varna-asrama-dharma
VARṆĀŚRAMA DHARMA
Die ideale Gesellschaft
His Divine Grace
A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda
Gründer-Ācārya der Internationalen
Gesellschaft für Krischna-Bewußtsein
Übersetzung aus dem Englischen:
Nikhilānanda dāsa brahmacārī (1979)
© THE BHAKTIVEDANTA BOOK TRUST 1979
Alle rechte vorbehalten
1.-200. Tausend Januar 1979
Druck: Mohndruck, Gütersloh
ISBN 0-89213-016-4
Herausgeber: Internationale Gesellschaft
für Kṛṣṇa-Bewußtsein e.V.
6241 Schloß Rettershof/i. Ts. Tel.: 06174/21357




VARṆĀŚRAMA

 DHARMA

Die ideale Gesellschaft

His Divine Grace
A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda
Gründer-Ācārya der Internationalen Gesellschaft für Krischna-Bewußtsein


INHALT

 

1. Grundsätzliche Gedanken zur Struktur der menschlichen Gesellschaft

Vortrag an der Universität von Uppsala,
Schweden, September 1973

Vier Klassen

Heute abend möchte ich versuchen, jene Gesellschaftsstruktur zu beschreiben, die von Śrī Kṛṣṇa in der Bhagavad-gītā dargelegt wird. Kṛṣṇa sagt im Vierten Kapitel:

cātur-varṇyaṁ mayā sṛṣṭaṁ
guna-karma-vibh
āgaśaḥ
tasya kart
āram api mā
viddhy akart
āram avyayam

"In Entsprechung zu den drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur und der Arbeit, die ihnen zugeordnet ist, wurden die vier Einteilungen der menschlichen Gesellschaft von Mir geschaffen. Und obwohl Ich der Schöpfer dieses Systems bin, sollst du wissen, daß Ich dennoch nicht daran gebunden bin, denn Ich bin unwandelbar." (Bg. 4.13)

Nach Eigenschaften und Tätigkeiten also gliedert sich die Gesellschaft in vier Klassen. Diese Gliederung der Gesellschaft ist so natürlich wie die des Körpers, der ebenfalls vier hauptsächliche Teile hat: den Kopf, den Bauch, die Arme und die Beine. Diese vier Bereiche sind alle notwendig, doch ist der Kopf am notwendigsten oder erstklassig, denn wenn er fehlt, sind die Arme, der Magen und die Beine nutzlos. Wenn dagegen zum Beispiel die Arme amputiert werden, kann man immer noch weiterleben.

Kṛṣṇa lehrt, daß man diese vierfache Unterteilung überall finden kann. Er erklärt:

na tad asti pṛthivyāṁ vā
divi deveṣu vā punaḥ
sattvaṁ prakṛti-jair muktaṁ
yad ebhiḥ syāt tribhir guṇaiḥ

"Es existiert kein Wesen, weder hier noch auf den höheren Planetensystemen, das vom Einfluß der drei Erscheinungsweisen der Natur frei ist." (Bg. 18.40)

Überall im Universum also üben die drei Eigenschaften oder Erscheinungsweisen der materiellen Natur ihren Einfluß aus. Diese Erscheinungsweisen oder guṇas sind die Eigenschaften der Tugend, der Leidenschaft und der Unwissenheit. Überall, von den himmlischen bis zu den niedrigsten Planeten, wirken diese drei guṇas, selbst in den tierischen und in den pflanzlichen Lebensarten. Bestimmte Bäume zum Beispiel tragen weder Früchte noch Blüten, was auf den Einfluß der Erscheinungsweise der Unwissenheit zurückzuführen ist, und deshalb sind sie dritt- oder viertklassig. Unter den Tieren befindet sich die Kuh in der Erscheinungsweise der Tugend -das zeigt sich schon daran, daß sie uns das wertvollste Nahrungsmittel, Milch, gibt. Katzen und Hunde dagegen sind keine erstklassigen Tiere. Da überall die drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur wirken, muß auch in der menschlichen Gesellschaft eine dementsprechende wissenschaftliche Unterteilung getroffen werden. Wie bereits erwähnt, hat Śrī Kṛṣṇa in der Bhagavad-gītā folgende Einteilungen festgelegt: cātur-varṇyaṁ mayā sṛṣṭaṁ. In jeder Gesellschaft gibt es vier Klassen von Menschen, nämlich brāhmaṇas, katriyas, vaiśyas und śūdras. Die brāhmaṇas sind die intelligentesten Menschen, undsie sind sogar fähig, Wissen über die Absolute Wahrheit zu verstehen; die katriyas bilden die verwaltende oder regierende Klasse; die vaiśyas sind die Kaufleute, die Bauern und die Industriellen, und die śūdras sind die Arbeiter. Letztere haben im Grunde keine Intelligenz, sondern brauchen nur einen guten Herrn, der ihnen ein Gehalt zahlt.

Die brāhmaṇas müssen echte Gelehrte sein. Als echte Gelehrte betrachtet man diejenigen, die vollständiges Wissen von Gott haben. Das Wissen darüber, wie man seine Körperbedürfnisse durch Essen, Schlafen, Sexualität und Verteidigung befriedigt, ist auch bei den Tieren vorhanden. Man braucht keine Universität, die diese Dinge lehrt. Der Mensch sollte sich fortgeschrittenerem Wissen widmen, das heißt dem Verständnis von der Absoluten Wahrheit, der Wissenschaft von Gott. Deshalb beginnt das Vedānta-sūtra, eine bedeutende vedische Schrift, mit den Worten athāto brahma jijñāsā. "Jetzt, da man die menschliche Lebensform erlangt hat, soll man nach der Absoluten Wahrheit forschen." Brahma, die Absolute Wahrheit, ist also das geeignete Studienobjekt für den Menschen, und die Bhagavad-gītā ist das Buch, das einem dazu verhilft, die Absolute Wahrheit, die Persönlichkeit Gottes, kennenzulernen. Obwohl die Absolute Wahrheit eine ist, hat sie drei Aspekte, die einzeln erkannt werden können. Im Śrīmad-Bhāgavatam (1.2.11) wird es bestätigt:

vadanti tat tattva-vidas
tattvaṁ yaj jñānam advayam
brahmeti paramātmeti
bhagavān iti śabdyate

"Gelehrte Transzendentalisten, die die Absolute Wahrheit kennen, nennen diese nicht-dualistische Substanz Brahman, Paramātmā oder Bhagavān."

Tatsächlich erkennen einige die Absolute Wahrheit nur als unpersönlich, als Brahman;einige erkennen sie als Paramātmā, das heißt, sie sehen Gott in allen Dingen, und einige erkennen die Absolute Wahrheit als die Höchste Persönlichkeit Gottes. Weil alle Menschendurch die Erscheinungsweisen der materiellen Natur bedingt sind, unterscheidet sich ihrVerständnis von der Absoluten Wahrheit.

Kṛṣṇa erklärt weiter in der Bhagavad-gītā (18.41):

brāhmaṇa-katriya-viśām
śūdrāām ca parantapa
karm
āni pravibhaktāni
svabh
āva-prabhavair guṇaiḥ

"Brāhmaṇas, katriyas, vaiśyas und śūdras unterscheiden sich durch die Eigenschaften ihres Handelns, die in Beziehung zu den Erscheinungsweisen der materiellen Natur stehen, o Bezwinger der Feinde."

Nach diesem Kriterium also sollten die Menschen den einzelnen Klassen zugeordnet werden. Dann sagt Kṛṣṇa, worauf es bei der Ausbildung jeder einzelnen Klasse ankommt, und das sollten die Bildungsbehörden aller Länder sehr ernst nehmen. Es ist die Pflicht der Regierung, dafür zu sorgen, daß jeder Mensch seinen Eigenschaften und seiner Fähigkeit gemäß, eine bestimmte Tätigkeit zu verrichten, beschäftigt wird. Die Säkularisierung des Staates darf nicht so weit gehen, daß man nicht mehr auf die Eigenschaften und Tätigkeiten der Bürger achtet. Es muß einen Bereich der praktischen Psychologie geben, wonach beurteilt wird, welcher Klasse jemand angehört. Wenn die Ausbildung gemäß den Eigenschaften und den Tätigkeiten erteilt wird, ist die gesamte menschliche Gesellschaft in vollkommener Weise organisiert. Hier läßt sich wieder das Beispiel vom Körper anwenden: Wenn der Kopf seine Aufgabe gut erfüllt und die Hände; der Magen und die Beine auf jeweils ihre Weise richtig arbeiten, dann gilt der ganze Körper als gesund und tüchtig. Wenn aber irgendein Teil des Körpers, sei es der Kopf, ein Arm, ein Bein oder der Magen, nicht richtig arbeitet, dann erkrankt der ganze Körper.

Das neue Bewußtsein

Heutzutage ist es sehr beliebt geworden, von einer klassenlosen Gesellschaft zu sprechen. Aber eine Gesellschaft ohne Klassen ist nicht möglich. Solange man sich in der materiellen Welt aufhält, wird man Unterschiede zwischen den Lebewesen feststellen. Die Klassen sind schon von Natur aus da. Selbst bei den Vögeln bilden zum Beispiel die Krähen und die Schwäne jeweils Klassen für sich. Die Schwäne ziehen es immer vor, dort zu leben, wo es sehr sauberes Wasser, Blumen und gepflegte Bäume gibt, wie in einem Park zum Beispiel. In einer solch schönen Umgebung sieht man sie meist zusammenleben, denn gleich und gleich gesellt sich gern. Die Krähen hingegen versammeln sich dort, wo es viel Abfall gibt, denn daran finden sie ihren Genuß. Die Lebewesen finden also an unterschiedlichen Dingen Geschmack, und schon von daher bestehen Unterschiede. Auch diejenigen, die menschliche Körper haben, gehören von Natur aus zu verschiedenen Kategorien.

Durch die Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein aber kann man sich dessen ungeachtet zur höchsten Kategorie erheben. Was den materiellen Körper betrifft, den man seinen Eigenschaften entsprechend durch die Vorsehung der Natur erhalten hat, so kann man dessen Eigenschaften nicht ändern, doch kann man sein Bewußtsein verbessern, indem man KṛṣṇaBewußtsein praktiziert, denn Kṛṣṇa-Bewußtsein befindet sich auf der spirituellen Ebene, es hat nichts mit materiellen Bedingungen zu tun. Auf der materiellen Ebene kann man niemandes Eigenheiten ändern. Das praktische Beispiel hierfür ist die Tatsache, daß die Regierung von Amerika Millionen von Dollars dafür ausgibt, die Drogenwelle, insbesondere den LSD-Konsum, einzudämmen. Viele führende Regierungsbeamte haben uns bescheinigt, daß ihnen das nicht gelang; aber jeder, der zu unserer Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein kommt, gibt, selbst wenn er Drogen verfallen ist, nicht nur LSD auf, sondern jede Art von Rauschmittel, sogar Tee, Kaffee und Zigaretten. Jeder kann sich sofort ändern, da es unser Prinzip ist, daß jeder, der den ernsthaften Wunsch hat, sich dieser Bewegung für KṛṣṇaBewußtsein anzuschließen, vier verbotene Dinge aufgeben muß, nämlich unzulässige Sexualität, Glücksspiel, Fleischessen und Berauschung. So wird das scheinbar Unmögliche möglich. Obwohl unsere Jungen und Mädchen seit Beginn ihres Lebens an solche Dinge gewöhnt waren, konnten sie diese ohne weiteres aufgeben, sobald sie begannen, im KṛṣṇaBewußtsein zu handeln. Wir haben in unserer Gesellschaft Jungen und Mädchen aus allen Teilen der Welt. Es gibt bei uns Afrikaner, Inder, Kanadier, Engländer, Amerikaner, Australier usw., aber sie haben vergessen, daß sie Engländer oder Amerikaner, daß sie schwarz oder weiß sind. Sie sind einfach am Kṛṣṇa-Bewußtsein interessiert. Darin liegt die Bedeutung unserer Bewegung. Wenn die Welt tatsächlich eine klassenlose Gesellschaft will, die wirklich rein ist, ohne von den Erscheinungsweisen der materiellen Natur verunreinigt zu sein, muß sie sich an diese einzigartige Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein wenden. Kṛṣṇa definiert die Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein im Nārada-pañcarātra wie folgt:

sarvopādhi-vinirmuktaṁ tatparatvena nirmalam
hṛṣīkeṇa hṛṣīkeśa-sevanarṁ bhaktir ucyate

"Bhakti oder erstklassiger hingebungsvoller Dienst kann erreicht werden, wenn man von allen Bezeichnungen frei ist."

Bezeichnungen bedeuten in diesem Zusammenhang Formen körperlicher Identifikation. Der Körper aber bedeckt das wirkliche Selbst nur wie ein Kleidungsstück den Körper. Hier zum Beispiel sitzen viele Zuhörer mit verschiedenfarbigen Jacken. Wenn ich Sie nun frage, wer Sie sind, und Sie entgegnen, Sie seien Schwarzjacke oder Weißjacke, so ist das nicht Ihre wahre Identität. Im gleichen Sinne sind wir Lebewesen weder Amerikaner noch Inder, noch Afrikaner, noch Engländer. Ahaṁ brahmāsmi. "Wir sind alle spirituelle Seelen." Das ist vollkommenes Wissen vom Selbst. Sarvopādhi-vinirmuktaṁ: Wenn man zu diesem Verständnis gelangt, überwindet man die materiellen Auffassungen. Die Bhagavad-gītā sagt: brahma-bhūtaḥ prasannātmā. "Auf der Ebene des spirituellen Verständnisses wird man freudvoll." Sie können selbst sehen, daß die Jungen und Mädchen unserer Bewegung stets fröhlich sind. Würden sie keine Freude erfahren, dann würden sie nicht so viel tanzen. Sie sind nicht zum Tanzen dressiert, sondern tanzen, weil sie sich freuen. Solange man aber nicht wirklich zufrieden ist, kann man nicht fröhlich sein, nicht tanzen und nicht singen, sondern ist eher verdrießlich. Frohsinn ist das Zeichen spirituellen Bewußtseins - man ist frei von materiellen Bezeichnungen und stets von Freude erfüllt. Freudvoll zu sein bedeutet, von allen Sorgen frei zu sein. Worin bestehen die Sorgen? Na śocati na kāṅkati: Sorgen bedeuten, daß ich klage, wenn ich etwas verliere, und nach etwas verlange, wenn ich es nicht besitze. Was uns Gottgeweihte betrifft, so haben wir keinen gewöhnlichen Beruf und beschäftigen uns nicht mit materiellen Unternehmungen. Wir wissen nicht einmal, ob wir am nächsten oder am übernächsten Tag noch zu essen haben werden. Aber obwohl wir uns in einer solchen Lage befinden, kennen wir keine Sorgen darüber, was wir morgen essen werden, was wir tun, wenn wir kein Bankkonto und kein Geld haben usw. Wir wissen ganz sicher, daß Kṛṣṇa uns alles schicken wird, wenn wir nur weiter "Hare Kṛṣṇa" chanten. Und wenn Sie unsere Tätigkeiten studieren, werden Sie sehen, daß es sich tatsächlich so verhält. Wir begehren nach nichts; noch klagen wir. Wir wurden zum Beispiel schon mehrere Male von Heuchlern bestohlen, doch jammerten wir nicht darüber, sondern sagten uns: "Kṛṣṇa gab es uns, und Kṛṣṇa nahm es uns."

Gleichheit und Brüderlichkeit

Die Bhagavad-gītā fährt fort: samaḥ sarveu bhūteu. Es ist ein weiteres Kennzeichen eines Menschen auf der spirituellen Ebene, daß er allen Lebewesen gleichgesinnt ist. Unsere Philosophie ist es nicht, die Menschen zu schützen und die Kühe ins Schlachthaus zu schicken. Wir wissen: Ebenso wie ein Mensch, der getötet wird, Leiden erfährt, so verspürt auch ein Tier Qualen. Es ist unsinnig zu meinen, Tiere hätten keine Seele. Es gibt 8 400 000 Lebensformen, und jede, selbst der Baum, der Strauch, der Vogel, der Elefant und die Ameise, hat eine Seele. Dazu erklärt die Bhagavad-gītā (14.4): sarva-yoniu kaunteya mūrtaya sambhavantiyāḥ. "Die individuellen Teilchen Kṛṣṇas oder Gottes, die Seelen, befinden sich überall." Am Symptom der Seele kann man ihr Vorhandensein praktisch erkennen. Die Bhagavad-gītā (2.17) erklärt nämlich: avināśi tu tad viddhi / yena sarvam idaṁ tatam. "Die Gegenwart der Seele erkennt man daran, daß Bewußtsein über den ganzen Körper verbreitet ist." Wenn jemand in meinen Körper sticht, verspüre ich Schmerzen; wenn ich in seinen Körper steche, verspürt er Schmerzen, und auch wenn man in den Körper eines Tieres sticht, tut das dem Tier weh. Dr. Jagadisha Candra Bose hat mit einem Meßgerät wissenschaftlich bewiesen, daß sogar ein Baum Schmerzen verspürt, wenn man ihn verletzt. Jeder hat also eine Seele. Warum sonst beginnt ein Tier zu weinen, wenn es zum Schlachthaus geführt wird? Es hat eine Seele und weiß, daß es getötet werden soll. Ein Kṛṣṇa-bewußter Mensch ist allen Lebewesen gleichgesinnt. Ihm würde es sogar etwas ausmachen, einen Baum zu fällen oder auf eineAmeise zu treten.

Es gibt die Geschichte eines Jägers namens Mṛgāri, der im Wald Tiere jagte, indem er sie mit Pfeil und Bogen halb tötete, so daß sie schreckliche Qualen litten. Eines Tages kam Nārada Muni, ein großer Gottgeweihter, durch diesen Wald und sah, daß die angeschossenen Tiere sich zu Tode quälten. Er war so verwundert darüber, daß er den Jäger aufsuchte und fragte: "Warum jagst du Tiere auf diese Weise und gibst ihnen nicht wenigstens einen schnellen Tod? Sie leiden schrecklich, und dafür wirst du in der Zukunft die gleichen Qualen ertragen müssen." Der Jäger wußte nicht, daß es sündig ist, Tiere zu töten, und daß er dafür würde leiden müssen, weshalb er entgegnete: "Herr, Jagen ist mein Beruf, und so ist es mir von meinem Vater beigebracht worden. Ich weiß gar nicht, was schlecht ist. Dies ist das erste Mal, daß ich höre, Tiere zu töten, besonders auf diese Weise, sei sehr sündig." Weil Mṛgāri einem Heiligen begegnet war, kam er zu Sinnen, und er fragte Nārada, wie er von seinem sündigen Leben frei werden könne. Da wies Nārada Muni ihm den Weg, indem er ihn als Schüler annahm und ihn bat, sich an das Ufer des Ganges zu setzen und den Hare Kṛṣṇa mantra zu chanten: Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare / Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare. Der Jäger war bereit, diesen Rat zu befolgen, doch wollte er noch wissen, wie er sein Essen bekommen solle, worauf Nārada Muni zur Antwort gab: "Ich werde dir Essen zukommen lassen; mach dir keine Sorgen." Als die Bewohner eines naheliegenden Dorfes mit der Zeit merkten, daß der Jäger ein Heiliger geworden war, pflegten sie alle ihn zu besuchen. Einer brachte ihm etwas Reis mit, ein anderer Süßigkeiten und wieder ein anderer Früchte und Blumen. So hatte er immer reichlich zu essen, ohne zu jagen, und wurde ein Vaiṣṇava, ein vollkommener Heiliger. Als Nārada Muni nach einiger Zeit wieder in die Gegend kam, um Mṛgāri zu besuchen, kam ihm dieser auf halbem Wege entgegen, da er seinen spirituellen Meister empfangen wollte. Nārada Muni sah, daß der Jäger tatsächlich ein Vaiṣṇava geworden war, doch fragte er, warum er auf dem Weg so merkwürdig hin und her gesprungen sei. Mṛgāri erwiderte: "Herr, es gibt hier so viele Ameisen, deren Leben ich schonen möchte." Der gleiche Jäger, der einmal Freude daran gefunden hatte, Tiere auf furchtbare Weise zu töten, mochte jetzt nicht einmal mehr eine Ameise umbringen. Das ist die Wirkung eines gottesbewußten Lebens. Der Gottgeweihte weiß, daß nicht nur den Menschen Schutz gewährt werden soll, sondern auch den Tieren. Die kommunistische Philosophie verspricht zwar gleiches Recht für alle, doch gilt dies nur für die Menschen. Welches Recht aber haben wir, die Tiere zu töten? Wer tötet, wird die entsprechenden Folgen erleiden müssen.

Die Klassen werden zum Kollektiv

Die heutige Gesellschaft ist unorganisiert. In einer organisierten Gesellschaft ist es die Aufgabe der erstklassigen Menschen, der brāhmaṇas, allen, besonders der mit Verwaltungsaufgaben betrauten zweiten Klasse, Ratschläge zu erteilen. Die verwaltende Klasse muß darauf achten, daß jeder den religiösen Prinzipien folgt; die Handeltreibenden, die die dritte Klasse bilden, sollten Nahrung produzieren, und auch die vierte Klasse hat ihre bestimmten Aufgaben. Es ist nicht möglich, daß jeder gleich ist, denn von Natur aus ist eine Gliederung vorhanden, ebenso wie es eine Gliederung des Körpers gibt. Warum hat die Natur zum Beispiel nicht nur den Kopf gemacht, sondern auch Arme und Beine? Weil alle Teile notwendig sind und zusammenarbeiten sollen. Der Kopf ist zwar wichtiger als die Beine, aber die Beine sind nicht unwichtig, sondern auch notwendig, und man kann nicht auf sie verzichten. Ebenso muß es erstklassigintelligente Menschen geben, eine Klasse von Verwaltern, eine Klasse von Handeltreibenden und eine Klasse von Arbeitern, wenn wir wollen, daß die menschliche Gesellschaft organisiert ist. Alle Klassen sollen zusammenarbeiten, um die Erkenntnis Kṛṣṇasoder Gottes möglich zu machen, ebenso wie die einzelnen Körperteile zur Aufrechterhaltung der körperlichen Gesundheit zusammenwirken. Dann wird in der menschlichen Gesellschaft Harmonie herrschen. Ohne Gottesbewußtsein wird jeder denken, er selbst sei sehr bedeutend und ein anderer sei unbedeutend, er selbst solle beschützt werden, ein anderer aber nicht. Sobald man jedoch gottesbewußt ist, ist man allen Lebewesen gleichgesinnt, nicht nur den Menschen. In der Bhagavad-gītā, der Zusammenfassung aller vedischen Schriften, wird gelehrt, wie die Menschen der einzelnen Klassen jeweils ausgebildet werden sollen. Es kann zwar nicht jeder erstklassig werden, aber weil die Klassen zusammenarbeiten, besteht im Grunde kein Unterschied zwischen ihnen. Hier läßt sich wieder der Körper als Beispiel anführen: Wenn jemand eine Krankheit an seinem Bein hat, wird er nicht das Bein vernachlässigen und sich nur um den Kopf kümmern. Man wird viel Geld zur Heilung der Beinkrankheit zahlen, auch wenn man vielleicht gar kein Geld für den Kopf ausgibt. Die Unterteilung wird nur zur Zusammenarbeit getroffen, genauso wie man in einem Bürohaus die Geschäftsleitung, die Direktoren, die Sekretäre, die Buchhalter und die Arbeiter in verschiedenen Umgebungen arbeiten sieht. Es muß in der menschlichen Gesellschaft also Unterschiede zwischen den Klassen geben, weil aufgrund der drei materiellen Erscheinungsweisen bereits von Natur aus eine Einteilung besteht. Jemand, der sich in der Erscheinungsweise der Tugend befindet, kann nicht genauso sein wie ein Mensch in der Erscheinungsweise der Unwissenheit. Wie sollte das möglich sein? Es bestehen Unterschiede zwischen den Menschen, doch sollten diese in solcher Weise ausgebildet werden, daß sie zusammenarbeiten, um die Absolute Wahrheit zu verstehen. Das ist eine erstklassige, eine wirklich vollkommene menschliche Gesellschaft.

Der Kopf der Gesellschaft

Nach der Bhagavad-gītā müssen die zu erstklassigen Menschen Ausgebildeten folgende Eigenschaften haben:

śamo damas tapaḥ śaucaṁ
kṣāntir ārjavam eva ca
jñānaṁ vijñānam āstikyaṁ
brahma-karma svabhāva-jam

"Friedfertigkeit, Selbstbeherrschung, Enthaltsamkeit, Reinheit, Duldsamkeit, Ehrlichkeit, Gelehrsamkeit, Weisheit und Religiosität sind die Eigenschaften, die die Handlungsweise der brāhmaṇas bestimmen." (18.42)

Śamaḥ bedeutet "die Fähigkeit, die Sinne zu beherrschen". Unsere Sinne können sehr störende Elemente sein. Die Augen können zum Beispiel diktieren "Bitte, laß uns einen Nackttanz sehen." Und wir denken: "O ja, ich gehe sofort hin!" Die Augen befehlen uns also auf eine bestimmte Weise, die Zunge auf eine andere, das Ohr wieder auf eine andere usw. Man sollte jedoch ausgebildet werden, sich nicht von den Sinnen lenken zu lassen: Man muß Meister der Sinne sein. Das bezeichnet man als śamaḥ. Und damaḥ bedeutet "die Fähigkeit, den Geist zu beherrschen". Auch der Geist versucht, etwas zu befehlen; aber wir sollten uns nicht vom Diktat des Geistes davontragen lassen, sondern ihn dazu bringen, unseren Befehlen zu folgen. Das sind die Eigenschaften, die einen erstklassigen Menschen auszeichnen. Man kann nicht argumentieren: "Ich werde zwar von meinem Geist und meinen Sinnen beherrscht, aber ich besitze einen akademischen Rang". Dadurch ist man noch kein erstklassiger Mensch. Wie kann man ein erstklassiger Mensch sein, wenn man ein Diener der Sinne ist? Als erstklassiger Mensch mußman Meister der Sinne sein!
Cāṇakya Paṇḍita, ein großer Politiker und gelehrter brāhmaṇa, der in Indien sehr bekanntist und nach dem auch das Diplomaten-Viertel des heutigen Neu-Dehli "Cāṇakya Purī"benannt wurde, definiert einen gelehrten Weisen so:

mātṛvat para dāreṣu
para dravyeṣu loṣṭavat
ātmavat sarva bhūteṣ
yaḥ paśyati sa paṇḍitaḥ

  1. Ein Gelehrter ist jemand, der es vermag, alle Frauen auf der Welt, abgesehen von seiner eigenen Frau, als Mütter anzusehen. Para dāreu bedeutet "Frauen anderer". Man muß also diese Kunst lernen, die Frauen als Mütter anzusehen.

  2. Besitztümer oder Güter anderer betrachtet der gelehrte Weise genauso wie Abfall auf der Straße. So wie man den Abfall nicht anrührt, so berührt er nicht die Besitztümer anderer oder begehrt auch nur danach.

  3. Er behandelt jeden so, wie er selbst behandelt werden möchte. Da man zum Beispiel bei Körperverletzungen Schmerzen verspürt, sollte man keinem anderen Lebewesen solche Schmerzen zufügen.
    Wenn man diese drei Dinge gelernt hat, dann ist man ein gelehrter Weiser. Es ist nicht so, daß man gelehrt ist, wenn man sich einen Rang an der Universität erworben hat. Dieser Rang wird uns nicht helfen. Solange man nicht gottesbewußt ist, kann man keine guten Eigenschaften haben. Das lehren uns die Veden:

yasyāsti bhaktir bhagavaty akiñcana
sarair guṇais tatra samāsate surāḥ
harāv abhaktasya kuto mahad-guṇā
manorathenāsati dhāvato bahiḥ

"Wer sich unerschütterlich der Höchsten Persönlichkeit Gottes hingibt, besitzt alle guten Eigenschaften der Halbgötter. Wer aber kein Gottgeweihter ist, besitzt nur materielle Qualitäten, die von geringem Wert sind, denn er bewegt sich auf der Ebene des Geistes und wird mit Sicherheit von der glitzernden materiellen Energie angezogen." (SB. 5.18.12)

Das wird in der Geschichte von Mṛgāri deutlich, der ein grausamer Jäger war, bevor er zum Gottesbewußtsein kam, und der, nachdem er gottesbewußt geworden war, nicht einmal mehr eine Ameise töten mochte. Das ist das Ergebnis. In der Bhagavad-gītā (18.54) heißt es:

brahma-bhūtaḥ prasannātmā
na śocati na kāñkṣati
samaḥ sarveṣu bhūteṣ
mad-bhaktiṁ labhate parām

"Wer auf diese Weise in der Transzendenz verankert ist, erkennt sogleich das Höchste Brahman. Er klagt niemals; noch verlangt er danach, irgendetwas zu besitzen. Er ist jedem Lebewesen gleichgesinnt. In diesem Zustand erreicht er reinen hingebungsvollen Dienst."

Es müssen also Voraussetzungen geschaffen worden sein. Man kann nicht ohne weiteres ein Gottgeweihter werden, sondern man muß bestimmte Eigenschaften entwickeln. Ein Beispiel: Wenn jemand kommt und sagt "Ich bin ein sehr reicher Mann", so müssen wir seine Merkmale betrachten, das heißt, darauf achten, ob er einen teuren Wagen fährt, gute Kleidung trägt und vieles mehr. Ebenso genügt es nicht, wenn man einfach sagt "Ich bin gottesbewußt". Die Merkmale habe ich bereits erwähnt. Die Bhagavad-gītā (18.55) fährt fort: bhaktyā mām abhijānāti yāvān yaś cāsmi tattvataḥ. Gott läßt sich nur von Gottgeweihten erkennen, die all diese guten Eigenschaften entwickelt haben. Diese Eigenschaften gehören zum Gottesbewußtsein. Gottesbewußtsein bedeutet nicht, zu denken "Ich werde beschützt und hin glücklich; sollen die anderen ruhig unglücklich bleiben. Es ist mir gleich, ob sie zur Hölle gehen". Nein, das ist kein Gottesbewußtsein.

Damit man also vollkommen gottesbewußt werden kann, muß es die erstklassigen Menschen in der Gesellschaft geben. Diese erstklassigen Menschen werden hier beschrieben:

Śamo -sie können die Sinne beherrschen; damas -sie wissen den Geist zu beherrschen; tapaḥ -sie nehmen Entsagungen auf sich; śaucaṁ -sie sind immer sauber, sowohl innerlich als auch äußerlich; kṣāntir -sie sind stets duldsam und friedfertig; ārjavam -sie sind einfach; ānaṁ -sie haben Wissen; vijñānam -sie verstehen es, das Wissen im Leben praktisch anzuwenden; āstikyaṁ -und sie sind fest von der Existenz des Höchsten Herrn überzeugt. Brahma-karma svabhāva jam: Das sind die Eigenschaften der erstklassigen Menschen.

Es sollte einen Bildungsbereich geben, der erstklassige Menschen mit all diesen Eigenschaften hervorbringt, der lehrt, wie man den Geist und die Sinne beherrscht, wie man innerlich und äußerlich sauber wird, wie man duldsam wird, wie man Einfachheit oder Ehrlichkeit entwickelt und so fort. Man sollte so duldsam werden, daß man sich bei keinem Anlaß aufregt. Und man sollte so einfach sein, daß man selbst, wenn ein Feind nach einem Geheimnis fragt, bereitwillig die Wahrheit sagt. Und auch ānaṁ, vollständiges Wissen, muß gelehrt werden. Vollständiges Wissen gibt Auskunft darüber, was diese Welt ist, was ich selbst bin, was meine Beziehung zu dieser Welt ist, was Gott und was meine Beziehung zu Gott ist. Vijñānam ist die praktische Anwendung dieses Wissens im Leben, und āstikyaṁ schließlich, der vollkommene Glaube an die Existenz des Höchsten Herrn, bedeutet vollkommenes Vertrauen in die transzendentalen Schriften. Diejenigen also, die behaupten, in der Gesellschaft erstklassige Gelehrte zu sein, müssen alle diese Eigenschaften haben. Das ist die Lehre der Bhagavad-gītā.

Regierende in den ersten Kampfreihen

Die Bhagavad-gītā spricht auch von der zweiten Klasse der Menschen:

śauryam tejo dhṛtir dākṣyam
yuddhe cāpy apalāyanam
dānam īśvara-bhāvaś ca
kṣātraṁ karma svabhāva-jam

"Heldenmut, Stärke, Entschlossenheit, Geschicklichkeit, Furchtlosigkeit in der Schlacht, Großzügigkeit und die Fähigkeit zu regieren - das sind die Eigenschaften, die die Handlungsweise der katriyas bestimmen." (Bg. 18.43)

Wir kommen jetzt zur verwaltenden Klasse, den katriyas. Katri bedeutet "diejenigen, die die Regierungsgewalt ausüben". Katriyas sollten śauryam sein, das heißt sehr mächtig und sehr einflußreich. Und tejo bedeutet, daß der katriya stark sein muß. Heutzutage wird ein drittklassiger oder viertklassiger Mann zum Regierungsoberhaupt gewählt, ohne daß auf diese Eigenschaften geachtet wird. Deshalb sieht man zum Beispiel, daß die amerikanischen Präsidenten so verantwortungslos Krieg führen und so viel Übles mehr. Sie haben keine katriya-Eigenschaften. Die dritte Eigenschaft der katriyas oder Verwaltenden ist dhtir. Entschlossenheit. Ein wirklicher katriya gibt niemals auf. Er kämpft bis zum Sieg oder bis zum Tod. Es entspricht nicht dem Wesen des katriya, zaghaft zu sein und mit der Anzahl der Wählerstimmen zu rechnen, um an die Macht zu kommen. Dākyam bedeutet, daß er sehr geschickt sein muß. Dann heißt es: yuddhe cāpy apalāyanam -"Furchtlosigkeit in der Schlacht". Der katriya darf nicht aus dem Kampf fliehen. Heutzutage sitzen die Politiker und Diplomaten wohlbehütet in ihren Zimmern, und bedauernswerte Leute werden gewaltsam in den Kampf geschickt.

Zur vedischen Zeit standen die Führer im Krieg immer in den vordersten Reihen, wohingegen unsere heutigen sogenannten Führer es nicht einmal wagen, auch nur den Fuß auf das Schlachtfeld zu setzen. Sie sind vielmehr Meister in der Kunst, den Kampf aus der Ferne anzufeuern. Sie denken nur an ihr persönliches Interesse, ohne sich um das Leben ihrer Soldaten zu kümmern. Das entspricht nicht dem Verhalten eines katriya; das ist keine Regierung. Der katriya muß allen als erster vorangehen; dann werden andere ihm nachfolgen. Weiterhin muß der Regierende dānam sein oder sehr mildtätig. Der katriya selbst aber darf unter keinen Umständen der Empfänger milder Gaben sein. Die heutigen Führer sind weit davon entfernt, solchen Regeln zu folgen, sondern raffen mit dem Ziel, ihre politischen Ideologien zu verbreiten, Reichtümer zusammen und tun alles, um den Bürgern so wenig wie möglich zukommen zu lassen. Sie sind nicht geschult worden, Regierungsämter zu übernehmen, und zeigen, sobald sie an der Macht sind, sehr schnell ihr wahres Gesicht, nämlich das von Halunken und Betrügern, indem sie die Steuern erhöhen, um Unternehmungen zu finanzieren, die ihren persönlichen Interessen dienen, ohne etwas Gutes für die Bevölkerung zu tun. Und schließlich muß der katriya īśvara-bhāva oder die Fähigkeit und Neigung zu regieren haben. Kṣātraṁ karma svabhāvajam: "Das sind die Eigenschaften, die die zweite Klasse auszeichnen."

Die einfache Verhaltensweise, die Gesetze Gottes zu achten, die uns von den offenbarten Schriften überliefert werden, würde sicherlich den Reichtum der Länder und das Wohlergehen aller Bürger sichern. Es sind die Gaben der Natur, die eine Gesellschaft zur Blüte bringen, und nicht ungeheure Industriekonzerne. Diese sind Produkte einer atheistischen Zivilisation, die den Menschen nur alle Möglichkeiten nimmt, sich auf das wirkliche Ziel des menschlichen Lebens, die spirituelle Erkenntnis, zu besinnen. Je länger unsere Staatsoberhäupter es zulassen, daß hinderliche Industrien die Lebenskraft der Bürger verschwenden, desto mehr wird die Unzufriedenheit und der Aufruhr unter den Menschen zunehmen, da das heutige Wirtschaftssystem der Ausbeutung es nur einer winzigen Minderheit erlaubt, im Überfluß zu leben.

Durch die Gnade Gottes erzeugt die Natur Milch, Getreide, Früchte, Gemüse, Wasser und Mineralien; nach Seinen Wünschen gibt sie uns diese Dinge in Hülle und Fülle oder verweigert ihre Gaben. Da die katriyas zur vedischen Zeit eine angemessene spirituelle Ausbildung erhielten, wußten sie, wie man das Wohlergehen aller Bürger erreicht. Sie lenkten einfach die Energie des Volkes der Ruhmpreisung Gottes zu. Unter den damaligen Umständen war die Steuerregelung sehr einfach und verursachte weder Verstöße noch Widerstände gegen das Steuergesetz. Der König hatte das Recht, ein Viertel der Erzeugnisse seiner Untertanen zu beanspruchen, und niemand beklagte sich, denn weil die ganze Gesellschaft auf die Ruhmpreisung Śrī Kṛṣṇas aufgebaut war, gab jeder der Regierung bereitwillig genügend natürlichen Reichtum, damit die Bedürfnisse aller Bürger befriedigt werden konnten. Diese Reichtümer blieben nicht ungenutzt. Zum Beispiel gab der König den brāhmaṇas, die alles taten, um die Bevölkerung die Prinzipien des spirituellen Lebens zu lehren, viele Spenden, und die brāhmaṇas gaben den größten Teil dieser Geschenke je nach den Bedürfnissen der Menschen weiter. Sie selbst häuften niemals Reichtum an, weil sie nach dem Grundsatz der Entsagung und des Opfers lebten. Sie verlangten von dem König oder den Bürgern niemals eine Gegenleistung für ihre Dienste. Ein fähiger Führer gewinnt die Achtung der Bevölkerung, wenn er fromm, moralisch, ritterlich und wohltätig ist. Ein echter katriya-König faulenzt niemals, vergeudet nicht seine Zeit auf der Suche nach materiellen Freuden und lebt nicht auf Kosten des Volkes. Auch sollte ein katriya niemals Mitleid mit Dieben und korrupten Menschen haben, die versuchen, das unschuldige Volk auszubeuten. Heutzutage sind es leider solche Diebe und Halunken, die ohne die nötige Schulung Regierungsämter einnehmen, und alle Bürger leiden unter ihrer von Gier und Neid gekennzeichneten Herrschaft. Die katriya-Führer hatten die notwendigen Voraussetzungen, ihre Untertanen auf den Weg zu führen, Geburt, Alter, Schmerzen und Tod zu überwinden. Gegenwärtig aber werden die Staatsoberhäupter von der Masse der Menschen gewählt, die nichts vom wirklichen Ziel des Lebens wissen. Solch ungeschulte Führer richten trotz ihrer heuchlerischen Versprechen, die Menschen glücklich zu machen, großen Schaden an. Weil es ihnen an Intelligenz mangelt, führen die Bedeutsamkeit ihrer Stellung und ihre finanzielle Macht dazu, daß sie zu Betrügern werden.

Ein verantwortungsvolles Staatsoberhaupt muß darauf achten, daß die menschliche Energie richtig eingesetzt und genutzt wird, das heißt zur Förderung spiritueller Erkenntnis. Es ist ein Fehler zu glauben, der Mensch sei dafür bestimmt, den ganzen Tag seine Sinne zu genießen. Um es den Bürgern zu ermöglichen, gottesbewußt zu werden und wiederholten Geburten und Toden zu entgehen, muß die Regierung sie zur höchsten Freiheit führen, indem sie lehrt, wie man Lust, Zorn, Gier, falsche Wünsche und gedankliche Spekulationen überwindet. Die Regierungen versuchen, etwas gegen die Korruption in der Gesellschaft zu tun, doch geschieht dies in völliger Unwissenheit, da sie gleichzeitig Spielhallen, Bordelle, Schlachthäuser und Bars wie auch deren Anpreisungen erlauben. Sie wollen zwar das Paradies, das Königreich Gottes, aber ohne Gott. Wenn die Korruption wirklich besiegt werden soll, muß eine brāhmaṇa-Klasse geschaffen werden, die durch das Befolgen von Prinzipien wie Entsagung, Reinheit, Barmherzigkeit und Redlichkeit einen Standard setzt, der Korruption fördernde Zustände beseitigt.

In der vedischen Kultur werden alle Lebewesen, die im Königreich leben, auch die Pflanzen und Tiere, als Staatsbürger betrachtet und haben daher einen Anspruch auf Schutz. Als zum Beispiel vor 5000 Jahren König Parīkṣit, der über die Welt herrschte, einen Mann sah, der auf eine Kuh einschlug, traten ihm Tränen in die Augen, da er nie zuvor eine solche Grausamkeit in seinem Königreich beobachtet hatte, und er ging sofort daran, den Mann zu bestrafen. Heutzutage gelingt es den Führern ihrer Unwissenheit wegen nicht einmal, eine Gesellschaft zu errichten, die die Rechte aller Lebewesen achtet. Jene Menschen, die, nach vedischen Begriffen, die geringste Intelligenz haben, regieren die Gesellschaft, und eines ihrer Hauptinteressen ist die Eröffnung von Schlachthäusern, damit sie sich von Tierfleisch ernähren können. Damit brechen sie das von der Natur vorgesehene ökonomische Gleichgewicht, weshalb die Menschen gezwungen sind, schwer zu arbeiten, um nur ein Stück Brot zu bekommen. Würden die Gesetze Gottes vom Staatsoberhaupt und den Bürgern befolgt, gäbe es genügend Regen, und alle Nutzpflanzen würden in Hülle und Fülle wachsen. Außerdem erzeugen Regenfälle unter bestimmten astronomischen Einflüssen in reichen Mengen wertvolle Perlen und Edelsteine. Getreide, Früchte und Gemüse können den Menschen ausreichend ernähren, und Milch gibt ihm alle notwendige Energie. Wozu braucht der Mensch also Kinos, Schlachthäuser und Bordelle, wenn die Natur ihn mit allem Notwendigen versorgen kann? Was bringt die von ihm geschaffene Gesellschaft anderes als Konflikte auf jeder Ebene? Hat der Mensch, der Tausende seiner Artgenossen in höllischen Fabriken gefangenhält, die Prinzipien der Gleichheit und Brüderlichkeit verwirklicht? Von diesen Gesichtspunkten aus betrachtet, können wir im Licht der vedischen Schriften bestätigen, daß eine Autokratie, die sich auf die Prinzipien des varṇāśrama-dharma gründet und von verantwortungsvollen katriyas geführt wird, weit besser ist als eine sogenannte Demokratie, in der die Tiere auf höchst undemokratische Weise niedergemetzelt werden und Menschen, deren Niveau unter dem der Tiere steht, ein Individium zu ihrem Führer wählen, das nicht weniger entartet ist.

Wie die brāhmaṇas, so bekommen auch die katriyas von einem spirituellen Meister die spirituelle Einweihung, die als der Beginn des spirituellen Lebens gilt und daher auch zweite Geburt genannt wird. Von Menschen, die keine spirituelle Einweihung bekommen haben, kann man nicht erwarten, daß sie fähig sind, die Gesetze zu vertreten und für Harmonie in der Gesellschaft zu sorgen. Im gegenwärtigen Kali-Zeitalter wird der Staat von solchen Menschen natürlich schlecht geführt, und deshalb sind die Bürger unglücklich. Alle Lebewesen sind Kinder Gottes, und die Gesetze unseres Vaters verbieten es, daß wir unseren Nächsten töten, es sei denn, wir werden durch die Naturgesetze dazu gezwungen. Der Tiger zum Beispiel kann ein anderes Tier umbringen, um sich zu erhalten, aber dem Menschen ist dies nicht erlaubt. Das Śrīmad-Bhāgavatam (1.13.47) erklärt: jīvo jīvasya jīvanam. Nach Gottes Gesetzen können sich alle Lebewesen nur dadurch erhalten, daß sie andere Lebewesen essen, und auch die Vegetarier können diese Regel nicht umgehen. Aber Gottes Gesetz enthält weiter die Bestimmung, daß man nur eine bestimmte Art von Lebewesen essen darf. Die Śrī Īśopaniad teilt uns mit, daß wir unsere notwendigsten natürlichen Bedürfnisse nicht übersteigen dürfen und mit dem zufrieden sein sollen, was der Herr uns zum Lebensunterhalt zuteilt. Da der Mensch sehr gut von Getreide, Früchten und Milch leben kann, ist es völlig unnötig, den Tieren Leid zuzufügen. Die Menschen können nur mit Führern glücklich werden, die durch die in den Veden erklärten Prinzipien des spirituellen Fortschritts geschult worden sind. Der Traum eines Weltstaats kann nur dann Wirklichkeit werden, wenn solch unfehlbare Autoritäten alle Länder führen. Die vedischen Schriften existieren seit Anbeginn der Schöpfung und werden als apauruśeya oder nicht von unvollkommenen Menschen verfaßt bezeichnet. Sie beinhalten die Gesetze Gottes und haben daher nichts mit sektiererischem Glauben zu tun. Ein gewöhnlicher Mensch wäre nicht imstande, ein System zu schaffen, das alle Lebewesen zufriedenstellt und auf alle, unabhängig von Zeit und Umständen, anwendbar ist. Nur ein unfehlbares und vollkommenes Lebewesen vermag dies. Wenn der Führer vollkommen ist, dann ist auch die Regierung vollkommen; fehlt es aber dem führenden Kopf an Vernunft, so ist die Gesellschaft nichts als ein Narrenparadies.

Die Produzierenden und die Arbeiter

Für die dritte Klasse der Gesellschaft erklärt die Bhagavad-gītā (18.44) folgendes:

kṛṣi gorakṣya vāṇijyam
vaiśya karma svabhāva jam

"Ackerbau, Kuhschutz und Handel bestimmen die Handlungsweise der vaiśyas."

Vaiśyas sollten ausreichend Nahrung produzieren und Handel treiben. Das ist die Bedeutung von vaiśya. Kṛṣi bedeutet, landwirtschaftliche Produkte zu erzeugen, und gorakya bedeutet, die Kühe zu beschützen. Doch statt die Kühe zu beschützen, tötet man sie heutzutage. Wie können wir da vollkommene Zustände in der Gesellschaft erwarten? Die Kuh muß beschützt werden. Sie ist ein sehr wichtiges Tier, das uns die nektargleiche Nahrung Milch gibt. Mit Milch kann man seine Kinder aufziehen, man kann Kranke damit retten, und viele wertvolle Eigenschaften mehr sind in ihr vorhanden. Die Menschen aber nehmen die Milch der Kuh und schicken die Kuh ins Schlachthaus. Das zeugt nicht im geringsten von menschlicher Zivilisation. Hier heißt es go-rakya. Man sollte diesem wichtigen Tier allen Schutz gewähren. Kṛṣṇa sagte nicht, man solle die Schweine, Hunde oder andere Tiere beschützen. Er meinte vor allem die Kühe, da die Kuh ein für die menschliche Gesellschaft sehr wichtiges Tier ist. Wenn einige Menschen unbedingt Fleisch essen wollen, sollen sie andere Tiere töten, nicht aber die Kuh. Wenn man all diese Dinge beachtet, kann die Gesellschaft wahrhaft vollkommen werden.

Die vaiśyas sollten in ausreichendem Maße Getreide erzeugen, und wenn es irgendwo an Getreide mangelt, sollten sie es dorthin liefern. Das wird als vāṇijyam oder Handel bezeichnet. Heutzutage gibt es viele Länder, in denen reichliche Mengen Getreide erzeugt werden können. Manchmal geschieht dies auch, und dann schüttet man den Überschuß ins Meer -zum Zweck des sogenannten wirtschaftlichen Ausgleichs. Das ist nicht gut. Überall sollte ausreichend Getreide erzeugt werden, und wenn irgendwo eine Knappheit auftritt, sollte man dorthin das Nötige liefern. In dieser Weise sollte die ganze Welt zusammenarbeiten. Es gibt zwar die Vereinten Nationen, aber was bringen sie zustande? Mögen sie die Bhagavad-gītā studieren und lernen, wie die Nationen wirklich vereint werden können! Das wäre vollkommen. Kurzsichtige Politiker mit politischen und diplomatischen Betrugsabsichten im Herzen können die Nationen nicht vereinen. Das ist unmöglich. Mögen sie die Bhagavad-gītā verstehen lernen! Mögen sie verstehen lernen, wie eine vollkommene Gesellschaft zu errichten ist. Dann werden Frieden und Wohlstand herrschen. Weiter erklärt die Bhagavad-gītā (18.44):

paricaryātmakaṁ karma
śudrasyāpi svabhāva-jam

"Und die Aufgabe der śūdras besteht darin, körperliche Arbeit zu verrichten und den anderen Dienste zu leisten."

Diejenigen, die nicht intelligent genug sind, als brāhmaṇas, katriyas oder vaiśyas ausgebildet zu werden - die viertklassigen Menschen also -, sollten den anderen drei Gesellschaftsklassen durch körperliche Arbeit helfen. So sollte die menschliche Gesellschaft in vier Klassen gegliedert werden, die nach richtiger Ausbildung zusammenarbeiten sollten. Nicht ein einziger Mensch darf unbeschäftigt bleiben. Jeder muß sich einer Tätigkeit als brāhmaṇa, katriya, vaiśya oder śūdra widmen. Ein müßiges Hirn wird zur Werkstatt des Teufels. Deshalb werden trotz so viel Ausbildungspropaganda in den westlichen Ländern die jungen Leute zu Hippies. Es ist einfach keine richtige Ausbildung vorhanden. Doch hier liefert die Bhagavad-gītā die Anweisungen. - Bildet die Studenten in dieser Weise aus. Dann wird es eine vollkommene Gesellschaft geben.

Der Befreiung entgegen

In der vedischen Gesellschaft mußte sich jeder nicht nur nach seiner Zugehörigkeit zu einer der vier Gesellschaftsklassen oder varṇas richten, sondern auch nach den vier Stufen des spirituellen Lebens oder āśramas, nämlich brahmacarya, ghastha, vānaprastha und sannyāsa, um zuletzt zur Verwirklichung von spirituellem Wissen zu gelangen. Daher stehen die varṇas und āśramas in engem Zusammenhang. Das Hauptziel des āśramadharma, der Einteilung der Gesellschaft in āśramas, ist es, die Menschen zu Wissen und Entsagung zu bringen. Das Wissen umfaßt das Verständnis der ewigen Natur der spirituellen Seele, die Kenntnis der höchsten Person und die Kenntnis der Beziehung zwischen der individuellen Seele und dem höchsten Wesen, der Absoluten Wahrheit.

Der erste āśrama, dem jeder im ersten Lebensstadium, das heißt vom 5. bis mindestens zum 20. Lebensjahr folgen muß, ist der des brahmacārī. Brahmacārīs sind ledige Studierende, die im Zölibat leben und lernen, daß die materielle Welt nicht das wirkliche Zuhause des Lebewesens ist. Als Gefangene ihres Körpers sind die Lebewesen gezwungen, alt zu werden, krank zu werden, zu sterben und erneut geboren zu werden, und das Ziel des Lebens ist es, sich von diesem Zustand zu befreien. Der brahmacāāśrama ist die Grundlage der anderen Lebensstufen, die alle dazu dienen, den Menschen letztlich von den sogenannten Freuden und Leiden des materiellen Daseins zu befreien. Jemand, dem es während seiner Zeit als brahmacānicht gelungen ist, genügend Sinn für Entsagung zu entwickeln, kann ghastha werden, das heißt, er kann heiraten und den Prinzipien folgen, die das Eheleben regulieren. Zu gegebener Zeit, das heißt meistens dann, wenn die Kinder aufgewachsen sind, ziehen sich der Mann und die Frau vom Familienleben zurück und unternehmen Pilgerreisen zu heiligen Orten. Sie leben dann als vānaprasthas, das heißt im Lebensstand der allmählichen Loslösung. Schließlich trennen sich Mann und Frau ganz, damit der Mann den Rest seines Lebens spiritueller Erkenntnis widmen kann. Wer in diesem Lebensstand steht, ist ein sannyāsī. Das varṇāśrama-dharma soll einem helfen zu lernen, sich von Gott abhängig zu sehen. Ein sannyālebt freiwillig allein, da man während seiner letzten Lebenstage von aller materiellen Anhaftung und Furcht frei werden muß. Dadurch, daß man Gott sein Leben lang mit Liebe und Hingabe dient und versteht, daß Kṛṣṇa oder Gott das einzige Ziel aller Handlungen ist, kann man diese letzte Lebensstufe, die des sannyāsī, erreichen und furchtlos sterben.

Die Einrichtung der āśramas ist für alle vier Menschengruppen bestimmt. In der Bhagavad-gītā (8.6) teilt Kṛṣṇa uns mit:

yaṁ yaṁ vāpi smaran bhāvam
tyajaty ante kalevaram
taṁ tam evaiti kaunteya
sadā tad-bhāva-bhāvitaḥ

"Den Seinszustand, an den man sich beim Verlassen des Körpers erinnert, wird man ohne Zweifel erreichen."

Deshalb sollte jeder die letzten Jahre seines Lebens in Liebe und Hingabe dem Dienst des Herrn weihen. Doch unglücklicherweise bestehen die Menschen darauf, bis ins hohe Alter hinein ihr Leben daheim zu verbringen. Sie hängen zu sehr an ihrer Arbeit, ihrer Familie, ihrem Heim und so vielen Dingen mehr. Vor allem bei Politikern kann man beobachten, daß sie ihre Position nicht aufgeben wollen, bevor nicht der Tod sie herausreißt oder sie von politischen Gegnern umgebracht werden. Bis zur Stunde des Todes an der Welt zu haften, zeugt von der untersten Stufe des Menschseins. Angesichts dieser Tatsache hat sich die Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein auch die Aufgabe gestellt, die Menschen die Prinzipien des varṇāśrama-dharma zu lehren, um ihnen die spirituelle Befreiung zu ermöglichen. Als Mahārāja Yudhiṣṭhira, ein bedeutender König der vedischen Zeit, seinem Nachfolger Mahārāja Parīkṣit die notwendige Ausbildung erteilt hatte, entsagte er sofort seinem wunderbaren Königreich, seinen Reichtümern, seiner schönen Frau und seinem Hofstaat, um in den Wald zu gehen und sich dort der spirituellen Selbstverwirklichung zu widmen. Leider wissen die Menschen von heute nicht, daß man, um im Augenblick des Todes vollständige Befreiung zu erlangen, alle materielle Anhaftung hinter sich gelassen haben muß, da man sonst gezwungen ist, erneut geboren zu werden und ein von der Materie bedingtes Dasein zu führen. Alle unsere Handlungen sind sinnlos, wenn sie uns nicht zur Gotteserkenntnis führen.

Gefährliche Gegenströmungen

Das varṇāśrama-System ist weit davon entfernt, die künstliche Herrschaft einer Gesellschaftsklasse über eine andere anzustreben, sondern fördert vielmehr die Zusammenarbeit aller Menschenklassen zu Gottes Zufriedenheit. Sobald die Menschen, die zu sehr an materiellen Freuden hängen, das wahre Ziel des Daseins, nämlich Selbstverwirklichung, vergessen, werden die Selbstsüchtigsten unter ihnen die Schwächeren ausbeuten und unterdrücken.

Im gegenwärtigen Zeitalter ist der Mensch nicht nur das Opfer zahlreicher politischer Bewegungen geworden, sondern auch das Opfer gewaltiger trügerischer Freuden, die ihm angeboten werden. Hinzu kommt eine große Anzahl von Scharlatanen, die neue Religionen erfinden und mit Leichtigkeit Schüler und Mitglieder um sich scharen, vor allem solche, die der Sinnenfreude nachjagen und unter dem Deckmantel der Frömmigkeit allen möglichen sündigen Handlungen nachgehen. Die brahmacārīs oder Studierenden, die Enthaltsamkeit üben, und die ghasthas oder Ehepaare, die vedische Regulierungen einhalten, wie auch die anderen Lebensstufen gibt es heute alle nicht mehr. Die Paare von heute ziehen es vor, ohne jede Verantwortlichkeit, außerehelich zusammenzuleben, um bei der geringsten Meinungsverschiedenheit einfach auseinandergehen zu können. Im gegenwärtigen Kali-Zeitalter verleugnen so gut wie alle Menschen die Existenz Gottes. Der Mensch mißt den spirituellen Werten keine Bedeutung mehr bei und ist dem uneingeschränkten Sinnengenuß verfallen. Zur Aufrechterhaltung dieser materialistischen Gesellschaft hat er eine bis zum Unsinnigen komplizierte Welt geschaffen, deren krankhafte Ziele blutige Kriege erzeugen oder kalte Kriege, die an Spannungen ständig zunehmen. Und so ist es sehr schwierig geworden, das spirituelle Bewußtsein der Menschheit anzuheben, da bereits die notwendigen Wertbegriffe fast völlig entstellt sind. Die Menschen haben vergessen, daß ihr wahres Interesse im spirituellen Fortschritt liegt, und versuchen im Gegenteil, aus ihrer materialistischen Zivilisation Zufriedenheit zu erfahren, ohne jedoch Erfolg zu haben. Ebensowenig, wie die heutigen Staatsoberhäupter wissen, wie man im spirituellen Leben voranschreitet, wissen sie, wie man materielles Glück erreicht. Eine fähige brāhmaṇa-Klasse indes kann mit Hilfe des varṇāśrama-dharma die Menschen zur Vollkommenheit des Lebens führen.

Wirksamste politische Arbeit - spirituelle Massendemonstrationen

Die vedischen Schriften empfehlen den Menschen des gegenwärtigen Kali-Zeitalters, saṅkīrtana durchzuführen, das heißt den Vorgang zur Selbstverwirklichung, der darin besteht, die heiligen Namen Gottes zu chanten, wodurch man gleichzeitig die brahmanischen Eigenschaften entwickelt. Darüber hinaus muß der Mensch folgende regulierende Prinzipien einhalten: kein Fleisch essen, keine unerlaubte Sexualität haben, keine Rauschmittel zu sich nehmen und an keinerlei Glücksspiel teilnehmen. Durch diesen Vorgang können so gut wie alle Menschen ein spirituelles Leben führen und zum liebevollen Dienst für Gott gelangen. Das einzige Mittel, der Welt zum Frieden zu verhelfen, besteht darin, das Bewußtsein der Menschen zu läutern. Sie müssen von ihrer Geltungssucht, ihren vergeblichen Spekulationen und ihren schlechten Angewohnheiten befreit werden. Die Menschen sehnen sich heute sehr nach Frieden und Brüderlichkeit, doch die Führer wissen leider nicht, daß der einzige Weg, der dorthin führt, die Verbreitung der saṅkīrtana-Bewegung, die gemeinsame Preisung und Verehrung Gottes ist.

Die saṅkīrtana-Bewegung wurde vor fünfhundert Jahren von Śrī Caitanya Mahāprabhu in Indien eingeführt. Jeden Tag führte Er mehr als zehntausend Menschen mit mdaṅga-Trommeln und Zimbeln durch die Straßen der Städte. Ihr Singen und Tanzen bot ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie man die Massen zum spirituellen Leben führen kann. Die Führer aller Länder sollten dieses mächtige spirituelle Mittel nutzen, um eine wunderbare Atmosphäre des Friedens und der Freundschaft in der Gesellschaft zu schaffen, statt die allgemeine Erniedrigung zu fördern, indem sie an den Gedanken eines materialistischen Staates festhalten, der den Atheismus auf allen Ebenen propagiert.

Ein Dasein im Zeichen des Fortschritts

Die Führer müssen sich auch für die Prinzipien der Entsagung, der Reinheit, der Barmherzigkeit und der Rechtschaffenheit auf globaler Ebene einsetzen, und sie müssen gleichzeitig dafür sorgen, daß Prostitution, Berauschung, Kriminalität und ungezügelter Konkurrenzkampf eingedämmt werden, was durch die regulierenden Prinzipien der vedischen Schriften möglich ist. Um den üblen Erscheinungen, wie der wachsenden Korruption, ein Ende zu setzen, sollte der Staat die saṅkīrtana-Bewegung fördern und zur Einführung der Prinzipien des spirituellen Lebens folgende Maßnahmen treffen:

Alle Bürger, die dazu in der Lage sind, sollten die Hälfte ihres Einkommens als Beitrag spenden, damit sowohl auf individueller als auch auf kollektiver Ebene eine vollkommene, spirituelle Atmosphäre in der Gesellschaft geschaffen werden kann. Eine spirituelle Atmosphäre beruht auf folgenden Faktoren:

  1. Jeder handelt im vollen Bewußtsein der Tatsache, daß Gott derjenige ist, der die Früchte all unserer Handlungen genießt, und praktiziert auf diese Weise karma-yoga.
  2. Man hört regelmäßig Lesungen aus dem Śrīmad-Bhāgavatam von einer autorisierten Person, die von jedem persönlichen Interesse frei ist und die Schriften nicht verleugnet oder verfälscht.

  3. Man lobpreist die höchste Person im Rahmen großer öffentlicher Festlichkeiten, bei denen man die heiligen Namen Gottes singt.
  4. Man hilft und dient denen, die sich ganz und gar der Verbreitung der Botschaft des Śrīmad-Bhāgavatam hingeben.

  5. Man lebt in einer spirituellen Umgebung, die von Gottesbewußtsein durchdrungen ist. Außerdem ist die Regierung dazu verpflichtet, die Botschaft der vedischen Schriften, wie die Bhagavad-gītā und das Śrīmad-Bhāgavatam, zu propagieren, da diese die vollkommene Wissenschaft von der spirituellen Selbstverwirklichung enthalten.

Um Enthaltsamkeit zu lehren und so die Anhaftung an materielle Freuden zu vermindern, ist die Einführung zweier Fastentage im Monat angebracht. Dies hat nicht nur eine äußerst günstige Wirkung auf die Gesundheit der Menschen, sondern man spart durch solche Einschränkung auch tonnenweise Nahrungsmittel.

Die gemeinsame Erziehung von Jungen und Mädchen birgt nur dann keine Gefahr, wenn beide, sobald sie das Alter von 24 bzw. 16 Jahren erreicht haben und sich zum anderen Geschlecht hingezogen fühlen, verheiratet werden. Wenn hierauf nicht geachtet wird, bringt die Vermischung der Geschlechter unerlaubte Beziehungen mit sich. Was die Scheidung anbelangt, so wird sie abgelehnt, da auch sie zu unzulässigen sexuellen Beziehungen anregt.

Die Tötung von Tieren und der Verzehr von Fleisch wie auch alle Arten von Berauschung müssen verboten werden.
Man muß verstehen, daß alle Arten der Spekulation, vor allem in Form von Glücksspiel und auf dem Gebiet der Finanzgeschäfte, den Verfall der Gesellschaft fördern und daß die Redlichkeit bald verschwindet, wenn man sie duldet. Zur Vereinfachung des Handels sollte wieder Gold eingeführt werden, jedoch mit äußerster Vorsicht, da es oft ein Objekt der Habgier wird, und man muß darauf achten, daß es nicht Rivalität, Neid, Heuchelei, Prostitution, Gier, Feindseligkeit oder Betrug begünstigt. Das Geld, das sich derzeit im Umlauf befindet, hat keine Deckung von gleichem Wert in Form von Gold, woraus Wertschwankungen entstehen, die zu Inflation führen. Diese wiederum führt dazu, daß die Preise erhöht werden, damit die verursachte Entwertung ausgeglichen wird und läßt außerdem einen Mangel an Vertrauen entstehen, was wiederum den wirtschaftlichen Austauschhandel stark belastet. Die Schönheit und der Wert des Goldes sind überall bekannt. Wenn deshalb dieses wertvolle Metall unnötigerweise in den Staatsreserven gespeichert wird, statt gebraucht zu werden, nehmen Habgier, Prostitution und Mißgunst in der Gesellschaft zu, oder die Bürger verlangen lautstark nach stabilen und sicheren Werten. Das Mittel, diesen Zuständen vorzubeugen, besteht darin, das Gold in reichem Maße als Schmuck zu verteilen und es in Form von Geld direkt im Handel zu benutzen. Da die Gesellschaft nur in einer gottesbewußten Atmosphäre friedvoll zusammenwirken kann, wird den Verdienenden von den vedischen Schriften empfohlen, ihre Güter folgendermaßen aufzuteilen: 50 Prozent für die Verbreitung von Gottesbewußtsein, 25 Prozent für die Bedürfnisse ihrer Familien und 25 Prozent für persönliche Notfälle.

Durch die Beachtung aller erwähnten Faktoren wird jede Gefahr der Korruption und des Betrugs gebannt, und der Versuch, eine Regierung von Blinden durch eine andere, ebenso unfähige zu ersetzen, damit die Welt zu Frieden gelangt, wird nicht mehr nötig sein. Die wirtschaftliche Macht und die Vollkommenheit der Gesellschaft muß der Verbreitung der saṅkīrtana-Bewegung förderlich werden, die sich für das Singen der heiligen Namen Gottes einsetzt. Dann wird spirituelle Glückseligkeit die Welt überfluten. Die Allgemeinheit hat gegenwärtig überhaupt kein spirituelles Wissen, und deshalb ist die Verbreitung dieser Botschaft ein großer Segen. Wir müssen uns dafür einsetzen, der Welt die vedische Philosophie und die saṅkīrtana-Bewegung zu geben, damit die Menschen brahmanische Eigenschaften entwickeln und auf diese Weise Frieden in die Welt kommt. Ich bitte Sie ernsthaft, die Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein zu verstehen. Sie werden in ihr Frieden, Freude und Zufriedenheit finden.

Vielen Dank!

Fragen aus der Zuhörerschaft

Zuhörer: Wenn jeder versucht, ein erstklassiger Mensch zu werden, dann werden letzten Endes all die Erstklassigen herumsitzen, und niemand wird Nahrung produzieren. Was soll dann geschehen?
Śrīla Prabhupāda: Warum sollte jeder ein erstklassiger Mensch sein? Wie ich bereits erklärt habe, sind auch die drittklassigen und die viertklassigen Menschen notwendig. Aber alle Klassen sollten zusammenarbeiten.
Zuhörer: Wenn durch die Verbreitung Ihrer Bewegung die ganze Welt Kṛṣṇa-bewußt wird und es nur noch erstklassige Menschen gibt, wer wird dann arbeiten?
Śrīla Prabhupāda: Glauben Sie, wir arbeiten nicht?
Zuhörer: Das habe ich nicht gesagt. Aber wie können Gottgeweihte arbeiten?
Śrīla Prabhupāda: Die Gesellschaft für Kṛṣṇa-Bewußtsein befindet sich auf der transzendentalen Ebene. Das wird in der Bhagavad-gītā (14.26) erklärt:

māṁ ca yo `vyabhicāreṇa
bhakti-yogena sevate
sa guṇān samatītyaitān
brahma-bhūyāya kalpate

"Wer sich völlig im hingebungsvollen Dienst beschäftigt und unter keinen Umständen zu Fall kommt, transzendiert augenblicklich die Erscheinungsweisen der materiellen Natur und erreicht die Ebene des Brahman."

Solange man sich nicht auf der spirituellen Ebene befindet, hat eine solche Unterteilung, wie ich sie erklärte, Gültigkeit, und man spricht von erstklassig, zweitklassig, drittklassig usw. Wenn man aber auf die spirituelle Ebene gelangt, wo sich jeder auf der gleichen Stufe befindet, kann man tätig sein, ohne daß es solche Unterschiede gibt wie brāhmaṇa, katriya, vaiśya und śūdra. Die Gottgeweihten sind alle tätig, doch im Grunde ist jeder von ihnen vaiṇava, da sich jeder dem hingebungsvollen Dienst des Herrn widmet. Das ist ihre Beschäftigung.


Zuhörer: Aber als Vaiṣṇava können Sie zum Beispiel keine Straßen fegen.
Śrīla Prabhupāda: Warum nicht? Für Kṛṣṇa können wir alles tun. Arjuna kämpfte wie ein katriya und war doch gleichzeitig ein Gottgeweihter. Ein Gottgeweihter steht, obwohl er als katriya, brāhmaṇa
oder śūdra handeln mag, über dieser Ebene. Die Gottgeweihten können also für Kṛṣṇa alles tun. Es spielt keine Rolle, ob es sich dabei um die Tätigkeit eines śūdra oder um die eines brāhmaṇa handelt.
Zuhörer: Aber dann möchte ich gerne wissen, warum diese Unterteilung überhaupt besteht?
Śrīla Prabhupāda: Diese Unterteilung ist vorhanden, solange man kein Gottgeweihter ist. Man muß diese Unterteilung treffen, da bereits eine Unterteilung besteht.
Zuhörer:
Aber warum muß man unterteilen?
Śrīla Prabhupāda: Warum? - Weil es diese Unterteilung bereits gibt. Es gibt drittklassige Menschen, viertklassige Menschen usw. Wie können Sie sagen "warum"?
Zuhörer: Weil ich nicht weiß, warum ich unterscheiden sollte.
Śrīla Prabhupāda: Glauben Sie denn, jeder sei ein erstklassiger Mensch?
Zuhörer: Das habe ich nicht gesagt.
Śrīla Prabhupāda: Deshalb muß man unterscheiden: Ein erstklassiger Mensch sollte so sein, ein zweitklassiger Mensch sollte so sein usw. Es gibt bereits Erstklassige, Zweitklassige, Drittklassige und Viertklassige.
Zuhörer: Und Sie behaupten also, Sie seien ein erstklassiger Mensch?
Śrīla Prabhupāda: Ich bin ein fünftklassiger Mensch. Ich behaupte gar nichts. Ich bin nämlich der Diener eines jeden, auch ein Diener des viertklassigen Menschen.
Zuhörer: Aber nach allem, was ich verstanden habe, müßten Sie doch ein erstklassiger Mensch sein.
Śrīla Prabhupāda: Nein. Sie mögen vielleicht sagen, ich sei ein erstklassiger Mensch, doch ich halte mich für fünftklassig.
Zuhörer: Eine andere Frage: Was halten Sie von Demokratie?
Śrīla Prabhupāda: Nun, Demokratie bedeutet, daß jeder seine Stimme zur Wahl abgibt. Aber derjenige, der die Stimmenmehrheit erhält, ist vielleicht gar nicht richtig geschult. Es gibt also einen Gefahrenmoment bei der Demokratie. In Amerika zum Beispiel hat sich dies gerade in jüngster Zeit häufig erwiesen. Wie jeder weiß, werden einer solch hochstehenden Persönlichkeit wie Präsident Nixon etliche Vergehen vorgeworfen. Das zeugt von den Mängeln der Demokratie. Durch einfache Stimmenabgaben wählt man leicht jemanden, dem man später vielleicht vielerlei Vergehen vorwerfen muß. Daher muß die verwaltende Klasse der Menschen geschult sein, wie in der Bhagavad-gītā erklärt wird: auryam tejo dhtir dākyam usw. Wenn man, ohne geschult zu sein, einfach durch bloße Stimmenmehrheit zu einer hohen Stellung gelangt, wird das seine Folgen haben. So viele Präsidenten wurden gewählt und später kritisiert. Das ist der Mangel der Demokratie.

2. Marx, Lenin oder Kṛṣṇa?

Die natürlichen Unterschiede

Śyāmasundara: Karl Marx behauptet, Philosophen hätten die Welt nur interpretiert, es komme aber darauf an, sie zu verändern. Seine Philosophie wird oft als "dialektischer Materialismus" bezeichnet, da sie von der Dialektik Georg W. F. Hegels (These, Antithese, Synthese) ausgeht. Auf die Gesellschaft angewandt, ist seine Philosophie als "Kommunismus" bekannt. Seine Vorstellung ist die, daß viele Generationen hindurch die Bourgeoisie, die besitzende Klasse, mit dem Proletariat, der Arbeiterklasse, gerungen habe und daß dieser Konflikt in der kommunistischen Gesellschaft enden werde. Die Arbeiter wollen nämlich die Kapitalisten stürzen und eine sogenannte Diktatur des Proletariats errichten, die sich dann zu einer klassenlosen Gesellschaft formt.
Śrīla Prabhupāda: Wie soll aber eine klassenlose Gesellschaft überhaupt möglich sein? Die Menschheit gliedert sich von Natur aus in unterschiedliche Klassen. Dein Wesen unterscheidet sich von meinem - wie können wir also künstlich auf dieselbe Ebene gebracht werden?
Śyāmasundara: Nach der Vorstellung von Marx wird das Wesen des Menschen oder werden seine Vorstellungen von den Produktionsmitteln geformt. Deshalb kann jeder geschult werden, an der klassenlosen Gesellschaft teilzuhaben.
Śrīla Prabhupāda: Dann ist also Schulung erforderlich?
Śyāmasundara: Ja.
Śrīla Prabhupāda: Was wird den Mittelpunkt dieser Schulung einer klassenlosen Gesellschaft bilden? Was wird das Motto sein?
Śyāmasundara: Das Motto lautet "von jedem nach seiner Fähigkeit und für jeden nach seinem Bedarf". Der Gedanke dabei ist, daß jeder seinen Teil beisteuert und bekommt, was er benötigt.
Śrīla Prabhupāda: Aber der Beitrag eines jeden ist unterschiedlich. Ein Wissenschaftler z. B. steuert etwas anderes bei als ein Philosoph. Die Kuh gibt Milch, und der Hund leistet Dienste als Wachhund. Selbst die Bäume, die Vögel, die Raubtiere geben ihren bestimmten Anteil - jedes Lebewesen. Von Natur aus ist also bereits eine wechselseitige Organisation von Gesellschaftsklassen vorhanden. Wie könnte es daher eine klassenlose Gesellschaft geben? Śyāmasundara: Nun, nach Marxens Vorstellungen wären im Idealfall die Produktionsmittel Gemeingut. Niemand hätte einen persönlichen Vorteil, und so könnte kein Mensch einen anderen ausbeuten. Marxens Denken richtet sich nach Gewinn.
Śrīla Prabhupāda: Zunächst müssen wir definieren, was Gewinn eigentlich ist. Die amerikanischen Hippies z. B. hatten "Gewinn". Sie stammten aus den besten Familien, ihre Väter waren reich -sie hatten alles, und doch waren sie nicht zufrieden. Sie wiesen all diese Dinge von sich. Nein, diese Vorstellung von einer klassenlosen Gesellschaft, die auf Gewinnverteilung beruht, ist unvollkommen. Die sogenannten Kommunisten haben jedenfalls bisher keine klassenlose Gesellschaft geschaffen. Wir haben in Moskau gesehen, wie eine arme Frau die Straßen kehrte, während ihr Chef bequem in seinem Wagen saß. Wo also ist die klassenlose Gesellschaft? Solange eine Gesellschaft besteht, muß es höhere und niedere Klassen geben. Doch wenn es einen Mittelpunkt der Gesellschaft gibt, dann macht es nichts aus, ob man in einer niedrigeren oder einer höheren Stellung arbeitet. Zum Beispiel hat unser Körper unterschiedliche Teile - den Kopf, die Beine, die Hände -, aber alle arbeiten für den Magen.
Śyāmasundara: Im Grunde haben die Sowjets angeblich dieselbe Vorstellung: Sie behaupten, der gemeine Arbeiter sei ebenso glorreich wie der Spitzenwissenschaftler oder der Manager.
Śrīla Prabhupāda: Aber in Moskau haben wir gesehen, daß nicht jeder zufrieden ist. Ein Junge, der uns besuchte, war sehr unglücklich, weil es in der Sowjetunion den Jugendlichen nicht erlaubt ist, abends auszugehen.
Śyāmasundara: Die sowjetischen Autoritäten würden sagen, er habe ein unrichtiges Verständnis von der marxistischen Philosophie.
Śrīla Prabhupāda: Dieses "unrichtige Verständnis" ist unvermeidlich. Es wird niemals möglich sein, eine klassenlose Gesellschaft zu schaffen, da, wie ich bereits erklärt habe, die Mentalität eines jeden Individuums verschieden ist.

Unfähige Führer der Gesellschaft

Śyāmasundara: Marx sagt, wenn jeder sich seinen Fähigkeiten entsprechend einer bestimmten Art der Produktion widme und für das zentrale Interesse arbeite, dann würden die Vorstellungen jedes Individuums einheitlich werden.
Śrīla Prabhupāda: Deshalb müssen wir das wirkliche zentrale Interesse herausfinden. In unserer Internationalen Gesellschaft für Krischna-Bewußtsein hat jeder ein zentrales Interesse an Kṛṣṇa. Deshalb hält einer Reden; ein anderer tippt; wieder ein anderer geht zur Druckerei oder wäscht das Geschirr, und niemand ärgert sich, da alle in dem Bewußtsein handeln, Kṛṣṇa zu dienen.
Śyāmasundara:
Nach Marxens Vorstellungen ist der Staat der Mittelpunkt.
Śrīla Prabhupāda: Aber der Staat kann nicht vollkommen sein. Wäre der russische Staat vollkommen, hätte man Chruschtschow nicht der Macht enthoben. Er war gewählter Minister. Warum wurde er der Macht enthoben?
Śyāmasundara: Weil er nicht die Ziele des Volkes wahrnahm.
Śrīla Prabhupāda: Wer garantiert aber, daß der nächste Minister das tun wird? Es gibt keine Garantie. Es wird immer und immer wieder das gleiche geschehen. Weil der Mittelpunkt, Chruschtschow, unvollkommen war, grollten die Leute über ihre Arbeit. Das gleiche geschieht auch in nicht-kommunistischen Ländern: Die Regierung wird gewechselt, der Premierminister wird abgesetzt, der Präsident wird angeklagt. Worin also besteht eigentlich der Unterschied zwischen dem russischen Kommunismus und anderen politischen Systemen? Was in anderen Ländern geschieht, ereignet sich auch in der Sowjetunion, nur benennt man es dort anders. Als wir mit Professor Kotowski von der Moskauer Universität sprachen, sagten wir ihm, er müsse sich auf jeden Fall irgend jemandem ergeben -entweder Kṛṣṇa oder Lenin -, aber er müsse sich jemandem unterordnen. Darüber war er fassungslos.

Materialismus bedeutet Ausbeutung

Śyāmasundara: Aus seinem Studium der Geschichte folgerte Marx, die Merkmale der Kultur, die Gesellschaftsstruktur und selbst die Gedanken der Menschen würden von den Mitteln wirtschaftlicher Produktion bestimmt.
Śrīla Prabhupāda: Wie erklärt er dann die gesellschaftliche Zerrissenheit in Ländern wie Amerika, die doch auf dem Gebiet der Wirtschaftsproduktion so fortgeschritten sind?
Śyāmasundara: Er sagt, der Kapitalismus stelle eine dekadente Form wirtschaftlicher Produktion dar, da er sich auf die Ausbeutung einer Klasse durch eine andere stütze.
Śrīla Prabhupāda: Aber Ausbeutung gibt es auch in den kommunistischen Ländern. Chruschtschow wurde der Macht enthoben, weil er seine Stellung ausnutzte. Er verlieh seinem Sohn und seinem Schwiegersohn hohe Regierungsämter.
Śyāmasundara: Er wich von der Doktrin ab.
Śrīla Prabhupāda: Aber bei jedem Führer besteht diese Gefahr. Wie soll dann Vollkommenheit entstehen? Zuerst muß die Person im Mittelpunkt vollkommen sein; dann werden ihre Anordnungen richtig sein. Andernfalls, wenn die Führer alle unvollkommen sind, was nützt es dann, dieses oder jenes zu ändern? Die Korruption wird bleiben.
Śyāmasundara: Der vollkommene Führer wäre wohl derjenige, der Marxens Philosophie ohne Abweichung verwirklichte.
Śrīla Prabhupāda: Auch die Philosophie von Marx ist unvollkommen! Sein Entwurf einer klassenlosen Gesellschaft ist undurchführbar. Es muß eine Klasse von Menschen geben, die die Regierung verwaltet, und eine andere Klasse, die die Straßen kehrt. Wie kann es eine klassenlose Gesellschaft geben? Warum sollte ein Straßenkehrer zufrieden sein, jemand anders in der Regierungsstellung zu sehen? Er wird denken: "Er zwingt mich zu arbeiten, während er selbst bequem in einem Sessel sitzt." In einer Gesellschaft von Gottgeweihten hat der guru die höchste Stellung inne, und seine Schüler dienen ihm. Warum? Weil sie einen vollkommenen Menschen sehen, dem sie folgen können. Diese Einstellung muß vorhanden sein. Jeder in der Gesellschaft muß sagen können: "Ja, hier ist ein vollkommener Mensch. Laßt ihn auf einem Sessel sitzen; laßt uns alle niederknien und arbeiten wie Diener". Wo ist dieser vollkommene Mann in den kommunistischen Ländern?
Śyāmasundara: Die Sowjets behaupten, Lenin sei ein vollkommener Mensch gewesen.
Śrīla Prabhupāda: Lenin? Aber niemand folgt Lenin. Lenins einzige Vollkommenheit war es, daß er die Zarenregierung stürzte. Welche weitere Vollkommenheit hatte er vorzuweisen? Die Leute sind nicht glücklich, nur weil sie Lenins Bücher lesen. Ich habe mir die Leute in Moskau angesehen. Sie sind unglücklich. Die Regierung kann sie nicht künstlich zwingen, glücklich zu sein. Solange kein vollkommener, vorbildlicher Mensch im Mittelpunkt steht, kann es unmöglich eine klassenlose Gesellschaft geben.
Śyāmasundara: Vielleicht sehen die Marxisten die Arbeiter und Manager in der gleichen Weise, wie wir es tun -im absoluten Sinne. Demnach ist, da jeder dem Staat dient, der Straßenfeger so gut wie der Regierende.
Śrīla Prabhupāda: Solange der Staat den Menschen keine vollkommene Zufriedenheit gibt, wird es immer Unterschiede zwischen höheren und niederen Klassen geben. Im Sowjetstaat fehlt es an diesem Sinn für die Vollkommenheit im Mittelpunkt.

Essen ist nicht genug für den Menschen

Śyāmasundara: Ihr Ziel ist die Produktion materieller Güter zur Erhöhung menschlichen Wohlergehens.
Śrīla Prabhupāda: Das ist nutzlos! Die Wirtschaftsproduktion in Amerika hat auf der Welt nicht ihresgleichen, und doch sind die Menschen nicht zufrieden. Die jungen Leute sind verwirrt. Es ist unsinnig zu denken, nur durch die Steigerung der Produktion werde jeder zufrieden. Niemand wird dadurch zufriedengestellt. Der Mensch ist nicht nur zum Essen bestimmt. Er hat geistige Bedürfnisse, intellektuelle Bedürfnisse, spirituelle Bedürfnisse. In Indien sitzen viele Weise schweigend und allein im Dschungel und praktizieren yoga. Sie benötigen nichts. Wie könnte eine gesteigerte Produktion ihnen Befriedigung geben? Würde jemand zu ihnen sagen "Wenn du diese Ausübung von yoga aufgibst, werde ich dir 200 Säcke Reis geben", würden sie über den Vorschlag lachen. Es ist tierisch, zu denken, nur durch die Steigerung der Produktion werde jeder zufrieden. Wirkliches Glück hängt weder von Produktion noch von Knappheit ab, sondern von innerem Frieden. Ein Beispiel: Wenn ein Kind weint, aber die Mutter nicht weiß, weshalb, wird das Kind nicht aufhören zu weinen, nur weil man ihm etwas Milch gibt. Das geschieht tatsächlich manchmal: Die Mutter begreift nicht, warum ihr Kind weint, und obwohl sie ihm die Brust gibt, weint es weiter. Ebenso wird Unzufriedenheit in der menschlichen Gesellschaft nicht lediglich durch eine zu niedrige Wirtschaftsproduktion verursacht. Es gibt viele Gründe der Unzufriedenheit. Das praktische Beispiel ist Amerika, wo von allem genügend produziert wird und dennoch die jungen Leute Hippies werden. -Sie sind unzufrieden, verwirrt. Eine Steigerung der wirtschaftlichen Produktion allein macht die Leute nicht zufrieden.
Śyāmasundara: Ja, es ist recht einleuchtend, daß die Produktion materieller Güter allein die Leute nicht glücklich machen wird.
Śrīla Prabhupāda: Sie wissen nicht, daß wirkliches Glück aus spirituellem Verständnis erwächst. Dieses Verständnis wird in der Bhagavad-gītā (5.29) gegeben: Gott ist der höchste Genießer, und Er ist der Besitzer aller Dinge. Wir sind im Grunde keine Genießer; wir sind alle Arbeiter. Diese beiden müssen vorhanden sein: ein Genießer und ein Arbeiter. Bei unserem Körper z. B. ist der Magen der Genießer, und alle anderen Teile des Körpers sind Arbeiter. Dieses System ist also natürlich. Es muß immer jemanden geben, der genießt, und jemanden, der arbeitet. Auch im gegenwärtigen kapitalistischen System verhält es sich so. In der Sowjetunion gibt es ständig Konflikte zwischen den Verwaltern und den Arbeitern. Die Arbeiter sagen: "Wenn das hier eine klassenlose Gesellschaft ist, warum sitzt dann dieser Mann in einem bequemen Sessel und befiehlt uns zu arbeiten?" Den Russen ist es nicht gelungen, dieses Dilemma zu umgehen, denn es läßt sich nicht umgehen. Es muß immer eine Klasse von Menschen geben, die die Anleitenden oder Genießer sind, und eine andere Klasse von Menschen, die die Arbeit verrichtet. Deshalb besteht der einzige Weg, eine wahrhaft klassenlose Gesellschaft zu schaffen, darin, die Methode zu finden, durch die sowohl die Verwalter als auch die Arbeiter gleiches Glück erfahren. Wenn z. B. der Magen hungrig ist und die Augen etwas zu essen sehen, wird das Gehirn sofort sagen "O Beine, bitte geht dort hin!" und "Hand, hebe es auf! Und nun schiebe es bitte in den Mund". Sofort gelangt das Essen in den Magen, und sobald der Magen zufrieden ist, sind die Augen zufrieden, sind die Beine zufrieden und ist die Hand zufrieden.
Śyāmasundara: Marx wiederum würde das als ein vollkommenes Beispiel für Kommunismus gebrauchen.
Śrīla Prabhupāda: Aber er hat es unterlassen, den wirklichen Magen herauszufinden.
Śyāmasundara:
Für ihn ist es der materielle Magen.
Śrīla Prabhupāda: Aber der materielle Magen ist immer wieder hungrig; er läßt sich niemals zufriedenstellen. In der Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein haben wir die Substanz zur Ernährung des Gehirns, des Denkens und der Seele: Yasya prasādād bhagavatprasādaḥ. -Wenn der spirituelle Meister zufrieden ist, dann ist Kṛṣṇa zufrieden, und wenn Kṛṣṇa zufrieden ist, dann ist jeder zufrieden. Deshalb sollte jeder versuchen, den echten guru oder spirituellen Meister zu erfreuen. Könnten die kommunistischen Länder einen Diktator vorweisen, der, wenn er zufrieden ist, von allein allen Leuten Zufriedenheit gibt, würden wir eine solche klassenlose Gesellschaft anerkennen. Aber das ist unmöglich. Eine klassenlose Gesellschaft ist nur möglich, wenn Kṛṣṇa im Mittelpunkt steht. Zur Zufriedenheit Kṛṣṇas kann der Intellektuelle auf seine Weise arbeiten, der Verwalter auf seine Weise, der Handeltreibende auf seine Weise und der Arbeiter auf seine Weise. Das ist eine wirklich klassenlose Gesellschaft.

Ein Zwangssystem

Śyāmasundara: Wie unterscheidet sich diese Gesellschaft von der in einem kommunistischen Land, in dem alle Arten von Menschen dem gleichen zentralen Ziel, nämlich dem Staat, ihren Beitrag liefern?
Śrīla Prabhupāda: Der Unterschied besteht darin, daß niemand freiwillig etwas für den Staat tun wird, wenn der Staat nicht vollkommen ist. Die Bürger mögen gezwungen werden, etwas beizutragen, aber freiwillig werden sie nichts geben, solange nicht ein vollkommener Staat im Mittelpunkt steht. Die Hände, die Beine, und das Gehirn arbeiten z. B. in vollkommener Harmonie zur Zufriedenstellung des Magens. Warum? - Weil sie keinen Zweifel daran haben, daß sie durch die Zufriedenstellung des Magens alle an der Energie teilhaben und ebenfalls zufrieden werden. Solange deshalb die Leute nicht diese Art vollkommenen Vertrauens in den Führer des Landes haben, besteht keine Möglichkeit einer klassenlosen Gesellschaft.
Śyāmasundara: Die Kommunisten theoretisieren, daß der Arbeiter, wenn er seinen Beitrag für das zentrale Kapital leiste, zufrieden werde.
Śrīla Prabhupāda: Ja, aber wenn er Unvollkommenheit im Mittelpunkt sieht, wird er nicht mit Begeisterung arbeiten, da er nicht glauben wird, daß er völlige Zufriedenheit bekommt. Diese Vollkommenheit das Staates wird niemals existieren, und deshalb werden die Arbeiter immer unzufrieden bleiben.
Śyāmasundara: Die Propagandisten treiben ihr Spiel mit dieser Unzufriedenheit und verbreiten unter den Leuten, daß Ausländer schuldig daran seien.
Śrīla Prabhupāda: Aber wenn die Leute wirklich zufrieden wären, könnten sie nicht von Außenstehenden beeinflußt werden. Wenn du zufrieden bist, weil dein spiritueller Meister vollkommen ist -weil er dich gut anleitet -, wirst du dich dann von Außenstehenden beeinflussen lassen?
Śyāmasundara: Nein.
Śrīla Prabhupāda: Weil der kommunistische Staat niemals vollkommen sein wird, besteht in ihm keine Möglichkeit einer klassenlosen Gesellschaft.

Unumgänglicher Neid

Śyāmasundara: Marx untersuchte die Weltgeschichte und bemerkte, daß zur Zeit der Griechen, zur Zeit der Römer und im Mittelalter immer Sklaven zur Produktion nötig waren.
Śrīla Prabhupāda: Auch die Sowjets schaffen Sklaven: die Arbeiterklasse. Josef Stalin blieb nur dadurch an der Macht, daß er alle seine Feinde ermorden ließ. Er tötete so viele Menschen, daß er in der Geschichtsschreibung als der größte Verbrecher gilt. Zweifellos war er unvollkommen, und doch hatte er die Stellung des Diktators, und die Leute waren gezwungen, ihm zu gehorchen.
Śyāmasundara:
Seine Nachfolger kritisierten ihn öffentlich.
Śrīla Prabhupāda: Das ist alles gut und schön, aber auch seine Nachfolger verdienen es, öffentlich kritisiert zu werden. In jeder Gesellschaft muß es Führer, Verwalter und Arbeiter geben, aber alle sollten so zufrieden sein, daß sie den Unterschied vergessen.
Śyāmasundara: Kein Neid also.
Śrīla Prabhupāda: Ja, es sollte keinen Neid geben. Aber diese Vollkommenheit ist in der materiellen Welt nicht möglich. Deshalb sind Marxens Theorien nutzlos.
Śyāmasundara: Aber auf der anderen Seite machen auch die Kapitalisten ihre Arbeiter zu Sklaven.
Śrīla Prabhupāda: Ja, überall, wo es materialistische Tätigkeiten gibt, muß es Unvollkommenheit geben. Wenn aber die Menschen Kṛṣṇa zum Mittelpunkt machen, werden alle Probleme gelöst werden.
Śyāmasundara: Du meinst, daß jedes System der Organisation von Produktionsmitteln unweigerlich von Ausbeutung geprägt sein müsse?
Śrīla Prabhupāda: Ja -zweifellos! Materialistisches Bewußtsein bedeutet Ausbeutung.
Śyāmasundara:
Was ist dann die Lösung?
Śrīla Prabhupāda: Kṛṣṇa-Bewußtsein!

Die klassenlose Gesellschaft in der transzendentalen Welt

Śrīla Prabhupāda: Macht einfach Kṛṣṇa zum Mittelpunkt, und arbeitet für Ihn. Dann wird jeder zufrieden werden, wie im Vierten Canto des Śrīmad-Bhāgavatam (4.31.14) erklärt wird:

yathā taror mūla-niṣecanena
tṛpyanti tat-skandha-bhujopaśākhāḥ
prāṇopahārāc ca yathendriyāṇāṁ
tathaiva sarvārhaṇam acyutejyā

Wenn man einfach die Wurzel eines Baumes mit Wasser begießt, werden alle Äste, Zweige, Blätter und Blüten genährt. Ebenso kann jeder einfach durch acyutejyā zufrieden werden. Acyuta bedeutet "unfehlbarer Kṛṣṇa" und ijyā bedeutet "Verehrung". Die Formel für eine klassenlose Gesellschaft lautet daher: Macht Kṛṣṇa, Gott, zum Mittelpunkt, und tut alles für ihn. -Es gibt keine Klassen in unserer Internationalen Gesellschaft für Krischna-Bewußtsein. Im Augenblick schreibst du über Philosophie, aber wenn ich möchte, daß du Geschirr wäschst, wirst du dies sogleich tun, weil du weißt, daß du bei allem, was du tust, für Kṛṣṇa und für deinen spirituellen Meister tätig bist. In der materiellen Welt haben unterschiedliche Arten der Tätigkeit unterschiedlichen Wert, aber im Kṛṣṇa-Bewußtsein wird alles auf der absoluten Ebene getan. Ob du Geschirr wäschst oder Bücher schreibst oder die transzendentale Bildgestalt Gottes verehrst - der Wert ist der gleiche, da du Kṛṣṇa dienst. Das ist eine klassenlose Gesellschaft. Im Grunde befindet sich die vollkommene klassenlose Gesellschaft in Vṛndāvana.1 In Vṛndāvana sind einige Lebewesen Kuhhirtenjungen, andere sind Kühe, manche sind Bäume, einige sind Väter, einige sind Mütter, doch der Mittelpunkt ist Kṛṣṇa, und jeder ist zufrieden, indem er Ihn einfach liebt. Wenn alle Menschen Kṛṣṇa-bewußt werden und verstehen, wie Kṛṣṇa zu lieben ist, wird eine klassenlose Gesellschaft entstehen. Anders ist es nicht möglich.

1 Vṛndāvana -ein transzendentaler Ort, an dem sich Kṛṣṇa ständig persönlich aufhält.

Die erweiterte Selbstsucht

Śyāmasundara: Marxens Definition von Kommunismus ist "das gemeinsame oder öffentliche Besitzrecht auf die Produktionsmittel und die Aufhebung des Privateigentums". Haben wir in unserer Internationalen Gesellschaft für Krischna-Bewußtsein nicht den gleichen Gedanken? Auch wir sagen doch "Nichts gehört mir".
Śrīla Prabhupāda: Wenn der Kommunismus sagt "Nichts ist mein", meint er damit, daß alles dem Staat gehört. Der Staat jedoch ist nur eine Ausdehnung von "mein". Im gleichen Sinne mag ein Familienoberhaupt sagen: "Ich will nichts für mich, aber ich will viele Dinge für meine Kinder." Mahatma Gandhi, der so viele Opfer brachte, um die Engländer aus Indien zu vertreiben, dachte dabei: "Ich bin ein sehr guter Mensch, denn ich denke nur an die Nation." Deshalb ist der sogenannte Nationalismus wie auch der sogenannte Kommunismus nur eine Ausdehnung unserer Selbstsucht. Das Wesen der Selbstsucht bleibt das gleiche. Ein wirklicher Wandel tritt erst dann ein, wenn wir sagen: "Nichts gehört mir, denn alles gehört Kṛṣṇa, Gott, und deshalb sollte ich alles in Seinem Dienst verwenden."

Bewußtseinsreinigung

Śyāmasundara: Marx sagt, die Kapitalisten seien Parasiten, die auf Kosten der Arbeiter lebten.
Śrīla Prabhupāda: Aber die Kommunisten leben auch auf Kosten der Arbeiter: Die Manager streichen hohe Gehälter ein, während die gemeinen Arbeiter unzufrieden sind. Tatsächlich wird ihre gottlose Gesellschaft immer leidvoller. Solange nicht jeder Gott als den einzigen Genießer anerkennt und sich selbst einfach als Seinen Diener sieht, wird es immer Konflikte geben. Im Grunde genommen unterscheiden sich die Kommunisten von den Kapitalisten nicht, da in keinem dieser Systeme Gott als der höchste Besitzer und Genießer anerkannt wird. Eigentlich gehört weder den Kommunisten noch den Kapitalisten etwas. Alles gehört Gott.
Śyāmasundara: Marx verurteilt die Kapitalisten, weil sie Profit machen. Er sagt, es sei Ausbeutung, Profit zu machen, und die Kapitalisten seien bei der Produktion von Verbrauchswaren überflüssig.
Śrīla Prabhupāda: Das Profitmachen mag falsch sein, aber der Hang zur Ausbeutung ist immer vorhanden, sei es im kommunistischen oder im kapitalistischen System. In Bengalen sagt man, daß die Mücken in der Winterzeit wegen der strengen Kälte nicht aus ihren Schlupfwinkeln kommen können und ganz ausgetrocknet werden, weil sie kein Blut saugen. Doch sobald der Sommer naht, können sich die Mücken wieder hinauswagen und stechen sofort jemanden, um zu ihrer vollen Zufriedenheit sein Blut zu saugen. -Unsere Haltung in der materiellen Welt ist die gleiche: Wir wollen andere ausbeuten und selbst reich werden. Ob man ein Kommunist im Winter oder ein Kapitalist im Sommer ist -man neigt dazu, andere auszubeuten. Solange kein Wandel im Herzen stattfindet, geht dieses Streben nach Ausbeutung immer weiter.
Ich kannte früher einen Fabrikarbeiter, der zu einer guten Summe Geldes gelangte. Schließlich wurde er Besitzer der Fabrik und nutzte sein Glück, um ein Kapitalist zu werden. Henry Ford, der es vom Laufburschen zum Kapitalisten brachte, ist ein weiteres Beispiel. Beispiele dieser Art gibt es viele. In größerem oder kleinerem Ausmaß ist die Neigung, andere auszubeuten und selbst reich zu werden, immer im menschlichen Wesen vorhanden. Solange diese Haltung nicht geändert wird, hat es keinen Sinn, von einer kapitalistischen zu einer kommunistischen Gesellschaft überzuwechseln. Materielles Leben bedeutet, daß jeder nach Gewinn, Bewunderung und einer Stellung trachtet. Durch Drohungen kann der Staat Menschen dazu zwingen, diesen Hang zu unterdrücken - doch wie lange? Kann er mit Gewalt die Geisteshaltung eines jeden ändern? Nein, das ist unmöglich. Deshalb ist die Marxsche Lehre unsinnig.
Śyāmasundara: Marx glaubt, die Geisteshaltung der Menschen lasse sich durch erzwungene Umstände ändern.
Śrīla Prabhupāda: Das ist nicht möglich. Selbst ein Kind kann nicht durch Gewalt überzeugt werden, ganz zu schweigen von einem reifen, gebildeten Menschen. Wir aber haben den Vorgang, der die Geisteshaltung der Menschen zu ändern vermag: Das Chanten des Hare-Kṛṣṇa-mantra. Ceto darpaṇa mārjanam. Dieser Vorgang reinigt das Herz von materiellen Begierden (Śikṣāṣṭakam, 1. Vers).
Wir haben gesehen, daß die Menschen in Moskau nicht glücklich sind. Sie warten nur auf eine weitere Revolution. Wir sprachen zum Beispiel mit einem Jungen aus der Arbeiterklasse, der uns erzählte, wie unglücklich er sei. Wenn man einen Topf Reis kocht, kann man ein Reiskorn herausnehmen und es zwischen den Fingern quetschen, und wenn es weich ist, weiß man, daß der ganze Reis gar ist. Ebenso können wir die Lage des russischen Volkes am Beispiel dieses Jungen verstehen. Wir erhielten auch weitere Eindrücke durch Gespräche mit Professor Kotowski von der Indienabteilung der Universität Moskau. -Wie töricht er doch war! Er sagte, nach dem Tod sei alles vorbei. Wenn das sein Wissen darstellt, und wenn jener Jugendliche ein Beispiel für die Bevölkerung ist, dann ist die Situation in der Sowjetunion eine sehr traurige. Man mag über so viele Dinge theoretisieren, aber wir konnten in Moskau nicht einmal genügend Nahrungsmittel kaufen. Es gab dort kein Gemüse, kein Obst, keinen Reis, und die Milch war von erbärmlicher Qualität. Hätte ein Herr aus Madras uns nicht etwas Erbsen und Reis gegeben, dann hätten wir sozusagen hungern müssen. Die Kost der Sowjets scheint nur aus Alkohol und Fleisch zu bestehen.
Śyāmasundara:
Die Kommunisten nutzen das besagte allgemeine Gewinnstreben. Der Arbeiter, der die meisten Einzelteile in der Fabrik herstellt, wird vom Staat gerühmt oder bekommt eine kleine Prämie.
Śrīla Prabhupāda: Warum soll er eine Prämie bekommen?
Śyāmasundara: Damit er angespornt wird, hart zu arbeiten.
Śrīla Prabhupāda: Nur um seinen Hang, andere zu beherrschen und Gewinn zu machen, zu befriedigen, bestechen ihn seine Vorgesetzten. Die Gedanken der russischen Kommunisten wären sehr gut, wenn die Bürger nicht nach Gewinn trachteten. Aber das ist unmöglich, da jeder nach Profit strebt. Der Staat kann diese Tendenz weder durch Gesetz noch durch Gewalt beseitigen.

Gold, das zu Sand wird

Śyāmasundara: Die Kommunisten versuchen, alles zu zentralisieren: Geld, Kommunikationsmittel und Transport -alles soll in die Hände des Staates gelegt werden.
Śrīla Prabhupāda: Aber was für ein Nutzen soll sich daraus ergeben? Sobald aller Reichtum zentralisiert ist, werden es sich die Mitglieder der Zentralregierung aneignen, wie Chruschtschow es tat. Das sind alles nutzlose Vorstellungen, solange der Hang zur Ausbeutung nicht geändert wird. Die Russen haben ihr Land nach Marxens Theorien organisiert, und doch haben sich alle Führer als Betrüger herausgestellt. Wo ist ihr Programm zur Reformation dieses Betrugssinns?
Śyāmasundara:
Ihr Programm sieht vor, daß erst die gesellschaftlichen Zustände geändert werden, und dann, so glauben sie, werde sich die selbstsüchtige Geisteshaltung von selbst ändern.
Śrīla Prabhupāda:
Das ist völlig unmöglich. Solche Druckmaßnahmen werden nur eine Reaktion in Form einer weiteren Revolution verursachen.
Śyāmasundara: Meinst du, daß erst die Geisteshaltung der Leute geändert werden muß und daß dann ein Umschwung im Gesellschaftsgefüge ganz natürlich folgen wird?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Aber die Führer werden niemals in der Lage sein, alle Leute dazu zu bringen, zu denken, alles gehöre dem Staat. Diese Vorstellung ist einfach utopischer Unsinn.
Śyāmasundara:
Marx nennt ein weiteres Schlagwort: "Das menschliche Wesen hat keinen Bestand." Er sagt, das Wesen des Menschen ändere sich im Laufe der Geschichte gemäß den materiellen Umständen.
Śrīla Prabhupāda: Er weiß nichts vom wirklichen menschlichen Wesen. Natürlich ist es wahr, daß sich alles in diesem jagat, in dieser kosmischen Schöpfung, ändert. Unser Körper z. B. ändert sich täglich. Alles ändert sich, so wie die Wellen im Ozean sich ständig wandeln. Diese Erkenntnis ist keine sehr fortgeschrittene Philosophie. Auch die Marxsche Theorie wird geändert; sie hat keinen Bestand. Der Mensch aber hat ein grundlegendes Wesen, das sich niemals ändert, nämlich seine spirituelle Identität. Wir lehren die Menschen, auf diese Ebene zu gelangen, das heißt ihrem spirituellen Wesen gemäß zu handeln, das sich niemals ändern wird. Spirituell zu handeln bedeutet, Kṛṣṇa zu dienen. Wenn wir Kṛṣṇa jetzt dienen, werden wir auch fortfahren, Kṛṣṇa zu dienen, wenn wir uns später nach Vaikuṇṭha, in die spirituelle Welt, begeben. Deshalb wird liebevoller Dienst für Śrī Kṛṣṇa als nitya oder ewig bezeichnet. Kṛṣṇa sagt in der Bhagavad-gītā (9.14): nitya-yuktā upāsate. "Meine reinen Geweihten verehren Mich ständig mit Hingabe."
Die Kommunisten schieben Kṛṣṇa beiseite und setzen den Staat an Seine Stelle, und dann erwarten sie, daß die Leute denken "Nichts für mich -alles für den Staat". Aber die Menschen werden diesen Gedanken niemals annehmen. Es ist unmöglich; mögen die Regierungsführer versuchen, was sie wollen. Alles, was sie tun können, ist nur, die Leute zur Arbeit zu zwingen, wie Stalin es tat. Sobald er jemanden entdeckte, der gegen ihn war, ließ er ihn sofort hinrichten. Die gleiche Krankheit ist heute noch vorhanden. Wie also soll ihr Programm erfolgreich werden?
Śyāmasundara: Nach der marxistischen Auffassung hat das menschliche Wesen keine eigene Wirklichkeit. - Es ist nur ein Produkt der materiellen Umgebung. Wenn man demnach einen Menschen in die Fabrik schickt und dazu bringt, sich mit dem Staat zu identifizieren, kann man ihn - so glauben sie - in einen selbstlosen Menschen verwandeln.
Śrīla Prabhupāda: Weil aber die grundlegende Krankheit, der Neid, im Menschen steckt, wird er auch dann selbstsüchtig bleiben. Wenn er sieht, daß er schwer arbeiten muß, aber keinen Gewinn bekommt, wird seine Begeisterung allmählich nachlassen. In Bengalen gibt es ein Sprichwort: "Als Besitzer kann ich Sand in Gold verwandeln, aber sobald ich nicht mehr der Besitzer bin, wird das Gold zu Sand." Die russischen Menschen befinden sich in dieser Lage. Sie sind nicht so reich wie die Europäer oder Amerikaner, und deswegen sind sie unglücklich.
Śyāmasundara: Eine der Methoden der Autoritäten in der Sowjetunion besteht darin, die Bevölkerung ständig in dem Glauben zu wiegen, es werde jeden Moment ein Krieg ausbrechen. Folglich denkt jeder: "Um unser Land zu schützen, müssen wir hart arbeiten."
Śrīla Prabhupāda: Wenn die Leute aber keinen Gewinn aus ihrer Arbeit ziehen können, werden sie schließlich alles Interesse an ihrem Land verlieren. Der Durchschnittsmensch wird denken: "Ob ich arbeite oder nicht, das Ergebnis ist das gleiche. -Ich kann meine Familie nicht angemessen ernähren und kleiden." Dann wird er allmählich seinen Antrieb zum Arbeiten verlieren. Ein Wissenschaftler wird sehen, daß trotz seiner hohen Stellung seine Frau und seine Kinder genauso gekleidet sind wie der gewöhnliche Arbeiter.
Śyāmasundara: Marx sagt, industrielle und wissenschaftliche Arbeit sei die höchste Form der Tätigkeit.
Śrīla Prabhupāda: Doch wenn die Wissenschaftler und die Industriellen nicht genügend Gewinn erhalten, werden sie sich dagegen sträuben, für den Staat zu arbeiten.

Halsabschneider

Śyāmasundara: Das russische Ziel ist die Produktion materieller Güter zur Erhöhung des menschlichen Wohlergehens.
Śrīla Prabhupāda: Ihr "menschliches Wohlergehen" bedeutet in Wahrheit: "Wenn du nicht mit mir übereinstimmst, werde ich dir den Hals umdrehen." Stalin hatte diese Vorstellung vom "menschlichen Wohlergehen", aber jeder, der mit seiner Auffassung davon nicht einverstanden war, wurde getötet oder eingesperrt. Die Kommunisten mögen vielleicht sagen, einige müßten schon zum Wohle vieler leiden, doch wir haben persönlich gesehen, daß, die Sowjetunion weder allgemeines Glück noch Wohlstand erreicht hat. In Moskau z. B. stammt keines der größeren Gebäude aus neuerer Zeit. Sie sind alt und verfallen oder spärlich renoviert. Auch in den Geschäften mußten die Leute in langen Schlangen anstehen, um Einkäufe zu machen. Dies sind Anzeichen dafür, daß die Wirtschaftsbedingungen mangelhaft sind.

Marx hatte eine Religion

Śyāmasundara: Marx betrachtete die Religion als eine Illusion, die zu verdammen ist.
Śrīla Prabhupāda:
Die Unterteilung von verschiedenen Glaubensrichtungen mag eine Illusion sein, aber Marxens Philosophie ist auch eine Illusion.
Śyāmasundara: Willst du sagen, sie werde nicht praktiziert?
Śrīla Prabhupāda: In den sechzig Jahren seit der russischen Revolution ist seine Philosophie entstellt worden. Brahmā jedoch verkündete z. B. die vedische Religion vor unzähligen Jahrtausenden, und obwohl Außenstehende seit zweitausend Jahren versuchen, sie zu zerstören, ist sie immer noch erhalten. Vedische Religion ist keine Illusion, zumindest nicht für Indien.
Śyāmasundara: Es gibt einen berühmten Ausspruch von Marx über Religion. Er sagte: "Religion ist der Seufzer der unterdrückten Kreatur, das Herz der herzlosen Welt wie auch der Lebensgeist der leblosen Situation. Es ist das Opium des Volkes."
Śrīla Prabhupāda: Er weiß nicht, was Religion ist. Seine Definition ist falsch. Die Veden erklären, daß Religion die von Gott gegebene Verhaltensrichtlinie ist. Gott ist eine Realität, und auch Sein Gesetz ist eine Realität. Es ist keineswegs Illusion. Kṛṣṇa gibt die Definition von Religion in der Bhagavad-gītā (18.66): sarva-dharmān parityajya mām ekarü śaranaṁ vraja. Sich Gott zu ergeben - das ist Religion.
Śyāmasundara: Marx glaubt, alles gehe aus dem Wirtschaftskampf hervor und Religion sei eine Technik, die von der Bourgeoisie oder den Kapitalisten erfunden worden sei, um die Massen von einer Revolution abzuhalten, indem sie ihnen ein besseres Dasein nach dem Tode verspreche.
Śrīla Prabhupāda:
Er selbst hat eine Philosophie geschaffen, die gegenwärtig durch Nötigung und Tötung erzwungen wird.
Śyāmasundara: Und er versprach, daß sich die Dinge in Zukunft bessern würden, womit er sich also derselben Sache schuldig machte, derentwegen er die Religion verurteilte.
Śrīla Prabhupāda: Wie wir oft erklärt haben, ist Religion jener Teil unserer Natur, der beständig ist und den wir nicht aufgeben können. Niemand kann seine Religion aufgeben. Was nun ist diese Religion? -Diese Religion bedeutet Dienst. Marx wünschte sich, der Menschheit zu dienen, indem er seine Philosophie verkündete. Deshalb ist das seine Religion. Jeder versucht zu dienen: Der Vater versucht seiner Familie zu dienen; der Staatsmann versucht seinem Land zu dienen, und der Philanthrop will der Menschheit dienen. Ob man Karl Marx, Stalin oder Mahatma Gandhi ist, ob man Hindu, Moslem oder Christ ist - man muß immer dienen. Weil wir gegenwärtig so vielen Leuten und so vielen Dingen dienen, sind wir verwirrt. Deshalb rät uns Kṛṣṇa, all diese Dienste aufzugeben und allein Ihm zu dienen:

sarva-dharmān parityajya
mām ekaṁ śaraṇaṁ vraja
ahaṁ tvāṁ sarva-pāpebhyo
mokṣayiṣyāmi māśucaḥ

"Gib alle Arten von Dienst auf, und ergib dich einfach Mir. Ich werde dich vor allen sündhaften Reaktionen schützen. Fürchte dich nicht." (Bg. 18.66)

Bauernphilosophie

Śyāmasundara: Die Kommunisten und bis zu einem gewissen Maße auch die Kapitalisten glauben, der Dienst für die Güterproduktion sei der einzige wirkliche Dienst. Und so verurteilen sie uns, weil wir nichts Greifbares produzieren.
Śrīla Prabhupāda: Wie können sie uns verurteilen? Wir dienen der Menschheit, indem wir das höchste Wissen lehren. Ein Richter des Obersten Gerichtshofes geht nicht aufs Feld, um Getreide zu produzieren, oder arbeitet am Fließband. Er sitzt auf einem Stuhl und bekommt monatlich 10 000 Dollar. Bedeutet dies aber, daß er keinen Dienst leistet? Nein, denn natürlich leistet er etwas. Die Theorie, man leiste keine Dienste, wenn man keine körperliche Arbeit in der Fabrik oder auf den Feldern verrichte, erkennt nur den Bauern und den Arbeiter an. Es ist eine Bauernphilosophie.
Es gibt eine Geschichte von einem König und seinem ersten Minister: Eines Tages beschwerten sich die Lohnarbeiter des Königs: "Eigentlich arbeiten nur wir, und dieser Minister tut nichts, und doch zahlst Du ihm solch ein großes Gehalt. Wie kommt das?" Darauf rief der König seinen Minister und ließ auch einen Elefanten herbeibringen. "Bitte nehmt diesen Elefanten, und wiegt ihn", sagte der König zu seinen Arbeitern. Die Arbeiter führten den Elefanten zu allen Märkten, aber sie konnten keine Waage finden, die groß genug gewesen wäre, das Tier zu wiegen. Als sie zum Palast zurückkehrten, fragte der König, wie es ihnen ergangen sei. Darauf gab einer der Arbeiter zur Antwort: "Herr, wir konnten einfach keine Waage finden, die groß genug gewesen wäre, den Elefanten zu wiegen." Nun wandte der König sich an seinen ersten Minister: "Würdest Du bitte diesen Elefanten wiegen?" "Ja, Herr, erwiderte der Minister und führte den Elefanten fort. Nach einiger Zeit kam er wieder und sagte: "Er wiegt 1650 Pfund." Da staunten die Arbeiter. "Wie konntest Du den Elefanten so schnell wiegen?", fragte einer von ihnen. "Hast Du etwa eine geeignete Waage gefunden?" Der Minister erwiderte: "Nein. Es ist unmöglich, einen Elefanten auf einer Waage zu wiegen. Ich ging vielmehr an den Fluß, führte den Elefanten auf ein Boot und merkte mir den Wasserstand. Nachdem ich den Elefanten wieder vom Boot gebracht hatte, legte ich solange Gewichte ins Boot, bis derselbe Wasserstand erreicht war. Schließlich wußte ich das Gewicht des Elefanten." Der König sprach zu seinen Arbeitern: "Seht ihr jetzt den Unterschied?" Einer, der Intelligenz hat, besitzt Stärke, und nicht die Narren und Halunken. Marx und seine Anhänger sind einfach Narren und Halunken. Wir nehmen von ihnen keine Ratschläge an: wir lassen uns von Kṛṣṇa oder Seinem Vertreter beraten.
Śyāmasundara: Religion ist also nicht eine bloße Politik, die Leute in Illusion zu halten?
Śrīla Prabhupāda:
Nein. Religion bedeutet, der spirituellen Seele zu dienen. Das ist Religion. Jeder leistet Dienste, aber niemand weiß, an welcher Stelle sein Dienst am segensreichsten ist. Deshalb sagt Kṛṣṇa: "Diene Mir, und du wirst der spirituellen Gesellschaft dienen." Das ist wahre Religion. Die Marxisten wollen eine sogenannte vollkommene Gesellschaft ohne Religion schaffen, und doch bewundern noch heute Menschen überall auf der Welt Indien, weil die Grundlage der indischen Kultur Religion ist.

Die Endrevolution

Śyāmasundara: Marxens Nachfolger war Wladimir Iljitsch Lenin. Dieser stärkte alle Vorstellungen von Marx und fügte einige seiner eigenen Gedanken hinzu. Er glaubte, die Revolution sei eine grundlegende historische Wahrheit. Er sagte, die Geschichte verlaufe in Sprüngen und schreite dem kommunistischen Sprung entgegen. Er wollte, daß Rußland zur Diktatur des Proletariats hinspringe, die als das Endstadium der Geschichtsentwicklung bezeichnet wird.
Śrīla Prabhupāda: Wir können mit Gewißheit sagen -und jeder möge es sich sorgfältig merken, - daß es nach der bolschewistischen Revolution noch viele andere Revolutionen geben wird, da ständig Revolutionen stattfinden müssen, solange sich die Menschen auf der Ebene des Geistes bewegen. Unser Vorschlag lautet, daß man alle Verstandesvorstellungen aufgeben und zur spirituellen Ebene gelangen soll. Wenn man zur spirituellen Ebene kommt, gibt es keine Revolution mehr. Dhruva Mahārāja sagte: nātaḥ paraṁ parama vedmi na yatra vādaḥ. "Jetzt, da ich Gott sehe, hin ich vollständig zufrieden. Jetzt ist es mit allen Arten von Theoretisierungen vorbei." Gottesbewußtsein ist also die Endrevolution. In dieser materiellen Welt wird es immer wieder Revolutionen geben, solange die Leute nicht zum Kṛṣṇa-Bewußtsein gelangen.
Śyāmasundara: Die Hare-Kṛṣṇa-Revolution also.
Śrīla Prabhupāda: Die Veden lehren, daß die Menschen nach Wissen forschen und daß jemand, wenn er die Absolute Wahrheit versteht, alles versteht. -Yasmin vijñate sarvaṁ evaṁ vijñātaṁ bhavati . Die Menschen versuchen stets, sich einem Ziel zu nähern; aber sie wissen nicht, daß das endgültige Ziel Kṛṣṇa ist. Mit ihren materialistischen Revolutionen versuchen sie nur, die materiellen Umstände zu verbessern. Sie wissen nicht, daß sie spirituelle Wesen sind und daß an Glück nicht zu denken ist, solange sie nicht zur spirituellen Welt zurückkehren und mit Gott, dem Höchsten Spirituellen Wesen, zusammen sind. Sie sind wie Fische außerhalb des Wassers. So wie ein Fisch nicht glücklich sein kann, wenn er nicht im Wasser ist, so können wir nicht glücklich sein, solange wir nicht in der spirituellen Welt sind. Wir sind winzige Teilchen Kṛṣṇas, des Höchsten Spirituellen Wesens; aber wir haben wegen unseres Wunsches, die materielle Welt zu genießen, Seine Gesellschaft verlassen und sind aus der spirituellen Welt gefallen. Solange wir also nicht das Verständnis von unserer spirituellen Stellung wiedererwecken und nach Hause, in die spirituelle Welt, zurückkehren, können wir niemals glücklich sein. Wir können fortfahren, viele Leben lang zu theoretisieren, doch werden wir nur eine Revolution nach der anderen erfahren. Die alte Ordnung verändert sich und macht Platz für eine sogenannte neue, das heißt, die Geschichte wiederholt sich.
Śyāmasundara:
Nach Marxens Auffassung gibt es immer mindestens zwei sich widerstrebende Besitzansprüche in der materiellen Natur, und dieser innere Pulsschlag entgegengesetzter Kräfte veranlaßt die Geschichte, von einer Revolution zur anderen zu springen. Er behauptet, die kommunistische Revolution sei die Endrevolution, da sie die vollkommene Antwort auf alle gesellschaftlichen Widersprüche darstelle.
Śrīla Prabhupāda: Wenn der kommunistische Gedanke spiritualisiert wird, dann wird er vollkommen. Solange der kommunistische Gedanke materialistisch bleibt, kann er nicht die Endrevolution bedeuten. Die Kommunisten glauben, der Staat sei der Eigentümer aller Dinge. Aber der Staat ist nicht der Eigentümer; der wirkliche Eigentümer aller Dinge ist Gott. Wenn sie zu diesem Schluß kommen, dann wird der kommunistische Gedanke seine Vollendung erreichen. Auch wir haben eine kommunistische Philosophie. Die Kommunisten sagen, alles müsse für den Staat getan werden. In unserer Gesellschaft für Kṛṣṇa-Bewußtsein aber praktizieren wir im Grunde vollkommenen Kommunismus, indem wir alles für Kṛṣṇa tun. Wir wissen daß Kṛṣṇa der Höchste Genießer der Ergebnisse aller Handlungen ist (bhoktāraṁ yajña tapasām). Die kommunistische Philosophie, wie sie gegenwärtig praktiziert wird, ist unklar, aber sie kann vollkommen werden, wenn man die Schlußfolgerung der Bhagavad-gītā akzeptiert, daß Kṛṣṇa der Höchste Besitzer, der Höchste Genießer und der Höchste Freund eines jeden ist. Dann werden die Menschen glücklich sein. Im Augenblick mißtrauen sie dem Staat, aber wenn sie Kṛṣṇa als ihren Freund anerkennen, werden sie vollkommenes Vertrauen in Ihn haben, so wie Arjuna Kṛṣṇa auf dem Schlachtfeld von Kurukṣetra völlig vertraute. Der großartige Sieg Arjunas und seiner Gefährten auf dem Schlachtfeld von Kurukṣetra zeigt, daß sein Vertrauen in Kṛṣṇa gerechtfertigt war. Sañjaya bestätigt am Schluß der Bhagavad-gītā (18.78):

yatra yogeśvaraḥ kṛṣṇo
yatra pārtho dhanur-dharaḥ
tatra śrīr vijayo bhūtir
dhruvā nītir matir mama

"Überall dort, wo Kṛṣṇa, der Meister aller Mystiker, und Arjuna, der größte Bogenschütze, anwesend sind, werden gewiß auch Reichtum, Sieg, außergewöhnliche Macht und Moral zu finden sein. Das ist meine Ansicht."

Wenn also Kṛṣṇa im Mittelpunkt der Gesellschaft steht, dann werden die Menschen in vollendeter Form sicher und wohlhabend sein. Der kommunistische Gedanke ist vollkommen, vorausgesetzt, daß man bereit ist, anstelle des sogenannten Staates Gott zu setzen. Das ist Religion.

 

3. Mao Tse-tung und der höchste Vorsitzende

Die Taktik, die zum Fortschritt führt

Śyāmasundara: Mao Tse-tung erkannte zwei Aspekte des dialektischen Materialismus an. Der eine, auf den er den größten Nachdruck legte, ist der Aspekt des pragmatischen Elements der Philosophie; das heißt für ihn muß Philosophie praktischen Wert haben. Der andere Aspekt ist der des Gegensatzes zwischen Kapitalismus und Kommunismus; dieser Gegensatz soll zu Konflikten und schließlich zur Revolution führen. Er stimmt mit Hegel darin überein, daß es ohne Konflikt keinen Fortschritt gehen kann. Ist seine Auffassung richtig?
Śrīla Prabhupāda: Bei der Schlacht von Kurukṣetra bestand ein Konflikt zwischen den Kurus und den Pāṇḍavas, und als Ergebnis des Konflikts wurde der Gottgeweihte Yudhiṣṭhira, einer der Pāṇḍavas, König. Ohne Konflikt kann man tatsächlich nicht vorankommen.
Śyāmasundara:
Trifft das auf jeder Ebene zu?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Die Tätigkeit des Geistes besteht darin, Dinge anzunehmen und abzulehnen. Auf dieser Grundlage gelangt man, wenn der Geist gesund ist, mit Hilfe der Intelligenz zu einer Schlußfolgerung.
Śyāmasundara: Wie ist der Gedanke, daß Fortschritt nur durch Konflikt möglich ist, genau zu verstehen?
Śrīla Prabhupāda: Konflikt bedeutet, daß ich nicht deiner Ansicht bin und daß du nicht meiner Ansicht bist. Fortschritt ist aber nicht nur von Konflikten abhängig, sondern auch von der richtigen Beurteilung. Der Weg zu einer richtigen Beurteilung wird wie folgt erklärt:

sādhu-śāstra-guru-vākya hṛdaye kariyā aikya

"Um echtes Wissen und Verständnis zu erreichen, muß man die Anweisungen von sādhu, śāstra und guru beachten." In diesem Vers erklärt Narottama dāsa Ṭhākura, daß es drei Autoritäten zur Beurteilung eines Konflikts gibt, nämlich die sādhus oder Heiligen, die śāstras oder Offenbarungsschriften und den guru, den spirituellen Meister. Wenn diese echt sind, stimmen sie alle miteinander überein. Wenn zwei Bürger eine Auseinandersetzung haben, gehen sie vor Gericht, und die Richter fällen das Urteil. Ebenso müssen wir uns bei einem Konflikt, um zur richtigen Schlußfolgerung zu gelangen, an sādhu, śāstra und guru halten.
Śyāmasundara: Der Konflikt, den Mao meint, befindet sich auf der Gesellschaftsebene, findet zwischen Menschenklassen statt und greift auch auf die Geschichtsebene über.
Śrīla Prabhupāda: In diesem Konflikt liegt kein Nutzen. Was die heutige Gesellschaft betrifft, so richtet sie sich nach gedanklichen Spekulationen, ohne daß sie einen Standard kennt. Jede Gesellschaft hat einen anderen Standard, aber keine gründet sich auf eine echte Autorität. Konflikte können sie zu keiner Schlußfolgerung bringen, da im allgemeinen beide Seiten unrecht haben. Die sogenannten Kapitalisten und auch die sogenannten Kommunisten - beide liegen falsch. Solche Konflikte können natürlich zu keinem anerkennenswerten Ergebnis führen.
Śyāmasundara: Du meinst also, die Art des Konflikts sei wichtig?
Śrīla Prabhupāda: Nein. Ich meine, daß zwei Gegenseiten, die sich über eine Sache streiten, vor Gericht kommen müssen und daß das Urteil von einem Richter gefällt werden muß. Das Ergebnis kommt also durch das Urteil zustande, nicht durch den bloßen Konflikt. Wenn zwei Gegenseiten ihr ganzes Leben lang miteinander kämpfen, werden sie immer noch zu keiner Schlußfolgerung gelangen, wenn ihre Grundlage falsch ist.
Śyāmasundara: Diese Theorie Mao Tse-tungs läßt sich im Grunde auf Darwins Theorie zurückleiten, nach der der Stärkere überlebt. "Der Stärkere hat Recht", ist die Auffassung der Maoisten, und deshalb glauben sie, daß derjenige, der in der Schlacht der gegensätzlichen Ideen siegreich sei, die richtige Idee haben müsse.
Śrīla Prabhupāda: Die unsinnige Theorie, der Stärkere habe Recht, erkennen wir nicht an. Wir sagen "Recht ist Macht", und nicht "Macht ist Recht". Wenn man Recht hat, dann ist man mächtig, aber wenn man nur mächtig ist, dann ist man noch nicht im Recht.
Schüler: Vorhin hast Du vom Konflikt des Geistes gesprochen, der durch das Urteil der Intelligenz gelöst werden muß. Gibt es immer einen Konflikt, wenn Wahrnehmungen in den Geist eintreten?
Śrīla Prabhupāda: Ja, und wenn die Intelligenz dem Geist gemäß den Lehren der Veden rät, was zu tun und was zu lassen ist, dann ist das der richtige Weg. Ein Ratschlag, der dem entspricht, was in der Bhagavad-gītā gesagt wird, zeugt von Intelligenz und wird von uns angenommen.
Śyāmasundara: Auf dieser Ebene findet Fortschritt also durch Konflikte statt.
Śrīla Prabhupāda: Durch Konflikte, die mit der Intelligenz gelöst werden. Ein Konflikt auf der Ebene des Geistes befindet sich auf einer niedrigeren Stufe, und zur Lösung des Konflikts müssen wir uns von der Intelligenz, die sich auf der höheren Stufe befindet, leiten lassen. Nach Maos Theorien gelangt man einfach durch den Konflikt der Hirngespinste zu einem Ergebnis, aber das kann uns natürlich nicht zu einer richtigen Schlußfolgerung verhelfen.

Die Grundlage richtiger Argumentation

Śyāmasundara: Nach Mao Tse-tungs Auffassung kommt alle politische Macht aus den Gewehrläufen.
Śrīla Prabhupāda: Nur weil er ein Rohling ist, sollte er nicht behaupten, daß es auch unter ehrenwerten Menschen so sein müsse, daß die Waffen argumentieren. Bei den rohen Halunken enden die Argumente immer im Kampf. Natürlich müssen auch manchmal die Waffen sprechen, wenn der Gegner sich völlig tierisch verhält; aber wenn beide Seiten tierisch sind, zu welcher Schlußfolgerung können sie dann gelangen? Aus diesen Gründen entnehmen wir unsere Schlußfolgerungen den śāstras, den offenbarten Schriften. Kṛṣṇa sagt in der Bhagavad-gītā (16.23):

yaḥ śāstra-vidhim utsṛjya
vartate kāma-kārataḥ
na sa siddhim avāpnoti
na sukhaṁ na parāṁ gatim

"Wer jedoch die Anweisungen der Schriften mißachtet und nach seinen Launen handelt, erreicht weder die Vollkommenheit noch Glück, noch das höchste Ziel."

Deshalb sollte man sich an die śāstras halten. Aber die Maoisten kennen die śāstras nicht, und deshalb sprechen sie von Gewehrläufen. Diese Art und Weise ist sehr barbarisch und führt auf keinen Fall zu Vollkommenheit. Es ist nur ein zeitweiliges Ergebnis, wenn die eine oder die andere Partei gewinnt. So geht es in der heutigen Welt zu.
Ohne eine autoritative śāstra anzuerkennen, geht jeder seinen eigenen Weg, und deshalb gibt es keinen Frieden. Es findet nur ein Weltkrieg nach dem anderen statt. Sobald man sich stark fühlt, erklärt man den Krieg, und wenn ein stärkerer Gegner erscheint, ergreift man die Flucht. All das führt zu keiner Schlußfolgerung, selbst wenn man den Gegner besiegt und tötet. Diese Art von Konflikt führt niemals zu Frieden, sondern wird nur fortdauern. Wenn Tiere miteinander kämpfen, zwei Hunde zum Beispiel oder zwei Schweine, dann ergibt sich daraus keine Schlußfolgerung. Das Kämpfen wird weitergehen, ohne daß an Frieden zu denken ist, solange die Leute wie Hunde und Schweine bleiben.
Śyāmasundara: Wodurch kommt aber wirklicher Fortschritt zustande?
Śrīla Prabhupāda: Durch autoritativen Beschluß. Wenn wir das Urteil der śāstras und des spirituellen Meisters annehmen, kommen wir zu wirklichen Ergebnissen.
Śyāmasundara: Mao Tse-tung ist gegen Spekulanten, vor allem gegen die Empiriker, die durch ihre unvollständigen Sinneswahrnehmungen Schlußfolgerungen von der Wirklichkeit ableiten.
Śrīla Prabhupāda: Er selbst gehört aber auch zu ihnen, denn es ist Spekulation, wenn er sagt, alle politische Macht gründe sich auf die Gewehrläufe, oder die Gewehrläufe seien ein erstrebenswertes Ziel. Er begeht den gleichen Fehler wie sie: Er spekuliert.

Gesellschaftspraxis

Śyāmasundara: Mao ist der Ansicht, das Kriterium für Wahrheit sei die "Gesellschaftspraxis", die Erfahrung des Menschen in der Gesellschaft, durch die Dinge bewiesen würden.
Śrīla Prabhupāda: Und was ist der Standard der Gesellschaftspraxis? Wonach wird diese beurteilt?
Śyāmasundara: Alles, was dem Glück der Massen praktisch dient, ist Wahrheit.
Śrīla Prabhupāda: Aber das praktische Glück unterscheidet sich von Fall zu Fall. In den westlichen Ländern haben Jungen und Mädchen ohne Einschränkung sehr engen Umgang miteinander, doch wir sind gegen solchen Umgang. Alles ist also den Umständen entsprechend praktisch. Würden wir unzulässige Sexualität erlauben, dann wäre an spirituellen Fortschritt nicht zu denken, und deshalb ist dieses Verbot für unsere Zwecke praktisch. Andere jedoch, die keine spirituellen Ziele verfolgen, denken: "Warum sollte diese Sexualität eingeschränkt werden? Laßt sie uns genießen!" Sie sind wie Tiere nur an ihrem Sinnengenuß interessiert. Was von beiden ist nun praktisch? -Was praktisch ist, richtet sich nach Ziel und Angelegenheit.
Śyāmasundara: Es handelt sich also bei "praktisch" um einen relativen Begriff?
Śrīla Prabhupāda: Normalerweise ja, aber wenn man begreift, was spiritueller Fortschritt bedeutet, dann wird man verstehen, was wirklich praktisch ist.
Śyāmasundara: Nach Auffassung der Maoisten müßte praktisch das sein, was den größten materiellen Nutzen bringt.
Śrīla Prabhupāda: Und weil diese Auffassung unsinnig ist, leidet die ganze Welt. Die Menschen wissen einfach nicht, was wirklicher Fortschritt ist. Wofür soll denn das menschliche Leben bestimmt sein? Für sie ist das Leben des Menschen so gut wie das des Schweins oder anderer Tiere. Aber wir können dem nicht beipflichten; wir sagen, daß das menschliche Leben besonderen Wert für spirituelle Erkenntnisse hat. Aber viele Leute haben davon keine Vorstellung. Ihre praktischen Absichten und unsere praktischen Absichten unterscheiden sich deshalb. Sie sind unwissend, denn sie wissen nicht, was das Ziel des Lebens ist. Für sie ist das tierische Leben und das menschliche Leben das gleiche, das heißt, es ist nur dazu da, materielle Bedürfnisse zu befriedigen.
Śyāmasundara: Nach Maos Lehre finden alle Ideen oder Theorien ihre Verwirklichung oder Bewahrheitung durch Gesellschaftspraxis. Wenn also eine Theorie praktiziert wird und sich als richtig erweist, dann ist sie wahr.
Śrīla Prabhupāda: Das stimmt. Man kann zum Beispiel sehen, daß diejenigen, die ein spirituelles Leben führen, wie einige Leute in Indien es heute noch tun, offensichtlich glücklicher sind. Sie ertragen die gleichen Leiden wie andere ohne die geringste Beunruhigung. Der Materialist dagegen ist immer wieder in hohem Maße verstört. Ein ganz praktischer Beweis ist auch, daß diejenigen, die im spirituellen Leben fortgeschritten sind, so gut wie keine Krankheiten haben. Sie gehen im allgemeinen niemals zu Ärzten. Wer könnte leugnen, daß dies ein praktischer Beweis ist? Die spirituell Fortgeschrittenen können unter allen Bedingungen leben - ohne materiellen Komfort, ohne Geld und manchmal sogar ohne Essen. Ist das nicht praktisch? Deshalb sagen wir, daß der Fortschritt im spirituellen Leben unser Dasein sehr angenehm macht. Wenn man nicht von Doktoren und vielerlei materiellen Erfindungen abhängig ist, ist das wirklich praktisch. Was ist praktisch daran, von so vielen Dingen abhängig zu sein? Śukadeva Gosvāmī stellte deshalb im Śrīmad-Bhāgavatam die an alle gerichtete Frage, wozu Betten und Sofas nötig seien, wenn der Boden genügend Platz biete, weshalb man sich um Kissen kümmern solle, wenn man seine eigenen Arme benutzen könne, und wozu man vielerlei Geschirr und Besteck brauche, wenn man seine Hände benutzen könne. Er empfiehlt:

ataḥ kavir nāmasu yāvad arthaḥ
syād apramatto vyavasāya-buddhiḥ
siddhe 'nyathārthe na yateta tatra
pariśramaṁ tatra samīkṣamāṇaḥ

"Der Erleuchtete sollte sich nur um die unbedingten Lebensnotwendigkeiten bemühen, während er sich in der Welt der Namen aufhält. Er sollte seine Intelligenz gebrauchen und niemals nach überflüssigen Dingen streben, da er praktisch erkennen kann, daß alle solche Bemühungen nur harte Arbeit für nichts bedeuten." (SB. 2.2.3)

Śyāmasundara: Mao Tse-tung sagte einmal, die Bestätigung der Naturgesetze und die Bewahrheitung von Ideen kämen aus dem Klassenkampf, der materiellen Produktion und dem wissenschaftlichen Experiment. Aus diesen drei Quellen, so sagte er, bekomme man echtes Wissen.
Śrīla Prabhupāda: Aber was die wissenschaftlichen Experimente betrifft, so stellen die Wissenschaftler sehr oft falsche Theorien auf. Nehmen wir zum Beispiel einen lebendigen Menschen und einen Toten: Was sagen die Wissenschaftler über den Unterschied?
Śyāmasundara: Sie sagen, der Mensch sei eine Masse von chemischen Stoffen, und wenn dem Körper gewisse Stoffe fehlten, spreche man von einem Toten.
Śrīla Prabhupāda: In Ordnung -wenn die Wissenschaftler die fehlenden chemischen Substanzen dem Körper zusetzen und ihn dadurch zu Leben bringen können, dann ist diese Behauptung experimentell bewiesen. Ist dieses Experiment aber nicht möglich, welchen Wert hat dann die Erklärung der Wissenschaftler, dem toten Körper fehlten nur die chemischen Stoffe? Dann ist ihre "wissenschaftliche Erklärung" höchst unwissenschaftlich. Wenn ein Auto nicht mehr läuft, kommt der Mechaniker und sagt, daß dieses oder jenes Teil kaputt sei und ausgewechselt werden müsse. Dann wechselt er das Teil aus, und der Wagen läuft wieder. Ähnlich muß man, wenn man sagt, der Mann sei tot, weil etwas im Körper fehle, dieses "etwas" auswechseln können. Aber dieser experimentelle Beweis ist in der Praxis nicht möglich. Wie kann man glauben, die sogenannten Wissenschaftler seien vollkommen? Was sind ihre wissenschaftlichen Erklärungen wert? Es gibt so viele Wissenschaftler, und ihre Behauptungen sind alle unvollkommen. Die Auffassung des einen Wissenschaftlers unterscheidet sich von der des anderen. Was also ist wirklich wissenschaftlich? Wenn ein Wissenschaftler sagt, dem toten Körper fehlten nur einige chemische Substanzen, soll er das durch Experimente beweisen.

Beseitigung der Steuerprobleme

Śyāmasundara: Mao Tse-tungs grundlegender Gedanke besagt, alle Theorien, alle Naturgesetze würden durch gesellschaftliche Praxis bewiesen. Karl Marxens Theorie zum Beispiel, die besagt, Kapital oder Profit sei nicht zur Produktion notwendig, wird vom kommunistischen Staat bewiesen, in dem kein Profit gemacht wird, in dem es also kein Kapital gibt, und dennoch die Produktion weitergeht.
Śrīla Prabhupāda: Das verhält sich durch das Gesetz der Natur so. Und das Gesetz der Natur ist Gottes Gesetz. Das Gesetz Gottes sieht vor, daß man Land bearbeitet, um etwas zu erzeugen, und wenn man es nicht selbst bearbeiten kann, muß man jemand dafür anstellen, den man bezahlt. Gleichzeitig muß man dabei etwas Profit machen, denn wenn jemand für mich arbeitet, muß ich ihn bezahlen. Deshalb benötige ich Profit.
Śyāmasundara: Aber ist nicht die Tendenz vorhanden, den Mann auszubeuten und übermäßig viel Profit zu nehmen?
Śrīla Prabhupāda: Das ist sicherlich oft so. Nicht nur der Kapitalist versucht, den anderen auszubeuten, sondern auch der Arbeiter. Wofür der eine Arbeiter fünf Dollar verlangt, verlangt der andere zehn. Diesen Hang zur Profitgier, zur Ausbeutung, findet man überall. Warum ist der Arbeitslohn so hoch? Weil die Arbeiter mehr Profit machen wollen. Oder willst du sagen, weil jemand ein Arbeiter sei, sei er frei von Profitgier?
Śyāmasundara: Die Kommunisten sind der Auffassung, dieser soziale Zustand werde verschwinden, wenn die Produktionsmittel Eigentum des Volkes werden.
Śrīla Prabhupāda: Zur vedischen Zeit waren die sozialen Zustände in vollkommener Weise geregelt. Nach dem vedischen System gehörte das Land der Regierung oder dem König. Der König gibt Land aus zur Nutzung, und ein Viertel aller Erzeugnisse entrichtet man als Abgaben. Dabei gibt es keinen Profit. Wenn man einen Zentner Nahrungsmittel erzeugt hat, gibt man dem König ein viertel Zentner als Tribut. Das ist das wahre soziale System. Im Grunde gehört nach vedischer Auffassung alles Gott, und der König ist als der Vertreter Gottes für die Regelung der Angelegenheiten in der Gesellschaft verantwortlich. Für die Erfüllung seiner Aufgaben benötigt er Geld, und deshalb zahlt man ihm ein Viertel von allem, was man auf dem Land erzeugt, das man zur Bestreitung seines Lebensunterhalts bekommen hat. Das ist sehr gut, denn so wird es einem nie schwerfallen, seine Abgaben zu entrichten, und sobald man das getan hat, gibt es für einen keine Sorgen mehr. Wenn man zehn Säcke Reis erzeugt hat, gibt man der Regierung oder dem König ein Viertel davon, wenn man 20 Säcke produziert hat, gibt man ebenfalls ein Viertel, und wenn man nichts produziert, dann gibt man nichts. Das ist vollkommen.
Śyāmasundara: Mao Tse-tung hält den ständigen Gebrauch eines ideologischen Kampfes für eine wirksame Waffe gegen gesellschaftliche Mißstände.
Śrīla Prabhupāda: Nach dem vedischen System gibt es keinen Kampf. Von allem, was man produziert, gibt man ein Viertel ab, und so kommt man gar nicht auf den Gedanken, zu kämpfen. Wenn ich einen festen Steuerbetrag, zum Beispiel zehn Dollar, für das Land zahlen muß, das ich erworben habe, und ich habe die zehn Dollar nicht, weil ich zu wenig produziere, dann muß ich kämpfen oder bei jemandem Schulden machen. Wenn man aber das vedische System befolgt, dann muß man ein Viertel von dem geben, was man produziert, und wenn man nichts produziert, hat man auch nichts zu zahlen. Das ist vollkommen.
Śyāmasundara: Mao vertritt die Ansicht, alles, was produziert werde, solle abgegeben werden. Es soll also kein Privateigentum eben.
Śrīla Prabhupāda: Das bedeutet, daß dem Bürger jede Unabhängigkeit geraubt wird. Den Menschen soll durchaus Eigentum zur Verfügung gestellt werden. Natürlich gehört das Land immer dem König, aber er verteilt es an die Leute. Wenn mir zum Beispiel ein Haus zur Verfügung gestellt wird, so ist das mein Eigentum, und ich brauche niemanden hereinzulassen.
Śyāmasundara: In China sind sogar die Bauernhöfe Kollektive. Die Leute dort arbeiten gemeinschaftlich zusammen, um bestimmte Produkte zu erzeugen. Alles Produzierte geben sie dem Staat, und dafür bekommen sie Unterkunft, Kleidung und Essen.
Śrīla Prabhupāda: Damit wird niemand zufrieden sein, denn es ist künstlich.
Śyāmasundara: Deshalb ist wohl auch eine ständige ideologische Gehirnwäsche zur Erhaltung der Zustände nötig.
Śrīla Prabhupāda: Es ist offensichtlich: Wenn jemand weiß, daß das Land ihm gehört, daß die Regierung es ihm zur Verfügung gestellt hat, dann kann er sich auf seine Weise entfalten; er hat eine gewisse Freiheit. Was aber hat es für einen Wert, wenn der ganze Staat in Abhängigkeit lebt?
Śyāmasundara:
Mao glaubt, dieser Gedanke der Freiheit oder des Eigentums sei ein falscher Gedanke, da er nur zur Ausbeutung und für viele zu Elend führe. Wenn ich etwas besitze, dann bedeutet das, daß jemand dessen beraubt ist.
Śrīla Prabhupāda: Warum sollte jemand beraubt sein? Jedem kann Eigentum gegeben werden. Wenn die Regierung mir etwas Land gegeben hat, bedeutet das nicht, daß meinem Mitbürger nichts gegeben werden kann. So wie der eine etwas bekommt, erhält auch der andere etwas. Unsere Haltung ist tena tyaktena bhuñjīthā (Īśo. 1) "Was immer einem von Gott gegeben wird, damit muß man zufrieden sein". Das ist das vedische System, und deshalb ist in der vedischen Zivilisation sowohl der arme als auch der reiche Mann zufrieden. Der arme Mann denkt "Gott hat mir dies gegeben; deshalb muß ich damit zufrieden sein, ohne zu verzagen", und auch der reiche Mann denkt "Gott hat mir dies gegeben; deshalb will ich damit zufrieden sein und nicht nach mehr trachten, sondern meine Zeit nutzen". So gibt es keine Gegensätze.

Die Erkenntnistheorie

Śyāmasundara: Mao Tse-tungs Erkenntnistheorie besagt, daß erst die wahrgenommenen Erscheinungen der objektiven Außenwelt da sind und daß diese dann zu den Auffassungen oder dem Geschlußfolgerten werden. Deshalb kann man die Leute daran binden, an eine bestimmte Art von Wahrheit zu glauben, indem man eine Erscheinung immer wiederholt, bis sie sie annehmen und zu ihrer Auffassung machen.
Śrīla Prabhupāda: Diesen Sachverhalt nutzen wir, indem wir den Leuten die bleibende Wahrheit klar machen, daß wir beherrscht werden. Jeder von uns wird beherrscht; wer könnte es leugnen? Warum hast du zum Beispiel diesen Ventilator angestellt? - Weil Du von der Hitze beherrscht wirst und versuchst, etwas dagegen zu tun. Wir werden in jeder Situation von den Gesetzen der Natur beherrscht. Wenn man denkt, man sei unabhängig, warum schafft man dann so viele sogenannte Gesetze zur Unabhängigkeit? Tatsächlich wird man stets beherrscht. Die Bhagavad-gītā (14.5) erklärt:

sattvaṁ rajas tama iti
guṇāḥ prakṛti-sambhavāḥ
nibadhnanti mahā-bāho
dehe dehinam avyayam

"Die materielle Natur besteht aus den drei Erscheinungsweisen Tugend, Leidenschaft und Unwissenheit. Wenn das Lebewesen mit der Natur in Berührung kommt, wird es von diesen drei Erscheinungsweisen bedingt."

Jedes Lebewesen, das mit den Erscheinungsweisen der materiellen Natur in Berührung steht, wird von diesen beherrscht. Warum sollte jemand nicht einsehen, daß er nicht unabhängig ist, sondern beherrscht wird? Wenn jemand wirklich das Grundprinzip, daß er beherrscht wird, versteht, fängt er an, Fortschritt zu machen. Wie kann jemand, der beherrscht wird, der Beherrschende werden? Wer ist der Mann, der ehrlich sagen kann, er werde nicht beherrscht? Es gibt ihn nicht. Das Grundprinzip also ist, daß man beherrscht wird. Unser Streben nun sollte sich darauf richten, wie wir in dieser Position vollkommen werden können, indem wir verstehen lernen, daß der höchste Herrscher Kṛṣṇa oder Gott ist und daß wir uns Ihm deshalb ergeben sollen. Man sollte denken: "Kṛṣṇa, bis heute kämpfte ich gegen Deine Gesetze, aber jetzt ergebe ich mich Dir."

Śyāmasundara:
Um auf Maos Erkenntnistheorie zurückzukommen: Er meint, wenn man einer Gruppe von Menschen einen bestimmten Gedanken oft genug vorhalte, würden diese Menschen den Gedanken mehr und mehr zu ihrer Auffassung machen.
Śrīla Prabhupāda: Deshalb machen wir den Leuten immer wieder klar: "Ihr werdet beherrscht, ihr werdet beherrscht, ihr werdet beherrscht."
Śyāmasundara: Und wie ist es, wenn Mao Tse-tung sagt "Ich hin der Führer, ich bin der Führer, ich der Führer"?
Śrīla Prabhupāda: Wer soll ihm das glauben? Der Höchste ist Gott.
Śyāmasundara: Die Chinesen halten Maos Behauptung für wahr.
Śrīla Prabhupāda: Wird Mao nicht alt? Muß er nicht sterben? -Also wird er beherrscht und ist nicht der höchste Führer.
Śyāmasundara: Er mag vielleicht sterben, aber dennoch werden die Maoisten ihn als Führer anerkennen.
Śrīla Prabhupāda: Wenn eine Gruppe von irregeführten Halunken und Räubern einen großen Räuber als Führer anerkennt, bedeutet das noch nicht, daß dieser wirklich der wahre Führer ist.
Śyāmasundara:
Die Wahrheit läßt sich also doch nicht von den Erscheinungen der Außenwelt ableiten. Ich kann zum Beispiel einigen Leuten solange erzählen, ein gewisser Felsbrocken sei Gott, bis sie zum Schluß wirklich sagen, der Felsbrocken sei Gott.
Śrīla Prabhupāda: Zu sagen, der Felsen sei Gott, ist natürlich Dummheit. Wir sagen, daß Gott bedeutet, "der höchste Herrscher" und daß deshalb Kṛṣṇa Gott ist.
Śyāmasundara: Aber wenn mir von klein auf meine Eltern, die Parolen an den Wänden und alle erzählen, dieser oder jener sei der Führer, muß ich dann nicht davon überzeugt sein?
Śrīla Prabhupāda: Nein. Ob die Eltern erzählen, ein gewisser Mensch werde nicht beherrscht und sei der Führer, oder ob sie lehren, daß es Gott gibt und daß wir alle beherrscht werden, wie es meine Eltern taten - an der Wahrheit kann man nichts ändern. Mao sagt, er werde nicht beherrscht, aber das muß er erst beweisen. Er muß alt werden, krank werden, sterben und er ist unter bestimmten Bedingungen geboren worden. Wenn jemand sagt, er werde nicht beherrscht, ist er ein Verrückter.
Śyāmasundara: Nun gut, ich gebe zu, daß im kommunistischen Staat jeder beherrscht wird, da er eine kommunistische Regierung hat.
Śrīla Prabhupāda: Nicht nur durch den kommunistischen Staat wird man beherrscht, sondern vor allem durch die Naturgesetze. Wer könnte abstreiten, daß er durch die Naturgesetze beherrscht wird? Wenn es bitterkalt ist, wenn es unerträglich heiß ist, wenn eine Epidemie ausbricht, wenn Hungersnot herrscht, wenn es eine Überschwemmung gibt -immer werde ich beherrscht. Das Grundprinzip besteht darin, daß man nicht unabhängig ist. Wie kann Mao das leugnen?
Śyāmasundara:
Mao Tse-tung hält sich selbst für den Herrscher. Er glaubt, er könne alle anderen führen.
Śrīla Prabhupāda: Er wird ebenso beherrscht wie jeder andere; wie kann er Führer sein? Wie kann jemand, der blind ist, von einem anderen Blinden geführt werden? Man kann nur führen, wenn man zwei gesunde Augen hat.
Śyāmasundara: Mao glaubt, seine, die marxistische Philosophie, sei wahr, und er könne den Leuten ständig in solcher Weise Sprüche vorhalten, daß sie von seinen Theorien beherrscht werden.
Śrīla Prabhupāda: Was ist der Wert seiner Sprüche, wenn er selbst beherrscht wird? Wenn man selbst blind ist, wie kann man andere Blinde führen?
Śyāmasundara: Er ist fest davon überzeugt, daß diese Philosophie die Wahrheit ist.
Śrīla Prabhupāda:
Er mag davon überzeugt sein, aber wo ist der Beweis dafür, daß seine Auffassungen anerkennenswert sind?
Śyāmasundara: Der Beweis ist, daß diese Philosophie in der Gesellschaft funktioniert und daß die Leute mit ihr glücklich werden.
Śrīla Prabhupāda: Aber ich wäre nicht glücklich, wenn ich unter die Herrschaft der kommunistischen Regierung geriete. Wir verbrachten zwei Wochen in Moskau, aber wir sahen keinen einzigen glücklichen Menschen dort. Wenn jeder sich und seine Freunde für glücklich hielte, dann könnte man so etwas behaupten.
Śyāmasundara: Mao würde sagen, der sogenannte russische Kommunismus sei kein wirklicher Kommunismus, sondern Revisionismus und konnte aus diesem Grunde niemanden glücklich machen.
Śrīla Prabhupāda: Das ist wahr. Der russische Kommunismus ist unvollkommen, und ebenso wird sich auch Maos Art von Kommunismus als unvollkommen erweisen, da beides von unvollkommenen Menschen geschaffen ist. Wenn man einen anderen kritisiert, bedeutet das noch nicht, daß man selbst vollkommen ist. Man muß zeigen, daß man selbst vollkommen ist. "Richte nicht, auf daß du nicht gerichtet werdest."
Śyāmasundara: Nach Maos Lehre gibt es zwei Arten von Konflikten in der Gesellschaft. Der eine Konflikt besteht zwischen den Kommunisten und ihren Feinden, wie den amerikanischen Imperialisten, und der andere innerhalb der kommunistischen Partei selbst.
Śrīla Prabhupāda: Wenn die Kommunisten innerhalb und außerhalb Feinde haben, wo ist dann ihre Vollkommenheit?
Śyāmasundara: Ihr Plan ist es, die ganze Welt kommunistisch zu machen, so daß es dann keine Feinde mehr für sie gibt.
Śrīla Prabhupāda: Warum sollte die ganze Welt den Kommunismus annehmen, wenn dieser unvollkommen ist? Wie können sie erwarten, daß die ganze Welt ihn annehmen wird?
Śyāmasundara:
Mao Tse-tung sagt, der Kommunismus sei vollkommen, aber es könne einige Konflikte innerhalb der Partei geben, weil manche die Philosophie nicht vollkommen verständen.
Śrīla Prabhupāda: Wenn die Kommunisten nicht einmal selbst ihre Philosophie verstehen, haben sie erst recht keinen Grund, so optimistisch zu sein.
Śyāmasundara: Mao Tse-tung verkündet, daß es zu Kämpfen mit den Gegenkräften kommen werde, daß sich bei der Auseinandersetzung die gerechte Sache zeigen werde und daß die Kommunisten die Gegenseite überwältigen und alle zu Kommunisten machen würden.
Śrīla Prabhupāda: Diese Denkweise ist typisch für die Atheisten. So etwas kann jeder sagen. In der Bhagavad-gītā (16.13-14) wird erklärt:

idam adya mayā labdham
imaṁ prāpsye manoratham
idam astīdam api me
bhaviṣyati punar dhanam

asau mayā hataḥ śatrur
haniṣye cāparān api
īśvaro 'ham ahaṁ bhogī
siddho `ham balavān sukhī

"Der dämonische Mensch denkt: 'So viel Reichtum besitze ich heute, und nach meinen Plänen werde ich noch viel mehr erlangen. So viel gehört mir jetzt, doch es wird in Zukunft mehr und mehr werden. Dieser Mensch war mein Feind, und deshalb habe ich ihn umgebracht, und meinen anderen Feind werde ich ebenfalls töten. Ich bin der Herr über alles, und ich bin der Genießer; ich bin vollkommen, ich bin mächtig, und ich bin glücklich.' Auf diese Weise werden solche Menschen von Unwissenheit getäuscht."

Śyāmasundara: Es gibt ein weiteres dialektisches Prinzip, das nach Maos Auffassung zur Lösung der Konflikte innerhalb der Partei beitragen wird. Es ist das Gesetz der Einheit, der Kritik und der neuen Einheit, das heißt, das Gesetz der These, Antithese und Synthese.
Śrīla Prabhupāda: Welche Synthese ergibt sich nach seinem dialektischen Grundsatz, wenn ich kritisiere "Herr Mao Tse-tung, Sie sind nicht unabhängig, sondern Sie werden beherrscht"?
Śyāmasundara:
Er würde erwidern "Ja, ich werde von den höheren Gesetzen des Sozialismus oder des Kommunismus beherrscht".
Śrīla Prabhupāda: Abgesehen vom Kommunismus wird er von den Naturgesetzen beherrscht. Oder kann er sie umgehen?
Śyāmasundara: Natürlich nicht. Jeder muß geboren werden und sterben.
Śrīla Prabhupāda: Warum will Mao dann Führer und als solcher unabhängig sein? Das ist doch gar nicht möglich. Er wird beherrscht, und er weiß nicht einmal, wer wen beherrscht. Was steht hinter dem Beherrschtwerden? Die Antwort auf diese Frage kann er nicht geben.
Śyāmasundara: Nach Mao ist das einzige Kriterium für Wahrheit deren praktische Anwendung.
Śrīla Prabhupāda:
Praktisch ist, daß er abhängig ist.
Śyāmasundara: Ist denn das überhaupt von Bedeutung?
Śrīla Prabhupāda: Sicher ist das bedeutsam, denn wenn seine Grundhaltung falsch ist, wie kann er dann einen richtigen Vorschlag machen?
Śyāmasundara: Vielleicht kümmert es ihn gar nicht so sehr, etwas über seinen Ursprung oder über den Hintergrund der materiellen Welt zu erfahren.
Śrīla Prabhupāda: Dann ist sein Interesse eine oberflächliche Angelegenheit. Oberflächliche Dinge ändern sich und sind relativ, und daher wird er mit einer solchen Haltung niemals vollkommen.

Hirngespinste

Śrīla Prabhupāda: Die Sowjetunion wird als Führerin des kommunistischen Gedankens betrachtet, nicht wahr?
Śyāmasundara: Die Maoisten erkennen sie nicht mehr an.
Śrīla Prabhupāda:
So wie der sowjetische Kommunismus heute nicht mehr anerkannt wird, werden später Mao und seine Theorien nicht mehr anerkannt werden. Rußlands Theorien waren nicht vollkommen und haben sich deshalb geändert, und Maos Thesen sind gleichfalls unvollkommen. Alles Unvollkommene wird sich ändern.
Śyāmasundara: Und weil die Leute unvollkommen sind, ist wohl auch ihre Propaganda unvollkommen?
Śrīla Prabhupāda: Man kann mit Propaganda alles mögliche anrichten, aber die Wahrheit ändert sich nicht. Wenn man kein vollkommenes Wissen über die Wahrheit hat, kann man noch so viel Propaganda machen und erzielt dennoch keinen Fortschritt.
Śyāmasundara: Die Bevölkerung von China hat Arbeit, Nahrung und Kleidung.
Śrīla Prabhupāda: Das ist nur ein zeitweiliger Zustand. Eisen mag zeitweilig glänzen, doch mit der Zeit wird es stumpf und rostig. Gold dagegen glänzt immer.
Śyāmasundara: Mao ist der Meinung, Klassenkonflikte ließen sich durch die Repression und Verfolgung der Konterrevolutionäre zu Hause lösen. Sobald daher in China jemand konterrevolutionär ist, wird er verfolgt.
Śrīla Prabhupāda: Das ist nichts Neues. Das gleiche geschieht ohne höhere Philosophie auch im Tierreich. Was ist der Nutzen einer solchen Philosophie? Wirkliche Philosophie ist etwas, was keine Konflikte schafft. Wenn man Maos Philosophie durch Gewalt und Kampf einführen will, was ist sie dann wert?
Śyāmasundara: Mao Tse-tung warnt sein Volk, es müsse Einmischungen von anderen Ländern verhüten, denn diese seien nur Quellen von Konflikten.
Śrīla Prabhupāda: Warum sollte den Chinesen ausländische Einmischung gefährlich sein, wenn ihr System perfekt ist? Ihr System ist unvollkommen, und deshalb können sie leicht verwirrt werden und auf andere Gedanken kommen.
Śyāmasundara: Gegenwärtig sieht es so aus, als wollten sie wieder mit den kapitalistischen Imperialisten Freundschaft schließen. Als Mao Tse-tung an einem schweren Herzanfall zu sterben drohte, ließ man einen führenden Wissenschaftler aus Amerika einfliegen, um sein Leben zu retten. Jetzt haben die Chinesen den Präsidenten von Amerika eingeladen, zu ihnen zu kommen und Gespräche mit ihnen zu führen. Sie scheinen jetzt diejenigen wieder zu akzeptieren, die sie vorher als unvollkommen bezeichneten.
Śrīla Prabhupāda: Das Śrīmad-Bhāgavatam (7.5.30) sagt: punaḥ punaś caritacarvaṇānām. "Die Materialisten sind damit beschäftigt, das Gekaute immer wieder durchzukauen." Das bereits Gekaute wird fortgeworfen, und dann erneut in den Mund gesteckt und probiert. Mit anderen Worten: Sie befassen sich lediglich mit Hirngespinsten. Der unstete Geist ist ständig damit beschäftigt, Dinge anzunehmen und abzulehnen. Erst lehnen sie die amerikanischen Kapitalisten ab, und dann laden sie sie wieder zu sich ein. Das bedeutet, daß sie sich nur auf der Ebene des Denkens bewegen. Sie haben keine Intelligenz. Sie sind nur mit Annehmen und Ablehnen beschäftigt. Nicht nur bei der einzelnen Person ist das der Fall, sondern es geschieht auch im großen Rahmen. Ihre Auffassungen sind Spekulationen ohne Wahrheitsgehalt. All diese Regierungen, sei es die amerikanische Regierung oder die chinesische, die sich nur auf Sprüche, Parolen und Thesen stützen, sind nicht vollkommen, denn alle ihre Ideen sind nur Hirngespinste. Vollkommen ist das System der vedischen Gesellschaftsunterteilung, und diejenigen, die noch so etwas wie Intelligenz haben, sollten die Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein studieren und die vedischen Prinzipien im praktischen Leben auf der ganzen Welt anwenden.

 

4. Gespräche in Moskau

Es folgt ein Auszug aus einem Gespräch zwischen His Divine Grace A. C. Bhaktivedanta Swami Prabhupāda, dem Gründer und ācārya der Internationalen Gesellschaft für Krischna-Bewußtsein, und Professor Kotowski, dem Leiter der Fakultät für Indologie an der Universität Moskau. Dieser Dialog fand statt, als Śrīla Prabhupāda 1972 die Sowjetunion besuchte, um dort die Philosophie des Kṛṣṇa-Bewußtseins zu präsentieren.

Die vedische Auffassung von Sozialismus

Śrīla Prabhupāda: Gestern las ich in der Zeitung Moscow News, daß ein Kommunisten-Kongreß stattgefunden habe, bei dem der Präsident erklärte: "Wir sind bereit, die Erfahrungen anderer zu übernehmen, um uns zu verbessern." Ich denke, daß die vedische Auffassung von Sozialismus oder Kommunismus den Gedanken des Kommunismus sehr verbessern wird. Ein Prinzip im sozialistischen Staat zum Beispiel ist es, daß niemand hungern soll. -Jeder soll sein Essen haben. Im gleichen Sinne wird nach vedischer Auffassung dem ghastha, dem Haushälter, nahegelegt, darauf zu achten, daß selbst eine Eidechse oder eine Schlange, die in seinem Haus lebt, nicht Hunger leidet. Selbst diesen niederen Kreaturen sollte Nahrung gegeben werden, und erst recht einem Menschen. Es wird empfohlen, daß der ghastha, bevor er sein Essen zu sich nimmt, auf die Straße geht und ruft: "Wenn jemand noch hungrig ist, so komme er bitte! Das Essen ist bereit!" Wenn sich niemand meldet, kann der Hausherr zum Essen gehen. Die heutige Gesellschaft hält das Volk für den Besitzer eines bestimmten Staates, doch die vedische Auffassung lautet: īśāvāsyam idaguṁ sarvaṁ. "Alles gehört īśa, dem Höchsten Herrscher." Weiter heißt es: tena tyaktena bhuñjīthā. "Man darf genießen, was einem vom Herrn als Anteil zur Verfügung gestellt wird." Mā gdhaḥ kasya svid dhanam. "Doch vergreife dich nicht am Eigentum anderer." So heißt es in der Īśopaniad, und der gleiche Gedanke wird in den verschiedenen Purāṇas erklärt. Es gibt in den vedischen Schriften viele gute Anregungen in bezug auf Kommunismus. Ich dachte mir, diese Gedanken sollten an Ihre verständigsten Männer weitergegeben werden. Deshalb wünschte ich mir so sehr, hier zu sprechen.
Prof. Kotowski: Es ist bemerkenswert, daß gegenwärtig in unserem Land großes Interesse an der Geschichte alten Gedankengutes besteht. Aus diesem Grunde übersetzte und veröffentlichte unser Institut viele Literaturmonumente der großen indischen Kultur. Es wird Sie interessieren, daß wir einige der Purāṇas und Teile des Rāmāyana veröffentlichten und daß wir auch eine vollständige Übersetzung des Mahābhārata ins Russische in mehreren Bänden vorliegen haben. Außerdem haben wir die vollständige Übersetzung der Manu-smti mit Sanskritkommentaren herausgegeben. Die Nachfrage nach diesen Publikationen war so groß, daß sie innerhalb einer Woche ausverkauft waren. Es besteht also wirklich großes Interesse unter der lesenden Bevölkerung hier in Moskau und der UdSSR an alter vedischer Kultur, und deshalb veröffentlichten wir viele diesbezügliche Bücher.
Śrīla Prabhupāda: Von den Purāṇas wird das Śrīmad-Bhāgavatam als das wichtigste Purāṇa bezeichnet. Wir sind dabei, den vollständigen Text zu übersetzen. Erst wird der ursprüngliche Sanskrittext angeführt, dann die Transliteration, dann die Übersetzung und schließlich eine Erläuterung des Verses. Es gibt 18 000 Verse im Śrīmad-Bhāgavatam, und jeder Vers wird auf diese Weise übersetzt. Die Ansicht der ācāryas, der großen Heiligen, die die Bhāgavata-Philosophie predigen, lautet: nigama-kalpa-taror galitaṁ phalaṁ. "Das Śrīmad-Bhāgavatam ist die reifste Frucht am Baum des vedischen Wissens." Das wird von allen indischen Gelehrten anerkannt, und auch Śrī Caitanya predigte das Śrīmad-Bhāgavatam. Wenn Sie möchten, können wir Ihnen einmal unsere englische Übersetzung des Bhāgavatam zeigen.
Prof. Kotowski: Ich glaube, daß wir in den Bibliotheken von Moskau und Leningrad nahezu alle Haupttexte der alten indischen Kultur haben, angefangen mit den Veden, den sanskritischen Urtexten. In der Leningrader Abteilung unseres Instituts gibt es zum Beispiel sechs bis acht Ausgaben der Manu-smti. Dieses Institut, das noch im imperialistischen Rußland in Leningrad gegründet wurde, hat einen Zweig, der sich hauptsächlich mit der Geschichte asiatischer Kultur befaßt. Dort gibt es eine Liste aller Studien, die über die Geschichte des Hinduismus, der indischen Religion und das heutige hinduistische Indien betrieben worden sind.
Śrīla Prabhupāda: Hinduismus ist ein Thema für sich.
Prof. Kotowski: O ja. (beide lachen) Nach meinem Verständnis ist es tatsächlich keine Religion, wie sie der Europäer kennt; Hinduismus ist eine Lebensweise, eine Religion, eine Philosophie - alles, was man will.
Śrīla Prabhupāda: Das Wort "Hindu" ist kein Sanskritwort, sondern stammt von den Mohammedanern. Wie Sie wissen, gibt es einen Strom, den Indus, der im Sanskrit Sindhu genannt wird. Die mohammedanischen Völker sprechen s als h aus. Aus "Sindhu" machten sie also "Hindu". Hindu ist daher ein Begriff, der sich nicht im Sanskrit-Wörterbuch finden läßt, sondern erst später in Gebrauch kam. Die wirkliche, vedische Kultur aber nennt sich varṇāśrama. Es gibt vier varṇas oder Gesellschaftseinteilungen, nämlich brāhmaṇa, katriya, vaiśya und śūdra, und vier āśramas oder spirituelle Einteilungen, nämlich brahmacarya, ghastha, vānaprastha und sannyāsa. Nach der vedischen Lebensauffassung sind die Leute, solange sie nicht dieses System oder die Einrichtung der vier varṇas und vier āśramas annehmen, im Grunde keine zivilisierten Menschen. Man muß dieses System der Unterteilung von vier Gesellschaftsständen und vier spirituellen Ständen annehmen; das wird varṇāśrama genannt. Indiens Kultur beruht auf diesem uralten vedischen System. In der Bhagavad-gītā wird es bestätigt. Sie haben doch die Bhagavad-gītā gelesen?
Prof. Kotowski: Ja, natürlich.
Śrīla Prabhupāda: In der Bhagavad-gītā wird erklärt: cātur-varṇyaṁ mayā sṛṣṭam. Dieses System wurde von Viṣṇu, von Gott, geschaffen. Da also das varṇāśrama eine Schöpfung des Höchsten ist, läßt es sich nicht ändern. Der Herr ist überall. So wie die Sonne eine Schöpfung des Höchsten ist und der Sonnenschein in Amerika, in Rußland, in Indien -überall -vorhanden ist, so ist dieses varṇāśrama-System überall in dieser oder jener Form vorhanden. Überall zum Beispiel gibt es die brāhmaṇas, die intelligenteste Klasse der Menschen. Sie sind die Gehirne der Gesellschaft. Die katriyas bilden die verwaltende Klasse, die vaiśyas die produzierende Klasse und die śūdras die Arbeiterklasse. Diese vier Menschenklassen sind unter verschiedenen Namen überall zu finden. Weil der varṇāśrama-dharma vom ursprünglichen Schöpfer erschaffen wurde, ist er überall gültig.
Prof. Kotowski: Interessanterweise ist das varṇāśrama-System nach Ansicht einiger europäischer und früherer russischer Gelehrter eine spätere Schöpfung, und wenn Sie die alten Texte vedischen Schrifttums lesen, werden Sie auf eine weitaus einfachere, bäuerliche Gesellschaft stoßen. Nach Ansicht dieser Gelehrten wurde das varṇāśrama-System im späteren Stadium der vedischen Zeit in der indischen Gesellschaft eingeführt, bestand aber keineswegs von Anfang an. Wenn man die alten Texte untersucht, wird man entdecken, daß es im klassischen alten Indien nicht herrschte.
Śrīla Prabhupāda: Wir berufen uns darauf, was in der Bhagavad-gītā erwähnt wird: Die Bhagavad-gītā wurde vor 5000 Jahren gesprochen, und es heißt dort schon: cātur-varṇ-yaṁ mayā sṛṣṭam. "Von Mir, Gott, wurde das varṇāśrama-System geschaffen." Weiter heißt es: "Diese Lehre der Bhagavad-gītā wurde von Mir zum Sonnengott gesprochen". Wenn man die Zeitangabe berechnet, die in diesem Zusammenhang angeführt wird, wird man feststellen, daß die Bhagavad-gītā 40 000 000 Jahre zuvor schon einmal gesprochen wurde. Können die europäischen Gelehrten die Geschichte 5000 Jahre zurückverfolgen, ganz zu schweigen von 40 000 000 Jahren? Bewiesenermaßen besteht das varṇāśrama-System seit mindestens 5000 Jahren. Auch im Viṇu Purāṇa (3.8.9) wird dieses System erwähnt: varṇāśramācāravatā purueṇa paraḥ pumān. Varṇāśrama-dharma ist kein Phänomen einer Geschichtsperiode der heutigen Zeit. Es ist einfach natürlich. ImŚrīmad-Bhāgavatam wird ein Vergleich gegeben: So wie es im Körper vier Teilbereiche gibt - das Gehirn, die Arme, den Bauch und die Beine -, so gibt es von Natur aus diese vier Bereiche im Gesellschaftskörper. Es gibt eine Klasse von Menschen, die als das Gehirn betrachtet wird, eine Klasse von Menschen, die die Arme des Staates darstellt, eine Klasse von Menschen, die man als die produzierende Klasse bezeichnet und so weiter. Man braucht gar nicht die Geschichte zurückzuverfolgen; diese Gliederung existiert von Natur aus seit dem Tag der Schöpfung.

Ein Mangel an Gehirnen

Prof. Kotowski: Sie sagten, in jeder Gesellschaft gebe es diese vier Teile, doch sind sie nicht so leicht zu unterscheiden. Man kann zwar ohne Schwierigkeit in jeder Gesellschaft verschiedene Gesellschaftsklassen und Berufsgruppen in vier Teile untergliedern, doch dürfte es zum Beispiel schwerfallen, in der sozialistischen Gesellschaft, wie sie in unserem Land und anderen sozialistischen Gemeinschaften besteht, die produzierende Schicht von den Arbeitern zu trennen.
Śrīla Prabhupāda: Auch hier besteht eine Unterteilung. Wir zum Beispiel gehören zur intellektuellen Klasse der Menschen.
Prof. Kotowski: Natürlich, man kann alle Intelligenten zur Klasse der brāhmaṇas zählen und die Verwaltenden zu einer anderen, doch wer sind bei uns die vaiśyas und wer die śūdras? Das ist das Problem, denn alle außer den Intellektuellen und Verwaltenden sind Arbeiter Fabrikarbeiter, Kollektivfarmarbeiter usw. Von daher gibt es meiner Meinung nach einen großen Unterschied zwischen der sozialistischen Gesellschaft und allen Gesellschaften, die noch nicht zum Sozialismus gelangt sind. Bei der heutigen westlichen Gesellschaft kann man nämlich alle Gesellschafts- und Berufsgruppen diesen bestimmten Kategorien zuordnen -brāhmaṇas, katriyas, vaiśyas und śūdras -, das heißt Intellektuelle, Verwaltende, Eigentümer des Produktionssystems (Fabrikbesitzer z. B.) und gewöhnliche Arbeiter. Bei uns aber haben wir keine vaiśyas, da wir zwar Verwaltungsausschüsse in den Fabriken haben, die man als katriyas bezeichnen kann und weiter die śūdras, die Arbeiter selbst, doch keine dazwischenliegende Klasse.
Śrīla Prabhupāda: Das wird in den Veden erklärt: kalau śūdrā-sambhavāḥ. "Im gegenwärtigen Zeitalter sind so gut wie alle Menschen śūdras." Aber wenn es nur śūdras gibt, bedeutet das eine Störung der Gesellschaftsordnung. Trotz Ihres Staates der śūdras braucht man noch den brāhmaṇa, denn der ist immer notwendig. Wenn man nicht die Gesellschaftsordnung auf die beschriebene Weise gliedert, werden chaotische Zustände herrschen. Das ist das wissenschaftliche Urteil der Veden. Man mag vielleicht der śūdra-Klasse angehören, aber um die Gesellschaftsordnung zu erhalten, muß man einige der śūdras zu brāhmaṇas ausbilden. Die Gesellschaft kann nicht von śūdras abhängig sein und auch nicht ausschließlich von brāhmaṇas. Zur Erfüllung der Bedürfnisse des Körpers muß es ein Gehirn, Arme, den Magen und Beine geben. Das Zusammenwirken all dieser Körperteile ist notwendig, damit dem Interesse des ganzen Körpers gedient wird. Bei jeder Gesellschaft kann man sehen, daß Chaos herrscht, wenn diese vier Kategorien fehlen. Ohne sie kann die Gesellschaft einfach nicht richtig funktionieren. Es werden nur Verwirrungen und Störungen auftreten. Zum Beispiel muß ein Gehirn da sein, aber gegenwärtig herrscht ein Mangel an Gehirnen. Ich spreche dabei nicht von Ihrem Staat oder meinem Staat, sondern ich beziehe mich auf die Welt als Ganzes. Früher war die indische Regierung eine Monarchie. Mahārāja Parīkṣit zum Beispiel war ein katriya-König, der kurz vor seinem Tode dem Königsthron entsagte und in den Wald ging, um etwas über Selbstverwirklichung zu hören. Wenn man den Frieden und den Wohlstand der ganzen Weltgesellschaft erhalten will, muß man eine sehr intelligente Klasse von Menschen schaffen, eine Klasse von Menschen, die es versteht zu verwalten, eine Klasse von Menschen, die sich auf Produktion versteht und eine Klasse von Menschen, die arbeitet. Das ist notwendig, und man wird diese Notwendigkeit nicht umgehen können. Die vedische Auffassung ist mukha-bāhūru-pāda-jāḥ. (SB. 11.17.13) Mukha bedeutet "Gesicht", bāhu bedeutet "Arme", ūru bedeutet "Rumpf" und pāda "Beine". Um welchen Staat es sich auch handeln mag -solange keine systematische Einrichtung dieser vier Gesellschaftsstände da ist, wird der Staat oder die Gesellschaft nicht reibungslos funktionieren.

Wir brauchen fähige Lehrer

Prof. Kotowski: Allgemein betrachtet scheint es mir, als habe das varṇāśrama-System bei der altertümlichen Gesellschaft für eine natürliche Arbeitsteilung gesorgt; aber heutzutage ist die Arbeitsteilung bei jeder Gesellschaft weitaus komplizierter und verfeinerter. Es wäre daher sehr verwirrend, sie in vier Klassen zu unterteilen.
Śrīla Prabhupāda: Verwirrung ist entstanden, weil es in Indien in späterer Zeit so war, daß zum Beispiel der Sohn eines brāhmaṇa behauptete, ein brāhmaṇa zu sein, ohne die brahmanischen Eigenschaften zu haben, und andere ihn aus Leichtgläubigkeit oder Traditionsliebe als brāhmaṇa anerkannten. Dadurch wurde die indische Gesellschaftsordnung durcheinandergebracht. In unserer Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein versuchen wir derzeit, wahrhaft qualifizierte brāhmaṇas auszubilden, denn die Welt braucht das Gehirn des brāhmaṇa. Obwohl Mahārāja Parīkṣit, der vor 5000 Jahren lebte, ein Monarch war, hatte er einen Rat aus brāhmaṇas und gelehrten Weisen, die ihn berieten. Die Monarchen waren nicht unabhängig. Es kam in der Geschichte sogar vor, daß einige der Monarchen vom brahmanischen Ratsausschuß entthront wurden, wenn sie sich nicht gesetzmäßig verhielten. Obgleich die brāhmaṇas sich nicht an der Politik beteiligten, gaben sie dem Herrscher gewöhnlich Ratschläge, wie die Königspflichten zu erfüllen seien. Und das ist noch gar nicht so lange her. Wann lebte zum Beispiel Kaiser Aśoka?
Prof. Kotowski: Seine Zeit entspricht nach unserer Terminologie ungefähr dem altertümlichen und mittelalterlichen Indien. Im alten feudalen Indien - da haben Sie Recht war das System noch sehr offen, und der größte Teil der hohen Regierungsbeamten in der Legislative waren brāhmaṇas. Selbst zur Zeit der Mogule gab es brāhmaṇas, die die islamischen Herrscher und Verwalter berieten.
Śrīla Prabhupāda:
Das ist richtig. Die brāhmaṇas wurden anerkannt. Sie stellten gewöhnlich die Berater des Königs dar. Ein gutes Beispiel ist Cāṇakya Paṇḍita, der Candra Guptas erster Minister war, als dieser auf den Thron kam. Candra Gupta, der letzte Hindu-König, lebte zur Zeit Alexander des Großen, der vorher von Griechenland nach Indien gezogen war und einen Teil erobert hatte. Haben Sie schon einmal von diesem Cāṇakya gehört?
Prof. Kotowski: O ja, natürlich.
Śrīla Prabhupāda: Cāṇakya war ein großer brāhmaṇa-Politiker, und nach ihm wurde das Viertel von Neu-Delhi, in dem sich jetzt alle Auslandsbotschaften befinden, Cāṇakya Purī benannt. Cāṇakya Paṇḍita, der große Politiker und brāhmaṇa, war hochgelehrt, und seine moralischen Lehren sind immer noch wertvoll. In Indien werden schon die Schulkinder in Cāṇakya Paṇḍitas Lehren unterrichtet. Obwohl Cāṇakya der erste Minister war, wahrte er seinen brāhmaṇa-Geist: Er nahm zum Beispiel kein Gehalt an. Wenn ein brāhmaṇa ein Gehalt bezieht, bedeutet dies, daß er ein Hund geworden ist. So heißt es im Śrīmad--Bhāgavatam. Er darf Ratschläge erteilen, aber er darf keine Stellung annehmen. Cāṇakya Paṇḍita lebte in einer Hütte und war doch der erste Minister. Diese brahmanische Kultur und das brahmanische Gehirn bilden den Standard vedischer Zivilisation. Die Manu-smti liefert die beispielhaften Grundsätze der brahmanischen Kultur. Man kann geschichtlich nicht zurückverfolgen, wann die Manu-smti geschrieben wurde, doch gilt diese Schrift als so vollkommen, daß sie als das Gesetzbuch der Hindus betrachtet wird. Es ist nicht notwendig, daß die Gesetzgeber ständig neue Gesetze erlassen, um die Gesellschaftsordnung herzustellen. Das von Manu gegebene Gesetz ist so vollkommen, daß es sich zu jeder Zeit anwenden läßt. Im Sanskrit wird es als tri-kāla-dau bezeichnet, was bedeutet gültig für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Prof. Kotowski: Es tut mir leid, Sie unterbrechen zu müssen, aber meines Wissens nach unterstand die ganze indische Gesellschaft seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf Anordnung der britischen Regierung einem Gesetz, das vom Hindu-Gesetz abwich. Es fanden große Veränderungen statt, und auch das eigentliche Hindu-Gesetz, das von den Hindus benutzt wurde, unterschied sich sehr von der ursprünglichen Manu-smti.
Śrīla Prabhupāda: Ja, es wurden im laufe der Zeit manche Veränderungen durchgeführt. Selbst Paṇḍita Jawaharlal Nehru führte in späterer Zeit sein eigenes Hindu-Gesetz ein. Er führte zum Beispiel das Scheidungsrecht für Verheiratete ein, das nicht in der Manu-smti enthalten ist. Es gibt so viele Dinge, die geändert worden sind, doch ehemals wurde die ganze menschliche Gesellschaft der Manu-smti gemäß geleitet. Genau genommen folgen die heutigen Hindus nicht mehr streng den Hindu-Schriften. Aber es ist nicht unser Anliegen, die alte Form der Hindu-Gesellschaft wieder zurückzubringen. Das wäre unmöglich. Unsere Auffassung besteht darin, die besten Gedanken herauszugreifen. Im Śrīmad-Bhāgavatam findet sich zum Beispiel eine Beschreibung der kommunistischen Idee, wie sie von Mahārāja Yudiṣṭhira vertreten wurde. Wenn etwas eine gute Sache ist, ein gutes Stück Erfahrung, warum sollte man das nicht anwenden? Das ist unser Standpunkt.

Schwer arbeiten - ist das alles?

Überdies fehlt es der heutigen Zivilisation an einem überaus wichtigen Faktor -dem Ziel des menschlichen Lebens. Nach der vedischen Wissenschaft ist das Ziel des menschlichen Lebens ātma-tattva oder Selbstverwirklichung. Es wird erklärt, daß die Angehörigen der menschlichen Gesellschaft in allem, was sie tun, Niederlagen erleiden, wenn sie nicht zur Selbstverwirklichung gelangen. Das geschieht tatsächlich in der modernen Gesellschaft trotz allen wirtschaftlichen und anderen Fortschritts: Statt Frieden und Eintracht zu wahren, kämpfen die Menschen - individuell, gesellschaftlich, politisch und national. Wenn wir mit Vernunft und Logik darüber nachdenken, werden wir sehen, daß wir trotz großer Verbesserungen in vielen Wissenszweigen die gleiche Denkweise pflegen, die bei der niederen Tiergesellschaft zu beobachten ist. Aus dem Śrīmad-Bhāgavatam erfahren wir, daß der menschliche Körper nicht dafür bestimmt ist, schwer für Sinnenbefriedigung zu arbeiten; aber die Menschen kennen nichts, was darüber hinausgeht. Sie wissen nichts vom nächsten Leben. Es gibt keinen Wissenschaftler, der studiert, was geschieht, wenn der Körper tot ist. Das aber ist ein großer Wissensbereich.
In der Bhagavad-gītā (2.13) heißt es: dehino `smin yathā dehe. Deha bedeutet "Körper". Dehino `smin yathā dehe -kaumāraṁ yauvanaṁ jarā. Der dehī, der Besitzer des Körpers, befindet sich im Körper, und der Körper wandelt sich von einer Form zur anderen. Das Kind hat eine bestimmte Körperform, die sich in eine andere Form wandelt, wenn es älter wird; der Besitzer des Körpers aber existiert immer weiter. Ebenso nehmen wir einen neuen Körper an, wenn unser jetziger Körper stirbt. Die Leute begreifen das nicht. Wir nehmen selbst innerhalb eines Lebens verschiedene Körper an - von Kindheit zu Jugend und von Jugend zu Alter. Das ist eine Tatsache, von der jeder Erfahrung hat. Früher war ich ein Kind, aber den Kindheitskörper gibt es nicht mehr, und ich habe jetzt einen anderen Körper. Warum sollte es also schwierig sein zu begreifen, daß ich auch einen neuen Körper annehmen werde, wenn es diesen Körper nicht mehr gibt? Das ist eine umfassende Wissenschaft.
Prof. Kotowski: Wie Sie wissen, gibt es diesbezüglich ziemlich gegensätzliche Auffassungen. Bei den verschiedenen Religionen unterscheiden sich die Auffassungen in geringem Maße, und gleichzeitig anerkennt und studiert jede Religion die Erfahrung des Körperwechsels oder die Wanderung der Seele. Bei der christlichen Religion, bei dem Judentum...
Śrīla Prabhupāda: Ich erörtere nicht Religionen mit Ihnen. Ich spreche von Wissenschaft und Philosophie. Jede Religion mag ihre Vorstellungen haben, aber darum geht es mir nicht. Mir geht es um die Tatsache, daß es nicht schwierig sein sollte zu verstehen: Wenn der Besitzer des Körpers trotz vieler Körperwandlungen derselbe bleibt, nimmt der Körperbesitzer auch einen neuen Körper an, wenn der Körper vollständig gewechselt wird.
Prof. Kotowski: Eine andere Auffassung ist, daß es keine Trennung gibt. - Es gibt keine zwei Phänomene; der Körper und der Besitzer des Körpers sind ein und dasselbe, und wenn der Körper stirbt, stirbt auch der Besitzer.
Śrīla Prabhupāda: Diese Vorstellung ist nicht zutreffend. Deshalb sollte es einen Wissensbereich an der Universität geben, der diese Tatsache wissenschaftlich untersucht. Daran fehlt es, und daher lautet mein Vorschlag: Es mag so sein, wie Sie sagen, oder so, wie ich sage, doch muß es eine Wissensabteilung geben, die das studiert. Erst neulich bestätigte mir ein Arzt in Toronto, ein Herzspezialist, daß es die Seele gibt. Ich führte einen Briefwechsel mit ihm, aus dem hervorgeht, daß er stark an die Existenz der Seele glaubt. Es mag andere Standpunkte geben, aber unser Vorgang besteht darin, Wissen von der Autorität anzunehmen. Wir haben Kṛṣṇas Erklärungen zu diesem Thema, und Seine Worte sind maßgeblich. Kṛṣṇa, Gott, wird von allen spirituellen Meistern als die höchste Autorität anerkannt. Die Bhagavad-gītā wird von Gelehrten und philosophischen Kreisen auf der ganzen Welt anerkannt. Kṛṣṇa sagt in der Bhagavad-gītā (2.13):

dehino 'smin yathā dehe
kaumāraṁ yauvanaṁ jarā
tathā dehāntara-prāptir
dhīras tatra na muhyati

"So wie die verkörperte Seele in diesem Körper fortgesetzt von Kindheit zu Jugend und zu Alter wandert, so geht die Seele beim Tod in ähnlicher Weise in einen anderen Körper ein. Die selbstverwirklichte Seele ist durch einen solchen Wechsel nicht verwirrt."

Diese Erklärung gibt Kṛṣṇa, der nach unserem überlieferten Wissen die größte Autorität ist. Eine solche Erklärung erkennen wir ohne Gegenargumente an. Das ist der Weg vedischen Verstehens.

Wie man Zeit spart

Prof. Kotowski: Die Schwierigkeit besteht nur darin, daß wir mit unserer Auffassung an nichts ohne Argumente glauben. Wir können nur Dinge glauben, die auf Argumenten beruhen.
Śrīla Prabhupāda: Das ist durchaus zulässig. Die Bhagavad-gītā (4.34) bestätigt dies wie folgt: tad viddhi praṇipātena paripraśnena sevayā. Paripraśnaḥ, Argumentation, ist erlaubt - aber nicht in einer herausfordernden Haltung, sondern mit dem Bemühen zu verstehen. Argumentation wird nicht abgelehnt. Doch was die vedischen Erklärungen betrifft, so sind sie unfehlbar, und die Gelehrten der Veden erkennen sie als solche an. Zum Beispiel ist Kuhdung der Kot eines Tieres, und nach den Erklärungen der Veden ist man verunreinigt, sobald man den Kot eines Tieres oder sogar seinen eigenen Kot berührt, und muß sich durch ein Bad säubern. Nach vedischer Sitte muß man nach jedem Stuhlgang ein Bad nehmen.
Prof. Kotowski: Das ist völlig verständliches hygienisches Wissen.
Śrīla Prabhupāda: Ja, aber an einer anderen Stelle heißt es, daß Kuhdung rein ist und daß ein unreiner Ort, an dem man Kuhdung aufträgt, gesäubert wird. Das ist anscheinend widersprüchlich. An einer Stelle heißt es, der Kot eines Tieres sei unrein und sobald man ihn berühre, müsse man sich säubern, und an einer anderen Stelle heißt es, der Kuhdung sei rein. Nach unserem Verständnis ist das widersprüchlich, und doch wird es von allen Nachfolgern der Veden anerkannt. Und es verhält sich tatsächlich so. Wenn man Kuhdung analysiert, wird man entdecken, daß er alle antiseptischen Eigenschaften enthält.
Prof. Kotowski: Das wußte ich gar nicht.
Śrīla Prabhupāda: Der Kuhdung wurde an einem medizinischen Institut von einem Professor analysiert, der entdeckte, daß Kuhdung alle antiseptischen Eigenschaften hat. Vedische Aussagen werden sich also nach eingehender Analyse, selbst wenn sie widersprüchlich erscheinen, als richtig erweisen. Es mag so aussehen, als gebe es Ausnahmen, aber wenn man die vedischen Feststellungen annimmt und sie wissenschaftlich analysiert und untersucht, wird man erkennen, daß sie zutreffen.
Prof. Kotowski: Wenn Sie vom wissenschaftlichen Standpunkt aus analysieren, so ist das sicherlich richtig.
Śrīla Prabhupāda: Es gibt noch viele andere Beispiele. Das Muschelhorn zum Beispiel ist der Knochen eines Tieres, und nach den vedischen Lehren wird man verunreinigt, wenn man Tierknochen berührt, und muß ein Bad nehmen. Trotzdem legt man das Muschelhorn sogar in den Altarraum, da es in den Veden als rein bezeichnet wird. Was ich damit sagen will ist, daß wir vedische Gesetze ohne Argumentation annehmen. Das ist das Prinzip, dem die Gelehrten folgen. Wenn man seine Erklärungen durch Zitate aus den Veden begründet, dann werden sie anerkannt. Man braucht sie nicht auf andere Weise zu belegen. Es gibt verschiedene Arten von pramāṇas oder Beweisführungen. Beweis durch vedische Zitate bezeichnet man als śruti-pramāṇa. So wie am Gerichtshof eine Feststellung anerkannt wird, wenn man dazu Stellen aus dem Gesetzbuch anführt, so werden alle von śruti-pramāṇa bestätigten Erklärungen von Gelehrten anerkannt. Ich glaube, Sie wissen, daß die Veden als śrutis bekannt sind.
Prof. Kotowski: Ja.
Śrīla Prabhupāda: Sruti-smti-purāādi-pañcarātra-vidhiṁ vinā aikāntikī harer bhaktir utpātāyaiva kalpate (Brahma-yāmala). Jedes System, das wir anerkennen, muß durch Belege aus śruti, smti, den Purāṇas und dem Pañcarātra bestätigt sein. Das, was nicht durch diese pramāṇas nachgewiesen ist, stellt eine Störung dar.
Prof. Kotowski: Darf ich eines dazu sagen? Was in den Veden steht, ließe sich auch auf wissenschaftliche Weise beweisen. Heutzutage ist es doch so, daß alles, was in den wissenschaftlichen Laboratorien gesagt wird, als wahr gilt. Man nimmt es als wahr an, ohne nachzuforschen, ob es richtig ist. Wenn eine wissenschaftliche Werkstatt oder Institution sagt, eine Sache sei gut, so nimmt das die Allgemeinheit als sicher an. So wie die Wissenschaftler es sagen, werden die Dinge verstanden.
Śrīla Prabhupāda: In ähnlicher Weise werden die autoritativen vedischen Aussagen von den ācāryas, den großen spirituellen Lehrern, angenommen. Indien wird sozusagen von den ācāryas, wie Rāmānujācārya, Madhvācārya und Śaṅkarācārya, beherrscht. Sie und auch ihre Anhänger erkennen die Veden an. Das Gute daran ist, daß man nicht seine Zeit damit verschwendet nachzuforschen, ob z. B. Kuhdung rein oder unrein ist, sondern man akzeptiert es einfach, weil es in den Veden steht. Dadurch, daß ich den śruti-pramāṇa annehme, spare ich Zeit. Es gibt viele verschiedene Abhandlungen in den Veden über Soziologie und Politik und alles nur Erdenkliche, denn Veda bedeutet "Wissen". Kṛṣṇa sagt:

sarvasya cāhaṁ hṛdi sanniviṣṭho
mattaḥ smṛtir jñānam apohanaṁ ca
vedaiś ca sarvair aham eva vedyo
vedānta-kṛd veda-vid eva cāham

"Ich weile im Hetzen jedes Lebewesens, und von Mir kommen Erinnerung, Wissen und Vergessen. Das Ziel aller Veden ist es, Mich zu erkennen; wahrlich, Ich bin der Verfasser des Vedānta, und Ich bin der Kenner der Veden." (Bg. 15.15)

Eine besondere Art von Propaganda

Prof. Kotowski: Wenn ich Sie etwas fragen darf: Haben Sie viele Zweige Ihrer Gesellschaft auf der Welt?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Ich habe an die 100 Zentren. Der Hauptsitz befindet sich in Los Angeles. Ein weiteres wichtiges Zentrum errichten wir gegenwärtig in Māyāpur, dem Geburtsort Śrī Caitanyas. Sind Sie jemals in Indien gewesen?
Prof. Kotowski: Sechs oder sieben mal. Gegenwärtig herrscht in Kalkutta große Not wegen des Rückkehrerstroms von Flüchtlingen aus Bangladesch.
Śrīla Prabhupāda: Wir veranstalteten dort kürzlich zehn Tage lang saṅkīrtana-Festivals. Wir hatten wunderbaren Erfolg. Zu den Zusammenkünften kamen nicht weniger als 30 000 Menschen täglich. Sie waren sehr begierig, unsere Vorträge zu hören, da wir Vorlesungen aus dem Śrīmad-Bhāgavatam und der Bhagavad-gītā hielten. In jedem Teil der Welt beteiligen sich die Menschen, und neben den Engländern, den Deutschen und Franzosen zeigen ganz besonders die amerikanischen Jungen und Mädchen Interesse. Von hier aus werde ich zum Beispiel zu unserem Pariser Tempel fahren.
Unser Vorgang ist sehr einfach. Wir fordern unsere Schüler auf, vier Gebote oder regulierende Prinzipien einzuhalten: keine unzulässige Sexualität zu haben, kein Fleisch, keinen Fisch und keine Eier zu essen, sich nicht an unsinnigen Beschäftigungen wie Glücksspiel zu beteiligen und keine Rauschmittel, einschließlich Zigaretten, Tee und Kaffee, zu sich zu nehmen. Man muß diese vier Prinzipien einhalten und den Hare-Kṛṣṇa-mahā-mantra chanten, und Sie können selbst sehen, wie durch diesen Vorgang unsere Jungen und Mädchen sehr schnell Fortschritte machen. Der Vorgang ist sehr einfach. Weiter haben wir viele Bücher. In den letzten Jahren habe ich ungefähr drei Dutzend 400-seitige Bücher geschrieben: Kṛṣṇa in drei Teilen, Śrīmad-Bhāgavatam in 15 Teilen, Die Lehren Śrī Kṛṣṇa Caitanyas, Der Nektar der Hingabe, die Bhagavadgītā und den Caitanya-caritāmta in 18 Teilen. So versuchen wir, Kṛṣṇa-Bewußtsein zu verbreiten. Kṛṣṇa ist eine historische Persönlichkeit, so wie Lenin eine historische Persönlichkeit ist. So wie Sie versuchen, seine Philosophie zu verstehen, versuchen wir, Kṛṣṇas Philosophie zu verstehen.
Prof. Kotowski: Gibt es viele Mitglieder in Ihren 100 Zentren?
Śrīla Prabhupāda: O ja, es gibt mehr als 3 000 Eingeweihte und noch mehr Mitglieder, die außerhalb der Zentren leben. Die 3 000 Eingeweihten, wie zum Beispiel diese Jungen hier, (Śrīla Prabhupāda deutet auf seine beiden Sekretäre) haben alle Prinzipien angenommen.
Prof. Kotowski: Bedeutet dies, daß Ihre Schüler von normalen westlichen Universitäten Abstand nehmen? Kann zum Beispiel ein gewöhnlicher Student von einer der vielen Universitäten, der Ihren Vorlesungen beigewohnt hat, auch eingeweiht werden und Zulaß zu Ihrer Gemeinschaft erhalten?
Śrīla Prabhupāda:
Wenn jemand in unserer Gemeinschaft lebt und eingeweiht werden will, heißen wir ihn willkommen. Will er das nicht, so soll er kommen, versuchen, unsere Philosophie zu verstehen, und unsere Bücher lesen. Wir haben so viele Bücher und Zeitschriften für alle Fragen und Antworten. Man muß versuchen, die Philosophie zu verstehen. Es geschieht nicht plötzlich und von ungefähr, daß jemand kommt und unser Schüler wird. Zuerst kommt er, ist eine Zeitlang mit uns zusammen und versucht zu verstehen. Wir beschwatzen niemand. Der Betreffende sagt freiwillig, daß er ein Schüler werden will.
Prof. Kotowski: Was geschieht, wenn jemand kein Student, sondern zum Beispiel ein junger Arbeiter oder Bauernsohn ist? Entsagt er seinem ganzen Leben und schließt sich Ihrer Gemeinschaft in einem der Zentren an? Wie verschafft sich ein solcher in seinem täglichen materiellen Leben seinen Unterhalt?
Śrīla Prabhupāda: Wie ich sagte, ist unsere Propaganda dafür bestimmt, auf der ganzen Welt brāhmaṇas zu schaffen, da das brāhmaṇa-Element gegenwärtig fehlt. Jemand, der ernsthaft zu uns kommt, muß ein brāhmaṇa werden und sollte deshalb die Tätigkeit eines brāhmaṇa annehmen und die Tätigkeit eines katriya, eines vaiśya oder eines śūdra aufgeben. Aber wenn man seinen Beruf behalten und gleichzeitig unsere Bewegung verstehen will, so ist auch das zulässig. Es gibt viele Professoren, die Anhänger unserer Bewegung sind. Howard Wheeler zum Beispiel, ein Professor an der Universität des Staates Ohio, gehört zu meinen Schülern. Er fährt mit seinen Professorentätigkeiten fort, doch gibt er fast alles Geld, das er bekommt, unserer Bewegung für KṛṣṇaBewußtsein. Von ghastas, von denjenigen, die außerhalb der Zentren als Haushälter leben, wird erwartet, daß sie 50 Prozent ihres Einkommens für unsere Gesellschaft geben, 25 Prozent für ihre Familie behalten und 25 Prozent für persönliche Notfälle aufbewahren. Śrī Caitanya Mahāprabhu lehrt aber auch, daß es keine Rolle spielt, ob man ein ghastha oder ein sannyāim Lebensstand der Entsagung ist, ob man ein brāhmaṇa oder ein śūdra ist. Śrī Caitanya sagt: "Jeder, der die Wissenschaft von Kṛṣṇa versteht, ist spiritueller Meister." Śrī Caitanya sagte genau:

kibā vipra, kibā nyāsī, śūdra kene naya
yei kṛṣṇa-tattva-vettā, sei 'guru' haya

"Jeder, der die Wissenschaft von Kṛṣṇa versteht, kann ein spiritueller Meister werden." (Cc. Madhva 8.128)

Rebellion und Hingabe

Prof. Kotowski: Durch die Schaffung von brāhmaṇas aus verschiedenen Gesellschaftsklassen verletzen Sie aber doch die alte Vorschrift der Hindu-Schriften, wie der Purāṇas, nach der jeder Angehörige einer dieser vier Klassen oder varṇas in ihr geboren worden sein muß. Das ist die Grundlage aller varṇas...
Śrīla Prabhupāda: Nein. nein. Bei aller Achtung vor Ihnen muß ich gestehen, daß das, was Sie sagen, nicht richtig ist. In der Bhagavad-gītā (4.13) sagt Kṛṣṇa: cātur varṇyaṁ maarṇyaṁ mayā sṛṣṭaṁ guṇa karma vibhāgaśaḥ. "Diese vier Stände der brāhmaṇas, katriyas, vaiśyas und śūdras wurden von Mir in Entsprechung zu den Eigenschaften und der Tätigkeit geschaffen". Von Geburt wird nichts erwähnt.
Prof. Kotowski: Ich stimme mit Ihnen darin überein, daß es sich bei der Vererbungsregel um die Beifügung späterer brāhmaṇas handeln muß, die versuchten, die Eigenschaften verewigen.
Śrīla Prabhupāda: Das ist es, was die indische Kultur zugrunde richtete. Andernfalls wäre es zum Beispiel nicht nötig gewesen, daß sich ein Teil von Indien trennte, um Pakistan zu werden. Geschichtlich betrachtet hieß früher der ganze Planet Bhārata-vara und wurde bis zur Zeit Mahārāja Parīkṣits unter einer Flagge regiert. Später teilte sich alles allmählich. Zuletzt trennte sich Pakistan von Indien, und Bhārata-vara ist jetzt zu einem kleinen Stück Land verkümmert, obwohl nach den vedischen Schriften früher der ganze Planet Ilāvta-vara hieß und seit der Zeit, als Kaiser Bhārata den Planeten regierte, Bhārata-vara. Die Kultur des Kṛṣṇa-Bewußtsein existiert seit jeher. Wenn man irgendeine Religion betrachtet -die christliche. die mohammedanische oder die jüdische -so wird man feststellen. daß sie höchstem zwei- bis dreitausend Jahre alt ist. Der Beginn der vedischen Schriften aber, die sanātana oder ewig genannt werden, läßt sich nicht herausfinden. Die in ihnen dargelegte Kultur ist für die ganze Menschheit da. Sie ist kein religiöser Glaube. Religiösen Glauben kann man ändern: wirklicher dharma aber läßt sich nicht ändern. Versuchen Sie, Kṛṣṇa zu verstehen. In der Bhagavad-gītā (18.66) sagt Er: sarva dharmān parityajya mām ekaṁ śaranam vraja. "Gib alle anderen Formen der Religion auf, und ergib dich einfach Mir."
Das zeugt von wirklichem Wissen - sich dem Höchsten zu ergeben. Sie, ich, jeder Mensch ist irgend jemandem ergeben. Das ist eine Tatsache. Unser Leben besteht aus Ergebenheit. Ist es nicht so? Würden Sie dem widersprechen?
Prof. Kotowski: Sie ergeben sich bestimmt zu einem gewissen Maße.
Śrīla Prabhupāda: Ja, und zwar in vollem Maße.
Prof. Kotowski: Man muß sich zum Beispiel der Gesellschaft ergeben - oder dem ganzen Volk.
Śrīla Prabhupāda: Ja. entweder dem ganzen Volk oder dem Staat oder dem König oder der Regierung oder was immer Sie möchten, Ergebenheit muß da sein.
Prof. Kotowski: Die einzige Schwierigkeit besteht darin, daß wir uns nicht halb einer Regierung und einem König ergeben können. Es bestehen grundlegende Unterschiede zwischen einem König, einer Person oder der Gesellschaft.
Śrīla Prabhupāda: Das ist nur ein Wechsel der Färbung. Das Prinzip der Ergebenheit ist immer vorhanden. Ob man sich der Monarchie, der Demokratie, der Aristokratie oder der Diktatur ergibt, unterordnen muß man sich; das ist eine Tatsache. Ohne Ergebenheit gibt es kein Leben. Das ist völlig unmöglich. Wir bringen die Menschen dazu, sich dem Höchsten zu ergeben, von dem man allen Schutz bekommt, wie Kṛṣṇa bestätigt (Bg. 18.66). Niemand kann sagen: "Nein, ich bin keinem anderen untergeordnet." Nicht ein einziger Mensch kann das von sich behaupten. Der Unterschied, auf den es ankommt, ist, welcher Sache man sich ergibt. Das endgültige Objekt der Ergebenheit ist Kṛṣṇa. Deshalb sagt Kṛṣṇa in der Bhagavad-gītā (7.19): bahūnāṁ janmanām ante jñānavān māṁ prapadyate. "Wenn jemand, nachdem er sich Geburt für Geburt so vielen Dingen ergeben hat, wirklich weise geworden ist, ergibt er sich Mir." - Vāsudevaḥ sarvam iti sa mahātmā sudurlabhaḥ. "Solch ein mahātmā, eine große Seele, ist sehr selten."
Prof. Kotowski: Doch gleichzeitig scheint es mir, als müsse Ergebenheit von Rebellion begleitet sein. Die Geschichte der Menschheit hat gezeigt, daß sich die Menschheit nur durch Auflehnung gegen gewisse Arten der Unterwerfung entwickelt hat. Im Mittelalter kam es zur französischen Revolution, die eine Auflehnung gegen Unterwerfung war. Aber die Revolution wiederum war Ergebenheit gegenüber dem Volk. Stimmen Sie damit überein?
Śrīla Prabhupāda: Ja.
Prof. Kotowski: Es ist also nicht genug, plötzlich stehenzubleiben. Ergebenheit gegenüber einigen muß von Auflehnung gegen andere begleitet sein.
Śrīla Prabhupāda: Aber die Ergebenheit wird zu einem völligen Ende gelangen, wenn man sich Kṛṣṇa ergibt.
Prof. Kotowski: Ach so!?
Śrīla Prabhupāda: Das ist die Endstufe -kein anderes Sich-Ergeben mehr. Jede andere Art der Ergebung wird durch Revolution verändert werden, aber wenn man zu Kṛṣṇa gelangt, ist man einfach zufrieden. Ich will Ihnen ein Beispiel geben: Ein Kind weint, und die Leute geben es von einem Schoß zum anderen, ohne daß es aufhört zu weinen. Sobald nun das Kind zum Schoß seiner Mutter gelangt
Prof. Kotowski: - hört es auf.
Śrīla Prabhupāda: Ja, es ist völlig zufrieden. Ergebenheit kann die verschiedensten Formen annehmen, und die Gesamtheit all dieser Möglichkeiten ist die Ergebung an māyā, die materielle Illusion. Auch in der Bhagavad-gītā heißt es, daß diese Ergebung, bei der Kṛṣṇa abgelehnt wird, nur māyā ist. Ob man sich dieser oder jener Sache ergibt, die endgültige Ergebung ist an Kṛṣṇa, durch die man glücklich wird. Der Vorgang des Sich-Ergebens ist immer vorhanden, aber Ergebung an Kṛṣṇa macht einen völlig zufrieden und transzendental.

Unsere Waffen -die vedischen Schriften

Prof. Kotowski: Sind Sie bei orthodoxen Hindus oder brāhmaṇas in Indien nicht auf feindselige Einstellungen gegenüber Ihren Lehren gestoßen?
Śrīla Prabhupāda: Wir haben sie geschlagen. Jeder orthodoxe Hindu kann kommen und uns herausfordern, aber wir haben unsere Waffen - die vedischen Schriften. Niemand konnte uns deshalb ernstlich entgegentreten. Selbst viele christliche Priester in Amerika mögen uns. Sie sagen: "Diese amerikanischen, christlichen oder jüdischen Jungen konnten wir nicht retten, und jetzt sind sie so sehr auf Gott ausgerichtet." Viele von ihnen gestehen es ein. Manche Eltern kommen zu mir, um mir ihre Achtung zum Ausdruck zu bringen und sagen: "Śrīla Prabhupāda, es ist ein großes Glück für uns, daß Du hierher gekommen bist, um Gottesbewußtsein zu lehren." Ich habe also im Gegenteil sehr gute Aufnahme gefunden. Und weil Sie nach Indien fragten: Auch in Indien gestehen alle Religionsgemeinschaften ein, daß vor mir viele Swamis oder Geisteslehrer in die westliche Welt fuhren, aber nicht einen einzigen Menschen zum Kṛṣṇa-Bewußtsein bringen konnten. Was mich betrifft, so beanspruche ich kein Verdienst, aber ich vertraue darauf, daß das vedische Wissen, weil ich es unverändert so präsentiere, wie es ist, seine Wirkung hat. Darauf vertraue ich. Wenn man die richtige Medizin hat und sie einem Patienten verabreicht, kann man sicher sein, daß er geheilt wird.
Prof. Kotowski: Wie viele von Ihren Schülern oder Anhängern des Kṛṣṇa-Bewußtseins gibt es in Indien?
Śrīla Prabhupāda: In Indien gibt es viele Kṛṣṇa-bewußte Menschen -Hunderte, Tausende, Millionen. In Indien ist das fast selbstverständlich. Es gibt keinen einzigen Hindu, der sich Kṛṣṇas nicht bewußt ist.
Prof. Kotowski: Ah, ich verstehe.
Śrīla Prabhupāda: Das Kṛṣṇa-Bewußtsein wird auch als der Vaiṣṇava-Kult bezeichnet. Das ist allgemein bekannt, und Sie haben in Indien sicherlich selbst gesehen, daß es dort Millionen von Vaiṣṇavas gibt. Dieser Herr zum Beispiel (deutet auf einen der Anwesenden) ist der Direktor der Air India Fluggesellschaft. Er ist zwar nicht mein Schüler, doch ist er ein Vaiṣṇava, das heißt, er ist sich Kṛṣṇas bewußt. So gibt es in Indien Millionen von Menschen, die von Kṛṣṇa wissen, selbst unter den Mohammedanern. An der Universität Gorakhapura zum Beispiel gibt es einen islamischen Professor, der ein großer Geweihter Śrī Kṛṣṇas ist. Das ist nur natürlich. Im Caitanya-caritāmta heißt es, daß Kṛṣṇa-Bewußtsein sich im Herzen eines jeden befindet. Es muß nur durch den richtigen Vorgang geweckt werden. Das ist alles. Es befindet sich auch in Ihrem Herzen; es ist nichts Fremdes für Sie. In jedem Herzen befindet sich Kṛṣṇa-Bewußtsein, und durch den beschriebenen Vorgang müssen wir es erwecken. Es ist so wie mit dem Sonnenaufgang. Die Sonne kommt nicht plötzlich aus dem Nichts. Sie ist zwar immer da, doch geht sie erst am Morgen auf. Ebenso ist das Kṛṣṇa-Bewußtsein überall vorhanden, aber auf irgendeine Weise ist es gegenwärtig bedeckt. Durch diesen Vorgang wird es wiedererweckt und wächst durch richtige Gemeinschaft.

Änderungen in der Gesellschaft

Prof. Kotowski: Sie sind gestern in Moskau eingetroffen. Haben Sie sich hier schon etwas umgesehen?
Śrīla Prabhupāda: Nein, ich bin nicht sehr an Besichtigungen interessiert.
Prof. Kotowski: Aber in einem alten Hotel zu bleiben ist doch auf keinen Fall interessant. Es gibt hier nicht viele Leute zu sehen. Und übermorgen fahren Sie schon.
Śrīla Prabhupāda: Das ist mein Programm.
Prof. Kotowski: Fahren Sie von hier nach Amerika oder nach Europa?
Śrīla Prabhupāda: Erst nach Europa. Danach finden zwei umfangreiche Festivals in London und San Franzisko statt. Es werden dort Vorbereitungen für das sogenannte Rathayātrā-Wagenfest getroffen. Dieses Wagenfest wird ursprünglich jedes Jahr in Jagannātha Purī abgehalten. Sind Sie schon einmal in Jagannātha Purī gewesen?
Prof. Kotowski: O ja, dieses Wagenfest wird schon seit unvordenklichen Zeiten abgehalten. Es hat eine sehr alte Tradition.
Śrīla Prabhupāda: Im Westen haben wir es bis jetzt in London und in San Franzisko eingeführt, und vielleicht werden wir es mit der Zeit auch in anderen Ländern veranstalten.
Prof. Kotowski: In London soll es eine große Gemeinde von Indern geben.
Śrīla Prabhupāda: Die indischen Gemeinden in London und San Franzisko wurden leider von den Engländern und Amerikanern organisiert, und ihre Angehörigen versuchen saheb zu werden. Kennen Sie das Wort?
Prof. Kotowski: Ja, es bedeutet soviel wie "verwestlicht". (Beide lachen) Ein bekannter Gesellschaftsanthropologe an der Universität schrieb etwas in diesem Zusammenhang sehr Interessantes. Er sagte, es fänden zwei Prozesse statt -der Prozeß der Verwestlichung der brāhmaṇas, hauptsächlich der Oberklasse, und der Prozeß der Sanskritisierung, das heißt der Annahme von brāhmaṇa-Ritualen usw. von sogenannten niederen Klassen, selbst von Unberührbaren. Das ist ein höchst interessanter Vorgang, der gegenwärtig in Indien abläuft. Indiens Lage ist leider sehr problematisch.
Śrīla Prabhupāda: Die Schwierigkeit besteht darin, daß Indien keinen Standpunkt hat. Viele Menschen dort versuchen jetzt, das westliche Leben nachzuahmen, aber vom materialistischen oder technischen Gesichtspunkt aus betrachtet leben sie 100 Jahre in der Vergangenheit.
Prof. Kotowski: Das ist richtig. Aber was läßt sich für Indien tun?
Śrīla Prabhupāda: Aus meiner Erfahrung kann ich eines sagen: Wenn Indiens spirituelle Werte verbreitet werden, dann wird dies Indiens Ansehen heben, denn überall, wo ich hinkomme, bewundern die Menschen immer noch Indiens Kultur. Wenn das Schatzhaus des indischen spirituellen Wissens richtig verteilt wird, werden die Leute außerhalb von Indien erkennen, daß sie von Indien etwas Wertvolles bekommen.
Prof. Kotowski: Sie haben natürlich recht. Das indische Kulturerbe sollte überall bekannt gemacht werden. -Aber in welcher Weise würde das den indischen Massen selbst zugute kommen? Diese sitzen in Indien und haben nichts davon, daß indisches Kulturgut auf der ganzen Welt verbreitet wird. Die indischen Dörfer brauchen Düngemittel, Traktoren usw.
Śrīla Prabhupāda: Dagegen haben wir nichts.
Prof. Kotowski: Ich glaube auch nicht, daß Sie etwas dagegen haben, aber gleichzeitig muß etwas in Indien getan werden. Man mag es vielleicht "Verwestlichung" nennen, aber die Einführung einer industriell-technologischen Revolution ist auf allen Gebieten des indischen Lebens notwendig -in der Landwirtschaft, der Industrie usw.
Śrīla Prabhupāda: Arjuna war, bevor er die Bhagavad-gītā verstand, ein Krieger, und nachdem er die Bhagavad-gītā verstanden hatte, blieb er ein Krieger. Wir wollen also nicht die Stellung des Einzelnen ändern. Sie sind zum Beispiel ein angesehener Professor und Lehrer. Wir sagen nicht, daß Sie Ihre Position ändern müssen. Wir sind nur gekommen, um Sie von unserer Philosophie zu überzeugen. Das ist alles. Arjuna weigerte sich zu kämpfen. Er sagte: "Kṛṣṇa, ich will meine Verwandten nicht töten; Ich möchte das Königreich nicht." Aber nachdem er die Bhagavad-gītā gehört hatte und Kṛṣṇa ihn am Ende fragte "Was ist jetzt dein Entschluß?", sagte er: kariye vacanaṁ tava. "Ja, ich werde so handeln, wie Du es sagst." (Bg. 18.72) Das bedeutet, daß sein Bewußtsein sich wandelte. Er war ein Kämpfer, und er blieb ein Kämpfer, doch änderte er sein Bewußtsein. Das ist es, was wir wollen. Wir wollen nicht den gegenwärtigen Zustand der Gesellschaft stören, und wir sind auch nicht gegen Technik. Vielmehr versuchen wir nur, die Menschen das Kṛṣṇa-Bewußtsein verstehen zu lassen. Das ist unser Programm.
Prof. Kotowski: Natürlich ist es auch das Endziel jeder Bewußtseinsänderung, die Gesellschaft zu wandeln, das heißt sie zu einer besseren Gesellschaft zu machen.
Śrīla Prabhupāda: Das folgt dann von allein.
Prof. Kotowski: Mir gefällt es eigentlich nicht so recht, daß es das endgültige Ziel sein sollte, die Gesellschaft nicht zu stören, da bei der heutigen Gesellschaft viele Dinge durch Bewußtseinswandlungen zu ändern sind.
Śrīla Prabhupāda: Die erste Wandlung besteht darin, Regeln und Gebote der Enthaltsamkeit zu befolgen. Zum Beispiel sollte man keine Rauschmittel zu sich nehmen.
Prof. Kotowski: Sie meinen wohl Prinzipien der Einfachheit usw.
Śrīla Prabhupāda: Wenn man diesem Vorgang folgt, dann werden die anderen notwendigen Vorgänge von allein folgen. Ihr ganzes Leben wird sich ändern, da diese vier Dinge - unzulässige Sexualität, Berauschung, Fleischessen und Glücksspiel -sehr große Hindernisse für den Fortschritt der Gesellschaft darstellen.
Prof. Kotowski: Das wird wohl von selbst das Leben einfacher gestalten, da ein Mensch, der sich nicht unzulässiger Sexualität, Berauschung und anderen solchen Dingen ergibt, ein verhältnismäßig einfaches Leben führen muß.
Śrīla Prabhupāda: Vor ein paar Tagen führte ich in Bombay ein Gespräch mit einem ehrenwerten Herrn. Dabei sagte ich ihm, was Kṛṣṇa in der Bhagavad-gītā (9.32) erklärt:

māṁ hi pārtha vyapāśritya
ye 'pi syuḥ pāpa-yonayaḥ
striyo vaiśyās tathāśūdrās
te'pi yānti parām gatiṁ

"Selbst diejenigen, die von niederer Geburt sind (pāpa-yonayaḥ), wie striyas, vaiśyas und śūdras, können das höchste Ziel erreichen, wenn sie sich an Mich wenden. Wenn sie bei Mir Zuflucht suchen, werden auch sie zur transzendentalen Stufe erhoben."

Warum nur haben jetzt die höheren Klassen der Hindu-Gesellschaft diese Lehre der Bhagavad-gītā vernachlässigt? Angenommen, jemand ist pāpa-yonayaḥ, von niedriger Herkunft. - Kṛṣṇa sagt, daß er zur transzendentalen Stellung erhoben werden kann, wenn er bei Ihm Zuflucht sucht. Warum wurde diese Botschaft nicht von der höheren Menschenklasse zur Erhebung der sogenannten Niedriggeborenen verkündet? Statt zum Beispiel die Mohammedaner aufzunehmen, lehnten die Inder sie ab, und als Ergebnis haben sie sich jetzt abgespalten. Sie sind ewige Feinde Indiens geworden. Zum ersten Mal nun versuchen wir, Menschen zur höheren Ebene des Kṛṣṇa-Bewußtseins zu bringen, selbst wenn sie von niedriger Herkunft sind. Die Seele ist nämlich rein. In den Veden heißt es, daß die Seele von jeglicher materiellen Verunreinigung unberührt ist; sie ist nur zeitweilig bedeckt. Diese Bedeckung muß beseitigt werden. Dann wird man rein. Das ist die Bestimmung des menschlichen Lebens -sich selbst von der materiellen Umgebung zu befreien, zu spirituellem Verständnis zu gelangen und sich Kṛṣṇa zu ergeben. Wenn das geschieht, ist das Leben vollkommen.

 

5. Die ideale Gesellschaft

Gespräch auf einem
Morgenspaziergang in Vṛndāvana, Indien.

Ordnung in das Chaos bringen

Śrīla Prabhupāda: Die Politiker werden in immer stärkerem Maße versuchen, die armen Bürger auszubeuten, die bald unglaubliche Not leiden werden. Auf der einen Seite wird es als Folge der sündigen Handlungen der Allgemeinheit nicht genügend Regen geben, weshalb Nahrungsknappheit herrschen wird, und auf der anderen Seite wird die Regierung hohe Steuern einziehen. Auf diese Weise werden die Leute in solche Not geraten, daß sie ihre Häuser verlassen und in die Wälder ziehen werden. Wenn sie sich nicht dem Kṛṣṇa-Bewußtsein zuwenden, wird es für sie keine Rettung geben. Die varṇāśrama-Ausbildungsstätte muß deshalb sofort eingeführt werden. Überall, wo wir Zentren haben, sollte eine varṇāśrama-Schule zur Ausbildung aller Arten von Menschen eingerichtet werden. Es sollte eine Klasse brāhmaṇas ausgebildet werden, eine Klasse katriyas, eine Klasse vaiśyas und eine Klasse śūdras. Und jeder wird durch die vorgeschriebenen spirituellen Tätigkeiten zur spirituellen Ebene erhoben. Es gibt dabei keine Unannehmlichkeiten, selbst was die śūdras oder einfachen Arbeiter anbelangt.
Schüler: Śrīla Prabhupāda, sind in der varṇāśrama-Gesellschaft die meisten der Bürger śūdras?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Die Anzahl der śūdras ist immer größer. Es ist ähnlich wie an der Universität, an der die Zahl der Examinanden und Doktoranden stets geringer ist und die anderen zahlreicher sind. Zur Regelung der allgemeinen Angelegenheiten muß man die Menschen unterteilen, da es verschiedene Klassen von geistigen Qualitäten gibt. Diejenigen, die sehr intellektuelle Köpfe sind, sollten brāhmaṇas werden; diejenigen, die sich zur Organisation und zum Beschützen eignen, sollten als katriyas geschult werden; diejenigen, die sich dafür eignen, Nahrung zu produzieren und sich um die Kühe zu kümmern, sollten als vaiśyas ausgebildet werden, und der Rest besteht aus śūdras. Überall wird man diese Gliederung schon von Natur aus vorfinden: Eine Klasse von Menschen ist sehr intelligent; eine Klasse von Menschen ist sehr stark und mit den geistigen Fähigkeiten zur Organisation und Regierung ausgestattet; eine Klasse von Menschen eignet sich dafür, den Boden zu pflügen, Nahrungsmittel zu erzeugen und die Kühe aufzuziehen, und alle übrigen haben die Eigenschaften von śūdras. Deshalb sollte man in unserer Gesellschaft diese Unterteilungen treffen. Die intelligenteste Klasse der Menschen sollte sich damit beschäftigen, zu predigen, Bücher zu lesen, andere zu unterrichten und sich um die Verehrung der Bildgestalten Gottes im Tempel kümmern.
Eine andere Klasse wird aus starken Führern bestehen, die dafür sorgen, daß alles ordentlich abläuft und jeder beschäftigt ist. Es darf nicht so sein, daß manche nur essen und schlafen. Jeder muß beschäftigt sein, muß eine Arbeit haben. Wenn jemand also sehr von Essen und Schlafen in Anspruch genommen wird, sollte er mit Pflügen beschäftigt werden. Es ist wohl leicht zu verstehen, daß jeder tätig sein muß. Andernfalls bekommt man leicht Krankheiten, vor allem Darmkrankheiten, denn nur Essen und Schlafen führt dazu, daß man nicht mehr richtig verdauen kann. -In dieser Weise also sollte unsere Gesellschaft organisiert werden. Es darf nicht sein, daß jemand feierlich als brāhmaṇa eingeweiht wird und dann denkt: "Jetzt bin ich befreit; laß mich essen und schlafen." So etwas muß unterbunden werden. Die Organisation sollte in solcher Weise durchgeführt werden, daß niemand müßig herumsitzt. Davon wird man nämlich krank. Krankheit ist die Folge von Untätigkeit. Alle Ausschweifung äußert sich in Essen und Schlafen; ohne Ausschweifung kommt auch keine Lust auf. In jedem unserer Zentren sollte also dieses System eingeführt werden: Gleichzeitig mit dem Programm des hingebungsvollen Dienstes sollte das varṇāśrama-System praktisch angewandt werden. Dann wird sich alles sehr gut gestalten.
Schüler: Sollten Gottgeweihte formell mit einem bestimmten Beruf betitelt werden?
Śrīla Prabhupāda: Nein, die Gottgeweihten sind nichts anderes als Gottgeweihte. Im Grunde stehen Gottgeweihte über den brāhmaṇas, katriyas, vaiśyas und śūdras, aber zur Erledigung materieller Angelegenheiten müssen wir Unterteilungen treffen, ähnlich wie wir beim Körper die einzelnen Teile voneinander unterscheiden müssen. Kṛṣṇa Selbst handelte in Seiner Jugend als vaiśya, indem Er als Kuhhirtenjunge auftrat, und später handelte Er als katriya. Aber Kṛṣṇa ist weder vaiśya, noch katriya, noch brāhmaṇa. Mit Seinem Verhalten gab Er nur das Beispiel. Obwohl Er also manchmal als vaiśya handelte und manchmal als katriya, ist Er keines von beiden. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Gottgeweihten. Er kann in jeder beliebigen Stellung handeln, und doch steht er über allen materiellen Lebensauffassungen. Das ist die Vollkommenheit.
Schüler: Was sollte den katriyas beigebracht werden?
Śrīla Prabhupāda: Katriyas sollten lernen, gute Verwalter zu sein. Sie müssen dafür sorgen, daß jeder beschäftigt wird, und wenn es nötig ist zu kämpfen, müssen sie sich dem Kampf stellen. Das ist die Aufgabe der katriyas. Wenn jemand uns angreift, müssen sie kämpfen. Sie können dann nicht nur einfach Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣna, Hare Hare / Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare chanten. Nein! (Śrīla Prabhupāda lacht) Sie müssen auf den Angreifer losgehen und bereit sein zu kämpfen. Das sind echte katriyas.
Schüler: In unserer Gesellschaft geben wir jedem nach einiger Zeit die Einweihung als brāhmaṇa. Sollte das nicht einer bestimmten Klasse vorbehalten sein?
Śrīla Prabhupāda: Die Einweihung sollte bei allen stattfinden. Du hast nicht verstanden, was ich sagte. Alle Vaiṣṇavas* können eingeweiht werden, denn Vaiṣṇavas und Viṣṇu sind etwas besonderes. Viṣṇu ist kein Mensch, sondern handelt nur manchmal scheinbar wie ein Mensch, und ähnlich transzendental ist auch ein Vaiṣṇava. Aber zur rechten Regelung der Angelegenheiten in der materiellen Welt sollte er zum Beispiel handeln wie ein brāhmaṇa oder wie ein katriya. Das ist notwendig, und im Grunde tut ihr das auch schon. Einige von euch predigen zum Beispiel, und einige säubern den Tempel. Das bedeutet aber nicht, daß ein sannyāsī, der predigt, besser ist als derjenige, der saubermacht. Die Stellung des Vaiṣṇava ist unter allen Umständen die gleiche, doch um der Organisation willen muß einer saubermachen, einer sich um das Handwerkliche kümmern, ein anderer umherreisen und predigen usw. So sollte es tatsächlich sein. Es ist nicht so, daß ich, weil ich sannyāsa, den Lebensstand der Entsagung, angenommen habe, nichts mehr tun kann. Wenn notwendig, muß der sannyāauch als katriya oder śūdra handeln. Das schadet überhaupt nichts. Zur Regelung der Zusammenarbeit muß diese Unterteilung vorhanden sein, sonst funktioniert die Organisation nicht. Wenn ein Vaiṣṇava in die Lage kommt, die Arbeit eines śūdra zu verrichten, bedeutet das nicht, daß er zu einem śūdra geworden ist. Er ist immer noch ein Vaiṣṇava. - Versucht diesen Punkt zu verstehen. Es ist ähnlich wie bei einem Schauspiel: Wenn man etwas aufführen möchte, muß einer der König sein, einer muß die Königin sein usw.; aber keiner der Darsteller ist wirklich König oder Königin. Es handelt sich nur um ein Bühnenspiel. In ähnlicher Weise müssen wir, um Dinge in der materiellen Welt zu regeln, nach guṇa-karma, nach Eigenschaften und Tätigkeit unterscheiden. Karma oder Tätigkeit muß da sein. Deshalb sollte das karma entsprechend den Eigenschaften verrichtet werden.
Schüler: In unserer Bewegung müssen also die Führenden entscheiden, wie jeder Gottgeweihte und jedes zur Verfügung stehende Mittel richtig eingesetzt wird?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Das bedeutet Führerschaft - darauf zu achten, wer für welche Tätigkeit geeignet ist.

* Vaiṣṇava - Verehrer Viṣṇus (Viṣṇu - Name für Gott wie Kṛṣṇa)

Die Aktivierung aller Kräfte

Schüler: Ist meine Auffassung richtig, daß wir alle Gottgeweihten und alle zur Verfügung stehenden Mittel, wie Geld usw., stets effektiv einsetzen sollen?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Das wichtigste ist, darauf zu achten, daß jeder beschäftigt ist. Wie jemand zu beschäftigen ist, muß der Führer jeweils erkennen. Seine erste Aufgabe ist es jedenfalls, jeden zu beschäftigen. Niemand sollte ohne Beschäftigung bleiben. Andernfalls kommt es zu müßiger Zeitverschwendung, und ein müßiger Geist ist des Teufels Werkstatt. Die Teufel sind Frauen und Geld. Wenn man daher müßig bleibt, wird man an "Teufel" denken. Aus diesen Gründen sollten wir darauf achten, daß jeder in rechter Weise beschäftigt wird. Diese Prinzipien sind sehr wichtig. Alle sollten zu Vaiṣṇavas ausgebildet werden und gleichzeitig der Organisation wegen in verschiedenen Stellungen tätig sein. Wenn unsere Leute zum Beispiel nicht bereit wären, Feldarbeiten wie Pflügen zu verrichten, was nützte es dann, Land zu erwerben? Dann müßten wir Arbeiter einstellen, denen wir jeweils ein Gehalt von einigen hundert Dollars zahlen müßten, und die Produktion stünde bald in keinem Verhältnis zum Aufwand. Auf diese Weise müßten wir Tausende von Dollars ausgeben. Habe ich recht oder nicht? (Die Schüler nicken zustimmend.) Ihr solltet immer daran denken, daß das Geld unter großen Entbehrungen verdient wurde. Es darf nicht so sein, daß der eine unter schweren Anstrengungen das Geld beschafft und jemand anders es verschwenderisch ausgibt wie ein verantwortungsloser Prinz. Das zu verhindern bedeutet Organisation. Besonders wichtig ist dies, weil viele meinen, Religion bedeute einfach, einer Klasse von Menschen Müßiggang zu ermöglichen. Als was bezeichnen die Kommunisten Religion? Sie nennen es "das Opium des Volkes". Deshalb sind sie gegen Religion. Aber wenn wir wirklich zeigen, daß wir produzieren, daß wir organisieren, ausbilden usw., dann können wir den kommunistischen Tendenzen entgegenwirken. Viele sagen, wir flüchteten aus der Welt; seid ihr euch dessen bewußt? Sie sagen, wir würden vor der Verantwortung des täglichen Lebens fliehen und uns in irgendeine Religion flüchten. Das ist die allgemeine Tendenz. Überall beklagt sich die Regierung in dieser Weise. Sie wollen nicht, daß wir die Zahl der Tempel oder die Zahl der Gottgeweihten erhöhen, da sie meinen: "Das ist eine Gruppe von Nichtstuern. Sie wollen nicht arbeiten, und deshalb widmen sie sich dem religiösen Leben." Es gibt sehr viele, die so denken. Aber wenn wir zeigen, daß wir tatsächlich etwas vorbildlich tun, dann werden sie es anerkennen. Schafft eine kleine Gemeinschaft, die die Ideale des Lebens zeigt, nicht aber müßiges Leben. Wir machen Propaganda gegen māyā, die materielle, verblendende Energie, aber māyā ist sehr stark. Sie macht auch Propaganda gegen uns, und zwar sehr heftig. Wenn man daher nicht ein sehr entschlossener Gottgeweihter wird, kann man māyā nicht bezwingen, sondern wird unterliegen.
Die Angehörigen der brāhmaṇa-Klasse in Indien sagen heute: "Ich stamme aus einer brāhmaṇa-Familie; warum soll ich also niedrige Arbeit verrichten?" Versteht ihr? Deshalb ist es mit der ganzen Gesellschaft bergab gegangen. In eurem Land nehmen die Leute noch jede Art von Arbeit an, aber hier in Indien wird jemand, der zufällig ein brāhmaṇa ist, keine Art von niedriger Arbeit ausführen. Zum Pflügen zum Beispiel wird er sich nicht bereiterklären. Deshalb liegt so viel Land brach. Der katriya denkt, er sei katriya; der brāhmaṇa denkt, er sei brāhmaṇa, und das Land liegt verlassen da. Und weil niemand das Land pflügt, wird nichts produziert. Der katriya geht heutzutage ins Büro, um mit dem Kugelschreiber zu kämpfen, und statt die Veden zu studieren, studiert er die Betriebsvorschriften. Aber zum Pflügen wird er sich nicht herablassen. Deshalb herrscht hier Nahrungsknappheit. Die Leute gehen in die Fabrik, um als gewöhnliche Arbeiter zu schuften, aber keiner denkt daran, das Feld zu bestellen. Deshalb bleibt so viel Land hier ungenutzt. Auf der anderen Seite aber schreien sie nach Getreide. Das gleiche Prinzip habe ich in New York beobachtet: Die ganze Stadt ist aus Mangel an Straßenfegern und Abfuhrleuten voller Schmutz und Abfall, aber wenn man in den Central-Park geht, wird man sehen, daß dort so viele Gammler untätig herumliegen.
Schüler: Daran ist wohl die Arbeitslosigkeit schuld.
Śrīla Prabhupāda: Nein, mit Arbeitslosigkeit hat das nichts zu tun. Sie gehen einfach nicht arbeiten. Das ist ein Zeichen von Fehlorganisation. Warum sollten sie dort herumlungern und keine Tätigkeit haben? Die Regierung ist schuldig.
Schüler: Aber die Leute selbst verspüren auch keinen Antrieb zum Arbeiten. Sie haben keine Lust.
Śrīla Prabhupāda:
Das ist durch Fehlorganisation verschuldet. Ihr zum Beispiel hattet kein Verlangen danach, Kṛṣṇa-Bewußtsein anzunehmen, aber auf irgendeine Weise seid ihr doch dahin gelangt. Das ist auf geschickte Organisation zurückzuführen. Ein Kind will oft nicht zur Schule gehen, doch ist es die Pflicht der Eltern, es irgendwie dort hinzubringen. Ebenso ist es die Pflicht der Regierung, dafür zu sorgen, daß jeder entsprechend seinen Fähigkeiten beschäftigt wird. Es sollte keine Arbeitslosigkeit geben. Arbeitslosigkeit ist für eine Gesellschaft sehr gefährlich. Gegenwärtig hat das Problem der Arbeitslosigkeit auf der ganzen Welt gewaltige Ausmaße angenommen. Jeder sagt "Diese Regierung ist nicht gut; dieses System ist nicht gut usw.", aber er selbst tut nichts. Bei den Hippies und Gammlern kann man dies sehr deutlich beobachten: Sie kritisieren jeden, aber selbst tun sie nichts. All das wird im Śrīmad-Bhāgavatam geschildert. Warum kann die Regierung das Land nicht nutzen? Land ist wirklich überall vorhanden. Wer von euch war mit mir in England?
Schüler: Ich begleitete dich letztes Mal.
Śrīla Prabhupāda: Hast du gesehen, wieviel Land dort brachliegt?
Schüler: Ja, so viel ödes Land.
Śrīla Prabhupāda: Die Leute haben sich überlegt: "Was habe ich davon, auf dem Land zu arbeiten? Wir können doch einfach ein Tier töten und es verzehren." So leicht machen sie es sich, weil sie keine Überlegungen hinsichtlich ihrer sündigen Handlungen anstellen. "Wenn ich die Kuh verzehren kann, warum soll ich mir die Mühe machen zu pflügen?" Diese Denkweise hat auf der ganzen Welt um sich gegriffen. Die Regierung läßt sich heutzutage nur bezahlen, kann aber nicht einmal für Arbeit sorgen. Selbst für die Frauen gibt es im allgemeinen genug zu tun. Gandhi zum Beispiel wußte, daß Frauen sich mit Weben und Spinnen beschäftigen können. Jeder sollte etwas zu tun haben; das ist Organisation. Auch die Verantwortlichen unserer Bewegung müssen darauf achten, daß in jedem Tempel jeder beschäftigt ist.
Schüler: Diese Emsigkeit schützt die Menschen auch in gewisser Weise.
Śrīla Prabhupāda: Ja. Wenn alle tätig sind, werden sie nicht so leicht krank.
Schüler: Auch in Persien geben jetzt viele Bauern und ihre Söhne die Landwirtschaft auf und ziehen in die Städte. Sie wollen nichts mehr mit Landwirtschaft zu tun haben. Sie sind nur noch an Ölförderung interessiert. Wenn sie sich Geld aus dem Boden holen können, warum sollten sie dann arbeiten?
Śrīla Prabhupāda: Wenn die Regierung darauf aufmerksam wird, daß wir uns durch Nahrungsproduktion selbst erhalten, wird sie das sehr zu schätzen wissen.

Das Rad darf nie stillstehen

Schüler: Die Kinder unserer Gesellschaft werden nach Gurukula* geschickt, und später wird entschieden, was ihre Tätigkeit sein soll?
Śrīla Prabhupāda: Richtig. Als erstes sollen sie über spirituelles Leben entsprechend ihrer jeweiligen Stellung unterrichtet werden. Unser spirituelles Leben ist die Hauptsache -daran sollten wir stets denken -, doch zur Organisation müssen wir unterteilen.
Schüler: Im Grunde genommen könnte also die ganze Gesellschaft, könnten alle Leute zu Vaiṣṇavas oder Gottgeweihten werden?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Aber auch wenn sie Vaiṣṇavas sind, muß es, da sie noch in der materiellen Welt leben, die Unterteilung der Tätigkeiten geben. Wenn jeder der Kopf sein will, wer wird dann als die Beine tätig sein? Auch diese sind notwendig. Wenn jeder sagt "Ich werde nicht die Arbeit der Beine verrichten, sondern ich möchte einfach als dieses oder jenes arbeiten", so ist das nicht praktisch. Der Kopf ist notwendig; die Hand ist notwendig; der Bauch ist notwendig, und auch die Beine sind notwendig. Man muß nur richtig einteilen -wer als Kopf tätig ist, wer als Hand arbeitet, wer als Bauch arbeitet und wer als Bein handelt. Das Hauptziel aller Körperteile besteht darin, den Körper bei gutem Wohlbefinden zu erhalten. Ebenso sollte es das Ziel der einzelnen Klassen sein, die Gesellschaft in gutem Zustand zu erhalten. Und zur Organisation müssen der Kopf, die Arme, die Beine und der Bauch voneinander unterschieden werden. In unserer Bewegung zum Beispiel gibt es leichte Unterschiede zwischen denen, die sich direkt der Tempelverehrung widmen, und denen, die hinausgehen und Bücher verteilen. Diese Unterschiede sind nur äußerlich, grundsätzlich besteht kein Unterschied. Wenn jemand es versteht, Bücher zu verteilen, warum soll er sich dann mit Tempelverehrung befassen? Er kann auf diese Weise Besseres tun. Im Kṛṣṇa-Bewußtsein gibt es keinen Unterschied zwischen dem Verkauf von Büchern, der Tempelverehrung und dem Geschirrwaschen, denn all das ist transzendental, ebenso wie zwischen Kṛṣṇas Armen und Beinen kein Unterschied besteht. In der Brahma-saṁhitā (5.32) heißt es:

aṅgāni yasya sakalendriya-vṛttimanti
paśyanti pānti kalayanti ciraṁ jaganti
ānanda-cin-maya-sad-uj-jvala-vigrahasya
govindam ādi-puruṣaṁ tam ahaṁ bhajāmi

"Ich verehre Govinda, den urersten Herrn, dessen transzendentale Gestalt voller Glückseligkeit, Wahrheit und Wesenhaftigkeit und daher die strahlendste Herrlichkeit ist. Jedes Glied dieser transzendentalen Gestalt besitzt in sich selbst die vollständigen Fähigkeiten aller Organe und sieht, erhält und manifestiert ewig die zahllosen spirituellen und materiellen Universen."

Schüler:
Kṛṣṇa sagt in der Bhagavad-gītā: "Diejenigen, die diese Botschaft der Bhagavad-gītā verkünden, sind Mir am liebsten. Es gibt niemanden, der Mir lieber wäre." Deutet das darauf hin, daß ein Prediger höher steht als ein Arbeiter?
Śrīla Prabhupāda: Nein. Mithelfen ist auch Predigen. Angenommen, du predigst, und ich helfe dir. -Diese Hilfe ist in gewissem Sinne auch Predigen.
Schüler: Der Bau dieser Tempelgebäude hier ist also auch eine Form von Predigen?
Śrīla Prabhupāda: Ja, auch das ist Predigen. Predigen bedeutet nicht nur Reden. Predigen ist alles, was zur Verbreitung des Kṛṣṇa-Bewußtseins beiträgt. Das Errichten von Gebäuden, das Zeichnen, das Kochen -alles im Kṛṣṇa-Bewußtsein ist Predigen.

* Internatsschule der ISKCON nach vedischem Vorbild

Worin läge der Nutzen, so viel Geld und Mühe aufzubringen, wenn das nicht auch eine Form von Predigen wäre? Es gibt neun beispielhafte Vorgänge des hingebungsvollen Dienstes, und äußerlich unterscheidet sich śravaṇam, Hören, von kīrtanam, Chanten, und kīrtanam von smaraṇam, Sich-Erinnern, und smaraṇam von pāda-sevanam oder Kṛṣṇas-Lotosfüßen-Dienen, aber all diese Vorgänge sind vollkommen. Man sollte sich daher entweder śravaṇam oder kīrtanam oder smaraṇam oder einem anderen Vorgang widmen, wie man es gerade kann. Das ist der Weg. Wenn ich also nicht gut reden kann -kīrtanam -dann kann ich hören śravaṇam. Beides ist vollkommen. Jemand mag vielleicht einwenden, Sprechen sei besser als Hören oder umgekehrt, aber beide Tätigkeiten, Hören und Sprechen, sind das gleiche, weil sie für Kṛṣṇa, für Viṣṇu getan werden. Deshalb heißt es śravaṇam kīrtanaṁ viṇoḥ. In unserer Gesellschaft ist jede Tätigkeit transzendental und dient dem Predigen. Sorgt nur dafür, daß wirklich jeder mit einer Tätigkeit beschäftigt ist.
Eine Eisenbahngesellschaft druckte einmal ein Plakat, auf dem ein Rad an einem Waggon abgebildet war, und darunter stand geschrieben, daß jeder Angestellte bei der Eisenbahn darauf achten solle, daß das Rad sich ständig drehe. Wie aber können zum Beispiel die Sekretäre, die in den Büros der Eisenbahn arbeiten, dafür sorgen, daß sich das Rad weiterdreht? -Sie können ihre Tätigkeiten beschleunigen, so daß das Rad nicht zum Stillstand kommt. Wenn zum Beispiel ein Bahnhof auf schnellstem Wege zehn Waggons anfordert und dafür die Bescheinigung des einteilenden Generaldirektors im Büro benötigt, sollte der Sekretär den Vorgang so schnell erledigen, daß die Bescheinigung sofort ausgestellt wird und das Rad sich weiterdrehen kann. Versteht ihr? Jeder kann mithelfen, dafür zu sorgen, daß das Eisenbahnrad sich weiterdreht, obwohl der Sekretär offenbar wenig mit dem Rad am Waggon zu tun hat. Im Grunde ist es eine sehr gute Anweisung, daß sich das Rad immer drehen soll.
Schüler: Es gibt also in Kṛṣṇas Dienst so viel zu tun, daß jeder irgendwie beschäftigt werden sollte?
Śrīla Prabhupāda: Ja, jeder sollte sich dessen bewußt sein. Wenn zum Beispiel jemand bei uns kocht, sollte er dafür sorgen, daß die anderen schnell gutes Essen bekommen, so daß sie satt werden, gesund bleiben und weiterpredigen können. Er hilft also dem Predigen durch Kochen, ebenso wie beim Gehen das Gehirn mithilft. Es teilt den Beinen mit "Geht nach links und jetzt nach rechts. Achtung, dort kommt ein Auto!" usw. Alle Körperteile -die Beine, der Kopf, die Arme und der Bauch -sind tätig, und obwohl sich die Aufgabe des Kopfes und die der Beine voneinander unterscheiden, ist das Ziel das gleiche. Ebenso ist unser Mittelpunkt Kṛṣṇa und jeder von uns hilft mit, Ihm zu dienen. In diesem Sinne sind alle unsere Tätigkeiten gleich, da sie absolut sind.
Schüler:
Der Führer muß wohl sehr qualifiziert sein, damit die Leute in ihrer jeweiligen Tätigkeit glücklich sind?
Śrīla Prabhupāda: Jeder sollte qualifiziert sein. Der Führer muß qualifiziert sein und auch der Arbeiter, so daß er den Anweisungen des Führers folgt. Wenn der Führer etwas anordnet und der Arbeiter sagt "Ich werde es mir irgendwann einmal überlegen", wie kann der Führer dann seine Pflichten erfüllen? Beide sollten zusammenarbeiten und wissen, daß wir alle für Kṛṣṇa tätig sind.

Die neue Form der Ausbildung

Śrīla Prabhupāda: Die varṇāśrama-Schule, von der wir eben sprachen, sollte möglichst bald eingeführt werden.
Schüler: Ist diese Einrichtung für die Allgemeinheit bestimmt?
Śrīla Prabhupāda: Natürlich. Sie ist für jeden da, ebenso wie zum Beispiel eine Ingenieurschule jedem offen steht. Die Leute müssen nur bereit sein, sich ausbilden zu lassen.
Schüler: Wäre die varṇāśrama-Schule auf eine bestimmte Altersgruppe festgelegt?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Und der Unterricht sollte von sannyāsīs* abgehalten werden, so wie in Missionarsschulen die Patres unterrichten.
Schüler: Wodurch würde sich die varṇāśrama-Schule von der Gurukula-Schule unterscheiden?
Śrīla Prabhupāda:
Die Gurukula-Schule ist nur für die kleinen Kinder da und bringt ihnen die ersten Grundlehren bei. Erziehung muß in der frühesten Kindheit beginnen. Wenn die Kinder älter geworden sind, sollten sie zur weiteren Ausbildung auf die varṇāśrama-Schule geschickt werden.
Schüler:
Sollten die Schüler jeweils auf dem Gebiet einer bestimmten Gesellschaftsklasse unterrichtet werden? Sollte zum Beispiel jemand, der die Neigung hat, ein katriya zu werden, dementsprechend ausgebildet werden?
Śrīla Prabhupāda: Die Neigung kann auch gefördert werden, aber sie ist nicht das wichtigste. Die Ausbildung darf sich aber nicht nur nach jemandes Neigung richten. Man muß die Voraussetzungen einer Person erkennen und sie darin schulen, die entsprechenden Standardeigenschaften zu entwickeln. Das ist das wichtigste, denn die Menschen auf der ganzen Welt sind verdorben, weil sie von sogenannten Führern irregeführt werden. Aus diesem Grunde ist die varṇāśrama-Schule notwendig.
Schüler: Einiges ist mir immer noch nicht so richtig klar: Werden wir die Leute vedische Schriften wie die Bhagavad-gītā und das Śrīmad-Bhāgavatam lehren? Und was soll von den Schülern erwartet werden? Werden sie mit uns leben, die vier regulierenden Prinzipien befolgen usw., oder werden sie nur zu Vorträgen kommen?
Śrīla Prabhupāda: Wir werden die gewöhnlichen Leute nicht dazu bringen, zu unserem Unterricht zu kommen, da gegenwärtig niemand einen Sinn für diese Dinge hat. Die Schule soll vielmehr wie ein Internat gestaltet werden.
Schüler: Sollen dort auch materielle Themen gelehrt werden, wie es an der Gurukula-Schule geschieht?
Śrīla Prabhupāda: Ja, materielle Themen wie die Pflichten der katriyas, der brāhmaṇas usw. Vyāsadeva beschreibt in der Bhagavad-gītā, was die Merkmale des brāhmaṇa sind, welches die Eigenschaften des katriya sind usw. Die katriyas sollen lernen, wie man verwaltet und regiert, und die vaiśyas müssen lernen, wie man die Kühe versorgt, wie man das Feld bestellt und wie man Nahrungsmittel anbaut. Das ist eine ganz praktische Ausbildung.
Schüler: Soll den vaiśyas auch beigebracht werden, wie man Geschäfte macht?
Śrīla Prabhupāda: Mit schurkischen Geschäftsmethoden sollen die vaiśyas jedenfalls nichts zu tun haben. Geschäft soll für sie bedeuten, überschüssiges Getreide oder überschüssige Nahrungsmittel dort zu verkaufen, wo diese benötigt werden. Das ist ihr Geschäft. Sie sollen keine Firmen oder Fabriken eröffnen. Das sind Geschäfte der śūdras. Das wahre Geschäft ist es, so viele Nahrungsmittel wie möglich zu produzieren, sich davon zu ernähren und den Rest zu verteilen. Das ist alles. Für so etwas benötigt man keine gewaltige technische Ausbildung. Jeder kann den Boden bestellen und Nahrung anbauen. Oder ist das etwa schwierig? Das erste, worauf es ankommt, ist, daß alle, Mensch und Tier, -vor allem die Kühe -, ordentlich mit Nahrung versorgt werden, so daß sie sehr gesund und kräftig sind. Die Kühe werden Milch liefern, und der Mensch wird hart arbeiten, ohne an Magenkrankheiten zu leiden. Jeder muß in seiner Eigenschaft ordentlich arbeiten -sei es als Lehrer, als Ordnungshüter, als Landwirt oder auch als allgemeiner Helfer. Jeder muß beschäftigt werden, und seine Beschäftigung sollte seinen Fähigkeiten gemäß einer dieser Gruppen entsprechen: Er ist entweder brāhmaṇa, katriya, vaiśya oder śūdra.
Schüler: Welche Art von Ausbildung ist für den śūdra vorgesehen? Was wäre seine Tätigkeit an der varṇāśrama-Schule?
Śrīla Prabhupāda: Ein śūdra ist ein allgemeiner Helfer oder Befehlsausführender. Er hat keine Intelligenz, und er benötigt sie auch nicht. Seine Ausbildung besteht darin, daß er es lernt, sich unterzuordnen, da die Leute sich gegenwärtig nicht unterordnen können. Was ist zum Beispiel das Merkmal der Gammler? -Sie wollen sich nicht unterordnen. Zur Gehorsamkeit muß man also erzogen werden. Wenn man keine Intelligenz besitzt, kann man nichts unabhängig tun. Deshalb muß ein śūdra sich den höheren drei Klassen unterordnen. Er muß bereit sein, den Anweisungen der brāhmaṇas, katriyas und vaiśyas zu gehorchen; das ist alles. Auf diese Weise wird niemand arbeitslos sein. Jeder soll dazu erzogen werden, täglich nicht mehr als sechs bis acht Stunden zu schlafen, den Zusammenkünften beizuwohnen, die Namen Gottes zu chanten und am gemeinsamen Singen teilzunehmen. Den Rest der Zeit soll man angestrengt arbeiten. Niemand soll die Möglichkeit haben, unbegrenzt zu schlafen.

* Prediger im Lebensstand der Entsagung

Die Reformierung der westlichen Zivilisation

Schüler: Zu welcher Klasse zählen eigentlich die Künstler und Handwerker?
Śrīla Prabhupāda: Sie gehören zu den śūdras, und als śūdras sollten sie ausgebildet werden. Heutzutage wird den Künstlern und den Handwerkern zuviel Bedeutung beigemessen. Deshalb besteht die ganze Bevölkerung aus śūdras. Alle Leute werden davon verlockt, ein höheres Gehalt zu bekommen, indem sie sich mit sogenannter technischer Bildung befassen. Deshalb arbeitet der größte Teil der Bevölkerung in der Fabrik. Niemand arbeitet mehr auf den Feldern. Das ist das wirkliche Problem. Sie sind alle śūdras.

Schüler: In der heutigen Gesellschaft wird ein Künstler als Philosoph angesehen.
Śrīla Prabhupāda: Kunst und Handwerk sind Tätigkeiten der śūdras, und wie können śūdras Philosophen sein? In den westlichen Ländern schreiben solche Leute sogar Philosophiebücher über Sexualität, obgleich die Philosophie der Sexualität schon den Hunden bekannt ist. Ihnen fallen dazu so viele Dinge ein. Aber womit befaßt sich eigentlich ihre Philosophie? Hauptsächlich mit Geschlechtsverkehr, doch selbst der Hund weiß, wie man Geschlechtsverkehr hat. Diese Art von Philosophie wird höchstens von Halunken geschätzt, aber wir können sie nicht anerkennen. Das sind keine Philosophen. Philosoph ist jemand, der nach der Absoluten Wahrheit forscht. Echte Philosophie ist darśana. Darśana bedeutet, danach zu forschen, was das Endgültige ist. In der Bhagavad-gītā werden vier Arten von Menschen beschrieben, die zu Philosophen werden: ārto jijñāsur arthārthī jñā(Bg. 7.16). Selbst ein ārto oder jemand, der materiellen Gewinn begehrt, wird zu einem Philosophen, wenn er zur höchsten Autorität betet: "O Herr, ich bin sehr hungrig. Bitte gib mir mein täglich Brot". Denn auch er wendet sich an die Absolute Wahrheit. Leute wie Freud, die Abhandlungen darüber schreiben, wie man Geschlechtsverkehr haben sollte, sind keine Philosophen. Diese Art von Philosoph ähnelt dem Schakal, der im Dschungel zum König gemacht wurde. In den westlichen Ländern sind die Leute alle geringer als śūdras, und Freud ist ihr Philosoph geworden. Was für Wissen haben sie? Die ganze westliche Welt trachtet nach Industrie, Geld, Essen, Zeitvertreib, Wein und Frauen; das ist alles. Solche Menschen stehen eigentlich auf einer noch niedrigeren Stufe als śūdras und caṇḍālas* .

* diejenigen, die nicht einmal die Fähigkeiten der śūdras besitzen

Mit unserer Bewegung wird zum ersten Mal der Versuch unternommen, sie zu wirklichen Menschen zu machen. Stört euch nicht daran, daß ich sehr starke Worte benutze - sie treffen den Kern des Problems. Leider sind diese sogenannten Menschen Tiere mit zwei Beinen und zwei Armen; es sind degenerierte Menschen. Die vedische Zivilisation lehnt sie als mlecchas und yavanas, als Barbaren ohne menschliche Prinzipien ab, aber auch sie können reformiert werden. Der Vorgang ist da. Es ist nicht etwa so, daß ihnen nicht geholfen werden kann, weil sie verstoßen worden sind. Auch ihnen kann geholfen werden, wie es bei euch geschehen ist. Obwohl ihr von den mlecchas und yavanas kommt, werdet ihr durch Schulung zu mehr als brāhmaṇas. Es gibt keine Hindernisse für diese Menschen, aber unglücklicherweise wollen die Halunken unter ihnen die Hilfe nicht annehmen. Sobald man sagt "keine unzulässige Sexualität mehr", geraten sie in Wut. Sobald man sagt "kein Fleisch essen", geraten sie in Wut. Das zeigt, daß sie Halunken und Narren sind. Sobald man ihnen gute Lehren erteilen oder ihnen etwas beibringen will, regen sie sich auf. Es ist ähnlich wie bei der Schlange: Wenn man ihr gute Milch und Bananen gibt, wird sie als Ergebnis ihr Gift vermehren. Durch Śrī Caitanya Mahāprabhus Gnade können sie trotzdem richtig ausgebildet werden. Laßt euch ausbilden, und reformiert die ganze Lebensauffassung der westlichen Zivilisation, vor allem in Amerika. Dann wird für die Menschheit ein neues Kapitel beginnen. Um dies zu verwirklichen, ist die varṇāśrama-Schule notwendig.

Konzentration auf das Wesentliche

Schüler: Ist es wahr, daß es an der varṇāśrama-Schule nicht erforderlich sein wird, Themen wie Geschichtskunde, höhere Mathematik usw. zu unterrichten?
Śrīla Prabhupāda: Ja, so etwas ist nicht unbedingt nötig. Für seine Geschichtskenntnisse kann man einfach das Mahābhārata lesen, die geschichtliche Darstellung wahrhaft großer Männer, die zum Beispiel schildert, wie die Pāṇḍavas für eine gerechte Sache kämpften und wie sie regierten. Das ist echte Geschichte, und nicht die Geschichte von Halunken. Was ist die Bedeutung der materiellen Geschichtskunde? Was kann man davon lernen, selbst wenn man die Geschichte von Millionen von Jahren studiert? Besser ist es, die Geschichte der wirklich großen Männer -wie Mahārāja Yudhiṣṭhira und Mahārāja Parīkṣit - zu studieren wie sie handelten, wie sie herrschten usw. Das ist notwendig, und nicht das bloße Auswendiglernen chronologischer Aufzeichnungen allen möglichen Unsinns, der in dickleibigen Büchern festgehalten ist. Warum soll man auf diese Weise seine Zeit verschwenden? Geschichtskunde muß von großen Persönlichkeiten berichten.
Schüler:
Werden die Schüler, die unsere Einrichtung besuchen, die vier regulierenden Prinzipien befolgen?
Śrīla Prabhupāda: Ja, die vier Prinzipien sind von wesentlicher Bedeutung. Aber wenn ein Angehöriger der niederen Klassen, ein śūdra zum Beispiel, unbedingt Fleisch essen oder Wein trinken will, so kann er das mit strengen Einschränkungen tun, indem er zu einer bestimmten Zeit der Halbgöttin Kālī einen Ziegenbock opfert und dann von dem Fleisch ißt, oder indem er derselben Halbgöttin eine Caṇḍi-pūjā-Zeremonie darbringt. Niemandem soll uneingeschränkte Freiheit gegeben werden, Fleisch zu essen oder Wein zu trinken. Es müssen bestimmte Bedingungen der Einschränkung gestellt werden. Ebenso ist es mit dem Geschlechtsverkehr, den man haben darf, wenn man verheiratet ist. Man muß bestimmte Bedingungen einhalten.
Schüler: Wäre diese Schule auch für Frauen, oder wäre sie nur für Männer da?
Śrīla Prabhupāda: Nur für Männer. Frauen können auch daheim lernen, wie man kocht, wie man das Haus saubermacht usw. Die varṇāśrama-Schule ist vor allem für die brāhmaṇas, die katriyas und die vaiśyas bestimmt. Diejenigen, die sich nicht für die Ausbildung eignen und die sich auch dagegen sträuben würden, sind śūdras. Sie sollen denhöheren Klassen Dienst leisten.
Schüler: Müßten die brāhmaṇas Sanskrit lernen?
Śrīla Prabhupāda: Nicht unbedingt. So wie ich ständig Bücher aus dem Sanskritübersetze, können die Bücher des Wissens in andere Sprachen übersetzt werden. Es mußnicht jeder Sanskrit lernen.

Schritt-für-Schritt-Umwandlung

Schüler: An unserer varṇāśrama-Schule werden also hauptsächlich zwei Gebiete gelehrt werden, nämlich varṇa und āśrama?
Śrīla Prabhupāda: Als erstes müssen die varṇas, die Gesellschaftsklassen, ausgebildet werden, und wenn der varṇa völlig in Ordnung ist, dann kann man an āśrama denken. Āśrama, die Unterteilung nach Lebensständen, dient dem spirituellen Fortschritt. Varṇa ist die allgemeine Unterteilung, die in der menschlichen Gesellschaft unentbehrlich ist. Eine Gesellschaft, in der die varṇa-Unterteilung nicht getroffen wird, ist eine Gesellschaft von Tieren. Wenn die varṇa-Klassen in vollkommener Weise tätig sind, dann lehren wir sie den āśrama, das heißt die Prinzipien und Tätigkeiten der vier Lebensstände, die im spirituellen Leben vorhanden sind.
Schüler: Erst sollten die Leute also jeweils in ihrer Tätigkeit unterrichtet werden?
Śrīla Prabhupāda: Ja, zunächst soll die ganze Gesellschaft in vier varṇas unterteilt werden. Andernfalls werden chaotische Zustände herrschen, wie es jetzt schon zum großen Teil der Fall ist. Niemand weiß, was er ist, und was er zu tun hat, und es gibt so viel Arbeitslosigkeit. Wenn man die Gesellschaft in varṇas gliedert, wird es keine Arbeitslosigkeit mehr geben.

Experten auf allen Gebieten

Schüler: Sollten wir von Anfang an die vedischen Schriften, vor allem die Bhagavad-gītā, lehren?
Śrīla Prabhupāda:
Ja. Die Gottgeweihten stehen über dem varṇāśrama, aber zur Organisation der idealen Gesellschaft führen sie diese Einteilung durch ihr eigenes Beispiel ein. Um den Leuten zu zeigen, daß wir nicht aus der Welt flüchten, können wir uns in jeden Lebensstand begeben. Das ist unsere Position. Wenn ich zum Beispiel jemandes Schuhe putze, bedeutet das nicht, daß ich ein Schuhputzer hin. Meine Position ist die gleiche geblieben; aber um zu zeigen, wie man es macht, spiele ich diese Rolle. Wenn ein Diener etwas falsch macht und der Meister sagt "Du kannst das nicht, sieh mir erst einmal zu", bleibt das Verhältnis immer noch gleich. Ich selbst habe euch gezeigt, wie man den Boden wischt, aber ich bin natürlich kein Bodenwischer, sondern ich habe euch nur gezeigt, wie man es macht. Das ist unsere Stellung in der Gesellschaft. Wir gehören keinem varṇa oder āśrama an, aber wir müssen den Unwissenden zeigen, was diese bedeuten. Dhruva Mahārāja zum Beispiel war ein vollkommener Gottgeweihter, aber als er König war, kämpfte er mit vorbildlichem Einsatz. Als Feinde sein Königreich angriffen, tötete er sie mit wilder Entschlossenheit, bis der feindliche König ihn um Vergebung bat, womit er sofort einverstanden war. Der König wollte Dhruva Mahārāja dann eine Segnung gewähren, weil dieser so großmütig war, einfach auf seine Bitte hin davon abzulassen, ihn zu töten; aber Dhruva Mahārāja sagte: "Laß es in Ordnung sein; vielen Dank. Gib mir nur die Segnung, daß ich reine Liebe zu Kṛṣṇa in mir entwickle." Das war alles, worum er ihn bat. Sein Feind war so mächtig, daß er ihm den ganzen Reichtum des Universums hätte geben können, aber er dankte nur und bat um die Segnung, ein reiner Geweihter Kṛṣṇas zu bleiben. So denkt der Vaiṣṇava. -Er tut alles mögliche, aber sein Ziel ist stets, Kṛṣṇa zu erfreuen. Kṛṣṇa sagt, daß Er nichts mit dem varṇāśrama zu tun hat, obwohl Er dessen Schöpfer ist, und ähnlich haben wir, auch wenn wir dem varṇāśrama entsprechend handeln, eigentlich nichts damit zu tun.
Schüler: Könntest du uns etwas über die Ausbildung eines brāhmaṇa sagen?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Er muß ehrlich sein; er muß die Sinne und den Geist beherrschen; muß duldsam sein und darf sich nicht über Belanglosigkeiten aufregen; er muß, wenn möglich, mindestens dreimal täglich ein Bad nehmen, seine Kleidung immer sauber halten und auch sonst in jeder Hinsicht sauber sein. All das muß dem brāhmaṇa beigebracht werden. Weiter muß er echtes Wissen über alle Dinge haben und sich mit dessen praktischer Anwendung auskennen. Auch muß ein brāhmaṇa festes Vertrauen in Kṛṣṇa haben.
Schüler: Mit welcher Art von praktischen Tätigkeiten sollen sich die brāhmaṇas beschäftigen?
Śrīla Prabhupāda:
Sie sollen Lehrer sein. Die allgemeine Lehrerschaft wird aus brāhmaṇas bestehen. Es ist nicht wichtig, was der brāhmaṇa unterrichtet, aber was er lehrt, muß er in vollkommener Weise lehren. Es gibt zum Beispiel viele brāhmaṇas, die katriyas vortrefflich ausbildeten. Die brāhmaṇas sollen also auf jedem Wissensgebiet Experten sein und überall Unterricht geben, wo es notwendig ist. Die Voraussetzung eines brāhmaṇa ist ein intelligenter Kopf, und mit einem intelligenten Kopf kann man alles lernen und lehren.
Schüler: Vieles kommt mir sehr ungewöhnlich vor, Śrīla Prabhupāda. Mir scheint, es wird viele Schwierigkeiten geben, wenn wir versuchen, damit zu beginnen.
Śrīla Prabhupāda: Was soll schwierig daran sein? Glaubt ihr, es war schwierig für mich, als ich euch beibrachte, wie man kocht, oder als ich euch zeigte, wie man den Boden wischt? Als Lehrer muß ich alles wissen.
Schüler: Wenn wir Lehrer an der varṇāśrama-Schule werden, müssen wir uns dann nicht zum Beispiel mit den Tätigkeiten eines katriya auskennen?
Śrīla Prabhupāda: Nicht alle; nur einige von euch müssen die Kunst des Beschützens und Verwaltens lernen. Ich sagte bereits, daß wir über dem varṇāśrama stehen, daß wir aber erst uns und dann andere in materiellen Tätigkeiten dieser Untergliederung gemäß schulen müssen. In unserer amerikanischen Farmgemeinschaft New Vṛndāvana zum Beispiel haben wir brāhmaṇas, die sich darauf verstehen, das Feld zu bestellen und Kühe zu züchten; diese können umherreisen und andere das gleiche lehren.
Schüler: Es ist also nicht so, daß ein Lehrer alles lehren muß?
Śrīla Prabhupāda: Nein, ein brāhmaṇa-Lehrer sollte auf bestimmten Gebieten Experte werden und nur diese Dinge lehren.

Die einzige Rettung

Śrīla Prabhupāda: Die gegenwärtige Lage ist, daß es nur śūdras gibt oder Leute, die niedriger als śūdras sind. -Sie sind im Grunde keine Menschen. Das trifft auf die gesamte Weltbevölkerung zu, sei es die westliche oder die östliche. Die Gesellschaft befindet sich bereits im Chaos, und wenn die Leute nicht erzogen werden, wird sich dies nur verschlimmern, bis höllische Zustände herrschen. Was für ein Leben werden die Leute dann führen müssen? Die Halunken, die als Regierende gewählt werden, sind nur daran interessiert, ihren Haushaltsplan zu erstellen und Steuern einzutreiben. Auf der einen Seite wird es keinen Regen und daher Nahrungsknappheit geben, wie es vor allem in Indien schon der Fall ist, und auf der anderen Seite gewaltige Steuern. Die Verzweiflung der Leute wird sich immer mehr steigern, und in diesem verstörten Zustand wird es sehr schwierig sein, sie gottesbewußt, Kṛṣṇa-bewußt zu machen. Deshalb sollte ihnen zunächst einmal aus dem Chaos und der Verzweiflung herausgeholfen werden; wie sollen sie sonst nachdenken können?
Schüler: Niemand kann ohne inneren Frieden unbeeinträchtigte Aufmerksamkeit aufbringen.
Śrīla Prabhupāda: Richtig. Unser Ziel ist es, ihnen Kṛṣṇa-Bewußtsein zu geben; aber wenn sie bereits in jeder Hinsicht verstört sind, wie können sie es dann annehmen? Wir befassen uns nur mit dem Thema der Gesellschaftszustände, um ihnen zu helfen, zum Kṛṣṇa-Bewußtsein zu gelangen. Und die Lösung ist das varṇāśrama-System. Habt ihr jetzt richtig verstanden?
Schüler: Wenn jemand zu unserer varṇāśrama-Schule kommt, muß er also die vier regulierenden Prinzipien befolgen, wird in den Lehren der Bhagavad-gītā unterrichtet und gleichzeitig auch in einer besonderen Art von Tätigkeit.

Zum Nutzen aller handeln

Schüler: Sollten Errungenschaften der technischen Zivilisation benutzt werden? Manche kritisieren uns, indem sie darauf hinweisen, daß Śrī Caitanya Mahāprabhu niemals Flugzeuge benutzte, sondern immer zu Fuß wanderte. Sollten wir derlei Hinweise ernst nehmen?
Śrīla Prabhupāda: Solche Kritik kommt von Halunken. Wenn man arbeitet, muß man dies nach besten Möglichkeiten tun. Das ist doch sehr einfach. Jetzt habe ich zum Beispiel die Möglichkeit, in ein Mikrophon zu sprechen; warum soll ich sie nicht nutzen? Dadurch können meine Worte auf Tonband aufgezeichnet und später von vielen anderen gehört werden. Obwohl ich nur zu fünf Leuten spreche, können auf diese Weise meine Worte von Hunderten vernommen werden.
Schüler: Meinst du, daß wir uns für die Erhaltung der technischen Errungenschaften einsetzen sollen?
Śrīla Prabhupāda: Nein, das nicht unbedingt. Aber wenn jemand das Interesse hat, etwas Derartiges herzustellen, werden wir es nehmen und es auf die beste Weise nutzen. Wir wollen zum Beispiel kein Geld; aber heutzutage ist so viel Geld im Umlauf, mit dem die Menschen nur Unsinn machen. Besser ist es, wenn sie uns das Geld geben und wir davon Tempel bauen. Wir könnten auch einfach dasitzen und "Hare Kṛṣṇa" chanten. Wir brauchen keine Tempel. Aber die Menschen raffen in ihrer Torheit Geld praktisch nur für Wein und Frauen zusammen und daher ist es für sie das beste, wenn ihr versucht, sie irgendwie dazu zu bringen, euch das Geld zu geben, damit ihr Tempel bauen und sie einladen könnt, dorthin zu kommen und sich alles anzusehen. Sie sollen dort auch prasāda, spirituelles Essen, bekommen. Das ist unser Programm. Wir errichten große Tempel nicht zu unserer Freude, sondern zu ihrer Freude. Unsere Programme sollten immer den Nutzen der Allgemeinheit im Auge haben. Wir sollten nicht mit dem Gedanken im Tempel leben: "Jetzt haben wir ein schönes Haus bekommen, in dem wir essen und schlafen können".
Schüler: Das würde sicherlich auch viel Kritik verursachen.
Śrīla Prabhupāda: Ja, das wäre nicht gut. Wir sollten innerlich stets sannyāsīs oder entsagungsvoll bleiben. Äußerlich können wir etwas zum Nutzen anderer unternehmen. Wir können uns auch nach dem varṇāśrama richten, obwohl wir nicht dem varṇāśrama untergeordnet sind, sondern darüber stehen. Dieses Programm muß durchgeführt werden, damit anderen die Möglichkeit gegeben wird, zur Stufe des Kṛṣṇa-Bewußtseins zu gelangen.
Schüler: Im Westen pflegen die Schulen im allgemeinen Gebühren zu erheben. Wie werden wir uns in dieser Hinsicht verhalten?
Śrīla Prabhupāda: Wir werden keine Gebühren verlangen. Es braucht kein Geld bezahlt zu werden, weil die brāhmaṇas umsonst unterrichten. Andere Schulen fordern Geld, weil sie den sogenannten Lehrern hohe Gehälter zahlen müssen. Das brauchen wir nicht. Wir müssen sie zwar ernähren, aber wir erzeugen ja unsere eigenen Lebensmittel. Wozu soll man also Geld von den Schülern nehmen? Deshalb ist es notwendig, daß wir weiter unsere eigenen Nahrungsmittel produzieren, so daß wir nicht auf Bezahlung angewiesen sind.

Ein Projekt, das das Weltbild verändert

Schüler: Sollen unsere Kinder, die jetzt in die Gurukula-Schule gehen, wenn sie älter geworden sind, die varṇāśrama-Schule besuchen?
Śrīla Prabhupāda: Ja. Die varṇāśrama-Schule ist für ältere Schüler bestimmt.
Schüler: Gibt es ein Mindestalter?
Śrīla Prabhupāda: Zwischen zehn und zwölf Jahren. Vom fünften bis zum zehnten Lebensjahr leben die Kinder in Gurukula, und nach dem zehnten Lebensjahr sollten sie die varṇāśrama-Schule besuchen.
Schüler: New Vṛndāvana, unsere größte Farmgemeinschaft, wäre ein idealer Ort in Amerika für eine solche Schule.
Śrīla Prabhupāda: Du hast recht. Organisiert dort also etwas. Ihr habt zwar schon so viele Aufgaben, aber wenn ihr keine Zeit verschwendet und euch im Essen und Schlafen einschränkt, werdet ihr auch das und noch mehr tun können. Dieses Vorhaben ist gegenwärtig die segensreichste Aufgabe, da es das Mittel ist, das Chaos auf der Welt zu beenden. Wenn die Leute im Chaos leben, wie werden sie dann in der Lage sein, die erhabene Philosophie des Kṛṣṇa-Bewußtseins anzunehmen? Man braucht dafür einen kühlen Kopf. (Ein Inder geht vorbei und ruft "Hare Kṛṣṇa!")
Śrīla Prabhupāda: Seht nur! Aufgrund der einstigen Erziehungsweise chantet in Indien noch jetzt selbst ein gewöhnlicher Mann "Hare Kṛṣṇa". In Indien sind dank der vergangenen vedischen Kultur selbst die Männer der niedrigsten Klasse größere Philosophen als die Halunken in den westlichen Ländern, die sich als Philosophen ausgeben.
Schüler: Ist das Prinzip bei unserem varṇāśrama, daß die Schüler sich, nach ihrer Ausbildung in ihrer jeweiligen Tätigkeit, am Predigen des Kṛṣṇa-Bewußtseins beteiligen?
Śrīla Prabhupāda: Ja, das Predigen ist die Grundlage für alles andere. Es ist vor allem notwendig, weil niemand sich um spirituelles Leben kümmert. Als Gottgeweihte gehören wir nicht zum varṇāśrama; aber zur Verbreitung des Kṛṣṇa-Bewußtseins müssen wir jede noch so unsinnige Art von Beschäftigung oder auch die anspruchsvollsten Tätigkeiten übernehmen. Für Kṛṣṇa müssen wir alles tun.
Schüler: In unseren Tempeln gibt es manche, die nicht in der Lage sind, zu predigen oder etwas Derartiges zu tun.
Śrīla Prabhupāda: Auch sie müssen beschäftigt werden. Wenn sie nichts anderes tun können, sollen sie zu unserer Bauerngemeinschaft stoßen und Landwirtschaft betreiben. Diejenigen, die weniger intelligent sind und sich nicht aufs Predigen verstehen, müssen als katriya, vaiśya oder śūdra handeln. Man muß immer tätig sein, damit keine Lücke im Gesellschaftsgefüge entsteht.
Schüler: Sollen wir junge Leute, wie Studenten, auffordern, zu unserer Schule zu kommen?
Śrīla Prabhupāda: Wenn ihr alles vorbildlich macht, werden sie von selbst kommen, weil Not sie treiben wird. Sobald Elend sie bedroht, werden sie kommen. Und warum wird Elend sie bedrohen? -Weil sie keine Nahrung produzieren. Jeder will ein sogenanntes bequemes Leben führen, eine sogenannte Ausbildung bekommen, faul am Tisch sitzen, allen möglichen Unsinn und Klatsch reden und schlafen. So werden die śūdras von heute unterrichtet.

Erziehung zum Menschsein

Schüler: Unter anderem soll ihnen beigebracht werden, früh aufzustehen?
Śrīla Prabhupāda: Ja, wenn man gesund bleibt, wird man natürlicherweise früh aufstehen; aber weil die Leute alle Vitalität verloren haben, ist Schlafen ihr einziges Bestreben. Das Merkmal des Schwachen ist viel Schlaf und das des Starken ist Schweiß. Wenn ein Mensch zuviel schläft, ist er bei schwacher Gesundheit. Ein Mensch ist jemand, der nach Prinzipien erzogen worden ist. Das ist der Unterschied zwischen Mensch und Tier. Tiere können keine Schulung durchmachen. Die menschliche Lebensform aber ist für Schulung bestimmt. Wenn die Leute nicht richtig geschult werden, werden sie Tiere bleiben, und die menschliche Gesellschaft wird in Chaos und Verwirrung bleiben. Bald wird es überall so sein wie in New Yorks Brooklyn. Dort ist es bereits gefährlich, spazieren zu gehen, weil es dort Straßenräuber gibt, die einen bedrohen und auffordern: "Gib alles her, was du dabei hast!" In einer Stadt wie New York drohen ständig solche Gefahren. Wenn dort jemand einen anderen tötet, wird sich niemand darum kümmern. In Indien sind die Menschen noch nicht so tief gesunken. Selbst nachts kann man dort sicher durch die Straßen gehen. In Amerika und in Europa kann man das in den großen Städten nicht mehr. Der Mensch ist tiefer gesunken als das Tier. Man kann in den großen Städten jederzeit angegriffen werden. Wie im Urwald. Es sind zwar die Vereinten Nationen gegründet worden, aber was hat man dadurch eigentlich erreicht? Haben Sie irgendeinen greifbaren Fortschritt gebracht?
Schüler: Nein.
Śrīla Prabhupāda: Man betrieb gewaltige Werbung für die Vereinten Nationen, aber wenn sich Katzen und Hunde vereinen, was können sie schon zustandebringen? Und es hat sich tatsächlich gezeigt: Wissen sie, wie man sich vereint? Wissen sie, wie man in Frieden lebt? -Sie wissen es nicht, weil sie wie Tiere, wie Katzen und Hunde leben. Das ist der Beweis. Seht euch diese Institution nur einmal an. Was hat sie erreicht? Seit 30 Jahren ringen sie schon um die Vereinigung der Nationen. Sie haben Riesenausgaben, vielerlei Humbugprogramme, aber kein Ergebnis. Habe ich recht oder nicht?
Schüler: Du hast recht.
Śrīla Prabhupāda: Prahlāda Mahārāja, ein großer Gottgeweihter, sagte: "Ich denke nur daran, was aus diesen Halunken werden soll. Sie machen viele unsinnige Programme für zeitweiliges sogenanntes Glück ohne Gottesbewußtsein, und sie bringen nichts zustande. Ich selbst habe keine Probleme; ich denke nur an sie." Wir haben keine Aufgaben in der materiellen Welt -wir können überall chanten, und Kṛṣṇa wird für alles sorgen -, aber manchmal müssen wir hier Aufgaben übernehmen, weil wir den bedingten Seelen helfen wollen. So viele Leute werden von der modernen Zivilisation umgebracht. Sie haben die Möglichkeit, Kṛṣṇa-bewußt zu werden, aber durch die Zustände in dieser dämonischen Zivilisation werden sie spirituell getötet. Deshalb müssen wir uns ihrer annehmen. Der Gottgeweihte hat selbst keine Probleme, aber er begibt sich in die degradierte Gesellschaft, um die Leute zu lehren, wie man lebt und wie sie ehrenwerte Menschen werden können. Wenn man ihnen keine Möglichkeiten gibt, können sie nicht zum Kṛṣṇa-Bewußtsein gelangen. Und es ist auch für den Gottgeweihten gut, weil Kṛṣṇa sieht, wieviel der Gottgeweihte für Ihn tut, und seinen Dienst nicht vergißt. Denkt nicht, ihr seid śūdras geworden, wenn ihr śūdras zeigt, wie man arbeitet. Versucht, dieses Prinzip klar zu verstehen.

Soziale Probleme -einfach gelöst

Śrīla Prabhupāda: Ist euch das alles wirklich klar geworden?
Schüler: Ja. Ich glaube sogar, daß in New Vṛndāvana, unserer ersten Farmgemeinschaft, bereits Ansätze zu sehen sind. Dort werden nämlich katriyas und vaiśyas ausgebildet.
Śrīla Prabhupāda: Ja. Die ersten Ansätze sind dort schon vorhanden. Ich begann das New-Vṛndāvana-Projekt auf der Grundlage der varṇāśrama-Prinzipien.
Schüler: Als ich das letzte Mal in New Vṛndāvana war, sah ich, daß jetzt die Mitglieder sogar eine Art Gerichtssystem eingerichtet haben. Es kommt manchmal vor, daß jemand gegen die Regeln verstößt oder etwas Ähnliches. Er muß dann vor einen Rat älterer Mitglieder treten, der die Angelegenheit klärt.
Śrīla Prabhupāda: Das ist gut. Alle Auseinandersetzungen sollten von einem solchen Rat bereinigt werden. Selbst ein echtes Gericht wird das anerkennen. In Indien ist es üblich, in jedem Dorf einen Rat von fünf bis zehn Leuten zu haben. Wenn zwei sich streiten, richten sie sich in jedem Falle danach, was dieser Rat entscheidet.
Schüler: Wenn wir in einer Stadt einen Tempel eröffnen, sorgen wir als erstes für eine Wohnung oder einen kleinen Laden, und wenn dann mehr und mehr Leute kommen, sollten wir Land, Kühe usw. beschaffen und eine richtige Gesellschaft formen. Nicht wahr?
Śrīla Prabhupāda: Ja, genauso ist es richtig. (überlegt eine Weile) Für die Leute, die zu uns kommen werden, wird kein Mangel herrschen. Wir werden sie damit beschäftigen, Nahrung zu produzieren, und so wird es keine Knappheit geben. Butter und Milch wird reichlich vorhanden sein. - Iß und trink, und sei ein Mensch.

Die Verbesserung des Kommunismus

Śrīla Prabhupāda: Unser varṇāśrama-Projekt wird die Gegenbewegung zum Kommunismus sein. Unsere Mitglieder sollten sich immer sagen: "Warum sitzt du untätig herum? Greif dir den Pflug, spann die Ochsen an, und geh hinaus und arbeite. Was nützt es, tatenlos herumzusitzen?" Das ist Kṛṣṇa-Bewußtsein. -Niemandem wird es erlaubt sein, herumzusitzen und den Tag zu verschlafen. Wir müssen für jeden eine Tätigkeit finden, als brāhmaṇa, als vaiśya, als katriya oder als śūdra. Warum sollte es Arbeitslosigkeit geben? Am Körper zum Beispiel ist jedes Teil - die Hand, die Arme, die Beine, das Gehirn und der Magen -tätig. Warum sollte ein Teil mit seiner Tätigkeit aussetzen? Beendet nur die Arbeitslosigkeit, und ihr werdet sehen: Die ganze Welt wird friedvoll werden. Es wird keine Klagen geben, und die Leute werden fröhlich "Hare Kṛṣṇa" chanten. Warum arbeitet niemand auf diesem Feld? (Deutet nach vorn) Die Leute werden alle in die Städte gelockt, um in Fabriken zu arbeiten -eine dem Untergang geweihte Zivilisation. Wie war doch das kommunistische Emblem?
Schüler: Hammer und Sichel.
Śrīla Prabhupāda: Das ist nicht schlecht, aber der Hammer stört: Wir nehmen nur die Sichel. Das soll unser Emblem sein -nur die Sichel, ohne den Hammer. Der Hammer, die Industrialisierung, hat die ganze menschliche Zivilisation zerschlagen. Stellt also ein Gegenemblem her. Die Kommunisten werden das zu schätzen wissen.
Schüler: Was hältst du von Sichel und tilaka* ?
Śrīla Prabhupāda: O ja, das ist eine gute Idee! (Die Gottgeweihten lachen)

* Zeichen, das die Gottgeweihten auf der Stirn tragen

Nutzlose Regierungen

Die führenden Halunken machen durch ihre Halunkenzivilisation alle anderen Menschen ebenfalls zu Halunken. Es ist nicht einmal eine Organisation des Getreideanbaus vorhanden. Und wie kann man ohne Getreide leben? Die Regierenden erlassen ständig neue Resolutionen und Gesetze, aber es gibt immer weniger Getreide. Begreift ihr, wie erbärmlich das ist? Die erste Pflicht der Regierung ist es, dafür zu sorgen, daß jeder glücklich und frei von Angst ist. Es muß in ausreichendem Maße für die grundlegendsten Lebensbedürfnisse gesorgt sein. Man muß ausreichend essen, wenn auch nicht sich überessen, das heißt, man muß genügend Nahrung zur Erhaltung der Gesundheit haben. Ebenso muß man einen Platz zum Schlafen haben. Wir sind bereit, alles zu opfern, um Kṛṣṇa-Bewußtsein zu geben. Das ist unsere Mission. Wir sind nicht daran interessiert, nur zu essen und zu schlafen und Banditen, Diebe und Schmarotzer zu werden. Dagegen wehren wir uns. Warum soll es Arbeitslosigkeit geben?
Solange es keinen Wassermangel gibt, braucht man nur einen großen Brunnen zu bauen, Elektrizität zum Wasserpumpen hinleiten, und in kürzester Zeit kann man alles grün werden lassen. Das dient in jeder Hinsicht dem Wohl der menschlichen Gesellschaft. Wenn wir das als erstes hier in Indien machen, werden wir in allen Teilen der Welt geehrt werden, und alle Pseudo-Yogis, betrügerischen Geisteslehrer, vorgeblichen Inkarnationen Gottes usw. werden von selbst verschwinden. Prahlāda Mahārāja sagte über die regierenden Materialisten: "Warum machen diese Schurken Pläne zum Vorteil einiger weniger Menschen?" Die Regierenden machen tatsächlich mächtige Pläne, die nur ihrem eigenen Vorteil dienen. Ihr wißt, daß es jetzt in Delhi eine Planungskommission gibt. Was ist ihr Plan? - Ihr Plan ist, daß das Volk ruhig hungern soll. Indira Ghandi und Co. aber soll es gut gehen - das ist alles.
Schüler: Es heißt, die Mitglieder der Kommission gingen um 12 Uhr ins Büro und kämen um 13 Uhr wieder heraus, ohne etwas getan zu haben.
Śrīla Prabhupāda: Was haben sie auch zu tun? Das Parlament in London zum Beispiel wurde schon gegründet, als es noch das sogenannte englische Imperium gab, doch ist seine Tätigkeit nutzlos. Die Mitglieder des Ober- und Unterhauses sind nutzlos, da sie nichts zustandebringen. Sie halten zwar viele Reden, die niedergeschrieben und fein säuberlich zu Büchern gebunden werden, aber wer liest all die Hunderte von alten Büchern? Die Redner haben nur ihre Zeit verschwendet. Das Beispiel für Zeitverschwendung ist der Esel, der für nichts, für ein bißchen Gras, das er überall bekommen könnte, hart arbeitet. Er überlegt sich nicht, daß er so schwere Lasten zu tragen hat, obwohl er überall Gras bekommen und frei leben könnte. Hier in Indien gibt es ebenfalls viele Männer, die den ganzen Tag nur rauchend herumsitzen und ab und zu um ein wenig Brot betteln. Wir sollten ihnen klarmachen, daß sie sich beschäftigen können, indem sie "Hare Kṛṣṇa" chanten oder einen Pflug führen.
Schüler: Auch den Intellektuellen und Professoren in Amerika können wir Pflüge in die Hand drücken.
Śrīla Prabhupāda: Ja, sie verschwenden nur ihre Zeit. Es wäre besser, wenn sie Nahrung produzierten. Sie sollten zumindest ihre eigenen Nahrungsmittel erzeugen, und nicht auf Kosten anderer leben. Ihre Philosophien sind ohnehin nutzlos. In der Bhagavad-gītā heißt es, daß Philosophie oder āna bedeutet, nach der Absoluten Wahrheit zu forschen. Alles andere ist ajñāna, oder das Gegenteil von Philosophie.

Nichts soll ungenutzt bleiben

Wenn man in Indien sein Stück Land nicht nutzen kann, fällt es gewöhnlich an die Regierung. Ebenso sollte es, wenn die Regierung es nicht nutzen kann, an uns fallen. Wir würden es bearbeiten.
Schüler:
Ein ausgezeichneter Gedanke.
Śrīla Prabhupāda: Es sollte ein solches Gesetz geben. Die Regierung hat den Leuten das Land genommen, weil diese es nicht bearbeiteten. Aber das meiste Land wird immer noch nicht genutzt. Wir sollten das Angebot machen, dieses Land zu bestellen. Dagegen wird nichts einzuwenden sein. Selbst wenn die Regierung es nicht herausgibt, könnten wir es besetzen und die Felder bestellen. Was kann die Regierung dann tun? Die Öffentlichkeit wird uns unterstützen.
Schüler: Die Regierungen werden das Land an ihre eigenen Leute verteilen, die an der Macht sind, und dann werden sie es unbearbeitet lassen.
Śrīla Prabhupāda: Immer, wenn ein Feld nicht genutzt wird, sollten wir es besetzen und anfangen, es zu bearbeiten. Wir sollten alle Arbeitslosen einladen, zu uns zu kommen und uns zu helfen. Nahrung, Unterkunft usw. werden sie von uns bekommen. Śrī Kṛṣṇa Selbst gab das Beispiel dafür, daß jeder beschäftigt werden soll. Er forderte nämlich Arjuna vor der Schlacht von Kurukṣetra auf, sich zu betätigen, obwohl Er den Ausgang des Kampfes bereits vorherbestimmt hatte. Es wir nicht so, daß Kṛṣṇa, weil Er Arjunas Freund war, alles für ihn erledigte und Arjuna nur noch schlief und Verdauungsstörungen bekam. Er mußte im Kṛṣṇa-Bewußtsein tätig sein. Wir können jedem versichern, daß es keine Arbeitslosigkeit mehr geben wird, wenn man sich unserer Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein anschließt. Die Leute werden sich freuen, das zu hören. Der Maschinen-Unsinn heutzutage schafft nur Arbeitslosigkeit. Eine Maschine soll die Arbeit von 100 Menschen verrichten, wodurch 100 Menschen arbeitslos werden und ein Techniker alle Gehälter bekommt. Der technische Experte wird für die Bedienung der Computermaschine 30 000 Dollar nehmen, und die anderen werden arbeitslos. Das, so denken viele, ist der Fortschritt der Zivilisation. Bedeutet der Fortschritt der Zivilisation, daß man andere ausbeutet, um es selbst gut zu haben? Viele hungern, und ein einziger nimmt das ganze Geld, um es für Wein, Frauen und Autos auszugehen. Ist das der Fortschritt der Zivilisation?
"Jeder soll glücklich sein." Das ist das Prinzip der vedischen Zivilisation. Das Prinzip der dämonischen Zivilisation lautet "Soll jeder leiden, wenn ich nur reich werde." Ein Vaiṣṇava denkt: "Meine eigene Befreiung ist bereits sicher, aber wie können die armen Leute gerettet werden?" Das ist die Haltung des Vaiṣṇava. -Er ist unglücklich darüber, andere unglücklich zu sehen, obwohl es für ihn selbst kein Unglück gibt. Ein Vaiṣṇava soll hart arbeiten und für andere alle möglichen Schwierigkeiten auf sich nehmen. Ein Vaiṣṇava hat selbst kein Problem, da er bei Kṛṣṇa Zuflucht gesucht hat. Kṛṣṇa hat versprochen: "Jeder, der bei Mir Zuflucht gesucht hat, ist gerettet, denn Ich werde ihn beschützen." (Bg. 18.66) Es ist für alles gesorgt, und deshalb kennt der Vaiṣṇava selbst kein Leid, aber er macht sich Sorgen darüber, wie die Halunken glücklich werden sollen. Das ist es, womit sich ein Vaiṣṇava befaßt. Deshalb gibt es für Vaiṣṇavas keine Politik. Politik bedeutet, für sein eigenes Glück Pläne zu schmieden. So etwas sollte es in unserer Gesellschaft nicht geben. Jeder sollte bestrebt sein, anderen Gutes zu tun. Das Pläneschmieden, das darauf hinausläuft, sich selbst zum Führer zu machen oder selbst zu herrschen, ist Vaiṣṇavas nicht angemessen. Solche Art von Politik ist nicht zu befürworten. Dem Vaiṣṇava geht es nur darum, zum Wohl der Allgemeinheit zu handeln. Wenn die Angelegenheiten der Welt nach Kṛṣṇa-bewußten Plänen geregelt werden, wird es für alle Nationen keine Probleme mehr geben. Die Bewohner aller Länder werden glücklich sein. Deshalb müssen wir die Leute allmählich erziehen. Durch unser gutes Beispiel können wir sie davon überzeugen, daß ein Kṛṣṇa-bewußtes Leben die höchste Vollkommenheit darstellt, und sie dafür begeistern, zu uns und damit zu Kṛṣṇa zu kommen.

 

Namen und Fachausdrücke

Āśrama - System der vier Lebensstände in Beziehung zur Selbstverwirklichung: 1. brahmacārī-āśrama: Lebensstand des Studierens in Ehelosigkeit; 2. ghastha-āśrama: Lebensstand der Ehe; 3. vānaprastha-āśrama: Lebensstand der Loslösung von der Familie; 4. sannyāsa-āśrama: Lebensstand der völligen Entsagung

Bhagavad-gītā -wichtigster Teil des 5000 Jahre alten Mahābhārata; Arjunas Unterweisung durch Kṛṣṇa, die die Essenz der Veden wiedergibt.

Bhaktivedanta Swami Prabhupāda -A. C., (1896-1977); Gründer-ācārya der weltweiten ISKCON mit mehr als 100 āśramas, Schulen, Tempeln und Farmgemeinschaften; verfaßte in zwölf Jahren mehr als 70 Bände mit Übersetzungen und Kommentaren der vedischen Schriften Indiens, die inzwischen in 27 Sprachen veröffentlicht werden und die Anerkennung und Bewunderung der literarischen Welt gefunden haben. Die von ihm begonnene Bewegung wird von seinen Schülern weitergeführt.

Bhaktivinoda Ṭhākura -Śrīla (1838-1914) ācārya der Gauḍiya-Vaiṣṇavasampradāya (Schüler von Jagannātha dāsa Bābājī, spiritueller Meister von Gaurakiśora dāsa Bābājī); Vater von Bhaktisiddhānta Sarasvatī Gosvāmī; verfaßte mehr als einhundert Bücher und zahlreiche Lieder (zum erstenmal auch in englischer Sprache)

Brahmacārī -wörtl. "einer, der sich nur mit spirituellen Dingen befaßt"; jemand, der in allem einem spirituellen Meister folgt, im Zölibat lebt und die Veden studiert

Brahman - der unpersönliche Aspekt der Absoluten Wahrheit

Caitanya Mahāprabhu -Inkarnation Kṛṣṇas, die im 15. Jahrhundert in Bengalen erschien und die saṅkīrtana-Bewegung ins Leben rief.

Cāṇakya Paṇḍita - indischer Politiker und Gelehrter, der seit 2000 Jahren für seine Morallehren berühmt ist

Chanten -vom engl. to chant = singen oder sprechen

Freud -Sigmund (1856-1939) Nervenarzt, der die Psychoanalyse begründete

Gosvāmī - (go-Sinne und svāmī-Meister) Meister der Sinne

Gṛhastha -Haushälter

Guṇas -Erscheinungsweisen der materiellen Natur

Hegel -Georg Wilhelm Friedrich (1770-1831); Philosoph, der die Kerngedanken für den dialektischen Materialismus lieferte, welcher von den Kommunisten vertreten wird.

Īśopaniṣad -wichtigste der 5000 Jahre alten Upaniaden

Kali-yuga - Zeitalter des Streites, in dem wir gegenwärtig leben; es ist das vierte im Kreislauf von vier sich wiederholenden Zeitaltern und währt 432 000 Jahre, von denen 5000 Jahre bereits vergangen sind

Karma - jede materielle Handlung, die eine Reaktion nach sich zieht

Karma-yoga -Handlungsweise, bei der man die Ergebnisse seines Tuns dem Höchsten zukommen läßt

Kṛṣṇa -ursprünglicher Name der Höchsten Person, Gott

Kṣatriya -Angehöriger der verwaltenden Kriegerklasse

Manu-saṁhitā - das Gesetzbuch der Menschheit, das vor einigen Millionen Jahren von dem Vorfahr der Menschheit, Manu, verfaßt wurde

Mao Tse-tung -(1893-1976) Staatspräsident und Vorsitzender des marxistischleninistischen Zentralkomitees der Volksrepublik China

Marx -Karl (1818-1883); sozialistischer Theoretiker, entwickelte den dialektischen Materialismus

Māyā - die verblendende materielle Energie

Nārada Muni - ein reiner Gottgeweihter und Weiser, der in jeden Teil der materiellen und spirituellen Welten reisen kann, um den Ruhm des Herrn zu verbreiten

New Vṛndāvana -Gemeinschaft von Bauernhöfen in West Virginia, auf denen Gottgeweihte nach vedischen Prinzipien leben; zehn Farmgemeinschaften dieser Art befinden sich allein in Amerika

Paramātmā -ein Aspekt der Absoluten Wahrheit, bei dem man Sie in allen Dingen erkennt

Prasāda -Kṛṣṇa dargebrachtes spirituelles Essen, das einem zu spirituellem Fortschritt verhilft

Saṅkīrtana -gemeinsames Singen zur Preisung des Höchsten, oft im Rahmen großer Umzüge

Sannyāsī -Wanderprediger im Lebensstand der Entsagung

Śāstras -die offenbarten Schriften

Śrīmad-Bhāgavatam -die reifste vedische Schrift, die die Spiele Gottes auf der spirituellen Ebene beschreibt

Śūdra -ein Mensch, der zur Klasse der körperlich Arbeitenden gehört

Vaiṣṇava -ein Geweihter Viṣṇus oder Gottes

Tapasya -das Aufsichnehmen von schwierigen oder unbequemen Umständen, entweder um ein materielles oder um ein spirituelles Ziel zu erreichen

Vaiśyas -die Kaufleute und Bauern

Varṇa -das System, das die Gesellschaft in vier Gruppen gliedert: 1. brāhmaṇas, 2. katriyas, 3. vaiśyas und 4. śūdras

Veden - die vor 5000 Jahren verfaßten Schriften, die alles materielle und spirituelle Wissen enthalten

Yāmunācārya -großer König, der allen materiellen Dingen entsagte und zum reinen Gottgeweihten wurde, spiritueller Meister Rāmānujācāryas


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