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Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas

Von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada
Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas
Kṛṣṇa - Der Höchste Persönliche Gott
Originale Version 1. Auflage 1974
59. Kapitel:
 
Krishna
 
Gespräche zwischen Kṛṣṇa und Rukmiṇī


 

Eines schönen Tages saß Śrī Kṛṣṇa, der Höchste Persönliche Gott, der allen Lebewesen, von Brahmā bis zur unbedeutenden Ameise, Wissen gibt, in Rukmiṇīs Schlaf gemach, während Rukmiṇī Ihm gemeinsam mit ihren Dienerinnen Dienste darbrachte. Kṛṣṇa saß also auf Rukmiṇīs Bett, und die Dienerinnen fächelten Ihm mit cāmaras [* Cāmara - Fliegenwedel, der aus einer Schwanzquaste des Yak und einem Griff besteht*] Luft zu.

Śrī Kṛṣṇas Verhalten gegenüber Rukmiṇī als vollkommener Ehemann ist eine vollkommene Manifestation der höchsten Vollkommenheit des Persönlichen Gottes. Es gibt viele Philosophen, die Auffassungen von der Absoluten Wahrheit vertreten, nach denen Gott dieses oder jenes nicht tun kann. Sie bestreiten meist, daß Sich Gott in einer Gestalt inkarnieren kann. Doch die Wirklichkeit widerspricht ihnen: Gott kann nicht dem unvollkommenen Vermögen unserer Sinne unterworfen sein. Er ist der allmächtige und allgegenwärtige Persönliche Gott, und Er kann durch Seinen höchsten Willen nicht nur die gesamte kosmische Manifestation erschaffen, erhalten und vernichten, sondern auch wie ein gewöhnlicher Mensch erscheinen, um Seine höchsten Absichten wahrzumachen. Wie in der Bhagavad-gītā erklärt wird, erscheint Er immer dann, wenn die Ausführung der vorgeschriebenen Pflichten des Menschen gestört ist. Er erscheint nicht unter dem Zwang einer fremden Macht, sondern kommt durch Seine eigene innere Energie zu uns, um sowohl Gesetze für das Handeln des Menschen festzulegen als auch gleichzeitig die den Fortschritt der menschlichen Zivilisation beeinträchtigenden Elemente zu vernichten. In Übereinstimmung mit diesem Grundprinzip Seiner transzendentalen Spiele erschien der Höchste Persönliche Gott auch in Seiner ewigen Gestalt als Śrī Kṛṣṇa in der Yadu-Dynastie.

Der Palast Rukmiṇīs war wunderbar eingerichtet. Es hingen dort viele Baldachine von der Decke, deren Ränder Perlenschnüre zierten, und das gesamte Gebäude war vom Glanz kostbarer Edelsteine erhellt. Zahlreiche Blumengärten waren innerhalb und außerhalb des Palastes angelegt worden, in denen baela und cāmeli, die wohlriechendsten Blumen in Indien, wuchsen. In ganzen Büscheln hingen sie an Blütenbäumen, und die blühenden Blumen erhöhten noch die Schönheit des Palastes. Angelockt von dem einzigartigen Duft dieser Gewächse sammelten sich kleine Schwärme summender Bienen um die Bäume, und nachts glitzerte der wohltuende Mondschein durch das Netzwerk der Fensteröffnungen. In den Gärten standen auch viele Bäume, die voller pārijāta-Blüten waren, und der sanfte Wind trug ihren Duft überallhin. Innerhalb der Palastmauern brannte Räucherwerk, und der duftende Rauch wehte zwischen den Fensterläden hervor. Im Schlafgemach Rukmiṇīs lagen Polster, die mit weißen Bettüchern bedeckt waren und dem Schaum auf der Milch ähnelten; auch das Liegebett war so weich und weiß wie Milchschaum. Darauf saß Śrī Kṛṣṇa also ganz bequem und erfreute Sich an den Gefälligkeiten, die Rukmiṇī Ihm darbrachte, wobei einige der Dienerinnen ihr helfen durften.

Rukmiṇī ergriff sehr eifrig jede Gelegenheit, dem Höchsten Persönlichen Gott als ihrem Gemahl zu dienen. Weil sie also persönlich den Herrn verehren wollte, nahm sie einer der Dienerinnen den cāmara ab und begann selbst zu wedeln. Den Handgriff des cāmara, der aus purem Gold gefertigt war, zierten kostbare Edelsteine, und als Rukmiṇī ihn in die Hand nahm, wurde er noch schöner, denn an ihren Fingern steckten hübsche Juwelenringe. Ihre Beine waren mit Fußglöckchen und Edelsteinen geschmückt, die sanft an den Falten ihres saris klingelten. Rukmiṇīs hohe Brüste waren mit kuṅkuma und Safran eingerieben, und so erhöhte sich ihre Schönheit noch durch die rötliche Farbe, die durch ihr Brusttuch schimmerte. Ihre Hüften zierte ein juwelenbestickter Spitzengürtel, und um den Hals trug sie ein Medaillon, das einen hellen Glanz ausstrahlte. Weil ihr Körper Kṛṣṇas Dienst gewidmet war, war er so schön, daß es nichts mit ihm Vergleichbares gab, obwohl sie damals bereits alt genug war, erwachsene Söhne zu haben. Wenn man sich ihr liebliches Antlitz betrachtete, schien es, als ließen das lockige Haar auf ihrem Kopf, die hübschen Ohrringe an ihren Ohren, ihr lächelnder Mund und ihre Halskette aus Gold wahren Nektarregen niedergehen; es stand ohne Zweifel fest, daß Rukmiṇī niemand anderes war als die ursprüngliche Glücksgöttin, die ewig den Lotosfüßen Nārāyaṇas dient.

Die Spiele Rukmiṇīs und Kṛṣṇas in Dvārakā werden von großen Autoritäten als Manifestationen der Spiele Lakṣmīs und Nārāyaṇas anerkannt, die von außergewöhnlichem Reichtum sind. Die Spiele Rādhās und Kṛṣṇas in Vṛndāvana sind einfach und ländlich; sie unterscheiden sich von den vornehmen und städtischen Merkmalen der Spiele in Dvārakā. Das Wesen Rukmiṇīs war ungewöhnlich freudespendend, und Kṛṣṇa sah ihr Verhalten mit großem Wohlgefallen.

Kṛṣṇa hatte die Erfahrung gemacht, daß Satyabhāmā, als Rukmiṇī von Nārada Muni eine pārijāta-Blume geschenkt bekam, eifersüchtig wurde und sogleich eine ähnliche Blume von Kṛṣṇa haben wollte. Sie war schließlich nicht eher zufrieden, bis ihr Kṛṣṇa einen ganzen Baum versprach. Kṛṣṇa hielt später tatsächlich Sein Versprechen, indem Er einen solchen Baum vom himmlischen Königreich auf die Erde brachte. Nach dieser Begebenheit erwartete Kṛṣṇa, daß Rukmiṇī, nachdem Satyabhāmā einen ganzen pārijāta-Baum geschenkt bekommen hatte, nun ihrerseits etwas von Ihm verlangen würde. Aber Rukmiṇī erwähnte die Begebenheit mit keinem Wort, denn sie war sehr ernsthaft und völlig mit ihrem Dienst zufrieden. Kṛṣṇa wollte sie jedoch ein wenig aufgebracht sehen und entwarf deshalb einen Plan, wie Er das liebliche Antlitz Rukmiṇīs mit einem aufgeregten Ausdruck sehen könne. Obwohl Śrī Kṛṣṇa mit mehr als 16000 Frauen verheiratet war, empfand Er jeder einzelnen gegenüber innige Zuneigung; manchmal schuf Er zwischen Sich und Seiner Frau eine besondere Situation, in der Seine Frau Ihn in der Aufregung ihrer Liebe tadelte, und Kṛṣṇa hatte Seine Freude daran. Doch weil der Herr in diesem Fall keinen Fehler in Rukmiṇī entdecken konnte, da sie so großherzig und immer in Seinen Dienst vertieft war, begann Er lächelnd und voller Liebe zu ihr zu sprechen. Rukmiṇī war die Tochter König Bhīṣmakas, eines mächtigen Königs; deshalb sprach Kṛṣṇa sie diesmal nicht als Rukmiṇī an, sondern als Prinzessin: »Meine liebe Prinzessin,« sagte Er, »eines wundert Mich sehr. Viele große Persönlichkeiten königlichen Standes wollten dich heiraten. Obwohl nicht alle Könige waren, besaßen sie doch Macht und Reichtum wie Könige und waren wohlerzogen, gelehrt und berühmt bei den Königen; sie besaßen wohlgeformte Körper, wiesen viele gute Eigenschaften auf und waren großzügig, kraftvoll und in jeder Beziehung fortgeschritten. Sie waren auf keinem Gebiet Versager, und überdies hatten Dein Vater und dein Bruder nichts dagegen, einen von ihnen an dich zu verheiraten. Ganz im Gegenteil, sie gaben ihr Ehrenwort, dich Śiśupāla zur Frau zu geben; die Heirat fand also die Zustimmung deiner Eltern, Śiśupāla selbst war ein großer König, und er war so lüstern und verrückt nach deiner Schönheit, daß Ich glaube, er wäre immer wie ein treuer Diener bei dir geblieben, wenn ihr geheiratet hättet.

Im Vergleich zu Śiśupāla und seinen persönlichen Eigenschaften bin Ich ein Nichts. Aber das hast du gewiß schon selbst bemerkt. Es wundert Mich daher, daß du es ablehntest, Śiśupāla zu heiraten, und statt dessen Mich vorzogst, der Ich viel unwürdiger bin als er. Ich halte Mich für völlig ungeeignet, dein Gatte zu sein, denn du bist so schön, vernünftig, ernsthaft und vornehm. Darf Ich dich deshalb nach dem Grund fragen, der dich verleitete, Mich anzunehmen? Jetzt kann Ich dich natürlich Meine schöne Frau nennen, aber dennoch will Ich dich über Meine wirkliche Stellung aufklären - daß Ich nämlich hinter all den Prinzen, die dich heiraten wollten, zurückstehe. Als erstes mußt du wissen, daß Ich solche Angst vor Jarāsandha hatte, daß Ich es nicht wagte, auf dem Festland zu leben, und deshalb habe Ich unser Haus im Meer gebaut. Eigentlich pflege Ich dieses Geheimnis keinem zu verraten, denn du mußt wissen, daß Ich nicht sehr heldenhaft bin; Ich bin ein Feigling und fürchte Mich vor den anderen Königen. Trotzdem lebe Ich nicht in Sicherheit, denn alle bedeutenden Könige des Landes sind Mir feindlich gesinnt. Ich Selbst bin an ihrer Feindlichkeit schuld, denn auf vielfache Weise habe Ich mit ihnen gekämpft. Weiter wäre an Mir auszusetzen, daß Ich, obwohl Ich auf dem Thron von Dvārakā sitze, kein direktes Anrecht auf ihn habe. Zwar erhielt Ich das Königreich, als Ich Meinen eigenen Onkel, Kaṁsa, tötete, doch gebührt es von Rechts wegen Meinem Großvater; im Grunde besitze Ich also kein Königreich. Außerdem habe Ich kein festes Lebensziel. Die Menschen können Mich nicht verstehen; sie fragen: ›Was ist nun endgültig Sein Lebensziel?‹ Jeder weiß, daß Ich Kuhhirte in Vṛndāvana war, und daher erwartete man von Mir sowohl, daß Ich den Fußstapfen Meines Pflegevaters Nānda Mahārāja folgte, als auch, daß Ich Śrīmatī Rādhārāṇī und Ihren Freundinnen im Dorf Vṛndāvana treu blieb. Doch statt dessen verließ Ich sie plötzlich. Ich wollte nämlich lieber ein berühmter Prinz werden. Doch weder besitze Ich inzwischen ein Königreich noch konnte Ich als Prinz herrschen.

Die Leute werden ganz verwirrt, wenn sie zu begreifen versuchen, was Mein Lebenszweck ist. Sie wissen nicht einmal, ob Ich ein Kuhhirtenknabe oder ein Prinz, ob Ich der Sohn Nānda Mahārājas oder der Vasudevas bin. Da Ich kein festes Lebensziel habe, nennen Mich manche Menschen einen Vagabunden. Ich wundere Mich nur, wie du einen solchen Vagabunden als Ehemann wählen konntest.

Abgesehen davon bin Ich nicht besonders vornehm, nicht einmal, was gesellschaftliche Anstandsregeln betrifft. Man sollte sich z. B. mit einer Frau zufriedengeben, doch, wie du weißt, habe Ich viele Male geheiratet, mehr als 16100 Frauen, und kann natürlich nicht alle als glänzender Gatte zufriedenstellen. Mein Verhalten ihnen gegenüber ist nicht angemessen, und Ich weiß, daß dir dies viel Kummer bereitet. Manchmal schaffe Ich zwischen Mir und Meinen Frauen ein Verhältnis, das sie nicht sehr glücklich macht. Da Ich in Meiner Kindheit in einem Dorf aufgezogen wurde, bin Ich mit den gesellschaftlichen Bräuchen des Stadtlebens nicht besonders vertraut. Ich verstehe Mich überhaupt nicht darauf, eine Frau durch gewählte Worte und gutes Benehmen zu erfreuen. Die Wirklichkeit schließlich hat gezeigt, daß jede Frau, die Mir folgt oder sich zu Mir hingezogen fühlt, zuletzt nur noch dasitzen und für den Rest ihres Lebens weinen kann. In Vṛndāvana fühlten sich viele gopīs zu Mir hingezogen, doch nun, da Ich sie verlassen habe, leben sie zwar, doch weinen sie nur immerzu, da sie sich mit der Trennung von Mir nicht abfinden können. Ich habe sogar von Akrūra und Uddhava gehört, daß alle Meine Kuhhirtenfreunde, die gopīs und Rādhārāṇī und Mein Pflegevater Nānda Mahārāja, seitdem Ich Vṛndāvana verlassen habe, fortwährend Tränen um Mich vergießen. Ich zog damals aus Vṛndāvana, um Mein Glück zu machen und lebe nun in der Gesellschaft der Königinnen von Dvārakā, ohne Mich gegenüber irgendeiner von ihnen angemessen zu verhalten. Du siehst also deutlich, daß Ich keine Charakterfestigkeit besitze. Ich bin kein sehr verläßlicher Ehemann. Wer sich zu Mir hingezogen fühlt, erntet nichts als ein Leben voll Kummer.

Meine liebe schöne Prinzessin, du mußt auch wissen, daß Ich seit jeher mittellos bin. Schon gleich nach Meiner Geburt wurde Ich, ohne auch nur einen Pfennig zu besitzen, zum Hause Nānda Mahārājas getragen und dort wie ein Kuhhirtenjunge aufgezogen. Obwohl Mein Pflegevater viele hunderttausend Kühe besaß, gehörte nicht eine einzige davon Mir. Ich war nur dazu bestimmt, auf sie achtzugeben und sie zu weiden, doch sie waren niemals Mein Eigentum. Auch hier in Dvārakā besitze Ich nichts, sondern bin mittellos wie zuvor. Aber Ich klage nicht über Meine Armut, denn schließlich besaß Ich auch in der Vergangenheit nichts; warum sollte Ich also jammern, daß Ich jetzt nichts besitze? Du sollst auch wissen, daß Meine Geweihten nicht sehr reich sind; besonders an weltlichen Gütern sind sie arm. Diejenigen, die viel besitzen und sich weltlichen Wohlstands erfreuen, wollen von Hingabe zu Mir oder Kṛṣṇa-Bewußtsein nichts wissen. Jemand jedoch, der allen Besitz verliert - sei es durch Gewalt oder durch die Macht der Umstände -, wird sich, wenn er die richtige Gelegenheit bekommt, eher für Mich interessieren. Menschen, die sich auf ihre materiellen Reichtümer etwas einbilden, werden, selbst wenn sie mit Meinen Geweihten zusammenkommen, nicht die Gelegenheit wahrnehmen, ihr Bewußtsein auf Mich zu richten. Menschen in armen Verhältnissen zeigen also manchmal ein wenig Interesse für Mich, doch die Reicheren haben keinerlei Interesse für Mich. Deshalb finde Ich, daß deine Wahl, Mich zu heiraten, nicht sehr klug war. Du magst zwar sehr klug erscheinen, da dir von Vater und Bruder eine gute Bildung zuteil wurde, doch zuletzt hast du, als du dir deinen Lebensgefährten aussuchtest, einen großen Fehler begangen.

Doch es ist nicht so schlimm - besser spät als niemals. Es steht dir frei, den richtigen Ehemann auszuwählen, einen, der dir an Begabung, Reichtum, Herkunft, Schönheit, Erziehung - in jeder Hinsicht - wirklich ebenbürtig ist. Alle Fehler, die du bisher gemacht hast, sollen vergessen sein. Nun magst du dir deinen eigenen, fruchtbaren Lebensweg wählen. Für gewöhnlich geht man keine Ehe mit einem Partner ein, der von höherem oder niedrigerem Stand ist als man selbst. Liebe Tochter des Königs von Vidarbha, Ich glaube, daß du dir deine Heirat nicht vernünftig überlegt und deshalb eine schlechte Wahl getroffen hast, als du Mich zum Ehemann nahmst. Du hörtest irrtümlich etwas von Meinem hohen Charakter, obwohl Ich in Wirklichkeit nicht mehr bin als ein Bettler, und so hast du Mich, ohne Mich jemals gesehen zu haben oder Meine wirkliche Stellung zu kennen, zu deinem Ehemann gewählt. Das war nicht richtig. Deshalb rate Ich dir: Tu das Richtige - lieber spät als nie; du kannst dir jetzt einen der großen kṣatriya-Fürsten zum Lebensgefährten nehmen und Mich von dir stoßen.«

Kṛṣṇa schlug Rukmiṇī zu einer Zeit vor, sich von Ihm zu scheiden, da sie bereits viele erwachsene Kinder hatte. Dieser Vorschlag war eigentlich etwas Undenkbares, denn nach den Regeln der vedischen Kultur konnten Mann und Frau unmöglich durch eine Scheidung voneinander getrennt werden. Auch für Rukmiṇī, die sich bereits im reiferen Stadium der Ehe befand und Söhne hatte, war dies nicht möglich. Jeder einzelne von Kṛṣṇas Vorschlägen erschien Rukmiṇī verrückt, und es erstaunte sie sehr, daß Kṛṣṇa solche Dinge sagen konnte. Sie war von so unschuldigem Wesen, daß sie sich bei dem Gedanken an eine Trennung von Kṛṣṇa immer mehr ängstigte.

Kṛṣṇa fuhr fort: »Außerdem mußt du dich auch auf dein nächstes Leben vorbereiten. Ich rate dir deshalb, jemanden zu nehmen, der dir sowohl in diesem als auch im nächsten Leben helfen kann, denn Ich bin völlig außerstande, etwas für dich zu tun. Meine liebe schöne Prinzessin, du weißt sicherlich, daß alle Prinzen von Rang, wie Śiśupāla, Śālva, Jarāsandha, Dantavakra und selbst dein älterer Bruder Rukmī, Meine Gegner sind; sie können Mich nicht ausstehen, sondern hassen Mich von ganzem Herzen. Diese Prinzen waren ihrer weltlichen Reichtümer wegen sehr hochmütig geworden und kümmerten sich nicht im geringsten um diejenigen, die ein Anliegen an sie stellten. Nur um diesen Prinzen eine Lehre zu erteilen, erklärte Ich Mich dazu bereit, dich nach deinem Wunsch zu entführen. Im übrigen aber empfinde Ich keine Liebe zu dir, obwohl du Mich schon vor unserer Heirat liebtest.

Wie Ich dir bereits erklärt habe, liegt Mir nicht viel an einem Familienleben oder an Liebe wie der zwischen Eheleuten. Vom Wesen her habe Ich nicht viel Sinn für Familie, Frau, Kinder, Zuhause und Wohlstand. In dieser Beziehung bin Ich wie Meine Geweihten, die überhaupt nicht nach weltlichen Gütern trachten. Mein eigentliches Interesse gilt der Selbstverwirklichung; das bereitet Mir Freude, und nicht das Familienleben.« Nach diesem Satz hielt Śrī Kṛṣṇa plötzlich inne.

An dieser Stelle erklärte die große Autorität Śukadeva Gosvāmī, daß Kṛṣṇa fast Seine ganze Zeit mit Rukmiṇī verbrachte und sie daher ein wenig stolz darauf geworden war, daß Kṛṣṇa sie, die Glückliche, nicht einmal für einen Moment verließ. Kṛṣṇa jedoch schätzt es nicht, wenn einer Seiner Geweihten stolz wird. Sowie dies geschieht, beseitigt Er diesen Stolz auf irgendeine Weise. Auch in diesem Fall sagte Kṛṣṇa viele Dinge, die zu hören für Rukmiṇī sehr bitter waren. So mußte sie, obwohl sie auf ihre Stellung stolz war, erkennen, daß Kṛṣṇa jeden Augenblick von ihr getrennt sein könnte.

Rukmiṇī war sich bewußt, daß ihr Gatte kein gewöhnlicher Mensch war. Er war der Höchste Persönliche Gott, der Meister der drei Welten. Als Er nun in dieser Weise mit ihr sprach, bekam sie Angst, von Ihm getrennt zu werden, denn sie hatte noch niemals zuvor solch harte Worte von Kṛṣṇa vernommen. Besorgnis überfiel sie aus Furcht vor einer Trennung, und ihr Herz begann zu beben. Ohne Kṛṣṇa auch nur ein Wort zu entgegnen, weinte sie vor Bestürzung, als sei sie in einen Ozean des Schmerzes versunken, und fuhr schweigend mit ihren rötlich schimmernden Zehennägeln über den Boden. Ihre Tränen waren rosa, vermischt mit der schwarzen Tusche von ihren Augenlidern, und flossen in Strömen herab und wuschen den kuṅkuma sowie den Safran von ihren Brüsten. Halb erstickt vor Angst und außerstande, auch nur ein Wort hervorzubringen, hielt sie den Kopf gesenkt und blieb starr wie ein Stock stehen. In ihrer quälenden Furcht und Verzweiflung verlor sie jegliche Fähigkeit zu vernünftigem Denken und wurde so schwach, daß ihr Körper unvermittelt so viel an Gewicht verlor, daß ihr die Armreifen an den Handgelenken über die Hände rutschten und zu Boden fielen. Der cāmara-Wedel, mit dem sie Kṛṣṇa diente, entglitt ihrer Hand, ihre Gedanken und ihre Erinnerung verwirrten sich, und schließlich verlor sie das Bewußtsein. Das kunstvoll frisierte Haar auf ihrem Kopf löste sich, während sie wie ein vom Orkan gefällter Bananenbaum zu Boden stürzte.

Śrī Kṛṣṇa erkannte nun, daß Rukmiṇī Seine Worte nicht als Scherz aufgefaßt hatte. Sie hatte sie bitterernst genommen und war aus Furcht vor einer unmittelbaren Trennung in einen solchen Zustand verfallen. Śrī Kṛṣṇa empfindet von Natur aus große Zuneigung zu Seinen Geweihten, und als Er Rukmiṇī in diesem Zustand sah, erweichte Sich Sein Herz. Sofort wurde Er sehr gütig. Kṛṣṇa und Rukmiṇī hatten zueinander die Beziehung als Lakṣmī-Nārāyaṇa; deshalb zeigte Er Sich ihr in Seiner vierarmigen Manifestation als Nārāyaṇa. Er stieg von Seinem Liegebett, richtete sie auf, indem Er sie bei den Händen faßte, legte ihr Seine kühlenden Hände aufs Gesicht und glättete das wirre Haar auf ihrem Kopf. Dann trocknete Er Rukmiṇīs nasse Brust mit Seiner Hand, und die Ernsthaftigkeit ihrer Liebe anerkennend umarmte Er sie.

Der Höchste Persönliche Gott versteht es meisterhaft, jemandem etwas verständlich zu machen, und so versuchte Er jetzt alles, was Er gesagt hatte, zurückzunehmen. Er ist die einzige Zuflucht aller Gottgeweihten, und daher weiß Er sehr gut, wie Er Seine reinen Geweihten erfreuen kann. Kṛṣṇa erkannte, daß Rukmiṇī Seinen scherzenden Worten nicht hatte folgen können, und um ihre Verwirrung zu beseitigen, sagte Er zu ihr: »Meine liebe Tochter des Königs von Vidarbha, liebe Rukmiṇī, bitte verstehe Mich nicht falsch. Tu Mir bitte nicht Unrecht. Ich weiß, wie aufrichtig und ernsthaft du an Mir hängst; schließlich bist du Meine ewige Gefährtin. Die Worte, die dich so schwer getroffen haben, waren nicht ernst gemeint. Ich wollte dich nur ein wenig ärgern und erwartete, daß du auf Meine Scherze Gegenantworten geben würdest. Unglücklicherweise aber hast du sie ernst genommen, was Mir sehr leid tut. Ich erwartete, daß deine roten Lippen vor Zorn zittern würden, wenn du Meine Worte vernähmest, und daß du Mich auf vielerlei Art tadeln würdest. O Vollkommenheit der Liebe, niemals aber hatte Ich erwartet, daß du in einen derartigen Zustand geraten würdest. Vielmehr glaubte Ich, du würdest rachsüchtig deine funkelnden Augen auf Mich richten, so daß Ich dein liebliches Gesicht mit einem wütenden Ausdruck sehen könnte.

Meine liebe schöne Frau, du weißt, daß wir Haushälter sind. Wir werden stets von unseren Pflichten als Haushälter in Anspruch genommen und sehnen uns daher nach jenen Augenblicken, da wir einige scherzende Worte miteinander austauschen können. Daran ist uns vor allem gelegen. Die Haushälter arbeiten Tag und Nacht sehr schwer, doch alle Anstrengung von der Mühe des Tages schwindet, sobald Mann und Frau zusammenkommen und das Leben auf vielerlei Weise genießen.« Śrī Kṛṣṇa wollte Sich wie ein gewöhnlicher Haushälter geben, dessen Hauptvergnügen es ist, mit Seiner Frau zu scherzen. Er bat also Rukmiṇī wiederholt, Seine Worte nicht so ernst zu nehmen.

Als Śrī Kṛṣṇa Rukmiṇī mit süßen Worten besänftigte, verstand sie, daß das, was Er vorher gesagt hatte, nicht so gemeint, sondern vielmehr zu ihrer beiden Vergnügen bestimmt war. Sie beruhigte sich daher wieder, nachdem sie Seine Erklärung gehört hatte, und langsam verließ sie auch die Furcht, Er werde Sich von ihr trennen, so daß sie Ihn wieder mit ihrem natürlich lächelnden Gesicht ansah. Sie sagte: »Mein lieber lotosäugiger Herr, Deine Feststellung, wir seien ein ungleiches Paar ist völlig richtig. Ich kann unmöglich jemals Deine Ebene erreichen, denn Du bist die Quelle aller Eigenschaften, der unbegrenzte Höchste Persönliche Gott. Wie könnte ich Dir also eine geeignete Partnerin sein? Es ist unmöglich, sich mit Dir zu vergleichen, da Du der Meister aller Größe und der Gebieter der drei Erscheinungsweisen bist und selbst von großen Halbgöttern wie Brahmā und Śiva verehrt wirst. Was mich betrifft, so bin ich nur eine Schöpfung der drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur. Diese drei Erscheinungsweisen sind Hindernisse für den Fortschritt im hingebungsvollen Dienen. Unter welchen Umständen könnte ich also jemals eine ebenbürtige Partnerin für Dich sein? Mein lieber Gemahl, Du sagtest ganz richtig, Du habest aus Furcht vor den Königen Zuflucht auf dem Wasser des Meeres gesucht. Doch wer ist der König der materiellen Welt? Sicherlich keiner der Nachkommen der sogenannten Königsfamilien. Die Könige der materiellen Welt sind die drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur. Sie sind die wirklichen Herrscher der materiellen Welt. Du weilst tief in jedem Herzen, wo Du nicht im geringsten von den drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur berührt wirst. Darüber besteht kein Zweifel. Du sagtest, Du stündest den weltlichen Königen ständig in Feindschaft gegenüber, doch wer sind eigentlich die weltlichen Könige? Ich glaube, die weltlichen Könige sind die materiellen Sinne. Sie sind überaus mächtig und beherrschen jeden. Somit stehst Du natürlich in Feindschaft mit ihnen. Du stehst jedoch niemals unter der Herrschaft der Sinne, sondern bist vielmehr derjenige, der sie beherrscht, Hṛṣīkeśa. Weiterhin sagtest Du, lieber Herr, Du besäßest keine königliche Macht, und das trifft ebenfalls zu. Aber nicht nur Du bist frei von Herrschaft über die materielle Welt, sondern auch Deine Diener, die bereits Zuneigung zu Deinen Lotosfüßen empfinden, geben ihre Herrscherstellungen in der materiellen Welt auf, weil eine materielle Position für sie dunkelste Unwissenheit bedeutet, die den Fortschritt der spirituellen Erleuchtung behindert. Wenn schon Deine Diener nicht über die Materie herrschen wollen, muß es Dir dann nicht erst recht so gehen? Lieber Herr, Deine Feststellung, daß Du Dir nicht, wie ein gewöhnlicher Mensch, ein bestimmtes Lebensziel gesteckt hast, ist ebenfalls völlig richtig. Auch Deine großen Geweihten und Diener, die als Heilige und Weise berühmt sind, verhalten sich in solcher Weise, daß niemand erahnen kann, was das Ziel ihres Lebens ist. Die meisten Menschen betrachten sie daher als verrückt und verstiegen. Ihr Lebensziel bleibt dem gewöhnlichen Sterblichen immer ein Geheimnis; die Niedrigsten der Menschen können weder Dich noch Deine Diener verstehen. Ein unreiner Mensch kann sich nicht die geringste Vorstellung von den Spielen zwischen Dir und Deinen Geweihten machen. O Unbegrenzter, wenn schon das Tun und Streben Deiner Geweihten den gewöhnlichen Menschen ein Rätsel ist, wie könnten sie dann Deine Beweggründe und Bestrebungen verstehen? Alle Energien und Füllen sind in Deinem Dienst beschäftigt und ruhen dennoch in Dir.

Du hast Dich vorhin als mittellos bezeichnet, doch dieser Zustand ist keine Armut. Denn da es nichts außer Dir gibt, hast Du es nicht nötig, irgend etwas zu besitzen. Du Selbst bist ja bereits alles. Du brauchst nicht, wie andere, von etwas Besitz ergreifen. Bei Dir heben sich alle Widersprüche auf, denn Du bist absolut. Du besitzt nichts, aber niemand ist reicher als Du. In der materiellen Welt kann niemand reich sein, ohne etwas zu besitzen. Weil Du aber, o Herr, absolut bist, setzt Du Dich über den Widerspruch, nichts zu besitzen und doch der Reichste zu sein, hinweg. In den Veden wird gesagt, daß Du, obwohl Du keine materiellen Hände und Beine hast, alles entgegennimmst, was Dir Deine Geweihten in Hingabe opfern. Du besitzt keine materiellen Augen und Ohren und kannst dennoch alles und überall sehen und alles und überall hören. Obwohl Du nichts besitzt, kommen die großen Halbgötter, die von anderen Gebeten und Huldigungen empfangen, zu Dir und verehren Dich, um Deine Gnade zu erflehen. Wie könnte man Dich also zu den Armen zählen?

Mein lieber Herr, Du erwähntest auch, daß die Reichen in der menschlichen Gesellschaft Dich nicht verehren. Dies trifft gleichfalls zu, denn Menschen, die ihres materiellen Besitzes wegen vermessen sind, wollen ihr Eigentum zur Befriedigung der Sinne verwenden. Wenn ein armer Mann reich wird, schmiedet er sogleich Pläne zur Sinnenbefriedigung. Dies tut er, weil er nicht weiß, wie er sein schwer verdientes Geld richtig verwenden soll. Unter dem Einfluß der äußeren, materiellen Energie glaubt er, sein Geld sei zur Befriedigung der Sinne richtig angelegt, und denkt nicht daran, Dir einen transzendentalen Dienst zu erweisen. Mein lieber Herr, Du hast erklärt, daß Menschen, die nichts besitzen, Dir sehr lieb sind. Deine Geweihten entsagen allem und wollen nur Dich besitzen. Ich weiß z. B., daß Du großen Weisen wie Nārada Muni, der keinen materiellen Besitz sein eigen nennt, sehr zugetan bist. Solche Persönlichkeiten denken an nichts anderes als an Dich, o Herr.

Mein lieber Herr, Du sagtest, daß zukünftige Ehepartner nur dann ein geeignetes Paar ergäben, wenn sie sich in Bezug auf gesellschaftliche Stellung, Schönheit, Reichtum, Kraft, Einfluß und Entsagung ebenbürtig sind. Doch diese Lebensgaben sind einem nur durch Deine Gnade gegeben. Du bist die höchste, vollkommene Quelle aller Fülle. Alle guten Lebensvoraussetzungen kommen von Dir. Im Vedānta-sūtra wird dazu gesagt, janmādy asya yataḥ, was besagt, daß Du die höchste Quelle, von der alles ausgeht, und der Ozean aller Freude bist. Daher wünschen sich die Menschen, die über wirkliches Wissen verfügen, einzig und allein, Dich zu erlangen, und nichts anderes. Um Deiner Gunst willen geben sie alles auf, selbst die transzendentale Verwirklichung des Brahman. Du bist das höchste, endgültige Lebensziel. In Dir haben alle Neigungen der Lebewesen ihren Ursprung. Diejenigen, die es gut meinen, wünschen sich nur, Dich zu erreichen, und geben alles auf, um diesen Erfolg zu erlangen. Daher verdienen sie es, mit Dir zusammenzusein. In der Gesellschaft der Diener und Bedienten im Kṛṣṇa-Bewußtsein ist man nicht den Freuden und Leiden der materiellen Gesellschaft ausgesetzt, in der alles von Geschlechtsverlangen bestimmt ist. Daher sollte jeder, ob Mann oder Frau, danach streben, sich zu Deiner Gemeinschaft der sich gegenseitig Dienenden zu gesellen; Du bist der Höchste Persönliche Gott; niemand kann Dich übertreffen, noch kommt Dir irgend jemand gleich. Das Gesellschaftssystem ist vollkommen, in dem stets Du das Zentrum bist, in dem Du als der Höchste Dienste entgegennimmst und in dem sich alle anderen als Deine Diener bemühen. In einer solch vollkommen eingerichteten Gesellschaft kann jeder ewig froh und glücklich sein.

Mein lieber Herr, Du sagtest, nur die Bettler priesen Deine Herrlichkeit, und auch das stimmt. Wer aber sind diese Bettler? Diese Bettler sind alle fortgeschrittenen Gottgeweihten, befreiten Persönlichkeiten und Weisen im Lebensstand der Entsagung. Sie alle sind große Seelen und Gottgeweihte, die nichts anderes tun als Dich lobpreisen. Solche großherzigen Seelen vergeben selbst dem größten Sünder. Diese sogenannten Bettler bemühen sich in ihrem Leben um spirituellen Fortschritt, wobei sie alle möglichen Schwierigkeiten der materiellen Welt auf sich nehmen. Mein lieber Gemahl, denke nicht, ich hätte Dich aus Unerfahrenheit als meinen Ehemann angenommen; in Wirklichkeit folgte ich all diesen großen Seelen. Ich beschritt den Pfad dieser großen Bettler und entschloß mich, mein Leben Deinen Lotosfüßen hinzugeben. Du sagtest, Du seiest mittellos, und auch das ist wahr, denn Du verschenkst Dich ganz an diese großen Seelen und Gottgeweihten. Da ich dies sehr wohl weiß, wies ich selbst solch hohe Persönlichkeiten wie Brahmā und Indra zurück. Mein lieber Herr, der unbezwingbare Zeitfaktor wirkt einzig unter Deiner Führung. Die Zeit ist so erhaben und mächtig, daß sie innerhalb von Augenblicken in jedem beliebigen Teil der Schöpfung eine Vernichtung anrichten kann. Angesichts dieser Tatsachen maß ich Jarāsandha, Śiśupāla und ähnlichen Prinzen, die mich heiraten wollten, nicht mehr Bedeutung bei als gewöhnlichen Insekten.

Mein lieber allmächtiger Sohn Vasudevas, Deine Behauptung, Du habest aus Furcht vor den großen Prinzen Zuflucht auf dem Wasser des Meeres gesucht, scheint zwar einleuchtend, doch widersprechen dem meine Erfahrungen mit Dir. Ich erlebte selbst, wie Du mich gewaltsam in Gegenwart all dieser Prinzen entführtest. Bei meiner Hochzeitsfeier verjagtest Du sie einfach, indem Du Deine Bogensehne schnellen ließest, und gewährtest mir gütigerweise Zuflucht bei Deinen Lotosfüßen. Ich habe noch lebhaft in Erinnerung, wie Du mich entführtest - gleich einem Löwen, der sich gewaltsam seinen Teil der Jagdbeute nimmt und dabei alle kleinen Tiere mit einem Augenblinzeln verjagt.

Mein lieber lotosäugiger Herr, ich kann allerdings nicht begreifen, warum Du sagtest, diejenigen, die Zuflucht bei Deinen Lotosfüßen gesucht hätten, verlebten ihre Tage nur noch in Kummer. Die Geschichte zeigt uns doch deutlich, daß Prinzen wie Aṅga, Pṛthu, Bharata, Yayāti und Gaya, die Weltbeherrscher waren und keine Rivalen hatten, nur um die Gunst Deiner Lotosfüße zu erlangen, ihrer hohen Stellung entsagten und in den Wald gingen, um dort Bußen und Entbehrungen auf sich zu nehmen. Wenn sie also freiwillig ein solches Leben annahmen, weil Deine Lotosfüße für sie das ein und alles waren, wie könnte ihnen das Kummer oder Leid beschert haben?

Mein lieber Herr, Du botest mir an, daß ich mir einen anderen Prinzen zum Gemahl wählen und mich von Dir trennen könne, doch weiß ich genau, daß Du das Behältnis aller guten Eigenschaften bist. Große Heilige, wie Nārada Muni, preisen ständig Deine transzendentalen Eigenschaften. Wer einfach bei solchen Heiligen Zuflucht sucht, wird augenblicklich frei von aller materiellen Verunreinigung. Und wenn man unmittelbar mit Deinem Dienst in Berührung kommt, ist die Glücksgöttin bereit, einem all ihre Segnungen zu erteilen. Welche Frau also, die einmal aus maßgeblichen Quellen von Deinem Ruhm gehört und auf irgendeine Weise den nektargleichen Wohlgeruch Deiner Lotosfüße geatmet hat, könnte so töricht sein, einen Mann der materiellen Welt heiraten zu wollen, der sich ständig vor Geburt, Alter, Krankheit und Wiedergeburt fürchtet? Ich habe mich daher für Deine Lotosfüße entschieden - nicht blindlings, sondern bewußt und nach reiflicher Überlegung. Mein lieber Herr, Du bist der Meister der drei Welten. Du kannst die Wünsche aller Deiner Geweihten in dieser Welt wie auch in der nächsten erfüllen, denn Du bist die Höchste Seele in jedem. Deshalb wählte ich Dich als meinen Gemahl und halte Dich für die einzig geeignete Persönlichkeit. Du kannst mich, als Strafe für meine gewinnbringenden Handlungen, in irgendwelche Lebensarten stoßen, ohne daß es mir das geringste ausmacht. Mein einziges Verlangen ist es, immer Deinen Lotosfüßen nahe sein zu dürfen, denn Du vermagst Deine Geweihten aus dem illusionären Dasein zu befreien, und bist immer geneigt, Dich an Deine Geweihten zu verschenken.

Mein lieber Herr, Du hast mir empfohlen, einen der Prinzen, wie Śiśupāla, Jarāsandha oder Dantavakra, zum Mann zu nehmen, doch wer sind sie schon in dieser Welt? Sie arbeiten stets schwer, um ihren Haushalt zu unterhalten und ähneln in dieser Beziehung den Ochsen, die sich Tag und Nacht an der Ölpresse abplagen. Auch sind sie mit Lasttieren wie Esel zu vergleichen. Sie entwürdigen sich stets wie die Hunde, und sie sind elend wie die Katzen. Sie haben sich wie Sklaven an ihre Frauen verkauft. Eine der unglückseligen Frauen, die niemals Deinen Ruhm vernommen haben, mag sich vielleicht einen solchen Mann zum Gatten wählen, doch eine Frau, die von Dir gehört hat und z. B. weiß, daß Du nicht nur in dieser Welt, sondern auch in den Reichen der großen Halbgötter, wie Brahmā und Śiva, gepriesen wirst, wird niemanden außer Dir als ihren Gemahl annehmen. Ein Mann in der materiellen Welt ist nichts als ein toter Körper. Tatsächlich ist das Lebewesen äußerlich von seinem Körper bedeckt, der nichts weiter ist, als ein mit verschiedenen Bärten, Körperhaaren, Fingernägeln und Kopfhaaren geschmückter Hautsack. In diesem verzierten Sack befinden sich Muskelbündel, Knochengerippe und Blutpfützen, die alle ständig mit Kot, Urin, Schleim, Eiter und verbrauchter Luft vermischt sind und von allen möglichen Insekten, Würmern und Bakterien genossen werden. Eine törichte Frau betrachtet einen solchen toten Körper als ihren Ehemann und liebt ihn aufgrund dieses Mißverständnisses als ihren teuren Gefährten. Dies ist nur möglich, weil eine solche Frau niemals den ewigglückseligen Duft Deiner Lotosfüße geatmet hat.

Mein lieber lotosäugiger Gemahl, Du bist völlig in Dir Selbst zufrieden. Es ist Dir gleichgültig, ob ich schön und tugendvoll bin; dies kümmert Dich nicht im geringsten. Dein Gleichmut ist auch durchaus nicht erstaunlich; er ist ganz natürlich. Du haftest niemals an einer Frau, ganz gleich, wie hoch ihre Stellung und wie einzigartig ihre Schönheit auch sein mögen. Doch ob Du an mir hängst oder nicht, möge meine Hingabe und Aufmerksamkeit sich immer auf Deine Lotosfüße richten! Auch die materielle Erscheinungsweise der Leidenschaft wurde von Dir geschaffen, und wenn Du mich daher mit leidenschaftlichem Blick ansiehst, ist das für mich das höchste Glück in meinem Leben. Nach solch glücklichen Augenblicken nur sehne ich mich.«

Als Kṛṣṇa Rukmiṇīs Erwiderung gehört hatte, mit der sie jedes einzelne Wort erläuterte, das Er gebraucht hatte, um ihren liebevollen Zorn zu wecken, sprach Er zu ihr: »Meine liebe, tugendhafte Frau, eine solche Erklärung erwartete Ich von dir, und nur deshalb sagte Ich all die scherzhaft gemeinten Worte, die dich täuschen sollten. Nun ist geschehen, was Ich beabsichtigte. Die wunderbaren Erklärungen, die du zu jedem Meiner Worte abgegeben hast, entsprechen ganz der Wahrheit, und Ich schätze sie sehr. O schönste Rukmiṇī, du bist Meine liebste Gemahlin. Ich bin sehr froh zu erkennen, wieviel Liebe du für Mich empfindest. Sei gewiß, daß Ich dir immer zu Diensten stehen werde, gleichgültig, welche Wünsche und Begehren du auch haben und was du von Mir erwarten magst. Es stimmt, daß Meine Geweihten, Meine liebsten Freunde und Diener, stets von der materiellen Verunreinigung frei sind, obgleich sie Mich nicht um solche Befreiung bitten wollen. Meine Geweihten wünschen sich niemals etwas von Mir, außer in Meinem Dienst beschäftigt sein zu dürfen. Und weil sie völlig von Mir abhängig sind, ist selbst dann, wenn sie Mich doch einmal um etwas bitten, nichts Materielles daran. Ihre Wünsche und Begehren führen nicht zur Fesselung an die Materie, sondern zur Befreiung aus der materiellen Welt.

Meine liebe tugendhafte und fromme Frau, Ich habe auf der Grundlage deiner makellosen Tugendhaftigkeit deine Liebe zu deinem Gemahl geprüft, und du hast die Probe erfolgreich bestanden. Ich beunruhigte dich absichtlich mit vielen Worten, die deinem Wesen widersprechen mußten, und es ist wirklich erstaunlich zu sehen, wie deine unwandelbare Hingabe zu Mir nicht im geringsten nachgelassen hat. Meine liebe Gemahlin, Ich bin derjenige, der alle Arten von Segnungen, sogar bis hin zur Befreiung aus der materiellen Welt, gewähren kann, und Ich bin der einzige, der das materielle Dasein eines Lebewesens zu beenden und es zurück nach Hause, zurück zu Gott, zu holen vermag. Ein Mensch, dessen Hingabe zu Mir nicht unverfälscht ist, verehrt Mich um eines materiellen Nutzens willen und um in der Welt materiellen Glücks zu bleiben, das in geschlechtlicher Freude seinen Höhepunkt findet. Wer strenge Bußen und Opfer auf sich nimmt, um materielles Glück zu erlangen, steht zweifellos unter dem illusionierenden Einfluß Meiner äußeren Energie, und so sind Menschen, die Mir nur dienen, um materielle Vorteile und Sinnenbefriedigung zu erlangen, äußerst töricht zu nennen. Materielle Freude durch Sexualität ist selbst in den abscheulichsten Lebensformen, wie z. B. denen der Schweine und Hunde, zu haben. Niemand sollte sich daher an Mich wenden, um solches Glück zu erlangen, denn das kann man selbst im höllischsten Lebenszustand noch bekommen. Für Menschen, die nur nach materiellem Glück, und nicht nach Mir, streben, ist es deshalb besser, wenn sie weiterhin ihr höllisches Dasein führen.«

Die materielle Verunreinigung ist so stark, daß jeder Tag und Nacht sehr schwer für materielles Glück arbeiten muß. Alle Wichtigtuerei um Religiosität, Entsagung, Bußen, Humanismus, Philantropie, Politik, Wissenschaft usw. ist nur auf materiellen Nutzen ausgerichtet. Um so schnell wie möglich materielle Vorteile zu erlangen, verehren materialistische Menschen im allgemeinen verschieden Halbgötter, und getrieben von materiellen Neigungen, versuchen sie sich manchmal auch im hingebungsvollen Dienst für den Herrn. Dabei kann es geschehen, daß der Herr einem Menschen, der Ihm aufrichtig dient und doch gleichzeitig noch materiellen Neigungen ergeben ist, die Quellen seines materiellen Glücks fortnimmt. Der Gottgeweihte, der dann keine Zuflucht mehr in materiellem Glück suchen kann, beschäftigt sich völlig in reinem hingebungsvollen Dienen.

Śrī Kṛṣṇa fuhr fort: »Meine liebe Rukmiṇī, beste aller Königinnen, Mir ist klar, daß du keine materiellen Wünsche hegst. Dein einziges Verlangen ist es, Mir zu dienen, und lange schon bemühst du dich mit unverfälschter Hingabe in Meinem Dienst. Beispielhaftes unverfälschtes Dienen in Hingabe kann dem Gottgeweihten nicht nur die Befreiung aus der materiellen Welt geben, sondern es erhebt ihn auch in die spirituelle Welt, so daß er ewig im hingebungsvollen Dienst tätig sein kann. Menschen, die zu sehr an materiellen Freuden haften, können Mir nicht solche Dienste darbringen. Frauen, deren Herzen verunreinigt und voll materieller Wünsche sind, ersinnen mannigfache Wege, wie sie ihre Sinne befriedigen können, während sie sich äußerlich als große Gottgeweihte geben.

Meine liebe verehrte Gemahlin, obwohl Ich Tausende von Frauen habe, glaube Ich nicht, daß Mich irgendeine von ihnen mehr lieben kann als du. Der sichtbare Beweis für deine Einzigartigkeit ist, daß du Mich vor unserer Heirat noch nie gesehen hattest; du hattest nur von jemand anderem von Mir gehört, und dennoch war dein Vertrauen in Mich bereits so unerschütterlich, daß du, obwohl du unter vielen befähigten, reichen und schönen Männern des königlichen Standes wählen konntest, darauf bestandest, Mich zu heiraten. Du wiesest alle Prinzen ab, die um dich warben, und schicktest Mir einen vertraulichen Brief, der Mich einlud, dich zu entführen. Als Ich dich dann entführte, empörte sich dein älterer Bruder Rukmī heftig darüber und griff Mich an. Bei diesem Kampf besiegte Ich ihn gnadenlos und verunstaltete ihn. Als wir dann alle bei Aniruddhas Heirat Schach spielten, gab es, verursacht durch ein Wortgefecht, wieder einen Kampf mit Rukmī, bei dem Mein älterer Bruder Balarāma ihn schließlich tötete. Es überraschte Mich damals sehr, daß du nicht mit einem Wort über diesen Vorfall klagtest. Weil du befürchtetest, von Mir getrennt werden zu können, nahmst du alle Folgen, die sich aus dem Tod Rukmīs ergaben, stillschweigend hin. Durch dein großes Schweigen, Meine liebe Gemahlin, hast du Mich für alle Zeiten gewonnen; Ich unterstehe für immer deinem Willen. Damals, als du einen Boten zu Mir sandtest, der Mir vorschlagen sollte, dich zu entführen, und sich Meine Ankunft am vereinbarten Ort ein wenig verzögerte, war in deinen Augen die ganze Welt leer. Zu jener Zeit wurde dir bewußt, daß dein schöner Körper nicht dazu gemacht war, von einem anderen als Mir berührt zu werden, und weil du dachtest, Ich würde nicht kommen, entschlossest du dich, Selbstmord zu begehen und so den Körper auf der Stelle aufzugeben. Meine liebe Rukmiṇī, deine große und beispiellose Liebe zu Mir werde Ich immer in Meiner Seele bewahren. Was jedoch mich betrifft, so steht es nicht in Meiner Macht, dir deine reine Hingabe zu Mir zu vergelten.«

Kṛṣṇa, der Höchste Persönliche Gott, hat zweifellos mit niemandem etwas als Ehemann, Sohn oder Vater zu tun, denn Ihm gehört alles, und jeder untersteht Seiner Herrschaft. Er braucht keine fremde Hilfe, um zufrieden zu sein. Er ist ātmārāma oder in Sich Selbst zufrieden. Er kann Sich alle Freude Selbst verschaffen, ohne auf jemand anderes angewiesen zu sein. Wenn Śrī Kṛṣṇa erscheint, um die Rolle eines gewöhnlichen Menschen zu spielen, spielt Er Seine Rolle als Ehemann oder Sohn, Freund oder Feind auf höchst vollkommene Weise. Als Er somit den vollkommenen Ehemann der Königinnen, besonders Rukmiṇīs, spielte, erfreute Er Sich der innigen Liebesbeziehung in höchster Vollkommenheit.

Nach vedischer Kultur ist Vielheirat erlaubt, doch darf keine der Frauen schlecht behandelt werden. Das heißt, man darf nur dann viele Frauen annehmen, wenn man imstande ist, sie als vorbildlicher Haushälter alle gleichermaßen zufriedenzustellen; andernfalls ist die Vielheirat nicht zulässig. Śrī Kṛṣṇa ist der Lehrer der Welt, und deshalb erweiterte Er Sich, obwohl Er eigentlich keine Frau benötigte, in so viele Gestalten wie Er Frauen hatte, und lebte mit ihnen als vorbildlicher Haushälter zusammen, wobei Er die regulierenden Prinzipien, Regeln und Vorschriften der vedischen Anweisungen wie auch die Gesetze und Bräuche der Gesellschaft genau befolgte. Für jede einzelne Seiner insgesamt 16108 Frauen unterhielt Er mehrere Paläste, Dienerschaften und Parks. So zeigte Sich der Herr, obwohl Er Einer ist, als 16108 vorbildliche Haushälter.

Hiermit endet die Erläuterung Bhaktivedantas zum 59. Kapitel des Buches Kṛṣṇa:
»Gespräche zwischen Kṛṣṇa und Rukmiṇī«.