du dein Dasein nicht läuterst, wirst du nach Glück trachten, aber nicht immer glücklich sein.

Bob: Wenn ich zu meiner Arbeit in New York zurückkehre hoffe ich, daß ich rein werden werde, aber ich bin sicher, daß ich nicht so rein werden werde wie deine Geweihten hier. Ich — ich kann mir nicht vorstellen, daß ich einmal das gleiche tue wie sie.
Śrīla Prabhupāda: Du kannst genauso weit kommen. Sie waren am Anfang auch nicht rein, aber jetzt sind sie rein. In ähnlicher Weise kannst du rein werden. Zum Beispiel warst du in deiner Kindheit nicht gebildet — aber jetzt bist du gebildet.

Bob: So, was soll ich tun? Wenn ich zurückkehre, muß ich —
Śrīla Prabhupāda:
Wann fährst du zurück?

Bob: Ich werde nach Chaibasa zurückkehren, um dort meine Arbeit abzuschließen, und dann...
Śrīla Prabhupāda: Was ist in Chaibasa?

Bob: Das ist der Ort, wo ich meine Lehrstelle habe. Ich lebe dort.

Śrīla Prabhupāda: So, besser ist es, nicht zu lehren —

denn du weißt nicht, was man lehren soll.

Bob (lacht): Ich werde dort nicht bleiben — ich mag diese Lehrstelle nicht so sehr, und ich werde dann im Mai nach Amerika zurückkehren, aber während ich hier bin, ist das meine Abmachung für den Aufenthalt in Indien.
Śrīla Prabhupāda: Wenn du ernsthaft bist, kannst du dich überall rein halten. Es macht nichts, ob du in Amerika oder Indien bleibst. Aber du mußt wissen, wie du dich geläutert halten kannst. Das ist alles.

Bob: Du meinst, indem man diesen Prinzipien folgt?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Ich reiste auch nach Amerika, aber, ob in Amerika oder in Indien, ich bin der gleiche Mann.

Bob: Ich — ich habe ein wenig versucht, diesen Prinzipien zu folgen, seitdem ich mit dir das erste Mal zusammenkam (ein kurzer Besuch in Kalkutta im November 1971).
Śrīla Prabhupāda: Hm. Aber folgen — du mußt streng nachfolgen, wenn du ernsthaft bist.

Bob: Vielleicht — in Ordnung, vielleicht — was ich jetzt sage ist — nun — vielleicht das Törichtste von allem, was ich bisher gesagt habe, aber laß mich dir erklären, wie ich mich fühle.
Śrīla Prabhupāda: Nein, nein, nicht töricht. Ich sage nicht töricht — aber unvollkommen.

Bob: Schon richtig. (Er lacht.) Unvollkommen. Aber laß mich dir sagen, wie ich denke. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bewundere und achte ich deine Geweihten, aber ich fühle mich nicht als ihnen zugehörig und noch nicht einmal, daß ich den Wunsch habe, zu ihnen zu gehören. Ich fühle, daß ich einfach — daß ich einfach tun möchte, was richtig ist, Gott näherkommen, und wenn — und wenn ich eben nur das nächste Mal ein besseres Leben habe — dann bin ich schon zufrieden.
Śrīla Prabhupāda:
Sehr gut.

Bob: Wahrscheinlich ist es noch materielle Verhaftung, aber...
Śrīla Prabhupāda: So, folge daher einfach ihren Fußspuren, und dann wird dein Wunsch in Erfüllung gehen. Wir schulen sie, wie man geläutert und glücklich wird. Das ist unsere Mission. Wir wollen jeden glücklich sehen. Sarve sukhino bhavantu. Die Menschen wissen nicht, wie man glücklich wird. Sie folgen nicht dem vorgeschriebenen Pfad, glücklich zu werden. Sie wählen sich ihren eigenen Weg. Darin liegt die Schwierigkeit. Deshalb gab ¬ṣabhadeva seinen Söhnen den Rat: „Meine lieben Jungen, nehmt einfach um der transzendentalen Erkenntnis willen tapasya auf euch.“ Jeder nimmt tapasya auf sich. Ich kannte jemand, der sogar ins Ausland ging, um Betriebswirtschaft zu studieren. Jetzt ist er gut situiert. Auf diese Weise muß jeder um seiner Zukunft willen irgendeine Form der tapasya auf sich nehmen. So warum nimmst du nicht tapasya auf dich, um beständiges Glück zu erreichen? Du mußt dein Dasein und deinen Körper läutern. Ebenso oft, wie du einen materiellen Körper annimmst, mußt du ihn wieder wechseln. Aber sobald du einen spirituellen Körper bekommst, kann von Wechsel keine Rede mehr sein. Du hast bereits einen spirituellen Körper. Jetzt entwickeln wir aufgrund unserer materiellen Verunreinigung den materiellen Körper, aber wenn wir mit spirituellem Leben Verbindung haben, werden wir einen spirituellen Körper entwickeln. Wenn du zum Beispiel einen Eisenstab ins Feuer hältst, wird dieser Feuer werden. Nicht wahr?

Bob: Einen Eisenstab ins Feuer halten?
Śrīla Prabhupāda: Ja, und er wird dann Feuer werden.

Bob: Aha.
Śrīla Prabhupāda: Obwohl er Eisen ist.

Bob: Ja, richtig.
Śrīla Prabhupāda: In ähnlicher Weise wird dein Körper auf spirituelle Weise handeln, obwohl er materiell ist, wenn du immer spirituell beschäftigt bleibst. Das gleiche Beispiel: Wenn ein Eisenstab rotglühend ist, berühre ihn irgendwo, und er wird dich verbrennen. Er nimmt die Eigenschaft des Feuers an. In ähnlicher Weise wirst du spiritualisiert werden, wenn du dich immer im Kṛṣṇa-Bewußtsein hältst. Du wirst auf spirituelle Weise handeln. Keine materiellen Bedürfnisse mehr.

Bob: Wie kann ich das erreichen?
Śrīla Prabhupāda: Indem du diesem Vorgang folgst. Sie tun es. Du hast diese Jungen gesehen, unsere sechs Jungen, die heute eingeweiht worden sind. Es ist sehr einfach. Du mußt diesen vier einschränkenden Regulierungen folgen und auf diesen Perlen chanten. Sehr einfach.

Bob: Gut, aber verstehe — wenn ich wieder in Bihar bin und meiner dortigen Lebensweise folge, dann — wenn ich all diesen regulierenden Prinzipien folgen würde — einigen folge ich jetzt schon, nicht allen —
Śrīla Prabhupāda: „Einige“ bedeutet... ?

Bob: „Einige?“
Śrīla Prabhupāda: Es gibt nur vier regulierende Prinzipien. „Einige“ heißt drei oder zwei?

Bob: Zwei oder drei.
Śrīla Prabhupāda: So warum nicht auch das andere?
Bob: Nein, nein. Ich meine, ich folge einem oder zwei. Einem oder zwei folge ich jetzt.
Śrīla Prabhupāda (lacht): Warum nicht den anderen drei? Was ist so schwer? Welchen folgst du?

Bob: Welchen ich folge? Nun, ich bin fast Vegetarier, aber ich esse noch Eier.
Śrīla Prabhupāda: Dann ist auch das nicht vollständig-
Bob: Nein, noch nicht einmal vollständig. Seit letztem Mal (November) bin ich Vegetarier geworden, aber...
Śrīla Prabhupāda: Vegetarier zu sein ist keine Qualifikation.

Bob: Es ist noch nicht viel.
Śrīla Prabhupāda: Die Taube ist auch Vegetarier. Der Affe ist Vegetarier — das niedrigste Geschöpf...

Bob: Nun...
Śrīla Prabhupāda: Der Affe ist Vegetarier. Dieser nackte sannyālebt im Wald... das niederträchtigste Geschöpf...

Bob: Ich — ich dachte, ich hätte ein wenig Fortschritt gemacht, weil es zunächst etwas schwierig war, dann leichter, und ich mußte zurückkehren, um —
Śrīla Prabhupāda: Nein, du kannst allen regulierenden Prinzipien folgen, vorausgesetzt, daß du dich dem Vorgang des Kṛṣṇa-Bewußtsein widmest — andernfalls ist es nicht möglich.

Bob: Ja, das ist es. Ich habe — wenn ich wieder in Bihar bin und — hm — meine Freunde sagen dann, vielleicht... wir sitzen dann zum Beispiel abends zusammen, und es gibt nichts anderes zu tun, als uns gegen die Mücken zu wehren, und dann sagen sie „Wie wäre es, etwas Marihuana zu rauchen?“, und ich sage dann „Sicher, es gibt sonst nichts zu tun“, und dann setzen wir uns hin und machen uns einen schönen Abend. Wir haben das also gemacht, ließen uns forttragen, haben das jeden Tag gemacht und erkannten dann, daß wir uns selbst schaden, und hörten auf, aber bei manchen Gelegenheiten handeln wir immer noch so...
Śrīla Prabhupāda: Du mußt mit uns zusammenleben, dann werden deine Freunde nicht zu dir sagen „Wie wäre es mit Marihuana?“. (Bob lacht) Bleib in der Gemeinschaft von Gottgeweihten. Wir eröffnen Zentren, um den Menschen eine Möglichkeit zu geben, mit uns zusammenzuleben. Warum haben wir hier (in Mayapur) so viel Land erworben? Diejenigen, die ernsthaft den Wunsch haben — sie werden kommen und mit uns leben. Gemeinschaft ist sehr einflußreich. Wenn du mit Trunksüchtigen zusammen bist, wirst du ein Trinker werden; wenn du mit sādhus zusammenlebst, dann wirst du ein sādhu werden.
Śyāmasundara: (Śrīla Prabhupādas Sekretär): Er kann kommen und mit dir in Bombay bleiben.
Śrīla Prabhupāda: Ja, du kannst mit uns in Bombay bleiben. Aber er möchte Freunde mit Marihuana. Das ist das Problem.

Bob: Laß mich eine andere Frage stellen, dann komme ich vielleicht auf das zurück. Ich finde, daß ich zu viel über mich nachdenke und auf diese Weise nicht so viel an Gott denken kann. Ich denke so oft über mich selbst nach. Wie kann ich mich vergessen, so daß ich mich auf andere, wichtigere Dinge konzentrieren kann?
Śrīla Prabhupāda: Wie sie (die Gottgeweihten) es getan haben.

Bob: (lacht) Du meinst wohl, daß mein Pfad — ich denke, was du sagen willst ist, daß mein Pfad zur Reinheit darin besteht, ein Gottgeweihter zu werden.
Śrīla Prabhupāda: Zögerst du?

Bob: Nun, ich ...
Śrīla Prabhupāda: Ist es sehr schwer, ein Gottgeweihter zu werden?

Bob: Für mich — ist es das. Ich — ich fühle nicht so sehr, daß ich den Wunsch dazu habe. Die Gottgeweihten sagen zum Beispiel, daß sie das materielle Leben aufgegeben haben. Diese vier regulierenden Prinzipien einzuhalten, so haben sie mir erklärt, bedeutet, das materielle Leben aufzugeben, und das kann ich verstehen. Und statt dessen haben sie ...
Śrīla Prabhupāda: Was meinst du mit materiellem Leben? (Bob schweigt) Ich sitze auf diesem Bett. Ist es materiell oder spirituell?

Bob: Materiell.
Śrīla Prabhupāda: Wie haben wir dann materielles Leben aufgegeben?

Bob: Ich denke, wie ich es verstand, war es „den Wunsch nach eigenem materiellen Gewinn ...“
Śrīla Prabhupāda: Was ist materiell?

Bob: Arbeiten, um materiellen Gewinn zu erzielen, und nicht alle materiellen Dinge aufgeben.
Śrīla Prabhupāda: Materielles Leben bedeutet, daß du den Wunsch hast, deine eigenen Sinne zu befriedigen. Das ist materielles Leben. Und wenn du Gott dienen möchtest, das ist spirituelles Leben. Das ist der Unterschied zwischen materiellem und spirituellem Leben. Jetzt versuchen wir, unseren Sinnen zu dienen. Wenn wir aber, statt den Sinnen zu dienen, Gott dienen, dann ist das spirituelles Leben. Was ist der Unterschied zwischen unseren Tätigkeiten und den Tätigkeiten anderer? Wir gebrauchen alles — Tisch, Stuhl, Bett, Tonbandgerät, Schreibmaschine —, was ist also der Unterschied? Der Unterschied liegt darin, daß wir alles für Kṛṣṇa gebrauchen.

Bob: Die Gottgeweihten haben gesagt, die sinnlichen Freuden, die sie aufgegeben haben, seien durch spirituelle Freuden ersetzt worden, aber — verstehe — ich habe diese Erfahrung noch nicht gemacht. Śrīla Prabhupāda: Spirituelle Freuden kommen, wenn du den Wunsch hast, Kṛṣṇa zu erfreuen. Das ist spirituelle Freude. Eine Mutter ist zum Beispiel mehr erfreut, wenn sie ihren Sohn füttert. Sie ißt nicht, aber wenn sie sieht, daß ihr Sohn sehr schön ißt, ist sie zufrieden.

Bob: Hm. Spirituelle Freude bedeutet also, Gott zu erfreuen.
Śrīla Prabhupāda:  Spirituelle  Freude  bedeutet Kṛṣṇas Freude.

Bob: Kṛṣṇa zu erfreuen.
Śrīla Prabhupāda: Ja. Materielle Freude bedeutet, die Sinne zu erfreuen. Das ist alles. Das ist der Unterschied. Wenn du einfach versuchst, Kṛṣṇa zu erfreuen, dann ist das spirituelle Freude.

Bob: Ich habe das gesehen als — meine Vorstellung, Gott zu erfreuen, war —
Śrīla Prabhupāda: Erfinde nicht deine eigenen Wege, Gott zu erfreuen. Erfinde nichts. Angenommen ich möchte dich erfreuen. Dann werde ich dich fragen „Wie kann ich dir dienen?“. Nicht, daß ich mir einen Dienst ausdenke. Das ist nicht erfreulich. Angenommen ich möchte ein Glas Wasser. Wenn du die Vorstellung entwickelst „Svāmījī wird mehr erfreut sein, wenn ich ihm ein Glas Milch, heiße Milch, gebe“, dann wird mich das nicht erfreuen. Wenn du mich erfreuen möchtest, dann solltest du mich fragen „Wie kann ich dich erfreuen?“, und wenn du dann tust, was ich dir sage, wird mich das erfreuen.

Bob: Und Kṛṣṇa zu erfreuen bedeutet dann, ein Geweihter Kṛṣṇas zu sein.
Śrīla Prabhupāda: Ein Gottgeweihter ist jemand, der Kṛṣṇa immer erfreut. Er hat nichts anderes zu tun. Das ist ein Gottgeweihter.

Bob: Kannst du mir etwas mehr über das Chanten von „Hare Kṛṣṇa“ sagen? Ich habe eine Zeitlang gechantet, aber niemals regelmäßig — mal hier und da ein wenig. Ich habe erst kürzlich Perlen bekommen, und manchmal fühle ich mich danach zu chanten, und ein anderes Mal fühle ich mich überhaupt nicht danach. Vielleicht chante ich nicht richtig. Ich weiß nicht.

Srīla Prabhupāda: Ja, alles hat seinen Vorgang. Du mußt dem Vorgang folgen.

Bob: Die Gottgeweihten erzählen mir von der Ekstase, die sie empfinden, wenn sie chanten.
Śrīla Prabhupāda: Ja, je mehr du geläutert wirst, desto mehr wirst du Ekstase empfinden. Dieser Vorgang des Chantens ist der Läuterungsvorgang.


KAPITEL SECHS

Der vollkommene Gottgeweihte
29. Februar 1972, abends

Śyāmasundara: Śrīla  Prabhupāda, heute nachmittag haben wir über tapasya gesprochen.
Śrīla Prabhupāda: Hm?
Śyāmasundara: Wenn wir nicht freiwillig tapasya ausüben, dann müssen wir uns unfreiwillig tapasya auferlegen.
Śrīla Prabhupāda: Ja, unter der Führung des spirituellen Meisters sollte man... Dir kommt es nicht in den Sinn, tapasya auszuführen, aber wenn du einen spirituellen Meister annimmst, mußt du seinen Befehl ausführen. Das ist tapasya.
Śyāmasundara: Selbst wenn man sich keiner tapasya unterziehen will, muß man.
Śrīla Prabhupāda: Ja, man muß. Weil du dich deinem spirituellen Meister ergeben hast, ist sein Befehl endgültig. Also selbst wenn du es nicht magst, mußt du es tun. Um mich zu erfreuen.
Śyāmasundara: Aha.
Śrīla Prabhupāda: Aber du magst es nicht... (Er lacht) Niemand möchte fasten, aber der spirituelle Meister sagt: „Heute wird gefastet.“ Was kann man also tun? (Śyāmasundara lacht) Ein Schüler ist jemand, der sich freiwillig dazu bereit erklärt, sich von dem spirituellen Meister disziplinieren zu lassen. Das ist tapasya.
Śyāmasundara: Unsere Eltern zum Beispiel oder viele Menschen in der materiellen Welt, die vom materiellen Leben völlig betört sind — sie möchten sich keinerlei tapasya oder körperlichem Schmerz unterziehen, aber dennoch müssen sie es. Sie werden von der Natur dazu gezwungen, tapasya zu erleiden.
Śrīla Prabhupāda:
Das ist erzwungene tapasya. Das ist nicht gut. Freiwillige tapasya wird helfen.
Śyāmasundara:
Wenn man sich keine freiwillige tapasya auferlegt, muß man gezwungen werden, sich tapasya zu unterziehen.
Śrīla Prabhupāda: Das ist der Unterschied zwischen Mensch und Tier. Ein Tier kann sich keine tapasya auferlegen, aber ein Mensch kann es. In einem Bäckerladen gibt es zum Beispiel viele leckere Speisen. Ein Mann mag den Wunsch haben, diese zu essen, aber er sieht, daß er kein Geld hat, und daher kann er sich zurückhalten. Aber wenn eine Kuh kommt, schiebt sie sogleich ihr Maul herein. Du kannst sie mit einem Stock schlagen, das wird sie einfach hinnehmen. Ich habe es selbst gesehen. Ein Tier kann sich also keine tapasya auferlegen. Unsere tapasya ist sehr angenehm. Wir chanten „Hare Kṛṣṇa“, tanzen, und Kṛṣṇa schickt uns sehr schöne Speisen, und wir essen. Das ist alles. Warum sind die Menschen mit solcher tapasya nicht einverstanden? Chanten, tanzen und gut essen?

Bob: Wie war das?
Śrīla Prabhupāda: Weil wir uns tapasya auferlegen, schickt uns Kṛṣṇa schöne Dinge. Wir sind daher nicht die Verlierer. Wenn du kṛṣṇaisiert wirst, dann wirst du mehr Annehmlichkeiten bekommen als du jetzt hast. Das ist eine Tatsache. In den letzten zwanzig Jahren habe ich allein gelebt, aber ich hatte keine  Schwierigkeiten. Bevor ich sannyāsa annahm, lebte ich in Delhi. So, ich hatte keine Schwierigkeiten, obwohl ich allein lebte.
Śyāmasundara: Wenn man sich keiner spirituellen Disziplin unterzieht, wird einem die Natur so viele Leiden auf zwingen.
Śrīla Prabhupāda: O ja. Das wird schon in der Bhagavad-gītā (7.14) gesagt:

daivī hy eṣā guṇamayī
mama māyā duratyayā
mām eva ye prapadyante
māyām etāṁ taranti te

[„Diese Meine göttliche Energie, die aus den drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur besteht, ist sehr schwer zu überwinden. Aber diejenigen, die sich Mir ergeben haben, können sie sehr leicht hinter sich lassen.“]

Māyā sorgt für so viele Schwierigkeiten, aber sobald du dich Kṛṣṇa ergibst, läßt sie von dir ab.
Śyāmasundara:
Wir waren so töricht, daß wir immer gedacht haben: „In der Zukunft werde ich glücklich sein.“
Śrīla Prabhupāda: Ja, das ist māyā, Illusion. Es ist wie mit dem Esel. Du setzt dich auf den Rücken des Esels und nimmst ein Büschel Gras. Der Esel denkt: „Laß mich ein wenig nach vorn gehen, und ich werde das Gras bekommen.“ (Bob lacht) Aber er ist immer einen Schritt entfernt. Das ist Eselismus. (Alle lachen) Jeder denkt: „Laß mich ein wenig nach vorn gehen, und ich werde es bekommen. Ich werde sehr glücklich sein.“
Bob:
Ich... ich danke dir sehr für...
Śrīla Prabhupāda: Hmm?

Bob: Morgen muß ich gehen und —
Śrīla Prabhupāda:
Rede nicht von Gehen, sondern von Leben.

Bob: Ich kann noch nicht, aber ich dachte daran, morgen in meine Stadt zurückzukehren, aber . . .
Śrīla Prabhupāda:
Kehre nicht zurück.

Bob: Ich soll morgen hier bleiben — hier?
Śrīla Prabhupāda: Bleib hier.

Bob: Wenn du mir sagst, ich soll bleiben, dann bleibe ich.
Śrīla Prabhupāda: Ja, du bist ein guter Junge. (Es folgt eine lange Pause. Es ist jetzt sehr still geworden.) Es ist sehr einfach. Wenn die Lebewesen Kṛṣṇa vergessen, dann befinden sie sich in der materiellen Welt. Kṛṣṇa bedeutet Sein Name, Seine Gestalt, Sein Reich, Seine Spiele — alles.

Bob: Was war das letzte?
Śrīla Prabhupāda: Spiele.

Bob: Spiele?
Śrīla Prabhupāda: Wenn wir von einem König sprechen, dann bedeutet dies die Regierung des Königs, der Palast des Königs, die Königin des Königs, die Söhne des Königs, seine Sekretäre, seine Streitmacht — alles, nicht wahr?

Bob: Ja.
Śrīla Prabhupāda: Ähnlich verhält es sich mit Kṛṣṇa. Sobald wir an Kṛṣṇa denken, bedeutet dies alle Energien Kṛṣṇas, da Kṛṣṇa die Höchste Persönlichkeit Gottes ist. Dies wird vollkommen ausgedrückt, wenn wir sagen: „Rādhā-Kṛṣṇa“. Rādhā repräsentiert alle Energie Kṛṣṇas. Und Kṛṣṇa ist der Höchste Herr. Wenn wir daher von Kṛṣṇa sprechen, dann sind die Lebewesen ebenfalls eingeschlossen, denn die Lebewesen sind Energien, verschiedene Energien Kṛṣṇas — höhere Energien. So, wenn diese Energien nicht dem Energieursprung dienen, dann ist das materielles Dasein. Die ganze Welt dient Kṛṣṇa nicht. Sie dient Kṛṣṇa auf andere Art. Sie dient indirekt, ebenso wie ungehorsame Bürger der Regierung indirekt dienen. Gefangene kommen ins Gefängnis, weil sie den Gesetzen des Staates nicht gehorchen. So, im Gefängnis werden sie dann gezwungen, den Gesetzen des Staates zu gehorchen. In ähnlicher Weise sind alle Lebewesen hier gottlos, entweder durch Unwissenheit oder aufgrund ihrer Wahl. Sie wollen die Oberhoheit Gottes nicht anerkennen. Dämonisch. Wir versuchen daher, sie zu ihrem ursprünglichen Zustand zurückzubringen. Das ist die Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein .

Bob: Ich möchte dich etwas fragen, über das ich mit Gottgeweihten gesprochen habe — über Medizin. Ich ging heute mit einigen Gottgeweihten zum Fluß. Ich habe eine Erkältung, und daher sagte ich, ich sollte vielleicht nicht ins Wasser gehen. Einige dachten, ich sollte doch, weil es der Ganges ist, und einige sagten, ich sollte es nicht tun, weil ich eine Erkältung habe, und wir redeten darüber. Ich verstehe jetzt nicht. Werden wir krank, weil wir in der Vergangenheit schlecht gehandelt haben?
Śrīla Prabhupāda: Ja, das ist eine Tatsache.

Bob: Aber wenn jemand . . .
Śrīla Prabhupāda:
Jede Art von Leid, das wir ertragen müssen, ist auf unsere gottlosen Handlungen in der Vergangenheit zurückzuführen.

Bob: Aber wenn jemand vom karmischen Einfluß befreit ist ...
Śrīla Prabhupāda: Ja?

Bob: Wird er dann immer noch krank?
Śrīla Prabhupāda: Nein. Wenn er krank wird, dann ist das sehr zeitweilig. Zum Beispiel bewegt sich dieser Ventilator. Wenn du den Stecker herausziehst, wird sich der Ventilator noch eine Zeitlang bewegen. Diese Bewegung ist aber nicht auf die Elektrizität zurückzuführen. Wie nennt man diese Kraft noch in der Physik?
Śyāmasundara: Schwungkraft.
Śrīla Prabhupāda: Ja, Schwungkraft. Aber sobald sie aufgebraucht ist, gibt es keine Bewegung mehr. Ähnlich verhält es sich mit einem Gottgeweihten. Selbst wenn ein Gottgeweihter, der sich Kṛṣṇa ergeben hat, an materiellen Folgeerscheinungen leidet, ist dies zeitweilig. Deshalb betrachtet ein Gottgeweihter materielle Leiden nicht als Leiden. Er betrachtet sie als Kṛṣṇas, Gottes Barmherzigkeit.

Bob: Eine vollkommene Seele, ein Gottgeweihter, ein reiner Gottgeweihter . . .
Śrīla Prabhupāda:
Eine vollkommene Seele ist jemand, der sich vierundzwanzig Stunden am Tag im Kṛṣṇa-Bewußtsein  betätigt. Das ist Vollkommenheit. Das ist eine transzendentale Stellung. Vollkommenheit bedeutet, sich in seinem ursprünglichen Bewußtsein zu betätigen. Das ist Vollkommenheit. In der Bhagavad-gītā (18.45) heißt es hierzu:

sve sve karmaṇy abhirataḥ
saṁsiddhiṁ labhate naraḥ

„Indem man seinen Eigenschaften der Arbeit folgt, kann jeder vollkommen werden.“

Vollständige Vollkommenheit. Saṁsiddhi. Siddhi ist Vollkommenheit. Das ist Brahman-Erkenntnis, spirituelle Erkenntnis. Und saṁsiddhi bedeutet Hingabe, die nach der Brahman-Erkenntnis kommt.

Bob: Könntest du bitte das letzte noch einmal wiederholen?
Śrīla Prabhupāda: Saṁsiddhi.

Bob: Ja.
Śrīla Prabhupāda: Sam bedeutet „vollständig„.

Bob: Ja.
Śrīla Prabhupāda: Und siddhi bedeutet „Vollkommenheit“. In der Bhagavad-gītā heißt es, daß jemand, der nach Hause zu Gott zurückkehrt, die vollständige Vollkommenheit erreicht hat. Vollkommenheit stellt sich also ein, wenn man erkennt, daß man nicht der Körper, sondern spirituelle Seele ist. Brahma-bhūta — das bezeichnet man als Brahman- Erkenntnis. Das ist Vollkommenheit. Und saṁsiddhi kommt nach der Brahman-Erkenntnis, wenn man sich im hingebungsvollen Dienst beschäftigt. Wenn man sich daher bereits im hingebungsvollen Dienst betätigt, muß man verstehen, daß Brahman-Erkenntnis bereits vorhanden ist. Deshalb nennt man dies saṁsiddhi.

Bob: Ich frage dich sehr demütig, aber fühlst du dich manchmal unwohl und wirst du krank?
Śrīla Prabhupāda: Hmm?

Bob:  Empfindest du  persönlich Unwohlsein und Krankheit?
Śrīla Prabhupāda: Ja.

Bob: Ist dies eine Folge deines vergangenen karma?
Śrīla Prabhupāda: Ja.

Bob: In der materiellen Welt entkommt man also niemals seinem karma vollständig?
Śrīla Prabhupāda: Doch, man entkommt. Für einen Gottgeweihten gibt es kein karma mehr. Keine karmischen Reaktionen mehr.

Bob: Aber du mußt doch der beste Gottgeweihte sein.
Śrīla Prabhupāda: Hmm... Nein, ich halte mich nicht für den besten Gottgeweihten. Ich bin der niedrigste. Bob: Nein!
Śrīla Prabhupāda: Du bist der beste Gottgeweihte.
Bob: (lacht) Oh, nein! Aber verstehe, du sagst — was du sagst... scheint richtig zu sein.
Śrīla Prabhupāda: Ja.

Bob: Dann mußt du der beste Gottgeweihte sein.
Śrīla Prabhupāda: Die Sache ist die, daß selbst der beste Gottgeweihte, wenn er predigt, auf die Ebene eines zweitrangigen Gottgeweihten herabkommt.

Bob: Was würde dann der beste Gottgeweihte tun?
Śrīla Prabhupāda: Der beste Gottgeweihte predigt nicht.

Bob: Was tut er dann?
Śrīla Prabhupāda: Er sieht, daß keine Notwendigkeit für Predigen besteht. Für ihn ist jeder ein Gottgeweihter. (Bob lacht herzlich.) Ja, er sieht keine Nicht-gottgeweihten mehr — alles Gottgeweihte. Man nennt ihn einen uttama-adhikārī. Aber während ich predige, wie kann ich dann sagen, daß ich der beste Gottgeweihte bin? Genau wie Rādhārāṇī — Sie sieht niemanden als Nichtgottgeweihten an. Deshalb versuchen wir, uns Rādhārāṇī zu nähern.

Bob: Wer ist das?
Śrīla Prabhupāda: Rādhārāṇī? Kṛṣṇas Gefährtin.
Bob: Aha.
Śrīla Prabhupāda: Wenn sich jemand an Rādhārāṇī wendet, empfiehlt Sie ihn Kṛṣṇa: „Hier ist der beste Gottgeweihte. Er ist besser als Ich.“ Und Kṛṣṇa kann ihn dann nicht zurückweisen. Das ist der beste Gottgeweihte. Aber man darf dies nicht nachahmen „Ich bin der beste Gottgeweihte geworden“.

īśvare tad-adhīneṣu
bāliśeṣu dviṣatsu ca
prema-maitrī-kṛpopekṣā
yaḥ karoti sa madhyamaḥ

[SB. 11.2.46] Ein zweitrangiger Gottgeweihter sieht, daß einige Gott beneiden, aber das ist nicht die Betrachtungsweise des besten Gottgeweihten. Der beste Gottgeweihte sieht: „Niemand beneidet Gott. Jeder ist besser als ich.„ Genau wie der Verfasser des Caitanya-caritāmṛta, Kṛṣṇadāsa Kavirāja. Er sagt: „Ich bin niedriger als der Wurm im Kot.“

Bob: Wer sagt das?
Śrīla Prabhupāda: Kṛṣṇadāsa Kavirāja, der Verfasser des Caitanya-caritāmṛta: purīṣera kīta haite muñi se laghiṣṭha. Er tut nicht nur so. Er empfindet tatsächlich so. „Ich bin der Niedrigste. Jeder ist der Beste, aber ich bin der Niedrigste. Jeder betätigt sich in Kṛṣṇas Dienst. Ich bin nicht beschäftigt.“ Caitanya Mahāprabhu sagte: „Oh, Ich habe nicht einen Funken Hingabe an Kṛṣṇa. Ich weine nur, um Eindruck zu machen. Wenn Ich ein Geweihter Kṛṣṇas wäre, würde Ich schon lange gestorben sein. Aber Ich lebe. Das ist der Beweis dafür, daß Ich Kṛṣṇa nicht liebe.“ Das ist die Sicht des besten Gottgeweihten. Er geht so sehr in Liebe zu Kṛṣṇa auf, daß er sagt: „Alles geht weiter, aber ich bin der Niedrigste. Deshalb kann ich Gott nicht sehen.“ Das ist der beste Gottgeweihte.

Bob: Ein Gottgeweihter muß also auf jedermanns Befreiung hinarbeiten?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Ein Gottgeweihter muß unter der Führung eines echten spirituellen Meisters arbeiten, und nicht den besten Gottgeweihten nachahmen.

Bob: Wie bitte?
Śrīla Prabhupāda: Man sollte nicht den besten Gottgeweihten nachahmen.

Bob: Nachahmen. Ah, ich verstehe.
Śyāmasundara: Einmal sagtest du, daß du manchmal aufgrund  der  sündhaften  Handlungen  deiner Schüler Unwohlsein oder Schmerz empfindest. Kann manchmal Krankheit auf diese Weise entstehen? Kann das die Ursache sein?
Śrīla Prabhupāda: Sieh einmal, Kṛṣṇa sagt:

ahaṁ tvām sarva-pāpebhyo
mokṣayiṣyāmi māśucaḥ

„Ich werde dich vor allen sündhaften Reaktionen beschützen. Fürchte dich nicht.“ (Bg. 18.66)

Kṛṣṇa ist so mächtig, daß Er augenblicklich die Sünden anderer annehmen und aufheben kann. Aber  wenn ein Lebewesen diese Rolle im Auftrag Kṛṣṇas übernimmt, übernimmt es auch die Verantwortung für die sündhaften Handlungen seiner Geweihten. Deshalb ist es nicht so einfach, guru zu werden. Verstehst du? Er muß alles Gift nehmen und absorbieren. So, manchmal — weil er nicht Kṛṣṇa ist — manchmal gibt es Schwierigkeiten. Deshalb hat Caitanya Mahāprabhu verboten: „Nimm nicht viele śiṣyas, viele Schüler an.“ Aber um der Predigtarbeit willen müssen wir viele Schüler annehmen — um das Predigen zu erweitern — selbst wenn wir leiden. Das ist eine Tatsache. Der spirituelle Meister muß für alle sündhaften Handlungen seiner Schüler die Verantwortung übernehmen. Deshalb ist es sehr gefahrvoll, viele Schüler anzunehmen, wenn man nicht imstande, ist, alle Sünden aufzunehmen.

vāñchā-kalpa-tarubhyaś ca
kṛpā-sindhubhya eva ca
patitānāṁ pāvanebhyo
vaiṣṇavebhyo namo namaḥ

[„Ich erweise meine achtungsvollen Ehrerbietungen allen Vaiṣṇava-Geweihten des Herrn. Sie gleichen Wunschbäumen, die die Wünsche eines jeden erfüllen können, und sie sind voller Mitleid mit den gefallenen bedingten Seelen.“]

Er übernimmt die Verantwortung für alle gefallenen Seelen. Diesen Gedanken findet man auch in der Bibel. Jesus Christus nahm alle sündhaften Reaktionen der Menschen auf sich und opferte sein Leben. Das ist die Verantwortung eines spirituellen Meisters. Weil Kṛṣṇa Kṛṣṇa ist, ist Er apāpa-viddha — Er kann nicht von sündhaften Reaktionen angegriffen werden. Aber ein Lebewesen ist manchmal ihrem Einfluß unterworfen, weil es so klein ist. Grosses Feuer, kleines Feuer. Wenn du etwas Grosses in ein kleines Feuer legst, kann es sein, daß das Feuer verlischt, aber in ein großes Feuer kannst du legen, was immer du möchtest. Es macht nichts aus. Das große Feuer kann alles verzehren.

Bob: Die Leiden Christi sind so zu verstehen?
Śrīla Prabhupāda: Hmm?

Bob: Litt Christus —
Śrīla Prabhupāda:
Das habe ich bereits erklärt. Er nahm die sündhaften Reaktionen aller Menschen auf sich, deshalb litt er.

Bob: Ich verstehe.
Śrīla Prabhupāda: Er sagte — das findet man in der Bibel —, daß er alle Sünden der Menschen auf sich nahm und sein Leben opferte. Aber die Christen haben es für Jesus zum Gesetz gemacht, daß er leiden muß, während sie allen möglichen Unsinn tun. (Bob lacht kurz auf.) Solche Narren sind sie: Sie haben Jesus Christus einen Vertrag schließen lassen, daß er alle ihre sündhaften Reaktionen auf sich nimmt, damit sie weiter ihren Unsinn treiben können. Das ist ihre Religion. Christus war so großmütig, daß er alle ihre Sünden nahm und dafür litt, aber das veranlaßt sie nicht, alle ihre Sünden einzustellen. Das ist ihnen noch nicht in den Sinn gekommen. Sie machen es sich sehr leicht: „Laßt Jesus Christus leiden, und wir tun allen möglichen Unsinn.“ Ist es nicht so?

Bob: Ja.
Śrīla Prabhupāda: Sie sollten sich schämen: „Jesus Christus litt für uns, aber wir fahren mit unseren Sünden fort.“ Er sagte zu jedem: „Du sollst nicht töten“. Aber sie töten weiter und denken „Jesus Christus wird uns verzeihen und alle Sünden auf sich nehmen“. So sieht es aus. Wir sollten sehr vorsichtig sein: „Für meine sündhaften Handlungen wird mein spiritueller Meister leiden. Ich werde mir daher vornehmen, nicht einmal die geringfügigste Sünde zu begehen.“ Wenn der spirituelle Meister von einer Krankheit angegriffen wird, so ist dies auf die sündhaften Handlungen anderer zurückzuführen. „Nimm nicht viele Schüler an.“ Aber wir tun es, weil wir predigen. Ganz gleich — mögen wir leiden —, aber wir müssen sie annehmen. Du fragtest mich, ob ich aufgrund meiner vergangenen Missetaten leide? War es nicht so? Das ist meine Missetat — daß ich einige Schüler angenommen habe, die Unsinn machen. Das ist meine Missetat.

Bob: Das geschieht manchmal?
Śrīla Prabhupāda: Ja, es ist sicher, daß dies geschieht, weil wir so viele Leute annehmen. Es ist die Pflicht des Schülers, vorsichtig zu sein: „Mein spiritueller Meister hat mich gerettet. Ich sollte ihn nicht in Leiden stürzen.“ Wenn der spirituelle Meister leidet, rettet Kṛṣṇa ihn. Kṛṣṇa denkt: „Oh, er hat so viel Verantwortung auf sich genommen, um eine gefallene Seele zu retten.“ Kṛṣṇa ist also da.

kaunteya pratijānīhi
na me bhaktaḥ praṇaśyati

[„O Sohn Kuntīs, verkünde kühn, daß Mein Geweihter niemals vergeht.“ (Bg. 9.31)] Weil der spirituelle Meister das Risiko für Kṛṣṇa auf sich nimmt.

Bob: Dein Leiden ist  nicht die gleiche  Art  von Schmerz . . .
Śrīla Prabhupāda: Nein, es ist nicht auf karma zurückzuführen. Der Schmerz mag manchmal da sein, so daß die Schüler wissen: „Aufgrund unserer sündhaften Handlungen leidet unser spiritueller Meister.“

Bob: Du siehst jetzt sehr gesund aus.
Śrīla Prabhupāda: Mir geht es immer gut... in dem Sinne, daß ich selbst dann, wenn ich leide, weiß, daß Kṛṣṇa mich beschützen wird. Aber dieses Leiden ist nicht auf meine sündhaften Handlungen zurückzuführen.

Bob: Aber nehmen wir einmal an, wenn ich — in der Stadt, in der ich lebe, nehme ich abgekochtes Wasser, weil manchmal das Wasser Krankheitserreger in sich birgt. Warum sollte ich aber zum Beispiel abgekochtes Wasser trinken, wenn ich ein solch guter Mensch bin, daß ich keine Krankheit bekomme? Dann kann ich irgendwelches Wasser trinken. Und wenn ich nicht richtig gehandelt habe, dann werde ich ohnehin krank werden.
Śrīla Prabhupāda: Solange du in der materiellen Welt bist, kannst du die physikalischen Gesetze nicht mißachten. Angenommen du gehst in den Urwald, und da ist ein Tiger. Es ist bekannt, daß er dich angreifen wird, warum solltest du also freiwillig dort hingehen und dich angreifen lassen? Es ist nicht so, daß ein Gottgeweihter physische Risiken eingehen  soll, solange er einen physischen Körper hat. Wir fordern die physikalischen Gesetze nicht heraus: „Ich bin ein Gottgeweihter geworden, ich fordere alles heraus.“ Das ist Torheit.

anāsaktasya viṣayān
yathārham upayuñjataḥ
nirbandhaḥ kṛṣṇa-sambandhe
yuktaṁ vairāgyam ucyate

Dem Gottgeweihten wird geraten, die Lebensnotwendigkeiten ohne Anhaftung anzunehmen. Er wird abgekochtes Wasser nehmen, wenn welches da ist, aber wenn kein abgekochtes Wasser erhältlich ist, bedeutet das dann, daß er kein Wasser trinkt? Wenn es nicht erhältlich ist, wird er gewöhnliches Wasser trinken. Wir essen zum Beispiel nur Kṛṣṇa-prasāda, aber auf Reisen müssen wir manchmal in einem Hotel essen. Weil jemand ein Gottgeweihter ist, soll er da denken „Ich werde keinerlei Speisen von dem Hotel annehmen. Ich werde hungern“? Wenn ich hungere, werde ich schwach und werde nicht imstande sein zu predigen.

Bob:
Verliert ein Gottgeweihter etwas von seiner Individualität, wenn er —
Śrīla Prabhupāda:
Nein. Er hat seine volle Individualität, um Kṛṣṇa zu erfreuen. Kṛṣṇa sagt: „Ergib dich Mir.“ So, er ergibt sich freiwillig. Es ist nicht so, daß er seine Individualität verloren hat. Er behält seine Individualität. Genau wie Arjuna — am Anfang war er aufgrund seiner Individualität dem Kampf abgeneigt. Aber als er Kṛṣṇa als seinen spirituellen Meister annahm, wurde er ein śiṣya (ein Schüler). Er war mit allem was Kṛṣṇa dann sagte einverstanden. Das bedeutet aber nicht, daß er seine Individualität verlor. Er erklärte sich freiwillig bereit: „Was immer Kṛṣṇa sagt, werde ich tun.“ Genau wie alle meine Schüler — sie haben nicht ihre Individualität verloren, sondern sie haben ihre Individualität übergeben. Das ist notwendig. Nehmen wir zum Beispiel an, ein Mann gebraucht nicht seine Sexualkraft. Das bedeutet aber nicht, daß er impotent geworden ist. Wenn er möchte, kann er tausendmal Geschlechtsverkehr haben. Aber er hat freiwillig davon Abstand genommen. Paraṁ dṛṣṭvā nivartate: Er hat einen höheren Geschmack. Manchmal fasten wir, aber das bedeutet nicht, daß wir krank sind. Wir fasten freiwillig. Das heißt nicht, daß ich nicht hungrig bin oder nicht essen kann. Wir fasten freiwillig.

Bob: Behält der Gottgeweihte, der sich ergibt, seinen individuellen Geschmack?
Śrīla Prabhupāda: Ja, in jeder Hinsicht.

Bob: Geschmack für verschiedene Dinge?
Śrīla Prabhupāda: Hm?

Bob: Behält er seine individuellen Neigungen und Abneigungen?
Śrīla Prabhupāda: Ja, er behält alles. Aber er gibt Kṛṣṇa den Vorzug. Angenommen ich mag eine Sache, aber Kṛṣṇa sagt: „Nein, du kannst sie nicht gebrauchen.“ Dann werde ich sie nicht gebrauchen. Um Kṛṣṇas willen.

nirbandhaḥ kṛṣṇa-sambandhe
yuktaṁ vairāgyam ucyate

Kṛṣṇa sagt unmißverständlich: „Ich mag diese Dinge.“

Wir müssen also Kṛṣṇa das opfern, was Er möchte, und dann werden wir prasāda zu uns nehmen. Kṛṣṇa mag Rādhārāṇī. Deshalb versuchen alle gopīs, Rādhārāṇī zu Kṛṣṇa hinzuschieben. „Kṛṣṇa mag diese gopī. In Ordnung, schieb Sie.“ Das ist KṛṣṇaBewußtsein. Kṛṣṇas Sinne zu befriedigen, nicht meine Sinne zu befriedigen. Das ist bhakti. Das nennt man prema oder Liebe zu Kṛṣṇa. „Oh, Kṛṣṇa mag dies. Ich muß es Ihm geben.“

Bob: Wie verhält es sich nun mit prasāda (Kṛṣṇa geopferte Nahrung)? Es ist geopfert, und wir gehen hin und essen, und verschiedene Arten von prasāda werden serviert. Manche mag ich, und manche entsprechen überhaupt nicht meinem Geschmack.
Śrīla Prabhupāda: Das solltest du nicht tun. Die Vollkommenheit besteht darin, daß du alles annimmst, was Kṛṣṇa geopfert ist. Das ist die Vollkommenheit. Du kannst nicht sagen „Das mag ich, und das mag ich nicht“. Solange du solche Unterscheidungen machst, bedeutet dies, daß du noch nicht begriffen hast, was prasāda ist.

Ein Gottgeweihter: Was ist aber, wenn jemand davon spricht, daß er dieses bevorzugt und jenes ablehnt? Angenommen jemand bereitet prasāda zu...
Śrīla Prabhupāda: Kein Bevorzugen und kein Ablehnen. Was immer Kṛṣṇa mag, das ist in Ordnung.

Ein Gottgeweihter: Ja, aber angenommen jemand bereitet etwas zu, wie zum Beispiel prasāda für Kṛṣṇa aber er macht es nicht so gut, und es ist —
Śrīla Prabhupāda: Nein, wenn es aufrichtig und mit Hingabe gemacht ist, dann wird Kṛṣṇa es mögen. Genau wie Vidu. Vidu bot Kṛṣṇa Bananen an, war aber so in Gedanken versunken, daß er die eigentlichen Bananen fortwarf und Kṛṣṇa die Schale gab, und Kṛṣṇa aß sie. (Alle lachen) Kṛṣṇa wußte, daß Vidu Ihm die Schalen gab, und Kṛṣṇa kann alles essen, vorausgesetzt, daß Hingabe da ist. Es macht nichts, ob es nach materiellen Gesichtspunkten schmackhaft ist oder nicht. In ähnlicher Weise nimmt auch ein Gottgeweihter Kṛṣṇa-prasāda an, ganz gleich ob es nach materiellen Gesichtspunkten schmackhaft ist oder nicht. Wir sollten alles annehmen.

Ein Gottgeweihter: Aber wenn keine Hingabe da ist, wie zum Beispiel in Indien...
Śrīla Prabhupāda: Wenn Hingabe nicht da ist, dann mag Kṛṣṇa keinerlei Speisen, ob sie gut schmecken oder nicht. Er nimmt sie nicht an.

Ein Gottgeweihter: In Indien . . . Jemand —
Śrīla Prabhupāda:
Ach Indien, Indien. Rede nicht von Indien! Rede von Philosophie. Wenn keine Hingabe da ist, dann nimmt Kṛṣṇa nichts an, ob es in Indien ist oder in deinem Heimatland, Śrī Kṛṣṇa ist nicht verpflichtet, etwas Kostbares anzunehmen, weil es sehr wohlschmeckend ist. Kṛṣṇa hat in Vaikuṇṭha sehr viele wohlschmeckende Speisen. Er begehrt nicht nach deiner Nahrung. Er nimmt deine Hingabe, bhakti. Das Eigentliche ist Hingabe, nicht die Nahrung. Kṛṣṇa nimmt keinerlei Nahrung aus der materiellen Welt an. Er nimmt nur die Hingabe.

patraṁ puṣpaṁ phalaṁ toyaṁ
yo me bhaktyā prayacchati
tad ahaṁ bhakty-upahṛtam
aśnāmi prayatātmanaḥ

[„Wenn jemand Mir mit Liebe und Hingabe ein Blatt, eine Blume, eine Frucht oder etwas Wasser opfert, werde Ich es annehmen.“ (Bg. 9.26)]
„Weil es Mir mit Liebe und Hingabe geopfert wurde“ — das ist erforderlich. Deshalb erlauben wir niemandem zu kochen, der nicht ein Gottgeweihter ist. Kṛṣṇa nimmt aus den Händen eines Nichtgottgeweihten nichts an. Warum sollte Er es annehmen? Er ist nicht hungrig. Er braucht keine Nahrung. Er nimmt nur die Hingabe an, das ist alles. Das ist der Hauptpunkt. Man muß daher ein Gottgeweihter werden. Nicht ein guter Koch. Aber wenn man ein Gottgeweihter ist, dann wird man auch ein guter Koch sein. Von selbst wird man ein guter Koch werden. Deshalb muß man im Grunde nur ein Gottgeweihter werden. Dann werden alle anderen guten Eigenschaften von selbst da sein. Und wenn man ein Nichtgottgeweihter ist, dann hat jede gute Eigenschaft keinerlei Wert. Man befindet sich auf der Ebene des Geistes, und man hat daher keine gute Qualifikation. (Die Unterhaltung ist von einer langen Pause unterbrochen.)

Śrīla Prabhupāda:
Wie spät ist es?
Śyāmasundara: Sechs Uhr.
Śrīla Prabhupāda: Fragen und Antworten sind notwendig, Sie nutzen allen.

Bob: Ich habe immer noch eine Frage in bezug auf prasāda.
Śrīla Prabhupāda: Sūta Gosvāmī sagt:

munayaḥ sādhu pṛṣṭo 'haṁ
bhavadbhir loka-maṅgalam
yat kṛtaḥ kṛṣṇa-sampraśno
yenātmā suprasīdati

[„O ihr Weisen, ich bin von euch in rechter Weise befragt worden. Eure Fragen sind es wert, gestellt zu werden, weil sie sich auf Śrī Kṛṣṇa beziehen und daher für das Wohl der ganzen Welt von Bedeutung sind. Nur Fragen dieser Art sind geeignet, das Selbst völlig zufriedenzustellen.“ (SB. 1.2.5)]

Kṛṣṇa-sampraśnaḥ, das ist sehr gut. Wenn ihr diskutiert und hört, das ist loka-maṅgalam, für jeden glückbringend. Sowohl die Fragen als auch die Antworten.

Bob: Ich verstehe immer noch nicht so viel von prasāda. Aber wenn du möchtest, werde ich darüber nachdenken, und morgen weiter fragen.
Śrīla Prabhupāda: Prasāda ist immer prasāda. Aber weil wir nicht genügend fortgeschritten sind, mögen wir manches prasāda nicht.

Bob: Ich fand vor allem, daß — was ich meine — daß manches zu stark gewürzt ist und meinem Magen schadet.
Śrīla Prabhupāda: Nun... auch das ist darauf zurückzuführen, daß wir prasāda nicht zu würdigen wissen, aber der Koch sollte auch Rücksicht nehmen. Kṛṣṇa müssen erstklassige Speisen geopfert werden. So, wenn der Koch letztklassige Speisen opfert, dann erfüllt er nicht seine Pflicht. Aber Kṛṣṇa kann alles annehmen, wenn es von einem Gottgeweihten geopfert wird, und ein Gottgeweihter kann jede Art von prasāda annehmen, selbst wenn es sehr stark gewürzt ist. Hiraṇyakaśipu gab seinem Sohn Gift (und der Sohn opferte es Kṛṣṇa), und der Sohn trank es als Nektar. So, selbst wenn prasāda für den Geschmack anderer sehr stark gewürzt ist, ist es für den Gottgeweihten sehr wohlschmeckend. Was ist die Frage von gewürzt? Ihm wurde Gift, richtiges Gift gegeben. Und Pūtanā Rākṣasī — auch sie bot Kṛṣṇa Gift an. Aber Kṛṣṇa ist so wunderbar, daß Er dachte „Sie behandelte Mich wie Meine Mutter“, und so nahm Er das Gift und befreite sie. Kṛṣṇa nimmt nicht die schlechte Seite. Ein guter Mensch nimmt nicht die schlechte Seite — er nimmt immer nur die gute Seite. Genauso wie einer meiner großen Gottbrüder — er wollte mit meinem Guru Mahārāja (spiritueller Meister) ein Geschäft machen, aber mein Guru Mahārāja nahm nicht die schlechte Seite. Er nahm die gute Seite. Er dachte: „Er ist gekommen, um mir Dienst zu leisten.“

Bob: Geschäft mit deinem — wie war das? Geschäft mit wem?
Śrīla Prabhupāda: Ich sprach von meinem Guru Mahārāja.

Bob: Ah, ich verstehe. Ich habe eine andere Frage in bezug auf prasāda, wenn ich sie stellen darf. Sagen wir, ein Gottgeweihter hat Schwierigkeiten und ißt deshalb eine bestimmte Art von Nahrung nicht — wie zum Beispiel manche Gottgeweihte kein ghee essen, weil sie Probleme mit der Leber haben. So, diese Gottgeweihten, sollten sie alles prasāda annehmen?
Śrīla Prabhupāda: Nein, nein. Diejenigen, die nicht vollkommene Gottgeweihte sind, mögen unterscheiden. Aber ein vollkommener Gottgeweihter unterscheidet nicht. Warum solltest du einen vollkommenen Gottgeweihten nachahmen? Solange du unterscheidest, bist du kein vollkommener Gottgeweihter. Warum solltest du also künstlich einen vollkommenen Gottgeweihten nachahmen und alles essen?

Bob: Oh.
Śrīla Prabhupāda: Der Punkt ist, daß ein vollkommener Gottgeweihter keinerlei Unterscheidung trifft. Was immer Kṛṣṇa geopfert wurde, ist Nektar. Das ist alles. Kṛṣṇa nimmt von einem Gottgeweihten alles an: „Was immer Mir von Meinem Geweihten geopfert wird.“ Das nimmt Er an. Das gleiche gilt für einen Gottgeweihten. Verstehst du nicht den Punkt? Ein vollkommener Gottgeweihter trifft keinerlei Unterscheidung. Aber wenn ich kein vollkommener Gottgeweihter bin und unterscheide, warum soll ich dann den vollkommenen Gottgeweihten nachahmen? Es mag mir nicht möglich sein, alles zu verdauen, weil ich kein vollkommener Gottgeweihter bin. Ein Gottgeweihter soll kein Narr sein. Es heißt:

kṛṣṇa ye bhaje se baḍa catura

Ein Gottgeweihter kennt seine Stellung, und er ist intelligent genug, sich anderen gegenüber dementsprechend zu verhalten.


KAPITEL SIEBEN

Handeln im Wissen um Kṛṣṇa
29. Februar 1972 (abends, Fortsetzung)

Ein indischer Besucher: Durch welche Art von Handlungen bekommt man gutes karma?
Śrīla Prabhupāda: Gutes karma bedeutet „das was in den Veden vorgeschrieben ist“. Insbesondere ist vorgeschrieben, daß man yajña ausführen soll. Yajña bedeutet „Handlungen zur Zufriedenstellung Viṣṇus, der Höchsten Persönlichkeit Gottes“. Gutes karma bedeutet also die Durchführung von yajñas, wie sie in den vedischen Schriften vorgeschrieben sind. Und der Zweck dieser yajñas besteht darin, den Höchsten Herrn zu erfreuen. Ein guter, gesetzestreuer Bürger ist jemand, dessen Handlungen die Regierung zufriedenstellen. So, gutes karma bedeutet, Viṣṇu, den Höchsten Herrn, zufriedenzustellen. Unglückseligerweise weiß die moderne Zivilisation nicht, was die Höchste Persönlichkeit Gottes ist, geschweige denn, was es bedeutet, den Herrn zufriedenzustellen. Die Menschen wissen dies nicht. Sie sind nur ständig von materiellen Tätigkeiten in Anspruch genommen. Deshalb führen sie alle nur schlechtes karma aus und leiden daher. Sie sind Blinde, die andere Blinde führen. Und beide leiden dann unter schlechtem karma. Das ist sehr leicht zu verstehen. Wenn Sie zum Beispiel ein Verbrechen begehen, werden Sie leiden müssen. Wenn Sie aber für den Staat oder für die Menschen etwas Gutes tun, wird man Sie anerkennen. Manchmal wird Ihnen sogar ein Ehrentitel verliehen. Das ist gutes und schlechtes karma. So, gutes karma bedeutet, daß Sie sich an materiellem Glück erfreuen können, und schlechtes karma bedeutet, daß Sie an materiellem Elend leiden müssen. Durch gutes karma bekommen Sie eine gute Geburt in einer angesehenen Familie; Sie bekommen Reichtümer, viel Geld. Oder Sie werden ein großer Gelehrter oder bekommen einen schönen Körper.
(Einige Zeit vergeht)

Bob: Was ist mit jemand, der — der sich nicht Gottes bewußt ist, aber...
Śrīla Prabhupāda: Dann ist er ein Tier. Das Tier weiß nicht, was gut ist. Jemand, der nicht weiß, was Gott ist, oder jemand, der nicht versucht zu verstehen, was Gott ist — er ist ein Tier. Die Tiere haben gewöhnlich vier Beine, und dieses Tier hat zwei Beine. Und Darwins Theorie lautet, daß sie Affen sind. So, jeder, der nicht Gott kennt oder nicht versucht, Gott zu verstehen, ist nichts weiter als ein Tier.

Bob: Aber was ist mit den unschuldigen Menschen?
Śrīla Prabhupāda: Das Tier ist sehr unschuldig. Wenn du seine Kehle durchschneidest, protestiert es nicht. Unschuld ist also keine besonders gute Qualifikation. Die Tiere sind alle unschuldig. Deshalb bekommst du die Gelegenheit, ihnen den Hals durchzuschneiden. Unschuldig zu werden, ist also keine sehr gute Qualifikation. Unser Vorschlag lautet, daß man sehr, sehr intelligent werden muß. Dann kann man Kṛṣṇa verstehen. Ein unschuldiger, unwissender Einfaltspinsel zu werden, ist keine gute Qualifikation. Einfachheit ist nicht schlecht, aber man  sollte nicht unintelligent sein.

Bob: Kannst du mir noch einmal erklären, was Intelligenz ist?
Śrīla Prabhupāda: Intelligenz bedeutet... jemand, der weiß, was er ist und was die Welt ist, was Gott ist, wie diese Dinge zueinander in Beziehung stehen — er ist intelligent. Das Tier weiß nicht was es ist. Es denkt, es sei der Körper. In ähnlicher Weise ist jeder, der nicht weiß, was er ist, nicht intelligent.

Bob: Aber was ist mit jemand, der versucht, richtig zu handeln, und der sehr gewissenhaft ist, statt sich der Dinge, die er tut, nicht bewußt zu sein? Wie der Diener, der seinem Herrn gegenüber sehr ehrlich ist, obwohl er weiß, daß er nicht unbedingt erwischt werden würde, wenn er nicht ehrlich wäre. Wenn er trotzdem ehrlich bleibt... jemand, der so ist? Ist das eine Art von gutem karma?
Śrīla Prabhupāda: Ja, ehrlich zu werden, ist auch gutes karma. Wie man ein guter Mensch wird, beschreibt die Bhagavad-gītā sehr ausführlich.

daivī sampad vimokṣāya
nibhandh
āyāsurī matā

Wenn du also mit den daivī sampad (transzendendentalen Eigenschaften) qualifiziert wirst, dann vimokṣāya — wirst du befreit werden. Und nibhandhāyāsurī — wenn du mit den dämonischen Eigenschaften qualifiziert bist, wirst du mehr und mehr verstrickt werden. Unglücklicherweise weiß die moderne Zivilisation nicht, was Befreiung und was Verstrickung ist. Die Menschen sind so unwissend; sie wissen es nicht.

Wenn ich dich zum Beispiel frage, was mit Befreiung gemeint ist, kannst du dann antworten? (Keine Antwort) Und wenn ich dich frage, was mit Verstrickung gemeint ist, kannst du dann antworten? (Wieder keine Antwort) Diese Worte findet man in der vedischen Literatur — Befreiung und Verstrickung —, aber in der heutigen Zeit wissen die Menschen nicht einmal, was Befreiung und was Verstrickung ist. Sie sind so unwissend und töricht und sind dennoch stolz auf ihren Fortschritt im Wissen. Kannst du beantworten, was Befreiung ist? Du bist ein Professor, ein Lehrer, aber wenn ich dich frage, kannst du dann erklären, was Befreiung ist?

Bob: Nicht angemessen, denn wenn ich es erklären könnte, würde ich wohl sehr bald befreit werden.
Śrīla Prabhupāda: Wenn du aber nicht weißt, was Befreiung ist, wie willst du dann wissen, was schnelle und langsame Befreiung ist? (Jeder lacht) Von Befreiung kann dann keine Rede sein. Weder schnelle noch langsame. Du solltest zunächst wissen, was Befreiung ist. Wenn du nicht weißt, wohin der Zug fährt, was ist dann der Nutzen zu fragen oder zu verstehen, ob er schnell oder langsam fährt? Du kennst nicht einmal den Bestimmungsort. Was ist Befreiung?

Bob: Hmm...
Śrīla Prabhupāda: Ich frage dich. Du fragst mich täglich. Jetzt frage ich dich.

Bob: (lacht) Hm — gut... Ich denke einen Augenblick nach.
Śrīla Prabhupāda: Befreiung wird im Śrīmad- Bhāgavatam beschrieben. Das genaue Sanskritwort für Befreiung lautet mukti. So, im Śrīimad-Bhāgavatam findet man folgende Definition:

muktir hitvānyathā rūpaṁ
svarūpeṇa vyavasthitiḥ

Man sollte aufhören, allen möglichen Unsinn zu tun, und man muß sich in seiner ursprünglichen Stellung befinden. Aber auch das ist sehr peinlich, denn niemand kennt seine ursprüngliche Stellung und weiß nicht, wie man richtig handelt. Weil die Menschen im allgemeinen anders handeln, weil sie nicht wissen, was richtig ist — die moderne Bevölkerung ist so unwissend über ihr Leben —, ist es eine sehr schreckliche Lage. Sie wissen es nicht.

Bob:
Kannst du mir sagen, wer ehrlich ist?
Śrīla Prabhupāda: Wenn man nicht weiß, was Ehrlichkeit ist, wie kann man dann ehrlich sein? Aber wenn du weißt, was Ehrlichkeit ist, dann kannst du ehrlich sein. Was ist also Ehrlichkeit? Erkläre das zuerst einmal.

Bob: Aaah, hmmm — Ehrlichkeit bedeutet, das zu tun, was man als wirklich richtig empfindet.
Śrīla Prabhupāda: Ein Dieb fühlt „Ich muß stehlen, um für meine Kinder zu sorgen. Das ist richtig“. Bedeutet dies aber, daß er ehrlich ist? Jeder denkt so — der Schlachter denkt „Das ist mein Leben. Ich muß täglich den Tieren die Kehle durchschneiden“. Genau wie dieser — welcher Jäger war das? Dem Nārada Muni begegnete?
Śyāmasundara: Mṛgāri.
Śrīla Prabhupāda: Ja, Mṛgāri. Nārada fragte ihn: „Warum tötest du auf diese Weise?“ Und er sagte: „Oh, das ist meine Tätigkeit. Mein Vater lehrte mich dies.“ So, er handelte aus ehrlicher Überzeugung. Ein Gefühl für Ehrlichkeit ist also von der Kultur abhängig. Die Kultur eines Diebes ist anders. Er denkt, Stehlen sei ehrlich.

Bob: Was ist nun Ehrlichkeit?
Śrīla Prabhupāda: Ja, das ist meine Frage. (Jeder lacht) Wirkliche Ehrlichkeit bedeutet, daß du dich nicht am Besitz eines anderen vergreifst. Das ist Ehrlichkeit. Zum Beispiel ist das hier mein Tisch. Wenn du diesen Tisch mit dir nehmen möchtest wenn du gehst, ist das Ehrlichkeit? Deshalb lautet die einfache Definition von Ehrlichkeit, daß man nicht in die Rechte anderer eingreift. Das ist Ehrlichkeit.

Bob: So, jemand der ehrlich ist, wäre also in der Erscheinungsweise der Tugend? Ist das richtig?
Śrīla Prabhupāda: Ja, durchaus. Weil die Erscheinungsweise der Tugend Wissen bedeutet. Wenn du also weißt „Dieser Tisch gehört nicht mir, sondern Svāmījī“, wirst du nicht versuchen, ihn mitzunehmen. Deshalb muß man Wissen haben. Sei in jeder Hinsicht bewandert. Dann kann man ehrlich sein.

Bob: Du sagtest, die Erscheinungsweise der Tugend bedeute, Wissen von Gott zu haben, aber jemand mag ehrlich sein, ohne sehr viel Wissen von Gott zu haben.
Śrīla Prabhupāda: Hmm?

Bob: Ohne — ohne ehrlich zu sein — ohne zu denken, daß er ehrlich ist, weil es Gottes Wunsch ist — er fühlt einfach, daß er ehrlich sein sollte.

Śrīla Prabhupāda: Hmm. Gott möchte, daß jeder ehrlich ist. Warum sollte Gott anders denken?

Bob: So... so, jemand mag also Gottes Wünschen folgen, ohne zu wissen, daß er Gottes Wünschen folgt? Wie jemand in der Erscheinungsweise...
Śrīla Prabhupāda: Nein, zu folgen ohne zu wissen — das ist absurd. Du mußt die Anweisung Gottes kennen. Und wenn du dieser folgst, dann ist das Ehrlichkeit.
Bob: Jemand kann also nicht ehrlich sein, ohne Gott zu kennen?
Śrīla Prabhupāda: Ja, weil Gott der höchste Besitzer, der höchste Genießer und der höchste Freund ist. So lautet die Aussage der Bhagavad-gītā (5.29). Wenn jemand diese drei Dinge kennt, hat er vollkommenes Wissen. Nur diese drei Dinge: daß Gott der Besitzer aller Dinge ist, daß Gott der Freund eines jeden ist und daß Gott der Genießer aller Dinge ist. Zum Beispiel weiß jeder, daß im Körper der Magen der Genießer ist. Nicht die Hände, die Beine, die Augen oder die Ohren. Diese sind nur dafür da, dem Magen zu helfen. Die Augen: Der Geier steigt bis zu zehn Kilometer in die Luft, um zu sehen wo es Nahrung für den Magen gibt. Ist es nicht so?

Bob: Ja, das ist richtig.
Śrīla Prabhupāda: Dann fliegen die Flügel dort hin, und der Schnabel packt die Nahrung. In ähnlicher Weise wie in diesem Körper der Magen der Genießer ist, ist die Zentralfigur der gesamten kosmischen Manifestation, der materiellen oder der spirituellen, Kṛṣṇa oder Gott. Er ist der Genießer. Wir können dies verstehen, indem wir einfach über unseren eigenen Körper nachdenken. Der Körper ist ebenfalls eine Schöpfung. Der Körper hat die gleiche mechanische Natur, die man im gesamten Universum findet. Die gleiche mechanische Anordnung wirst du überall finden, wo du hingehst, selbst in den Tieren. Im menschlichen Körper oder in der kosmischen Manifestation — es ist fast der gleiche Mechanismus. So, du kannst also sehr leicht verstehen, daß in diesem Körper — meinem Körper und auch deinem Körper — der Magen der Genießer ist. Es gibt einen zentralen Genießer. Und der Magen ist auch der Freund. Denn wenn du keine Nahrung verdauen kannst, werden alle anderen Körperglieder schwach. Deshalb ist der Magen der Freund. Er verdaut und verteilt die Energie an alle Glieder des Körpers. Ist es nicht so?

Bob: Ja, das ist richtig.
Śrīla Prabhupāda: In ähnlicher Weise ist der zentrale Magen der gesamten Schöpfung Gott oder Kṛṣṇa. Er ist der Genießer , Er ist der Freund, und als der höchste Besitzer erhält Er jedes Lebewesen. Ebenso wie ein König die Bürger des ganzen Landes erhalten kann, weil er der Besitzer ist. Ohne der Besitzer zu sein, wie kann man da der Freund eines jeden werden? So, diese Dinge muß man verstehen. Kṛṣṇa ist der Genießer, Kṛṣṇa ist der Besitzer, Kṛṣṇa ist der Freund. Wenn du diese drei Dinge weißt, dann ist dein Wissen vollständig; du brauchst nichts weiter zu verstehen.

yasmin vijñāte sarvam evaṁ vijñātaṁ bhavati

Wenn du einfach nur Kṛṣṇa durch diese drei Formeln verstehst, dann ist dein Wissen vollständig. Du benötigst kein anderes Wissen mehr. Aber die Menschen werden nicht einverstanden sein. „Warum soll Kṛṣṇa der Besitzer sein? Hitler soll der Besitzer sein. Nixon...“ Das sehen wir überall. Deshalb gibt es Schwierigkeiten. Aber wenn du nur diese drei Dinge verstehst, ist dein Wissen vollkommen. Aber du willst es nicht annehmen — du wirst so viele Dinge vorbringen, die dich daran hindern, diese drei Dinge zu verstehen, und das ist die Ursache unserer Schwierigkeit. Aber in der Bhagavad-gītā (5.29) heißt es sehr einfach:

bhoktāraṁ yajña-tapasāṁ
sarva-loka-maheśvaraṁ
suhṛdaṁ sarva-bhūtānāṁ
jñātvā māṁ śāntim ṛcchati

[„Die Weisen, die Mich als das endgültige Ziel aller Opfer und Enthaltsamkeiten kennen, als den Höchsten Herrn aller Planeten und Halbgötter und den Wohltäter und wohlmeinenden Freund aller Lebewesen, erreichen Frieden von den Qualen der materiellen Leiden.“]

Aber wir wollen es nicht annehmen. Wir werden so viele falsche Besitzer, falsche Freunde, falsche Genießer  hervorbringen, und sie werden miteinander kämpfen. Das ist die Lage der Welt. Wenn Erziehung gegeben wird und die Menschen dieses Wissen annehmen, gibt es augenblicklich Frieden (śāntim ṛcchati). Das ist Wissen, und wenn sich jemand an diesen Grundsatz hält, dann ist er ehrlich. Er behauptet nicht „Das gehört mir“. Er weiß: „Oh, alles gehört Kṛṣṇa, und daher sollte alles für Kṛṣṇas Dienst verwendet werden.“ Das ist Ehrlichkeit. Wenn dieser Stift mir gehört, dann gehört es sich, daß — meine Schüler fragen manchmal „Darf ich diesen Stift benutzen?“ „Ja, du darfst“. In ähnlicher Weise werde ich nichts ohne Kṛṣṇas Erlaubnis benutzen, wenn ich weiß, daß alles Kṛṣṇa gehört. Das ist Ehrlichkeit. Und das ist Wissen. Und wenn jemand dies nicht weiß, ist er unwissend; er ist töricht. Und ein törichter Mensch neigt zum Verbrechen. Alle Verbrecher sind töricht. Aus Unwissenheit bricht man das Gesetz. Unwissenheit ist also nicht Glückseligkeit, aber es ist töricht, weise zu sein, wo Unwissenheit für Glückseligkeit gehalten wird. Das ist die Schwierigkeit. Die ganze Welt genießt Unwissenheit. Und wenn man über Kṛṣṇa-Bewußtsein  spricht, wird dies nicht sehr geschätzt. Wenn ich sage „Kṛṣṇa ist der Besitzer, du bist nicht der Besitzer“, dann wirst du nicht sehr zufrieden sein. (Sie lachen) Sieh nur — Unwissenheit ist Glückseligkeit. So, es ist meine Torheit, wenn ich die Wahrheit sage. Deshalb ist es töricht, weise zu sein, wo Unwissenheit Glückseligkeit ist. Wir nehmen das Risiko auf uns, die Menschen zu beleidigen, und sie denken, wir seien Toren. Wenn ich zu einem reichen Mann sage „Sie sind nicht der Besitzer, Kṛṣṇa ist der Besitzer, so geben Sie also, was immer Sie an Geld haben, für Kṛṣṇa“, wird er zornig werden.

upadeśo hi mūrkhāṇāṁ
prakopāya na śāntaye

„Wenn du einen Halunken unterweist, wird er zornig werden.“ Deshalb gehen wir als Bettler: „Mein lieber  Herr, Sie sind ein sehr netter Mensch. Ich bin ein sannyā-Bettler, ich möchte einen Tempel bauen. Können Sie etwas Geld erübrigen?“ Und er wird denken: „Oh, hier ist ein Bettler. Laß mich ihm etwas Geld geben.“ (Sie lachen) Aber wenn ich sage: „Mein lieber Herr, Sie haben Millionen von Dollar zur Verfügung, und das ist Kṛṣṇas Geld. Geben Sie es mir. Ich bin Kṛṣṇas Diener.“ Oh, er wird... (Jeder lacht) Er wird nicht sehr erfreut sein. Aber wenn ich als Bettler gehe, wird er mir etwas geben. Und wenn ich ihm die Wahrheit sage, wird er mir keinen Heller geben. (Sie lachen) Wir überzeugen sie als Bettler. Wir sind keine Bettler. Wir sind Kṛṣṇas Diener. Wir wollen nichts von irgend jemandem. Weil wir Kṛṣṇa kennen, wird Er für alles sorgen.

Bob: Oh-h...
Śrīla Prabhupāda: Das ist Wissen. Zum Beispiel nimmt ein Kind manchmal etwas Wertvolles an sich, und wir müssen ihm dann schmeicheln: „Oh, du bist so nett, bitte nimm diese Bonbons, und gib mir dieses Papier. Es ist nichts, es ist nur Papier.“ Und das Kind wird sagen: „O ja, hier hast du es. Das ist schön.“ Bonbons für ein paar Pfennig — sehr schön und süß. Wir müssen so handeln. Warum? Weil ein Mensch zur Hölle gehen wird, wenn er Kṛṣṇas Geld nimmt. Auf irgendeine Weise müssen wir ihn also dazu bewegen, etwas von seinem Geld zu geben, damit wir ihn so in der Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein beschäftigen können.

Bob: Und dann wird er nicht zur Hölle gehen?
Śrīla Prabhupāda: Nein. Du rettest ihn davor, zur Hölle zu gehen. Denn auch nur ein Heller für Kṛṣṇa ausgegeben wird gezählt: „Oh, dieser Mann hat einen Heller gegeben.“ Das nennt man ajñāta-sukṛti (spirituelle Tätigkeit, die man unbewußt ausführt). Die Menschen können nicht sehr weit denken. Deshalb reisen die Heiligen überallhin, um sie ein wenig zu erleuchten. Um ihnen eine Möglichkeit zu geben. Sie geben ihnen die Möglichkeit, Kṛṣṇa zu dienen. Das ist die Pflicht eines Heiligen.

Bob: Das ist was?
Śrīla Prabhupāda: Das ist seine Pflicht. Wenn er aber das Geld anderer nimmt, um es für seine Sinnenbefriedigung zu benutzen, geht er zur Hölle. Dann ist es aus mit ihm. Dann ist er ein Betrüger, ja im Grunde ist er ein Verbrecher. Du kannst kein Geld nehmen, nicht einmal einen Pfennig, von irgend jemandem, und es für deine eigene Sinnenbefriedigung benutzen.

Bob: Ich denke an Menschen, die ich kenne, die nicht Kṛṣṇa-bewußt sind.
Śrīla Prabhupāda: Kṛṣṇa bedeutet Gott.

Bob: Sie sind  nur  ein  wenig  gottesbewußt,  aber immerhin sind diese Menschen so ehrlich, daß sie anderen nichts fortnehmen. Und sie versuchen, mit anderen ehrlich umzugehen. Werden diese —
Śrīla Prabhupāda: Sie nehmen nicht anderen Menschen etwas fort, aber sie nehmen von Gott.

Bob: So, diese Menschen sind halbgut?
Śrīla Prabhupāda: Hmm?

Bob: Diese Menschen sind also halbgut?
Śrīla Prabhupāda: Nein, überhaupt nicht gut. Wenn sie nicht dieses Prinzip lernen — daß Gott der Besitzer ist... Dinge anderer? Was meinst du mit „Dingen anderer“?

Bob: Zum Beispiel denke ich an Menschen, die sehr arm sind und die Geld und Nahrung brauchen, aber —
Śrīla Prabhupāda: Jeder braucht Geld. Jeder braucht es. Wer ist nicht arm? Es sitzen hier so viele Gäste. Wer braucht kein Geld und keine Nahrung? Auch du brauchst Geld. So warum unterscheidest du also die Armen von den Reichen? Jeder braucht es. Wenn das deine Definition ist... Wenn man Geld und Nahrung braucht, dann braucht jeder Geld und Nahrung. So jeder ist arm.

Bob: Nun ja, aber ich dachte eigentlich an Menschen, die relativ arm sind.
Śrīla Prabhupāda: Relativ. Relativ mag sein. Du bist hungriger als ich. Aber das bedeutet nicht, daß du nicht hungrig bist oder daß ich nicht hungrig bin. Ich mag jetzt nicht hungrig sein, aber das bedeutet nicht, daß ich mich nicht hungrig fühle oder daß ich nicht hungrig bin. Eine Zeitlang magst du dich nicht hungrig fühlen, aber morgen wirst du wieder hungrig sein.

Bob: Was ich denke ist, daß — auf irgendeine Weise sind diese Menschen — ...jeder in ihrer Nähe mag stehlen, aber sie werden dennoch aufrichtig sein und nicht stehlen. Diese Menschen verdienen es auf irgendeine Weise, daß ihnen etwas Gutes geschieht.
Śrīla Prabhupāda: Aber derjenige, der denkt, er stehle nicht, ist ebenfalls ein Dieb, denn er weiß nicht, daß alles Kṛṣṇa gehört. Was immer er daher annimmt — er stiehlt.

Bob: Ist er nicht ein geringerer Dieb?
Śrīla Prabhupāda: Du magst nicht wissen, daß mir diese Decke gehört; aber wenn du sie fortnimmst, stiehlst du dann nicht?

Bob: Aber ich bin doch ein schlimmerer Dieb, wenn ich weiß, daß sie dir gehört und sie trotzdem nehme, als wenn ich nicht weiß, wem sie gehört. Ich mag ja denken, sie gehöre niemandem, und nehme sie einfach.
Śrīla Prabhupāda: Aber auch das ist Diebstahl. Denn sie muß jemandem gehören. Und du nimmst sie ohne seine Erlaubnis. Du magst nicht genau wissen, wer der Besitzer ist, aber du weißt „Sie muß jemandem gehören“. Das ist Wissen. Manchmal sehen wir auf den Strassen viele wertvolle Dinge, die der Regierung gehören und die dazu benutzt werden, die Strassen auszubessern oder an den elektrischen Leitungen eine Arbeit zu verrichten. Und jemand mag nun denken: „Oh, glücklicherweise liegen diese Dinge hier herum, und ich kann sie mir einfach nehmen.“ Ist das nicht Diebstahl?

Bob: Ja, schon.
Śrīla Prabhupāda: Ja. Er weiß nicht, daß dies alles das Eigentum der Regierung ist. Er nimmt es fort. Das ist Diebstahl. Und wenn man ihn erwischt, wird er festgenommen und dann bestraft. So, in ähnlicher Weise verhält es sich mit allem, was du nimmst — angenommen du trinkst ein Glas Wasser aus dem Fluß. Ist der Fluß dein Eigentum?

Bob: Nein.
Śrīla Prabhupāda: Dann ist das Diebstahl. Du hast den Fluß nicht geschaffen. Du weißt nicht, wer der Eigentümer ist. Deshalb ist er nicht dein Eigentum. Selbst wenn du also ein Glas Wasser trinkst, ohne zu  wissen, wem es gehört, bist du ein Dieb. Du magst denken „Ich bin ehrlich“, aber im Grunde bist du ein Dieb. Du mußt dich an Kṛṣṇa erinnern. „O Kṛṣṇa, das ist Deine Schöpfung, und Du erlaubst mir gütigerweise zu trinken.“ Das ist Ehrlichkeit. Deshalb denkt ein Gottgeweihter immer an Kṛṣṇa. Bei allem, was er tut: „Oh, das gehört Kṛṣṇa“. Das ist Ehrlichkeit. Ohne Kṛṣṇa-Bewußtsein ist also jeder ein Halunke, ein Dieb, ein Räuber. Diese Qualifikationen. Deshalb lautet unsere Schlussfolgerung, daß jeder, der nicht Kṛṣṇa versteht, keine guten Qualifikationen hat. Weder ist er ehrlich noch hat er Wissen. Deshalb ist er ein drittklassiger Mensch. Ist das richtig? Was denkst du Girirāja?

Girirāja (ein Schüler): Ja.
Śrīla Prabhupāda: Das ist nicht Dogmatik. Das ist eine Tatsache. (Einige Zeit verstreicht.) So, hast du verstanden, was Wissen und was Ehrlichkeit ist?

Bob: Ich — in gewissem Sinne.
Śrīla Prabhupāda: Und gibt es einen anderen Sinn? (Bob lacht) Gibt es einen anderen Sinn? Widerlege es! (Bob lacht wieder. Śrīla Prabhupāda lacht auch.) Gibt es einen anderen Sinn? Girirāja?

Girirāja: Nein.
Śrīla Prabhupāda: Gibt es eine Alternative? Wir sagen nichts, was von irgend jemandem widerlegt werden könnte. Diese Erfahrung haben wir. Vielmehr widerlegen wir jeden: „Irgendwelche Fragen?“ Bis jetzt hat Kṛṣṇa uns beschützt. Bei großen Treffen in großen Ländern frage ich, nachdem ich gesprochen habe: „Irgendwelche Fragen?“

Bob: Nein, ich habe keine.
Śrīla Prabhupāda: In London hatten wir — wieviele Tage hielten wir Vorlesungen in dieser — was war das? Conway Hall?

Ein Gottgeweihter: Zwölf Tage. Conway Hall.
Śrīla Prabhupāda: Conway Hall.

Ein Gottgeweihter: Zwölf Tage.
Śrīla Prabhupāda: Ja. So, nach jedem Treffen fragte ich: „Irgendwelche Fragen?“

Bob: Wurden viele Fragen gestellt?
Śrīla Prabhupāda: O ja. Viele törichte Fragen. (Jeder lacht)

Bob: Laß mich noch eine Frage stellen. Was bedeutet töricht?
Śrīla Prabhupāda: Jemand, der kein Wissen hat, gilt als töricht.

Ein indischer Besucher: Prabhupāda, ich habe eine persönliche Frage. Kann ich sie stellen?
Śrīla Prabhupāda: Ja.

Indischer Besucher: Vor einiger Zeit gab es in Kalkutta eine besondere Woche — sie hieß „Woche zur Vorbeugung gegen Grausamkeit an Tieren“.
Śrīla Prabhupāda: Mmm? (Er lacht kurz) Das ist eine weitere Torheit. Sie machen Werbung für die Vorbeugung gegen Grausamkeit und unterhalten Tausende von Schlachthöfen. Verstehen Sie? Das ist eine weitere Torheit.

Indischer Besucher: So, ich wollte nur fragen —
Śrīla Prabhupāda:
Fragen — bevor Sie fragen, gebe ich Ihnen die Antwort. (Alle lachen) Das ist eine weitere Torheit. Sie sind regelmäßig grausam gegenüber Tieren und gründen eine Gesellschaft...

Bob: Vielleicht ist das —
Śrīla Prabhupāda: Angenommen eine Bande von Dieben hat ein Schild — „Gutmann und Co“. Manchmal findet man ein solches Schild.
Śyāmasundara: Der Vermieter unseres Tempels in San Franzisko hieß Gutmann.
Śrīla Prabhupāda: Die Philosophie ist, wenn ein Tier nicht richtig ernährt wird, daß dies Grausamkeit ist. Statt daher zuzulassen, daß es verhungert, ist es besser, es zu töten. Das ist ihre Theorie. Ist es nicht so?

Bob: Ja.
Śrīla Prabhupāda: Sie sagen „Oh, es ist besser, es zu töten, als ihm so viele Schmerzen zu bereiten“ Diese Theorie findet man auch in den kommunistischen Ländern. Ein alter Mann — Großvater — leidet, so besser ist es, ihn zu töten. Und in Afrika gibt es eine Klasse von Menschen, die ein Fest veranstalten, bei dem sie ihre Großväter töten. Ist es nicht so? Ja.
Śyāmasundara: Sie essen sie?
Śrīla Prabhupāda: Ja. (Śyāmasundara lacht)

Ein Gottgeweihter: Ich hatte einen Onkel und eine Tante. Sie waren in der Armee. Als sie dann nach Übersee gingen, konnten sie ihren Hund nicht mitnehmen. Sie sagten sich dann: „Der arme Hund. Es wird ihm das Herz brechen, wenn er nicht bei uns sein kann.“ Und so legten sie ihn schlafen und töteten ihn.
Śrīla Prabhupāda: Auch in Gandhis Leben. Er tötete einmal ein Kalb oder eine Kuh. Das Tier litt sehr. Und Gandhi befahl: „Statt es leiden zu lassen, tötet es.“
Girirāja: Gestern sagtest du, daß der spirituelle Meister zu leiden haben mag, wenn seine Schüler sündhafte Handlungen begehen. Was meinst du mit sündhaften Handlungen?
Śrīla Prabhupāda: Sündhafte Handlung bedeutet, daß du versprochen hast: „Ich werde den regulierenden Prinzipien folgen.“ Wenn du dann nicht folgst, ist das sündhaft. Das ist das Versprechen. Sehr einfach. Du brichst das Versprechen und tust abscheuliche Dinge; deshalb bist du sündhaft. Ist es nicht so?

Girirāja: Ja. (Pause) Aber es gibt noch andere Dinge, die uns gesagt worden sind, die wir tun sollen, aber ...
Śrīla Prabhupāda:
Hmm?

Girirāja: Es gibt noch andere Dinge, die wir tun sollen, aber auch wenn wir versuchen, sie zu tun, können wir sie nicht vollkommen ausführen.
Śrīla Prabhupāda: Was meinst du damit? Du versuchst etwas zu tun und kannst es nicht tun? Wie ist das zu verstehen?

Girirāja: Wie zum Beispiel aufmerksam zu chanten. Manchmal versuchen wir dies, aber —
Śrīla Prabhupāda:
Nun, das ist kein Fehler. Angenommen du versuchst etwas zu tun. Wenn, du dann aufgrund von Unerfahrenheit manchmal scheiterst, ist das kein Fehler. Du versuchst dein Bestes. Es gibt einen Vers im Bhāgavatam — hmm —, daß Kṛṣṇa einem Gottgeweihten, der sein Bestes versucht aber aufgrund seiner Unfähigkeit manchmal scheitert, daß Kṛṣṇa ihm verzeiht. Und auch in der Bhagavad-gītā (9.30) heißt es:

api cet sudurācāro
bhajate mām ananya-bhāk

Nicht willentlich, sondern aufgrund schlechter Angewohnheiten — Angewohnheit ist zweite Natur — tut man manchmal etwas Unsinniges. Aber das bedeutet nicht, daß man einen groben Fehler gemacht hat. Man muß es bereuen — „Ich habe es getan“. Und man sollte versuchen, es so weit wie möglich zu vermeiden. Aber Angewohnheit ist zweite Natur. Manchmal kommt es vor, daß du, obwohl du dich sehr bemühst, von māyā, die sehr stark ist, in eine Falle gelockt wirst. Das kann entschuldigt werden. Kṛṣṇa verzeiht. Aber diejenigen, die etwas willentlich tun, werden nicht entschuldigt. Wenn ich im Vertrauen auf den Umstand, daß ich ein Gottgeweihter bin, denke „Weil ich chante, kann ich all diesen Unsinn tun und es wird durch das Chanten aufgehoben“, dann ist dies das größte Vergehen.


KAPITEL ACHT

Fortschritte im Kṛṣṇa-Bewußtsein (ein Briefwechsel)
Springfield, New Jersey, 12. Juni 1972


Lieber Prabhupāda,
Ich bringe Dir meine demütigen Ehrerbietungen dar. Ich bin viel mit den Gottgeweihten des New Yorker Tempels zusammengewesen. Ich hoffe, daß ich durch die Gemeinschaft solch feiner, fortgeschrittener Gottgeweihter ein wenig Fortschritt im KṛṣṇaBewußtsein machen werde. Meine Verlobte kommt jetzt ebenfalls zum Tempel und chantet schon ein wenig. Sie wußte nichts vom Kṛṣṇa-Bewußtsein, bis ich ihr aus Indien davon schrieb. Atreya ¬ṣi war so freundlich, uns zu sich nach Hause einzuladen, damit wir ein vorbildliches Haushälterleben sehen konnten. Ende April fuhr ich nach Bombay, um mit dem Friedenskorps einige abschließende Dinge zu regeln. Glücklicherweise hatte ich eine leichte Krankheit und mußte daher zwei Wochen in Bombay bleiben. Ich verbrachte die Zeit mit den fortgeschrittenen und freundlichen Gottgeweihten in Juhu. Unglücklicherweise warst Du fünf Tage zuvor abgereist.

Ich verstehe sehr wenig, doch habe ich Vertrauen in den Vorgang des Kṛṣṇa-Bewußtseins und hoffe, mich dieser Sache mehr und mehr widmen zu können.

Ich bin gespannt auf den Tempel in Los Angeles, den mir Atreya ¬ṣi beschrieb und hoffe, daß ich Dich persönlich in New York hören kann.

Vielen Dank für Deine Güte gegenüber einem sehr unwürdigen Jungen.

Hochachtungsvoll
Bob Cohen

A. C. Bhaktivedanta Swami
ISKCON Los Angeles
16. Juni 1972

Bob Cohen
Springfield, New Jersey

Mein lieber Bob,
Bitte nimm meine Segnungen entgegen. Vielen Dank für Deinen Brief vom 12. Juni 1972. Ich habe die Empfindungen, die Du dort ausdrückst, mit großer Freude zur Kenntnis genommen. Ich bin sehr froh, daß Du unsere Gemeinschaft aufsuchst. Ich weiß, daß Du ein sehr guter Junge bist, sehr intelligent, und daß Dein Betragen sehr vorbildlich ist, und daher habe ich alles Vertrauen, daß Kṛṣṇa Dir sehr schnell Seine Segnungen erteilen wird und daß Du merken wirst, wie Du im Kṛṣṇa-Bewußtsein vollkommen glücklich wirst. Man macht Fortschritt im Kṛṣṇa-Bewußtsein, indem man freiwillig seine Anhaftung an die materielle Natur oder māyā aufgibt. Solche Entsagung wird als tapasya bezeichnet. Aber wir sind nicht sehr gewillt, tapasya ohne guten Grund auszuführen; deshalb muß jemand mit einem guten wissenschaftlichen und philosophischen Geist, wie Du ihn besitzt, zunächst wertschätzen, was  transzendentales Wissen ist. Wenn Du Wissen bekommst, wird tapasya von selbst folgen, und dann wirst Du im spirituellen Leben fortschreiten. Wissen zu bekommen ist daher das erste für jemanden, der hofft, die Vollkommenheit seines Lebens zu finden. Ich rate Dir daher, unsere Bücher täglich so weit wie möglich zu lesen und die dort erörterten Dinge von verschiedenen Gesichtspunkten aus zu verstehen, indem Du sie regelmäßig mit den Gottgeweihten im New Yorker Tempel besprichst. Auf diese Weise wirst Du nach und nach überzeugt werden, und durch Deine aufrichtige Haltung und hingebungsvollen Dienst wirst Du Fortschritte machen.

Ja, ein wenig Vertrauen in mich und in diesen Vorgang des Kṛṣṇa-Bewußtseins ist die erste und einzige Notwendigkeit, um tatsächliche Weisheit zu bekommen. Wenn Glauben da ist, wird Verständnis folgen. Und in dem Masse, wie Dein Verständnis zunimmt, wirst Du dich vom Zauber der täuschenden Energie abgestoßen fühlen. Und wenn Du freiwillig all Deine Verstrickungen in der materiellen Welt aufgibst, ist der Fortschritt gesichert.

Ich glaube, wir schreiben jetzt gerade die Tonbänder ab, auf denen unsere Gespräche in Mayapur aufgezeichnet sind, und wir werden sie in Form eines Buches veröffentlichen. Es wird den Titel tragen Vollkommene Fragen — Vollkommene Antworten. Ich werde Dir ein Exemplar schicken, sobald es fertig ist. In der Zwischenzeit werde ich auf meinem Weg nach London zum dortigen Ratha-yātrā-Fest zwei oder drei Tage in New York bleiben. Es ist jetzt noch nicht sicher, wann ich in New York ankommen werde, aber es wird Anfang Juli sein. Bleibe mit Bali Mardana wegen des Ankunftsdatums in Verbindung, und ich werde sehr froh sein, wenn wir uns in New York wiedersehen. Wir können dann weiter diskutieren, wenn Du Fragen hast. Ich hoffe, dieser Brief trifft Dich bei guter Gesundheit und in einer glücklichen Stimmung,

Dein ewig wohlmeinender Freund
A. C. Bhaktivedanta Swami

KAPITEL NEUN

Entscheidungen für die Zukunft
New York 4. Juli 1972

Bob: Ich habe deinen sehr netten Brief bekommen.
Śrīla Prabhupāda: Oh.

Bob: Ungefähr vor einer Woche.
Śrīla Prabhupāda: Nun, du bist ein sehr intelligenter Junge. Du kannst versuchen, diese Philosophie zu verstehen. Es ist sehr wichtig. Die Menschen verschwenden so viel Energie, um ihre Sinne zu befriedigen. Sie sind sich nicht bewußt, was im nächsten Leben geschehen wird. Es gibt ein nächstes Leben, doch törichte Menschen sind unwissend. Unser jetziges Leben ist die Vorbereitung auf das nächste Leben. Das wissen sie nicht. Die moderne Erziehung und die Universitäten sind über dieses einfache Wissen in völliger Dunkelheit. Wir wechseln jeden Augenblick unseren Körper — das ist eine medizinische Tatsache. Nachdem wir diesen Körper verlassen haben, werden wir einen anderen Körper annehmen müssen. Aber wie werden wir diesen Körper annehmen? Welche Art von Körper? Auch das kann man wissen. Wenn zum Beispiel jemand gebildet ist, kann man verstehen, daß er Ingenieur oder Mediziner werden wird, wenn er sein Examen besteht. In ähnlicher Weise kannst du dich in diesem Leben darauf vorbereiten, etwas im nächsten Leben zu werden.

Barbara (Bobs Frau): Können wir entscheiden, was wir im nächsten Leben werden wollen?
Śrīla Prabhupāda: Ja, du kannst entscheiden. Wir haben uns dafür entschieden, daß wir im nächsten Leben zu Kṛṣṇa gehen. Das ist unsere Entscheidung — zurück nach Hause, zurück zu Gott. Angenommen du möchtest gebildet werden. Nach dieser Entscheidung, daß du Ingenieur oder Mediziner werden möchtest, bereitest du dich mit diesem Ziel darauf vor und läßt dich ausbilden. In ähnlicher Weise kannst du bestimmen, was du im nächsten Leben sein wirst. Aber wenn du dich nicht entscheidest, wird die materielle Natur entscheiden.
Barbara: Hätte ich in meinem letzten Leben Kṛṣṇabewußt sein können?
Śrīla Prabhupāda: Das ist gleichgültig. Aber du kannst es werden. Nutze unsere Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein .

Ein Gottgeweihter: Sie fragt, ob es möglich ist, daß sie in ihrem letzten Leben ein Kṛṣṇa-Geweihter war und jetzt zurückgekommen ist.
Śrīla Prabhupāda: Wenn man in vollkommener Weise Kṛṣṇas Geweihter ist, kommt man nicht zurück. Aber wenn es noch an etwas fehlt, besteht die Möglichkeit, daß man zurückkommt. Aber selbst wenn ein Mangel da ist, kommt man in eine gute Familie zurück. Śucīnāṁ śrīmatāṁ gehe yoga-bhraṣṭo 'bhijāyate. [„Der nicht erfolgreiche yogī wird in einer religiösen oder adeligen Familie geboren.“ (Bg. 6.41)] Die menschliche Intelligenz kann für die Zukunft entscheiden. Das ist menschliche Intelligenz. Das Tier kann nicht entscheiden. Wir haben Unterscheidungskraft. Wenn ich dies tue, werde ich einen Nutzen bekommen; wenn ich jenes tue, wird  mir dies nichts nützen. Diese Möglichkeit gibt es im menschlichen Leben. Man muß sie daher richtig nutzen. Du solltest wissen, was unser Lebensziel ist, und dementsprechend entscheiden. Das ist menschliche Zivilisation...

Barbara: Hast du Kṛṣṇa jemals gesehen?
Śrīla Prabhupāda: Ja.

Barbara: Wirklich?
Śrīla Prabhupāda: Täglich. Jeden Augenblick.
Barbara: Aber nicht in einem materiellen Körper?
Śrīla Prabhupāda: Er hat keinen materiellen Körper.
Barbara: Nun, im Tempel hier haben sie Bilder von Kṛṣṇa...
Śrīla Prabhupāda: Das ist kein materieller Körper. Du siehst Ihn als materiell, weil du materielle Augen hast. Weil du materielle Augen hast, kannst du die spirituelle Form nicht sehen. Deshalb scheint Er gütigerweise in einem materiellen Körper da zu sein, so daß du Ihn sehen kannst. Doch daß Er Sich gütigerweise dir sichtbar gemacht hat, bedeutet nicht, daß Er einen materiellen Körper hat. Angenommen der Präsident der Vereinigten Staaten kommt freundlicherweise zu dir nach Hause. Das bedeutet nicht, daß seine Stellung und deine Stellung die gleiche ist. Es ist nur seiner Güte zu verdanken. Aus Liebe mag er zu dir nach Hause kommen, aber das bedeutet nicht, daß er sich auf der gleichen Ebene wie du befindet. In ähnlicher Weise erscheint Kṛṣṇa, weil wir Ihn mit unseren gegenwärtigen Augen nicht sehen können, vor uns als Bild, als aus Stein gemacht, als aus Holz gemacht und so weiter. Und Kṛṣṇa ist nicht verschieden von diesen Bildern und diesem Holz, weil alles Kṛṣṇa ist.

Barbara: Nachdem wir sterben, was geschieht dann mit uns?
Śrīla Prabhupāda: Du bekommst einen anderen Körper.

Barbara: Sofort?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Es ist genauso, als wenn du deine Wohnung wechselst: Du renovierst zunächst die neue Wohnung, und dann verläßt du deine alte und gehst dort hin.

Barbara: Können wir also wissen, welche Art von Körper wir bekommen werden?
Śrīla Prabhupāda: Ja, vorausgesetzt, daß du qualifiziert bist. Andernfalls wird die Natur dafür sorgen. Diejenigen die wissen — sie wissen, was auf sie zukommt. Aber für diejenigen, die es nicht wissen, wird die Natur die Dinge ordnen. Wenn du es nicht weißt, bedeutet dies, daß du dein Leben nicht vorbereitet hast, und daher wirst du zur Zeit des Todes zufällig durch deine Mentalität einen anderen Körper schaffen, und die Natur wird ihn zur Verfügung stellen.

Barbara: Und Chanten — was bewirkt das Chanten?
Śrīla Prabhupāda: Das kannst du diese Jungen fragen (die Gottgeweihten). Sie werden es dir erklären.

Bob: Wenn Kṛṣṇa alles beherrscht, wie beherrscht dann Kṛṣṇa einen Nichtgottgeweihten?
Śrīla Prabhupāda: Durch māyā. Genau wie die Regierung alles beherrscht. Ein Königreich wird durch die Ministerien des Königs beherrscht.

Bob: Und wie beherrscht Kṛṣṇa einen Gottgeweihten?
Śrīla Prabhupāda: Ebenso wie du dir nahestehende Menschen beherrschst. Wenn du zum Beispiel ein liebes Kind hast, wirst du es zu seinem Nutzen beherrschen. Wenn es daran geht, Feuer zu berühren, wirst du sogleich zu ihm sagen „Nein, nein, mein liebes Kind. Berühr es nicht“. Ein Kṛṣṇa-bewußter Mensch, ein Gottgeweihter, wird also niemals irregeführt, denn Kṛṣṇa führt ihn immer, wohingegen diejenigen, die nicht Kṛṣṇa-bewußt sind, unter māyās Obhut stehen, und māyā wird das Notwendige tun, wie du gesehen hast.

Bob: Ist bei unserer Geburt die Zeit des Todes bereits festgelegt?
Śrīla Prabhupāda: Wie bitte?

Bob: Ist die Zeit, zu der ich sterben werde und zu der andere sterben werden, festgelegt, wenn wir geboren werden? Habe ich, wenn ich geboren werde, eine bestimmte Lebenserwartung?
Śrīla Prabhupāda: Ja.

Ein Gottgeweihter: Und kann er das ändern?
Śrīla Prabhupāda: Nein, er kann es nicht ändern, aber Kṛṣṇa kann es ändern.

Gottgeweihter: Wenn er Selbstmord begeht, ist auch das vorherbestimmt?
Śrīla Prabhupāda: Nein, nicht vorherbestimmt. Das kannst du tun, weil du ein wenig Unabhängigkeit hast. Es ist nicht natürlich, Selbstmord zu begehen; es ist unnatürlich. So, weil wir eine gewisse Unabhängigkeit haben, können wir von Natur zur „Unnatur“ gehen. Ein Sträfling kann das Gefängnis nicht auf natürliche Weise verlassen, doch auf irgendeine Weise mag er es bewerkstelligen, über die Mauer zu springen und fortzulaufen. Dann wird er um so mehr zum Verbrecher und muß mit einer weiteren Gefängnisstrafe rechnen. Auf natürliche Weise kann der Sträfling das Gefängnis nicht verlassen, doch auf irgendeine Weise bringt er es fertig zu entkommen, aber das bedeutet, daß er erneut zum Kriminellen wird. Man wird ihn wieder festnehmen, und seine Strafzeit wird erhöht werden, oder er wird mehr bestraft werden. So, auf natürliche Weise können wir das Schicksal nicht verletzen. Aber wenn wir es tun, werden wir leiden. Unser Schicksal kann jedoch durch Kṛṣṇa geändert werden, wenn wir Kṛṣṇa-bewußt sind. Wir tun es nicht, aber Kṛṣṇa wird es tun. Kṛṣṇa sagt: ahaṁ tvām sarva-pāpebhyo mokṣayiṣyāmi. „Ich werde dich beschützen.“ Diese Änderung geschieht zu meinem Schutz.

Es gibt zwei Stufen — Nichtgottgeweihter und Gottgeweihter. Der Nichtgottgeweihte untersteht der Herrschaft der materiellen Natur, und der Gottgeweihte untersteht der unmittelbaren Herrschaft Kṛṣṇas. Im Büro eines großen Mannes, eines Aufsichtsratsvorsitzenden einer großen Firma, gibt es viele Angestellte, und sie alle werden von verschiedenen Abteilungsleitern überwacht. Aber obwohl dieser Mann außerhalb seines Hauses indirekt überwacht, überwacht der gleiche Mann zu Hause seine Kinder direkt. Aber er ist immer eine Art von Herrscher. In ähnlicher Weise ist Gott immer der Herrscher. Wenn man ein Gottgeweihter wird, wird man von Gott beherrscht, und wenn man ein Nichtgottgeweihter ist, wird man von Gottes Helferin, māyā, beherrscht. Aber man muß beherrscht werden. Zum Beispiel wird jeder Bürger von  Amerika durch die Regierung beherrscht. Wenn man sich richtig verhält, wird man von der Zivilabteilung beherrscht, und wenn man sich nicht richtig verhält, wird man von der Kriminalabteilung beherrscht. Aber man kann nicht sagen „Ich werde nicht beherrscht“. Das ist nicht möglich. Jeder wird beherrscht. Wenn jemand sagt „Ich werde nicht beherrscht“, ist er nicht klar; er ist verrückt. Jeder wird beherrscht. So, entweder wirst du unmittelbar von Gott beherrscht, oder du wirst von Seiner Helferin, māyā, beherrscht. Wenn man von māyā beherrscht wird, verdirbt man sein Leben; man bleibt Geburt für Geburt im materiellen Dasein und wechselt Körper. Aber wenn man die Wahl trifft, von Gott beherrscht zu werden, kehrt man, nachdem man diesen Körper verlassen hat, nach Hause zu Gott zurück. Dann ist dein Leben erfolgreich. Du kannst nicht existieren, ohne beherrscht zu sein; das ist nicht möglich. Das ist Intelligenz. Das wird in der Bhagavad-gītā (7.19) bestätigt: bahūnāṁ janmanām ante jñānavān māṁ prapadyate. „Nach vielen Geburten des Reisens oder der Spekulation ergibt sich jemand Mir.“ Vāsu-devaḥ sarvaṁ iti. „Kṛṣṇa, Du bist alles. So, ich bin gekommen. Nimm mich an. Ich bin jetzt Dir völlig ergeben, und Du kannst mich beherrschen. Ich werde beherrscht. Solange bin ich von diesen Halunken beherrscht worden. Das hat keinen Nutzen gebracht. Ich bin von meinen Sinnen beherrscht worden. Und unter der Herrschaft der Sinne habe ich sogenannter Familie, sogenannter Gesellschaft, sogenanntem Land, sogenannter Nation gedient — sogar den Hunden habe ich gedient. Aber nichts hat mir Befriedigung gegeben. Deshalb bin ich jetzt zu Sinnen gekommen; ich unterstelle mich Deiner Herrschaft. Statt vom Hund beherrscht zu werden, laß mich von Dir beherrscht werden.“ Das ist KṛṣṇaBewußtsein. Hast du schon einmal gesehen, wie ein Mann von einem Hund beherrscht wird? Auf der Strasse bleibt der Hund stehen, verrichtet sein Geschäft, und sein Herrchen muß danebenstehen und warten. Ist es nicht so? Der Hund entleert Kot und Urin, und sein Herrchen denkt „Ich bin der Herr“. Aber er wird beherrscht. Das ist māyā. Er ist der Diener des Hundes geworden, doch denkt er „Ich bin der Herr“. Solange man nicht Kṛṣṇa-bewußt ist, kann man nicht verstehen. Wir können verstehen, daß dieser Halunke von seinem Hund beherrscht wird, aber er denkt, er sei der Herr. Wir können verstehen. Was denkst du? Ist er nicht durch seinen Hund beherrscht worden?

Bob: Ja, das ist richtig.
Śrīla Prabhupāda: Aber er denkt „Ich bin der Herr des Hundes“. Ein Familienvater wird von seiner Ehefrau, seinen Kindern, seinen Dienern, von jedem beherrscht, aber er denkt „Ich bin der Herr im Hause“. Präsident Nixon denkt, er sei der Herr seines Landes, aber er wird beherrscht. Die Öffentlichkeit, seine Diener, können ihn auf der Stelle entlassen! Und er wird dann werben „Ich werde sehr guten Dienst leisten“, und „ich werde ein erstklassiger Diener sein“. Deshalb wählen ihn die Leute schließlich „In Ordnung, werde Präsident“, und er wirbt „Wählt mich wieder! Wählt mich wieder!“ Das bedeutet, daß er Diener ist. Aber er denkt „Ich bin der Herr“. So sieht es aus. Māyā. Jemand, der von māyā beherrscht wird, hält sich für den Herrn, obwohl er der Diener ist. Und ein Gottgeweihter denkt niemals, „Ich bin Herr“, sondern nur „Ich bin Diener“. Das ist der Unterschied zwischen māyā und Wirklichkeit. Er weiß zumindest: „Ich bin niemals Meister. Ich bin immer ein Diener.“ Wenn ein Diener denkt „Ich bin Herr“, dann bezeichnet man das als Illusion. Aber wenn ein Diener denkt „Ich bin Diener“, ist das keine Illusion. Das ist mukti oder Befreiung. Weil er nicht von falschen Gedanken beherrscht wird. Versuche, über diese Angelegenheit nachzudenken. Ein Gottgeweihter wird niemals von falschen Gedanken beherrscht. Er kennt seine Stellung. Svarūpeṇa vyavasthitiḥ. Mukti oder Befreiung bedeutet, sich in seiner wesensgemäßen Stellung zu befinden. Ich bin Diener. So, wenn ich weiß, daß ich ein Diener bin, ist das meine Befreiung. Und wenn ich denke, ich sei Herr, ist das Knechtschaft. Das ist der Unterschied zwischen bedingtem und befreitem Leben. So, diese Kṛṣṇa-bewußten Geweihten denken immer, daß sie Diener Kṛṣṇas sind. Deshalb sind sie alle befreit. Sie bemühen sich nicht um Befreiung. Sie sind bereits befreit, weil sie sich in ihrer wesensgemäßen Stellung befinden. Sie denken nicht künstlich „Ich bin Herr“. Jeder sonst denkt „Ich bin Herr“. Das ist Illusion. Du kannst auf keiner Lebensstufe Herr sein; du mußt Diener bleiben, das ist deine Stellung. Wenn man künstlich denkt, man sei Herr, ist solches Denken bedingtes Leben. Und wenn man sich freiwillig dem Höchsten Herrn ergibt, ist das Befreiung. Ein Gottgeweihter strebt nicht gesondert nach Befreiung. Sobald er sich Kṛṣṇa oder Kṛṣṇas Stellvertreter ergibt, ist er befreit.

Bob: Prabhupāda, manche Menschen, die sich mit Religion beschäftigen, wie zum Beispiel die „Jesus Freaks“ und andere Menschen, behaupten, Jesus führe sie. Kann das sein?
Śrīla Prabhupāda: Ja, aber sie nehmen die Führung nicht an. Genau wie die Christen. Jesus führt sie „Du sollst nicht töten“, aber sie töten. Wo ist die Führung Jesu? Nur zu sagen „Ich werde von Jesus Christus geführt“ — genügt das? „Aber ich kümmere mich nicht um seine Worte.“ Ist das Führung? Niemand wird von Jesus Christus geführt. Ihre Behauptung ist falsch. Es ist sehr schwer, einen Menschen zu finden, der tatsächlich von Jesus Christus geführt wird. Die Führung Jesu Christi ist erhältlich, aber niemand kümmert sich darum. Sie betrachten Jesus Christus als jemand, der ihre Sünden auf sich nimmt. Das ist ihre Philosophie. Sie begehen alle Arten von Sünden, und der arme Jesus Christus wird verantwortlich gemacht. Das ist ihre Religion. Deshalb sagen sie: „Wir haben eine sehr gute Religion. Für all unsere sündhaften Handlungen wird Jesus Christus sterben.“ So, ist das eine gute Religion? Sie haben kein Mitgefühl mit Jesus Christus. Er starb für unsere Sünden. Warum sollen wir weitere Sünden begehen? Solch ein bedeutendes Leben ist für unsere Sünden geopfert worden. Deshalb sollten wir uns von Jesus Christus leiten lassen. Aber wenn du umgekehrt denkst — „Ah, wir werden weiter alle möglichen Sünden begehen, und Jesus Christus wird einen Vertrag schließen, um all meine Sünden aufzuheben; ich werde einfach zur Kirche gehen und beichten und dann zurückkommen und allen möglichen Unsinn  tun“ —, denkst du, das sei ein Zeichen von sehr guter Intelligenz?

Bob: Nein.
Śrīla Prabhupāda: Jemand, der sich tatsächlich von Jesus Christus leiten läßt, wird zweifellos Befreiung erlangen. Aber es ist sehr schwer, jemand zu finden, der sich tatsächlich von Jesus Christus führen läßt. Bob: Was ist nun mit den „Jesus Freaks“, den jungen Leuten, die sich dieser Jesusbewegung angeschlossen haben? Sie lesen die Bibel sehr oft, und sie versuchen zu —
Śrīla Prabhupāda:
Aber Gewalt verstößt gegen die Gebote der Bibel. Wie können sie töten, wenn sie der Bibel folgen?

Bob: Ich sprach jemanden darauf an, und er behauptete, Jesus habe ebenfalls Fleisch gegessen.
Śrīla Prabhupāda: Das mag sein. Er mag alles Mögliche essen. Er ist mächtig. Aber er hat befohlen: „Du sollst nicht töten, du mußt aufhören zu töten.“ Er ist mächtig. Er kann die ganze Welt essen. Aber du kannst dich nicht mit Jesus Christus vergleichen. Du kannst Jesus Christus nicht nachahmen; du mußt dich an seine Anweisung halten. Dann wirst du von Jesus Christus geführt. Das ist wirklicher Gehorsam. Das wird im Bhāgavatam erklärt. Jemand der īśvara, jemand, der ermächtigt ist, kann alles mögliche tun, aber wir können ihn nicht nachahmen. Wir müssen seinem Befehl gehorchen. „Was er zu mir sagt, das werde ich tun.“ Du kannst ihn nicht nachahmen. Du sagst, Jesus Christus habe Fleisch gegessen. Angenommen, dies sei so gewesen, dann weißt du trotzdem noch nicht, unter welchen Umständen er Fleisch aß. Er selbst ißt Fleisch, aber er weist andere an, nicht zu töten. Glaubst du, Jesus Christus habe sich widersprochen?

Bob: Nein.
Śrīla Prabhupāda: Das kann nicht sein. Das ist wirklicher Glauben an ihn — daß er das nicht tun kann. Warum hat er also dann Fleisch gegessen? Er weiß es, aber er weist mich an, nicht zu töten. Ich muß folgen. Das ist das wirkliche System. Du bist nicht Jesus Christus; du kannst ihn nicht nachahmen. Er hat sein Leben für Gott geopfert. Kannst du das tun? Warum willst du also Jesus Christus nachahmen? Du ahmst Jesus Christus nach, indem du Fleisch ißt. Warum ahmst du Jesus Christus nicht nach und opferst dein Leben, um Gottesbewußtsein zu verbreiten? Was denkst du? Ja, wenn du predigst, kannst du sagen, was du denkst. Sie sind sogenannte Christen — aber was tun sie für Gott? Oder nimm die Sonne als Beispiel.

Die Sonne sterilisiert Urin. Kannst du Urin trinken? Wenn du die Sonne nachahmen möchtest — „Oh, hier ist die Sonne, die Urin aufnimmt. Laß mich Urin trinken“ —, kannst du das tun? Jesus Christus ist mächtig; er kann alles tun. Aber wir können ihn nicht imitieren; wir müssen uns einfach an seine Anweisung halten. Das ist wirkliches Christentum. Wir können einen mächtigen Menschen nicht nachahmen. Das ist falsch. In unserer vedischen Literatur gibt es die Geschichte von einem Ozean aus Gift, der so bedrohlich war, daß die Menschen nicht wußten, was sie tun sollten. Darauf sagte dann Śiva: „Nun gut, ich werde ihn trinken.“ Er trank also den ganzen Giftozean und behielt ihn in seiner Kehle. Kannst du Gift trinken? Nicht einen Ozean — nur einen Becher? Wie können wir also Śiva imitieren? Śiva gab niemals den Rat, Gift zu trinken. So, wir müssen uns an seine Anweisung halten, und nicht ihn nachahmen. Diese Leute, die LSD und Marihuana einnehmen, sagen, Śiva rauche gañja. Aber Śiva trank sogar einen ganzen Ozean von Gift. Kannst du das tun? Śivas Anweisung soll man annehmen. Er sagt, die beste Verehrung sei die Verehrung Viṣṇus: viṣṇor ārādhanaṁ param. Als er von Parvatī gefragt wurde, welche Verehrungsmethode die beste sei, sagte er: „Die beste Verehrung ist die Verehrung Viṣṇus (Kṛṣṇas).“ Es gibt viele Halbgötter, aber er empfahl Viṣṇu-Verehrung als die beste. Und besser als die Verehrung Viṣṇus ist die Verehrung eines Vaiṣṇava. Tadīyānām — Seine Diener oder diejenigen, die zu Ihm in Beziehung stehen. Zum Beispiel verehren wir diese Pflanze, tulasī. Wir verehren nicht alle Pflanzen, aber weil diese tulasī eine sehr enge Verbindung mit Kṛṣṇa oder Viṣṇu hat, verehren wir sie. Ähnlich verhält es sich mit allem, das eng mit Kṛṣṇa verbunden ist — diese Verehrung ist besser als die Verehrung Viṣṇus.

Bob: Warum ist das so?
Śrīla Prabhupāda: Weil Kṛṣṇa sehr erfreut sein wird. Angenommen du hast einen Hund, und einige Freunde kommen und streicheln deinen Hund. (Śrīla Prabhupāda macht weitausholende Streichelbewegungen.) Du wirst sehr erfreut. Du wirst erfreut: „Oh, er ist mein guter Freund.“ Du siehst, wie sie denken. Wir sehen das — ein Freund kommt und sagt; „Oh, was für einen netten Hund du hast.“ (Gelächter) (Einige indische Gäste betreten das Zimmer.)
Śrīla Prabhupāda: Bitte nehmen Sie etwas prasāda. (Śrīla Prabhupāda spricht weiter mit seinen Gästen, manchmal in Englisch und manchmal in Hindi. Es ist sein letzter Tag in New York und sein Flugzeug nach London geht in ein paar Stunden. Bob hat einen Wagen besorgt, um Śrīla Prabhupāda zum Kennedy Flughafen zu fahren. Die Gottgeweihten drängen sich in der Nähe, bringen Gepäck zum Wagen, ordnen die Manuskripte von Śrīla Prabhupādas letzter Übersetzungsarbeit und kümmern sich um die letzten Vorbereitungen.)
Śyāmasundara: Alles ist bereit, Śrīla Prabhupāda. Der Wagen wartet auf uns.
Śrīla Prabhupāda: So? Können wir gehen? Gut. Hare Kṛṣṇa!

 

Schlußwort

Am 19. Juli 1976 nahm His Divine Grace Śrīla Prabhupāda meine Frau und mich als seine Schüler an und weihte uns ein mit den Namen Bhakti-devī dāsī und Brahmatīrtha dāsa. Wenn ich an diesen Tag zurückdenke, kann ich sehen, wie glücklich ich mich schätzen kann, daß ich His Divine Grace und meine Gottbrüder in der Hare-Kṛṣṇa-Bewegung getroffen habe.

Bob CohenAls mir meine Perlenkette bei der Einweihung überreicht wurde, versprach ich, den regulierenden Prinzipien zu folgen und Gottes Namen täglich zu chanten. Vor vier Jahren hatte mich Śrīla Prabhupāda angewiesen, diesen Grundsätzen zu folgen, und dann könne ich, wie er sagte, in sechs Monaten wie die anderen Gottgeweihten sein; alle unnötigen Dinge (anarthas), wie Kinos und Restaurants, würden aufhören, auf mich anziehend zu wirken. „Das gesamte menschliche Leben ist dafür bestimmt, sich zu läutern“, sagte er. Mir war daran gelegen, geläutert zu werden, obwohl ich nicht wirklich begriff, was Läuterung bedeutete. Ich war mit dem Friedenskorps nach Indien gefahren, um eine höhere Ebene des Bewußtseins zu finden. Ich konnte nicht glauben, daß die Befriedigung der Sinne das ein und alles ist, und doch war ich selbst durch die Sinne gebunden. Später konnte ich verstehen, daß yoga bedeutet, von dem Diktat der Sinne frei zu werden. Weil ich nach Amerika zurückkehrte, begann ich Geologie zu studieren, heiratete und wurde ein wenig in häusliche Verpflichtungen verstrickt, doch dachte ich oft an meine Gespräche mit Śrīla Prabhupāda und seine Unterweisungen. Eine seiner Hauptunterweisungen lautete, einfach mit den Gottgeweihten zusammenzusein, und das tat ich gern. Gottgeweihte sind anders: Indem sie verstehen, daß liebevoller Dienst für den Höchsten Herrn das Ziel des Lebens ist, vermeiden sie es, sich in den lächerlichen Angelegenheiten der Sinnenbefriedigung und des falschen Ego zu verfangen. Tempelbesuche waren für mich überaus erfrischend. Allmählich schlossen meine Frau und ich mit vielen Gottgeweihten Freundschaft und wollten auf irgendeine Weise für die Bewegung einen Dienst tun. Ich rief an der Universität einen bhakti-yoga-Club ins Leben, und unsere Wohnung wurde für durchreisende Gottgeweihte zu einem Stützpunkt.

In dem Maße, wie wir Śrīla Prabhupādas Unterweisungen folgten, wurden sogar unsere Essensgewohnheiten gereinigt. In Indien hatte ich zu Śrīla Prabhupāda gesagt, daß ich meine Nahrung nicht opfern könne wie die Gottgeweihten, weil ich nicht verstände, daß Kṛṣṇa Gott ist. Er sagte damals zu mir, ich solle Gott einfach vor dem Essen für meine Nahrung danken. Das taten wir, und schließlich reifte unsere Hingabe, und wir begannen tatsächlich, unsere Nahrung dem Höchsten Herrn zu opfern. Welch ein wunderbares Gefühl, für den Höchsten Herrn zu kochen! Das befreite uns tatsächlich von der Herrschaft der Zunge. Schließlich waren wir so weit, voll in das Tempelleben eingegliedert zu werden. Durch Kṛṣṇas Gnade bekam ich eine Arbeitsstelle in der Nähe eines  Tempels in Texas und begann, an allen Tempelprogrammen teilzunehmen. Auf diese Weise verschwanden alle anarthas, genau wie Śrīla Prabhupāda vorausgesagt hatte. Es war uns, als werde eine schwere Last von unseren Schultern genommen. Wir waren nicht länger Diener unserer Sinne, sondern Diener Gottes und Seiner Geweihten. Der Wert von Śrīla Prabhupādas Unterweisungen war klar geworden. Ein Mensch ist nicht dafür bestimmt, wie ein Esel zu arbeiten und wie ein Hund zu genießen. Läuterung bedeutet, zu einer höheren Ebene des Bewußtseins zu kommen.

Obwohl ich jetzt bereits eingeweiht bin, bewundere ich die spirituelle Wachheit meiner Gottbrüder und habe den Wunsch, Fortschritte zu machen. Im Grunde ist die Einweihung erst der Anfang.

Brahmatīrtha dāsa Adhikārī
(Bob Cohen)

Houston, Texas
16. Oktober 1976

 

His Divine Grace
A. C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda

His Divine Grace A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda erschien - in dieser Welt im Jahre 1896 in Kalkutta, Indien.

Srila PrabhupadaŚrīla Bhaktisiddhānta Sarasvatī, ein bekannter gottergebener Gelehrter und der Gründer von vierundsechzig Gauḍīya Maṭhas (vedischen Instituten), mochte den gebildeten jungen Mann und überzeugte ihn davon, seine Lebensaufgabe darin zu sehen, das vedische Wissen durch die englische Sprache zu verbreiten. Śrīla Prabhupāda wurde sein Schüler, und 1933 empfing er in Allahabad die formelle Einweihung.

In den folgenden Jahren schrieb Śrīla Prabhupāda einen Kommentar zur Bhagavad-gītā und begann 1944, ohne Hilfe von außen, das halbmonatliche Magazin „Back to Godhead“ in Englisch. Als Anerkennung für Śrīla Prabhupādas philosophische Gelehrsamkeit und Hingabe ehrte ihn die Gaudīya-Vaiṣṇava-Gesellschaft 1947 mit dem Titel „Bhaktivedanta“. Im Alter von vierundfünfzig Jahren zog sich Śrīla Prabhupāda aus dem Familienleben zurück und trat in den vānaprastha-Stand (Leben in Zurückgezogenheit) ein.

Später reiste er nach der heiligen Stadt Vṛndāvana, um seinen Studien und seiner Schreibtätigkeit mehr Zeit widmen zu können. Im Jahre 1959 trat er in den Lebensstand der Entsagung (sannyāsa) ein. Nach der Veröffentlichung von drei Bänden des 5000 Jahre alten Śrīmad-Bhāgavatam reiste Śrīla Prabhupāda 1965 in die Vereinigten Staaten von Amerika, um die Mission seines spirituellen Meisters zu erfüllen.

Allmählich sammelte sich eine Schar Jugendlicher um Śrīla Prabhupāda, die die Größe seiner Persönlichkeit und Botschaft erkannten. Im Frühjahr 1966 rief er die Internationale Gesellschaft für Kṛṣṇa-Bewußtsein (ISKCON) ins Leben, die innerhalb eines Jahrzehnts unter seiner sorgsamen Leitung zu einer weltweiten Gemeinde von etwa einhundert Tempeln, Instituten und Farmgemeinschaften anwuchs.

Gleichzeitig schrieb Śrīla Prabhupāda mehr als 60 Bände autoritativer Übersetzungen und Kommentare der spirituellen Klassiker Indiens, die bisher in 27 Sprachen übersetzt wurden und wegen ihrer Authentizität, Tiefe und Klarheit bereits an zahlreichen Hochschulen und Universitäten als Lehrmittel benutzt werden.

Ende von „Vollkommene Fragen - Vollkommene Antworten“


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