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Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas

Von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada
Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas
Kṛṣṇa - Der Höchste Persönliche Gott
Originale Version 1. Auflage 1974
46. Kapitel:
 
Krishna
 
Kṛṣṇas Botschaft an die gopīs


 

Als die gopīs Uddhava sahen, bemerkten sie, daß er fast genauso aussah wie Kṛṣṇa, und dārān erkannten sie, daß er ein großer Geweihter Kṛṣṇas sein müsse. Seine Hände waren ungewöhnlich lang, und seine Arme glichen den Blütenblättern der Lotosblume. Er war in gelbe Gewänder gekleidet und trug eine Girlande aus Lotosblüten. Sein Antlitz war wunderschön. Uddhava ähnelte Kṛṣṇa so stark, ja, er besaß fast die gleichen körperlichen Merkmale wie der Herr, weil er die sārūpya-Befreiung erlangt hatte. In Kṛṣṇas Abwesenheit hatten es sich die gopīs zur Pflicht gemacht, frühmorgens Mutter Yaśodā einen Besuch abzustatten. Sie wußten, daß Nanda Mahārāja und seine Frau sehr bekümmert waren, und daher sahen sie es als ihre Pflicht an, den beiden ehrwürdigsten Persönlichkeiten von Vṛndāvana jeden Tag ihre Achtung zu erweisen. Wenn Nanda und Yaśodā Kṛṣṇas Freundinnen sahen, wurden Sie an Kṛṣṇa Selbst erinnert und dadurch ein wenig getröstet, und auch die gopīs freuten sich jedesmal sehr, wenn sie Nanda Mahārāja und Mutter Yaśoda sahen.

Als die gopīs also bemerkten, daß Uddhava Kṛṣṇa sogar in Seinem Äußeren glich, dachten sie, daß er eine dem Höchsten Herrn völlig hingegebene Seele sein müsse. Sie fragten sich daher: »Wer ist dieser Jüngling nur, der so aussieht wie Kṛṣṇa? Er hat die gleichen Augen, die Lotosblüten ähneln, die gleiche edle Nāśe und das gleiche schöne Antlitz, und er lächelt auch ebenso wie Kṛṣṇa. Er gleicht in jeder Beziehung Śyāmasundara, dem schönen dunklen Jüngling. Er ist sogar genau wie Kṛṣṇa gekleidet. Woher kommt er nur? Wer ist die Glückliche, die ihn zum Gemahl hat?« So sprachen sie zueinander. Die gopīs waren sehr begierig, etwas über Uddhava zu erfahren, und weil sie einfache Dorfmädchen waren, versammelten sie sich einfach um ihn. Die gopīs freuten sich sehr, als sie hörten, daß Uddhava eine Botschaft von Kṛṣṇa bringe, und so führten sie ihn an einen ruhigen Ort, um sich mit ihm niederzusetzen. Sie wollten völlig ungestört mit Uddhava sprechen, ohne sich vor fremden Zuhörern schämen zu müssen. Sie hießen ihn also mit höflichen Worten und in großer Ergebenheit willkommen: »Uns ist bekannt, daß du ein enger Vertrauter Śrī Kṛṣṇas bist, und daß Er dich nach Vṛndāvana schickte, um Seinen Vater und Seine Mutter zu trösten. Das bestätigt, daß die Zuneigung von Verwandten derselben Familie füreinander sehr stark ist. Selbst große Weise, die in den Lebensstand der Entsagung getreten sind, können nicht ihre Angehörigen aufgeben. Sicherlich hat Kṛṣṇa dich aus diesem Grund zu Seinem Vater und Seiner Mutter geschickt, denn ansonsten ist Ihm an nichts mehr in Vṛndāvana gelegen. Nun, wo Er in der Stadt lebt, können Ihm das Dorf und das Weideland der Kühe gleichgültig sein. Diese Dinge haben für Kṛṣṇa keinerlei Wert mehr, denn Er ist ein Stadtbewohner geworden.

Bestimmt macht Er Sich nichts aus denjenigen, die nicht zu Seinen Familienangehörigen zählen. Warum sollte man sich auch um Menschen kümmern, die außerhalb der Familie stehen, erst recht, wenn es sich dabei um verheiratete Frauen handelt? Kṛṣṇa interessiert Sich so lange für sie, wie sie Ihn erfreuen. Er ist wie die Biene, die nur so lange auf einer Blume sitzt, bis sie allen Nektar eingesammelt hat. Und es ist nur natürlich und psychologisch leicht zu erklären, daß eine Dirne ihren Liebhaber nicht länger beachtet, wenn er kein Geld mehr hat. Ebenso ist es mit den Bürgern, die ihr Land verlassen, wenn sie sehen, daß die Regierung nicht fähig ist, sie ausreichend zu beschützen. Ein Schüler bricht seine Beziehung zu Lehrern und Schule ab, sobald seine Ausbildung abgeschlossen ist. Wenn ein reicher Mann von seinen Verehrern Geld bekommen hat, läßt er sie einfach fallen. Wenn die Reifezeit der Früchte vorüber ist, haben die Vögel kein Interesse mehr an den Bäumen. Der Gast gibt, nachdem er im Wirtshaus gegessen hat, seine Beziehung zum Wirt auf. Wenn nach einem Waldbrand kein frisches Gras mehr zu finden ist, verlassen die Rehe und die anderen Tiere den Wald. Ebenso löst auch ein Mann, nachdem er sich mit seiner Freundin vergnügt hat, die Verbindung mit ihr.« Mit diesen Beispielen wollten die gopīs Kṛṣṇa für Sein Verhalten ihnen gegenüber anklagen.

Uddhava verstand, daß die gopīs von Vṛndāvana völlig in Gedanken an Kṛṣṇa und Seine Kindheitsabenteuer vertieft waren. Während sie mit Uddhava über Kṛṣṇa sprachen, vergaßen sie all ihre Haushaltspflichten. Sie vergaßen sogar sich selbst, weil ihre Sehnsucht nach Kṛṣṇa immer stärker wurde.

Eine der gopīs - Sie hieß Śrīmatī Rādhārāṇī - war durch Ihre vertraute persönliche Beziehung zu Kṛṣṇa so tief in Gedanken an Ihn versunken, daß Sie tatsächlich mit einer Hummel zu sprechen begann, die in Ihrer Nähe umherflog, und die versuchte, Ihre Lotosfüße zu berühren. Während sich die anderen gopīs mit Kṛṣṇas Gesandtem Uddhava unterhielten, hielt Śrīmatī Rādhārāṇī jene Hummel für einen Sendboten Kṛṣṇas, und so begann Sie folgendermaßen zu ihr zu sprechen: »Hummel, du trinkst gern den Nektar aus den Blüten, und daher hat es dir gefallen, Kṛṣṇas Bote zu sein, der von gleichem Wesen ist wie du. Ich habe an deinem Bart die Spuren von dem roten kuṅkuma-Puder entdeckt, mit dem die Blumengirlande Kṛṣṇas bestäubt wurde, als Er die Brust eines anderen Mädchens, die Meine Rivalin ist, an Sich drückte. Du bist bestimmt sehr stolz darauf, daß du die Blume berühren durftest, und daß sich dein Bart von dem kuṅkuma-Puder rötlich gefärbt hat. Du kommst mit einer Botschaft für Mich hierher, und du bist sehr begierig, Meine Füße zu berühren. Aber, Meine liebe Hummel, laß Mich dich warnen: Rühr Mich nicht an! Ich möchte keine Botschaften von deinem flatterhaften Meister. Du bist der flatterhafte Diener eines flatterhaften Herrn.« Es ist gut möglich, daß Śrīmatī Rādhārāṇī die Hummel absichtlich mit sarkastischen Worten anredete, um Kṛṣṇas Boten Uddhava zu tadeln. Indirekt betrachtete Sie Uddhava nicht nur als jemanden, der die gleichen körperlichen Merkmale wie Śrī Kṛṣṇa besitzt, sondern sogar als jemand, der Kṛṣṇa Selbst gleicht. So deutete Sie an, daß Uddhava genauso unzuverlässig sei wie Kṛṣṇa Selbst. Śrīmatī Rādhārāṇī wollte jedoch auch die genauen Gründe für Ihre Unzufriedenheit mit Kṛṣṇa und Seinem Boten zu verstehen geben.

Sie sprach also weiter zur Hummel: »Dein Meister Kṛṣṇa hat genau das gleiche Wesen wie du. Du setzt dich auf eine Blume, nimmst ein wenig Nektar von ihr und fliegst gleich zur nächsten Blume, um von ihrem Nektar zu kosten. Du bist genau wie dein Meister Kṛṣṇa. Er ließ uns die Berührung Seiner Lippen kosten und verließ uns dann einfach wieder. Ich weiß auch, daß die Glücksgöttin Lakṣmī, die in einem Wald von Lotosblumen lebt, sich ständig in Kṛṣṇas Dienst beschäftigt. Ich kann jedoch nicht verstehen, warum sie von Kṛṣṇa so betört worden ist. Sie hängt nämlich an Ihm, obwohl sie Seinen wahren Charakter kennt. Dagegen sind wir viel klüger, denn wir lassen uns nicht noch einmal von Kṛṣṇa oder Seinen Boten betrügen.«

Nach der Ansicht der fortgeschrittenen Gottgeweihten ist die Glücksgöttin Lakṣmī eine untergeordnete Erweiterung Śrīmatī Rādhārāṇīs. So wie Kṛṣṇa unzählige Erweiterungen, die Viṣṇu-mūrtis, besitzt, so hat Seine Freuden-Energie Rādhārāṇī in den Glücksgöttinnen zahllose Erweiterungen. Daher sehnt sich die Glücksgöttin, Lakṣmījī, immer danach, die Stufe der gopīs zu erreichen.

Śrīmatī Rādhārāṇī fuhr fort: »Törichte Hummel, du versuchst Meine Gunst zu erlangen und eine Belohnung zu bekommen, indem du von Kṛṣṇas Herrlichkeit singst, doch du bemühst dich vergeblich. Wir besitzen nichts mehr und sind getrennt von unserem Zuhause und unseren Familien. Außerdem kennen wir Kṛṣṇa sehr gut, sogar noch besser als du. Was immer du also über Ihn erzählen magst, sind alte Geschichten für uns. Kṛṣṇa hält Sich nun in der Stadt auf, wo man Ihn besser als Arjunas Freund kennt. Er hat viele neue Freundinnen, die gewiß sehr glücklich in Seiner Gesellschaft sind. Sie sind glücklich, weil Er das lüstern brennende Gefühl in ihren Brüsten gestillt hat. Wenn du zu ihnen gehst und Kṛṣṇa preist, wirst du bestimmt mehr Erfolg haben als bei Mir, und sie werden dich belohnen. Du versuchst Mich durch Schmeicheln zu besänftigen, und deshalb hast du deinen Kopf unter Meine Füße gelegt. Aber Ich durchschaue deinen Trick. Ich weiß doch, daß du von Kṛṣṇa, dem größten Gaukler, geschickt bist. Deshalb verlaß Mich bitte.

Ich kann Mir denken, daß du sehr geschickt darin bist, zwei Streitende miteinander zu versöhnen, doch du solltest wissen, daß Ich weder dir noch deinem Meister, Kṛṣṇa, vertrauen kann. Wir haben unsere Familien, Ehemänner, Kinder und alle Verwandten nur wegen Kṛṣṇa verlassen, aber Er fühlt Sich uns gegenüber nicht im geringsten verpflichtet und hat uns unserem Schicksal überlassen. Denkst du also, daß wir Ihm jemals wieder Vertrauen schenken könnten? Wir wissen, daß Kṛṣṇa nicht lange ohne die Gesellschaft junger Frauen leben kann. Das ist Sein Wesen. Er dürfte jedoch in Mathurā auf einige Schwierigkeiten stoßen, denn Er ist jetzt nicht mehr im Dorf unter unschuldigen Hirtenmädchen. Er verkehrt nun in aristokratischen Kreisen, und daher fällt es Ihm sicherlich nicht leicht, Freundschaften mit den jungen Mädchen zu schließen. Vielleicht bist du daher nach Vṛndāvana gekommen, um wieder für Ihn zu freien oder um uns nach Mathurā zu holen. Doch warum sollte Kṛṣṇa hoffen, daß wir nach Mathurā kommen? Er ist in der Lāge, nicht nur die Mädchen von Vṛndāvana oder Mathurā, sondern alle Frauen im Universum, zu betören. Sein wundervolles Lächeln ist so bezaubernd und die Bewegung Seiner Augenbrauen so schön, daß Er jede Frau von den himmlischen, den mittleren oder den niederen Planeten zu Sich rufen kann. Mahā-Lakṣmī, die hervorragendste aller Glücksgöttinnen, sehnt sich ständig danach, Ihm einen kleinen Dienst erweisen zu dürfen. Wer sind wir schon im Vergleich zu all diesen Frauen des Universums? Wir sind wirklich unbedeutend.

Kṛṣṇa stellt Sich Selbst als sehr großherzig dar, und Er wird auch von großen Heiligen für diese Eigenschaft gepriesen. Seine hohen Qualitäten könnten sicherlich ihre Vollendung erfahren, wenn Er uns Barmherzigkeit erweisen würde, denn wir sind von Ihm mit Füßen getreten und vernachlässigt worden. Du armer Bote, du bist nur ein Diener ohne Intelligenz. Du weißt nicht viel von Kṛṣṇa - wie undankbar und hartherzig Er gewesen ist - nicht nur in diesem, sondern auch in Seinem früheren Leben. Wir haben von unserer Großmutter Paurṇamāsī von Kṛṣṇas Grausamkeit gehört. Sie hat uns verraten, daß Kṛṣṇa, vor Seiner jetzigen Geburt, als Rāmacandra in einer kṣatriya-Familie erschien. Damals tötete Er Vāli, den Feind Seines Freundes, wie ein Jäger, statt ihn wie ein kṣatriya zu besiegen. Der Jäger sucht sich ein sicheres Versteck und erlegt von dort aus ein Tier, ohne ihm gegenüberzutreten. Rāmacandra hätte wie ein richtiger kṣatriya Mann gegen Mann mit Vāli kämpfen sollen, doch auf den Rat Seines Freundes hin tötete Er Seinen Gegner aus dem Hinterhalt. Somit verletzte Er die religiösen Prinzipien der kṣatriyas. Außerdem war Er so sehr von der Schönheit einer Frau namens Sītā betört, daß Er Śūrpaṇakhā, die Schwester Rāvaṇas, verunstaltete, indem Er ihre Nāśe und Ohren abschnitt. Śūrpaṇakhā hatte Ihm nämlich einen Antrag gemacht, und als kṣatriya hätte Er ihren Wunsch erfüllen müssen. Doch Er war so selbstsüchtig, daß Er, weil Er Sītādevī nicht vergessen konnte, Śūrpaṇakhā entstellte. Vor Seinem Leben als kṣatriya war Er als Brahmanenknabe mit Namen Vāmanadeva geboren worden. In dieser Inkarnation bat Er Bali Mahārāja um eine kleine Gabe. Der König war so großzügig, Ihm alles zu geben, was er besaß, doch Kṛṣṇa nahm ihn, undankbar wie Er ist, wie eine Krähe gefangen und stieß ihn in das Pātāla-Reich hinab. Wir kennen Kṛṣṇa sehr gut und wissen ganz genau, wie undankbar Er ist. Doch hier beginnt unsere Schwierigkeit: Obwohl Er so grausam und hartherzig ist, fällt es uns sehr schwer, nicht mehr über Ihn zu sprechen. Nicht nur wir können nicht aufhören über Ihn zu sprechen - selbst die großen Weisen und Heiligen sprechen ständig über Ihn. Wir gopīs aus Vṛndāvana wollen nichts mehr mit diesem blauschwarzen Jüngling zu tun haben, doch wissen wir nicht, wie es uns jemals gelingen soll aufzuhören, uns an Seine Taten zu erinnern und über Ihn zu sprechen.«

Weil Kṛṣṇa absolut ist, ist es genauso schön, von Seinen sogenannten unbarmherzigen Taten zu hören wie von den barmherzigen. Heilige und große Gottgeweihte wie die gopīs können sich niemals von Kṛṣṇa abwenden. Auch Śrī Caitanya sagt in Seinem Gebet: »Es steht Dir völlig frei, alles zu tun, was Dir beliebt; Du magst Mich umarmen oder unter Deinen Füßen zertreten. Du magst Mir das Herz brechen, indem Du Dich Mir in Meinem ganzen Leben nicht zeigst; dennoch bleibst Du das einzige Ziel Meiner Liebe.«

Śrīmatī Rādhārāṇī fuhr fort: »Meiner Meinung nach sollte man am besten gar nicht erst von Kṛṣṇa hören, denn sowie ein Nektartropfen von Seinen transzendentalen Spielen in das Ohr dringt, wird man augenblicklich über die Ebene von Dualität, von Zuneigung und Widerwillen, erhoben und gibt die Anhaftung an die materielle Welt auf, an Familie, Zuhause, Frau, Kinder und alles, was jedem Menschen materiell lieb ist. Wenn man dann ohne alle materiellen Werte dasteht, macht man seine Verwandten und sich selbst unglücklich. In diesem Zustand sucht man dann als Mensch oder in anderen Lebensformen, selbst als Vogel, ständig nach Kṛṣṇa. Es ist sehr schwierig, Kṛṣṇa, Seinen Namen, Seine Eigenschaften, Seine Gestalt, Seine Spiele, Seine Umgebung und alles, was sonst noch mit Ihm verbunden ist, wirklich zu verstehen.« Schließlich sagte Śrīmatī Rādhārāṇī zu dem schwarzen Boten Kṛṣṇas: »Bitte sprich nicht mehr von Kṛṣṇa. Es ist besser, über etwas anderes zu reden. Wir gopīs sind bereits verloren, wie die schwarz-gefleckten Rehe im Wald, die von den süßen Melodien des Jägers betört sind. Wir sind nämlich von den süßen Worten Kṛṣṇas bezaubert worden und müssen immer wieder an das Glänzen Seiner Zehennägel denken. Mehr und mehr verlangt es uns nach Seiner Gesellschaft; deshalb bitte Ich dich: Sprich nicht mehr von Kṛṣṇa.«

Rādhārāṇīs Gespräch mit der Hummel, Ihre Klagen gegen Kṛṣṇa und, auf der anderen Seite, Ihre Unfähigkeit mit dem Sprechen über Ihn aufzuhören, sind Anzeichen höchster transzendentaler Ekstase, mahā-bhāva. Dieser ekstatische mahā-bhāva kann sich nur in Rādhārāṇī und Ihren Gefährtinnen manifestieren. Große ācāryas, wie Śrīla Rūpa Gosvāmī und Śrīla Viśvanātha Cakravartī Ṭhākura, haben diese mahā-bhāva-Reden Śrīmatī Rādhārāṇīs analysiert und die verschiedenen Merkmale Rādhārāṇīs beschrieben, wie z. B. udghūrṇā, Verwirrung, und jalpapratijalpa, das Sprechen in Widersprüchen. In Rādhārāṇīs Wesen ist ujjala, das strahlendste Juwel der Liebe zu Gott, zu finden. Als Sie so zu der Hummel redete, entschwand diese plötzlich Ihren Augen. In Ihrer Trennung von Kṛṣṇa war Rādhārāṇī sehr traurig gewesen, und daher empfand Sie, als Sie mit der Hummel sprechen konnte, große Ekstase. Als die Hummel dann aber plötzlich verschwand, wurde Sie fast verrückt, denn Sie befürchtete, die Hummel könne zu Kṛṣṇa zurückkehren und Ihm alles, was Sie gegen Ihn gesagt hatte, erzählen. Sie dachte: »Kṛṣṇa muß sehr traurig sein, Mein Klagen zu hören.« Bei diesem Gedanken wurde Sie sofort von einer anderen Art der Ekstase überwältigt.

Unterdessen erschien die Hummel, die nur ein wenig umhergeflogen war, wieder vor Ihr. Rādhārāṇī sagte Sich sogleich: »Kṛṣṇa ist Mir nicht böse. Obwohl Sein Bote Meine verletzenden Worte überbracht hat, war Er so gütig, die Hummel wieder zu Mir zu schicken, um Mich von ihr zu Ihm bringen zu lassen.« Diesmal war Śrīmatī Rādhārāṇī sehr darauf bedacht, nichts gegen Kṛṣṇa zu sagen. »Meine liebe Freundin, sei Mir willkommen«, sprach Sie. »Es war sehr gütig von Kṛṣṇa, dich wieder hierherzuschicken. Kṛṣṇa ist so freundlich und zuneigungsvoll zu Mir, daß Er dich wieder hierher sandte, obgleich du Ihm Meine widrigen Worte übermittelt hast. Meine liebe Freundin, Du kannst Mich um alles bitten, was du haben möchtest. Ich werde dir alles geben, weil du so gut zu Mir bist. Du bist gekommen, um Mich zu Kṛṣṇa zu bringen, denn Er kann Selbst nicht hierherkommen. Er kann nämlich nicht die Gesellschaft Seiner neuen Freundinnen in Mathurā verlassen. Aber Du bist ja nur eine kleine Hummel. Wie könntest du Mich also zu Ihm bringen? Wie wirst du Mir helfen, Kṛṣṇa zu treffen, der nun neben der Glücksgöttin liegt und sie an Seine Brust drückt? Aber mach dir nichts daraus. Laß uns einfach vergessen, daß Ich dort hinreisen möchte oder dich schicken will. Sage Mir vielmehr bitte, wie es Kṛṣṇa in Mathurā geht. Erinnert Er Sich noch an Seinen Pflegevater Nanda Mahārāja und Seine zärtliche Mutter Yaśodā, und denkt Er manchmal auch an Seine Hirtenfreunde und an uns, die gopīs? Sicherlich denkt Er hin und wieder an uns, denn wir dienten Ihm wie Mägde, ohne Bezahlung. Sag mir, besteht nicht die geringste Möglichkeit, daß Kṛṣṇa wieder zurückkommt und uns in Seine Arme nimmt? Seine Glieder duften immer nach dem aguru-Aroma! Bitte stelle Kṛṣṇa all diese Fragen, wenn du Ihn wiedersiehst.«

Uddhava stand in der Nähe und hörte Rādhārāṇī zu, während Sie so sprach, als sei Sie fast verrückt geworden nach Kṛṣṇa. Es erstaunte Ihn außerordentlich, wie die gopīs fortwährend in der höchsten Ekstase der mahā-bhāva-Liebe über Kṛṣṇa meditierten. Er hatte eine handgeschriebene Botschaft Kṛṣṇas bei sich und hielt es nun für angebracht, sie den gopīs vorzutragen, um sie etwas zu beruhigen. Er sagte daher: »Liebe gopīs, für euch ist die Bestimmung des menschlichen Lebens erfüllt, denn ihr seid alle vortreffliche Geweihte des Höchsten Persönlichen Gottes; deshalb seid ihr es wert, von allen Menschen verehrt zu werden. Überall in den drei Welten sollte man euch verehren, denn ihr seid wunderbarerweise in Gedanken an den Höchsten Persönlichen Gott Vāsudeva vertieft. Er ist das Ziel aller Rituale und frommen Handlungen wie die Ausübung von Mildtätigkeit, das Aufsichnehmen von Härten, Gelübden und Bußen und das Darbringen von Opfern im Opferfeuer. Er ist das Ziel aller mantras, des Studiums der Veden, der Beherrschung der Sinne und der Sammlung des Geistes in Meditation. Dies sind einige der Vorgänge, die zur Selbstverwirklichung und zur Vollkommenheit des Lebens führen sollen. Im Grunde genommen aber sind sie nur dazu bestimmt, einen Menschen dahin zu bringen, Kṛṣṇa zu erkennen und sich dem transzendentalen liebevollen Dienst für den Höchsten Persönlichen Gott zu weihen. Dies besagt auch die letzte Anweisung der Bhagavad-gītā; obwohl Kṛṣṇa noch viele andere Vorgänge zur Selbstverwirklichung beschreibt, empfiehlt Er am Ende, alles aufzugeben und sich einfach Ihm hinzugeben. Alle die anderen Vorgänge sind dazu bestimmt, den Menschen zu lehren, wie er sich letztlich den Lotosfüßen Kṛṣṇas hingeben kann. Die Bhagavad-gītā erklärt weiterhin, daß der Vorgang der Hingabe von einem aufrichtigen Menschen zur Vollkommenheit gebracht werden kann, nachdem er viele Leben hindurch die Vorgänge zur Selbstverwirklichung in Weisheit und Entsagung befolgt hat.

Da die Vollkommenheit solcher Vorgänge und Entsagungen im Leben der gopīs vollständig ihren Ausdruck findet, fühlte sich Uddhava glücklich, als er die transzendentale Position der gopīs erkannte. Er sagte deshalb: »Meine lieben gopīs, die Gefühle, die ihr für Kṛṣṇa entwickelt habt, sind selbst für die großen Weisen und Heiligen sehr schwer zu erlangen. Ihr habt die höchste Stufe des Lebens erreicht. Es ist ein großer Segen für euch, daß ihr euren Geist auf Kṛṣṇa gerichtet und euch entschlossen habt, mit Kṛṣṇa allein zufrieden zu sein, weshalb ihr Familie, Verwandte und Kinder aufgegeben habt. Weil euer Geist nun völlig mit Kṛṣṇa, der Höchsten Seele, beschäftigt ist, hat sich von allein allumfassende Liebe in euch gebildet. Ich schätze mich sehr glücklich, daß es mir durch eure Gnade vergönnt ist, euch in dieser transzendentalen Stellung zu sehen.« Als Uddhava sagte, er überbringe eine Botschaft von Kṛṣṇa, war den gopīs viel mehr dārān gelegen, den Inhalt zu erfahren, als von ihrer eigenen hohen Stellung zu hören. Sie liebten es nicht sonderlich, selbst gepriesen zu werden, sondern zeigten sich vielmehr sehr begierig, Kṛṣṇas Botschaft zu hören. Uddhava sagte also: »Meine lieben gopīs, ich bin beauftragt worden, euch diese Botschaft zu überbringen, die ihr so erleuchtete und große Gottgeweihte seid. Kṛṣṇa schickt mich hierher, weil ich Sein vertrautester Diener bin.«

Uddhava übergab den gopīs jedoch nicht einfach die Botschaft Kṛṣṇas, sondern las sie ihnen persönlich vor. Die Botschaft war sehr ernst geschrieben, weil sie nicht nur den gopīs, sondern auch allen empirischen Philosophen klarmachen sollte, daß die reine Liebe zu Gott alle Energien des Herrn in sich vereinigt. Aus den vedischen Schriften geht hervor, daß der Herr mannigfache Energien besitzt: parāsya śaktir vividhaiva śrūyate. Die gopīs waren so innige persönliche Freunde Kṛṣṇas, daß Er beim Schreiben der Botschaft sehr bewegt war und nicht deutlich schreiben konnte. Uddhava verfügte als Schüler Bṛhaspatis über eine scharfe Intelligenz, und daher hielt er es für klüger, den gopīs persönlich den Brief Kṛṣṇas vorzulesen und zu erklären, als ihn einfach nur abzugeben.

Uddhava sagte also: »Dies sind die Worte des Höchsten Persönlichen Gottes: ›Meine lieben gopīs, Meine lieben Freundinnen, bitte wisset, daß es zu jeder Zeit, überall und unter allen Umständen unmöglich ist, daß wir getrennt voneinander sind, denn Ich bin alldurchdringend.‹ «

Dieser alldurchdringende Aspekt Kṛṣṇas wird sowohl im Neunten als auch im Siebten Kapitel der Bhagavad-gītā erklärt. Es heißt dort, daß Kṛṣṇa in Seinem unpersönlichen Aspekt alldurchdringend ist. Obgleich alles in Ihm ruht, ist Er nicht überall persönlich anwesend. Wie im Siebten Kapitel gesagt wird, bilden die fünf grobstofflichen Elemente Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther zusammen mit den feinstofflichen Elementen Geist, Intelligenz und falsches Ich Kṛṣṇas niedere Energien. Es gibt jedoch noch eine andere, höhere, spirituelle Energie - die Lebewesen. Die Lebewesen sind ebenfalls Bestandteile Kṛṣṇas, und daher ist der Herr der Ursprung sowohl der materiellen als auch der spirituellen Energie. Als Ursache und Wirkung ist Er immer an allem beteiligt. Nicht nur die gopīs, sondern alle Lebewesen sind ewig und unter allen Umständen untrennbar mit Kṛṣṇa verbunden. Die gopīs jedoch handeln in ihrer wesenseigenen Beziehung zu Kṛṣṇa und in völliger Übereinstimmung mit Ihm, wohingegen die Lebewesen unter dem Einfluß māyās Kṛṣṇa vergessen haben. Sie glauben, von Ihm getrennt zu sein und keine Beziehung zu Ihm zu besitzen.

Liebe zu Kṛṣṇa oder Kṛṣṇa-Bewußtsein ist daher die vollkommene Ebene wirklichen Wissens, auf der man die Dinge sieht, wie sie sind. Unser Geist kann niemals leer sein, sondern ist ständig mit Gedanken beschäftigt, die nichts außerhalb der acht Elemente von Kṛṣṇas Energie zum Inhalt haben. Jemand, der diesen philosophischen Aspekt aller Gedanken versteht, ist ein wirklicher Weiser, und er gibt sich Kṛṣṇa hin. Die gopīs sind echte Beispiele für diese vollkommene Stufe der Erkenntnis. Man kann sie also keinesfalls mit intellektuellen Spekulierern vergleichen; ihr Geist ist immer in Kṛṣṇa vertieft. Der Geist ist nichts anderes als eine Energie Kṛṣṇas. Deshalb kann im Grunde niemand, der denken, fühlen, handeln und wollen kann, von Kṛṣṇa getrennt sein. Verstehen kann man seine ewige Beziehung zum Herrn jedoch nur auf der Stufe des Kṛṣṇa-Bewußtseins. Der krankhafte Zustand, in dem man nicht seine ewige Beziehung zu Kṛṣṇa verstehen kann, wird die Stufe der Verunreinigung oder māyā genannt.

Weil sich die gopīs auf der Ebene reinen transzendentalen Wissens befinden, ist ihr Geist immer von Kṛṣṇa-Bewußtsein erfüllt. So wie z. B. Feuer und Luft nicht voneinander getrennt sind, so gibt es auch zwischen Kṛṣṇa und den Lebewesen niemals Trennung. Wenn die Lebewesen Kṛṣṇa vergessen haben, befinden sie sich nicht in ihrem natürlichen Zustand. Die gopīs hingegen befinden sich ständig auf der absoluten Ebene des vollkommenen Wissens, da sie unablässig an Kṛṣṇa denken. Die sogenannten empirischen Philosophen denken zuweilen, der Pfad der bhakti sei für die weniger Intelligenten bestimmt, doch das Wissen eines sogenannten weisen Mannes muß unrein und unvollkommen bleiben, solange er nicht die Ebene der bhakti erreicht. Die wahre Vollendung seiner ewigen Beziehung zu Kṛṣṇa erreicht man mit der Liebe in Trennungsgefühlen. Doch die Trennung von Kṛṣṇa an sich ist eine Illusion, weil man niemals von Ihm getrennt sein kann. Die gopīs waren niemals von Kṛṣṇa getrennt. Selbst im philosophischen Sinne gab es keine Trennung.

Auch die kosmische Manifestation ist nicht von Kṛṣṇa getrennt. Der Herr sagt Selbst: »Nichts ist getrennt von Mir; die gesamte kosmische Manifestation ruht auf Mir, sie ist nicht getrennt von Mir. Vor der Schöpfung existierte nur Ich.« Diese Aussage wird von den vedischen Schriften bestätigt: Vor der Schöpfung gab es nur Nārāyaṇa. Es gab keinen Brahmā und keinen Śiva als Helfer. Die gesamte kosmische Manifestation wird von den drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur bewegt. Brahmā ist eine Inkarnation der Erscheinungsweise der Leidenschaft. Man sagt zwar, er habe das Universum erschaffen, doch in Wirklichkeit ist er nur der sekundäre Schöpfer; der ursprüngliche Schöpfer ist Nārāyaṇa. Nārāyaṇas Erhabenheit wird auch von Śaṅkarācārya bestätigt: nārāyaṇaḥ paro 'vyaktāt. »Nārāyaṇa ist völlig transzendental und weilt jenseits der kosmischen Schöpfung.«

Kṛṣṇa erschafft, erhält und vernichtet die gesamte kosmische Manifestation durch verschiedene Inkarnationen, in die Er Sich erweitert. Alles ist Kṛṣṇa, und alles ist von Ihm abhängig, doch kann man Ihn in der materiellen Energie nicht wahrnehmen. Die materielle Energie wird als māyā oder Illusion bezeichnet. In der spirituellen Energie jedoch ist Kṛṣṇa auf Schritt und Tritt, unter allen Umständen, wahrnehmbar.

Diese vollkommene Sicht findet man bei den gopīs. So wie Kṛṣṇa stets über der kosmischen Manifestation steht, obwohl sie gänzlich von Ihm abhängig ist, steht auch das Lebewesen völlig über seinem materiellen bedingten Leben. Der materielle Körper hat sich auf der Grundlage der spirituellen Existenz entwickelt. In der Bhagavad-gītā wird die ganze materielle Manifestation als die Mutter der Lebewesen bezeichnet und Kṛṣṇa als der Vater. Wie der Vater die Mutter befruchtet, indem er das Lebewesen in ihren Schoß eingibt, so gibt Kṛṣṇa die Lebewesen in den Schoß der materiellen Natur, aus dem sie entsprechend ihren früheren gewinnbringenden Handlungen in unterschiedlichen Körpern hervorkommen. Unter allen Umständen aber steht das Lebewesen über dem bedingten materiellen Leben.

Schon wenn wir unseren eigenen Körper studieren, können wir feststellen, daß das Lebewesen über der Gefangenschaft im Körper steht. Jede Bewegung des Körpers wird durch die Wechselwirkung der drei Erscheinungsweisen hervorgerufen. Wir können jeden Augenblick beobachten, wie sich in unserem Körper viele Veränderungen vollziehen, doch wir, die Seele, stehen über diesen Wandlungen. Wir selbst können weder schaffen noch etwas vernichten, noch uns in die Geschehnisse der materiellen Natur einmischen. Das Lebewesen ist also im materiellen Körper gefangen, und zwar in drei Zuständen der Bedingtheit - Wachbewußtsein, Schlaf und Bewußtlosigkeit. In allen diesen Zuständen ist der Geist aktiv. Im Schlaf oder Traum hält das Lebewesen manchmal etwas für Wirklichkeit, was es, wenn es wach ist, als unwirklich erkennt. Dārān wird deutlich, daß es unter bestimmten Umständen etwas als wirklich wahrnimmt, was es unter anderen Umständen als unwirklich ansieht. Diese Dinge werden von den empirischen Philosophen und sāṅkhya-yogīs studiert. Um zu den richtigen Schlußfolgerungen zu gelangen, nehmen die sāṅkhya-yogīs große Opfer und Strengen auf sich. So bemühen sie sich, die Sinne zu beherrschen und Entsagung zu üben.

Die verschiedenen Wege, das endgültige Ziel des Lebens zu erkennen, gleichen Flüssen, und Kṛṣṇa ist wie der Ozean. Gleich den Flüssen, die dem Ozean entgegenfließen, führen alle Versuche, Wissen zu erlangen, zu Kṛṣṇa. Wenn man sich durch viele Leben hindurch bemüht hat und schließlich zu Kṛṣṇa kommt, erreicht man die Vollkommenheit. Kṛṣṇa Selbst sagt in der Bhagavad-gītā: »Alle bemühen sich auf dem Pfad der Erkenntnis, um letztlich Mich zu erkennen, doch diejenigen, die Vorgängen ohne bhakti folgen, stoßen bei ihren Bemühungen nur auf Schwierigkeiten.« Weiter heißt es in der Gītā: kleśo' dhikataras teṣām - »Kṛṣṇa kann nicht ohne bhakti verstanden werden.«

In der Gītā werden drei Pfade gewiesen: karma-yoga, jñāna-yoga und bhakti-yoga. Menschen, die zu sehr an gewinnbringenden Tätigkeiten (karma) haften, wird empfohlen, Handlungen zu vollbringen, die sie zu bhakti führen. Denen, die an der empirischen Philosophie, einem anderen Hindernis, hängen, wird ebenfalls angeraten, bhakti zu verwirklichen. Karma-yoga unterscheidet sich von gewöhnlichem karma, und auch jñāna-yoga ist von jñāna verschieden. Im Grunde kann Kṛṣṇa, wie der Herr in der Bhagavad-gītā Selbst erklärt, nur durch hingebungsvolles Dienen verstanden werden: bhaktyā māṁ abhijānāti. Die gopīs hatten die Vollkommenheit des hingebungsvollen Dienens erreicht, denn sie wollten von nichts mehr wissen, außer von Kṛṣṇa. In den Veden heißt es in diesem Zusammenhang: yasmin eva vijñāte sarvam eva vijñātam bhavanti. »Wenn man Kṛṣṇa erkennt, erlangt man alles andere Wissen ohne weiteres.«

Weiter hieß es in Kṛṣṇas Brief: »Transzendentales Wissen vom Absoluten ist nicht mehr notwendig für euch, denn ihr habt Mich schon von Anbeginn eures Lebens geliebt.«

Wissen von der Absoluten Wahrheit ist für die Menschen wichtig, die vom materiellen Dasein frei werden wollen. Doch jemand, der Liebe zu Kṛṣṇa erlangt hat, befindet sich bereits auf der Ebene des Befreitseins. In der Bhagavad-gītā steht, daß jeder, der sich im unverfälschten hingebungsvollen Dienen beschäftigt, auf der transzendentalen Ebene der Befreiung verankert ist. Die gopīs litten keine Qualen, wie man sie im materiellen Dasein erfährt, sondern sie fühlten sich von Kṛṣṇa getrennt.

Kṛṣṇa erklärte ihnen deshalb: »Liebe gopīs, Ich habe euch absichtlich verlassen, um eure unübertreffliche Liebe zu Mir zu steigern. Ich tat dies, damit ihr in ständiger Meditation über Mich verweilt.«

Die gopīs befinden sich auf der vollkommenen Stufe der Meditation. Yogīs fühlen sich im allgemeinen mehr zur Meditation hingezogen als zum hingebungsvollen Dienen für den Herrn, doch leider wissen sie nicht, daß man mit der höchsten Stufe der Hingabe die Vollkommenheit des yoga-Systems erreicht. Die fortwährende Meditation der gopīs über Kṛṣṇa wird auch in der Bhagavad-gītā die höchste Form des yoga genannt. Kṛṣṇa kannte sehr gut die Psyche der Frau. Wenn ihr Geliebter nicht bei ihr ist, meditiert sie ständig über ihn und ist auf diese Weise mit ihm zusammen. Kṛṣṇa wollte uns durch das Verhalten der gopīs lehren. Wer sich wie die gopīs immerzu in Trance befindet, erreicht mit Sicherheit die Lotosfüße Kṛṣṇas.

Śrī Caitanya lehrte die Menschheit den vipralambha-Vorgang, der darin besteht, dem Höchsten Persönlichen Gott im Gefühl der Trennung zu dienen. Und auch die sechs Gosvāmīs lehrten die Verehrung des Herrn im Gefühl der Trennung, wie es die gopīs empfanden. In den Gebeten Śrīnivāsācāryas zu den sechs Gosvāmīs wird dieser Punkt näher erklärt. Es heißt dort, daß die Gosvāmīs ständig, wie die gopīs, im Ozean der transzendentalen Empfindungen versunken waren. Als die sechs Gosvāmīs in Vṛndāvana lebten, liefen sie nach Kṛṣṇa suchend umher, wobei sie laut riefen: »Wo ist Kṛṣṇa? Wo sind die gopīs? Und wo bist Du, Śrīmatī Rādhārāṇī?« Sie sagten niemals: »Wir haben Rādhā und Kṛṣṇa gesehen, unsere Mission ist nun erfüllt!« Nein, ihre Mission blieb immer unerfüllt; sie trafen Rādhā und Kṛṣṇa niemals. Als der rāsa-Tanz stattfand, gaben die gopīs, die nicht dārān teilnehmen konnten, ihre Körper auf, weil sie nur noch an Kṛṣṇa dachten. Sich durch das Gefühl der Trennung von Kṛṣṇa ins Kṛṣṇa-Bewußtsein zu vertiefen, ist also der schnellste Weg, die Lotosfüße Kṛṣṇas zu erreichen.

Durch Kṛṣṇas persönliche Erklärung wurden die gopīs von der Macht der Trennungsgefühle überzeugt. Sie hatten im Grunde wirkliche Erfahrung von dieser übernatürlichen Verehrungsmethode, und als sie sich nun dessen bewußt wurden, waren sie sehr froh und erleichtert.

Sie begannen wie folgt zu sprechen: »Wir haben gehört, daß Kaṁsa, der der Yadu-Dynastie ständig Schwierigkeiten bereitete, nun endlich getötet worden ist. Das ist eine gute Nachricht, und wir hoffen, daß die Angehörigen der Yadu-Dynastie sehr glücklich sind, mit Kṛṣṇa zusammenzusein, der alle Wünsche Seiner Geweihten erfüllt. Lieber Uddhava, bitte sage uns, ob Kṛṣṇa noch manchmal an uns denkt, während Er Sich inmitten erleuchteter Gesellschaftsmädchen in Mathurā vergnügt. Uns ist bekannt, daß die Damen und Mädchen von Mathurā keine einfachen Dorffrauen sind. Sie sind alle sehr gebildet und zudem von unvergleichlicher Schönheit. Ihre scheuen lächelnden Blicke und ihre anderen weiblichen Reize müssen Kṛṣṇa sehr gefallen. Wir wissen nur zu gut, daß Kṛṣṇa eine Vorliebe für schöne Frauen hat. Sicherlich haben Ihn die Frauen von Mathurā in der Zwischenzeit betört. Lieber Uddhava, bitte verrate uns, ob sich Kṛṣṇa, umgeben von anderen Frauen, noch manchmal an uns erinnert.«

Eine andere gopī fragte: »Erinnert Er Sich noch an jene Mondnacht inmitten der kumadini-Blumen, als Vṛndāvana so unsagbar schön wurde? Kṛṣṇa tanzte mit uns, und die Luft war von dem Klingeln der Flußglöckchen erfüllt. Wir tauschten zärtliche Worte aus. Erinnert Er Sich noch an jene Nacht? Wir jedenfalls denken oft an sie, und dann überkommen uns Gefühle der Trennung von Ihm. Der Trennungsschmerz bewegt uns so sehr, daß uns ist, als brenne Feuer in unseren Körpern. Er wollte nach Vṛndāvana zurückkommen, um dieses Feuer zu löschen, wie eine Wolke am Himmel aufzieht, um mit ihrem niederströmenden Regen einen Waldbrand zu löschen.«

Eine andere gopī sagte: »Kṛṣṇa hat Kaṁsa, Seinen Feind, besiegt und so das Königreich gewonnen. Vielleicht ist Er inzwischen schon mit einer Königstochter verheiratet und lebt vergnügt umgeben von Verwandten und Freunden. Was könnte Ihn also noch zu unserem Dorf Vṛndāvana ziehen?«

Eine andere gopī sagte: »Kṛṣṇa ist der Höchste Persönliche Gott, der Gemahl der Glücksgöttin, und Er ist in Sich Selbst zufrieden. Er hat weder mit uns, den Mädchen im Vṛndāvana-Wald, noch mit den Mädchen in der Stadt Mathurā etwas zu schaffen. Er ist die erhabene Überseele, und Er hat mit niemandem von uns etwas zu tun - seien wir von hier oder von dort.«

Wieder eine andere gopī sagte: »Es ist eine unsinnige Hoffnung zu erwarten, daß Kṛṣṇa jemals nach Vṛndāvana zurückkehrt. Wir sollten statt dessen versuchen, in unserer Enttäuschung glücklich zu sein. Selbst die bekannte Dirne Piṅgāla sagte einmal, Enttäuschung sei die höchste Freude. Doch obwohl wir all diese Dinge wissen, fällt es uns sehr schwer, die Hoffnung aufzugeben, Kṛṣṇa komme wieder zu uns zurück. Wer könnte auch jemals ein vertrauliches Gespräch mit Kṛṣṇa vergessen, an dessen Brust die Glücksgöttin immer bleibt, obgleich Kṛṣṇa nicht nach ihr begehrt? Mein lieber Uddhava, Vṛndāvana ist das Land der Flüsse, Wälder und Kühe. Hier ist die Schwingung der Flöte zu hören, und hier erfreute Sich Kṛṣṇa mit Seinem älteren Bruder Balarāma in unserer Gemeinschaft an der Landschaft. Daher erinnert uns das Land von Vṛndāvana ständig an Kṛṣṇa und Balarāma. Die Abdrücke Seiner Füße sind auf dem Land, das der Wohnort der Glücksgöttin ist, noch zu sehen, doch auch diese Spuren können uns nicht helfen, Kṛṣṇa wiederzubekommen.«

Die gopīs erklärten weiter, daß Vṛndāvana immer noch voll Wohlstand und Glück sei; was materielle Notwendigkeiten angeht, so bestand kein Mangel oder Bedarf in Vṛndāvana, doch trotz dieses Wohlstandes konnten sie Kṛṣṇa und Balarāma nicht vergessen.

»Wir denken ständig an die vielen zauberhaften Merkmale Kṛṣṇas, wie zum Beispiel Seine Art zu gehen, Sein Lächeln und Seine scherzenden Worte. Wir beten stets zu Ihm, indem wir rufen: ›Lieber Herr, lieber Gemahl der Glücksgöttin, lieber Herr von Vṛndāvana und Erlöser Deiner leidenden Geweihten! Wir sind in einen Ozean des Leids gefallen und darin versunken. Bitte komm deshalb nach Vṛndāvana und rette uns aus dieser bemitleidenswerten Lāge.‹ «

Uddhava studierte eingehend den transzendentalen, außerordentlichen Zustand der gopīs in ihrer Trennung von Kṛṣṇa, und so hielt er es für das beste, ihnen immer wieder von den transzendentalen Spielen Śrī Kṛṣṇas zu erzählen. Die Materialisten brennen ständig im lodernden Feuer der materiellen Leiden. Die gopīs brannten auch - doch in einem transzendentalen lodernden Feuer, das durch die Trennung von Kṛṣṇa entfacht worden war. Das lodernde Feuer, das den gopīs zusetzte, ist verschieden vom Feuer der materiellen Welt, denn die gopīs sehnten sich ständig nach Kṛṣṇa, wohingegen der Materialist materielle Annehmlichkeiten genießen will.

Śrīla Viśvanātha Cakravartī Ṭhākura erklärt, daß Kṛṣṇa einst Seine Hirtenfreunde innerhalb einer Sekunde vor einem lodernden Waldbrand rettete, während diese ihre Augen geschlossen hielten. So gab auch Uddhava den gopīs den Rat, einfach die Augen zu schließen und über die Spiele Kṛṣṇas, die sie gesehen hatten, seit sie mit Ihm zusammen waren, zu meditieren, um aus dem Feuer der Trennung gerettet zu werden. Von außen konnten die gopīs sich Kṛṣṇas Spiele vergegenwärtigen, indem sie Uddhavas Erzählungen zuhörten, und innerlich, indem sie sich an diese Spiele erinnerten. Den Erklärungen Uddhavas konnten die gopīs entnehmen, daß Kṛṣṇa nicht von ihnen getrennt war. Und so wie sie fortwährend an Kṛṣṇa dachten, dachte auch Kṛṣṇa in Mathurā ständig an sie.

Uddhavas Botschaft und Unterweisungen retteten die gopīs vor dem unmittelbaren Tod, und sie wußten diese Segnung Uddhavas zu schätzen. Uddhava handelte praktisch als unterweisender geistiger Meister der gopīs, und dafür verehrten sie Ihn wie Kṛṣṇa. In den maßgeblichen Schriften wird empfohlen, den geistigen Meister in gleicher Weise wie den Höchsten Persönlichen Gott zu verehren, denn er ist der vertrauliche Diener des Herrn, und von großen Autoritäten wird bestätigt, daß der geistige Meister die äußere Manifestation Kṛṣṇas ist. Die gopīs wurden durch die Erkenntnis, daß Kṛṣṇa immer bei ihnen war, von ihrem transzendentalen Brennen erlöst. Innerlich erinnerten sie sich in ihren Herzen an die Zeit, als sie mit Kṛṣṇa zusammengewesen waren, und von außen half ihnen Uddhava durch seine abschließenden Unterweisungen, Kṛṣṇa wahrzunehmen.

Der Höchste Persönliche Gott wird in den vedischen Schriften als adhokṣaja beschrieben, was bedeutet, daß Er für materielle Sinne nicht wahrnehmbar ist. Doch obwohl Er Sich jenseits der materiellen Sinneswahrnehmung befindet, weilt Er im Herzen jedes Lebewesens, und gleichzeitig ist Er auch durch Seinen alldurchdringenden Aspekt als Brahman allgegenwärtig. Wie im Śrimad-Bhāgavatam dargelegt wird, kann man alle drei Aspekte der Absoluten Wahrheit erkennen, nämlich Bhagavān, den Höchsten Persönlichen Gott, Paramātma, die lokalisierte Überseele und das alldurchdringende Brahman, indem man einfach das Verhalten der gopīs bei ihrer Begegnung mit Uddhava studiert.

Śrīnivāsa Ācārya erklärt, daß die sechs Gosvāmīs ständig in Gedanken an das Tun der gopīs vertieft waren. Auch Śrī Caitanya Mahāprabhu empfahl die Art und Weise, wie die gopīs den Höchsten Persönlichen Gott verehren, als vortrefflich. Und Śrīla Śukadeva Gosvāmī versicherte, daß jeder, der von der richtigen Quelle über die Beziehung der gopīs zu Kṛṣṇa hört und die Unterweisungen befolgt, die in diesem Zusammenhang gegeben werden, zur höchsten Stufe des hingebungsvollen Dienens erhoben werden und die Lust nach materiellem Genießen aufgeben kann. Die gopīs wurden durch Uddhavas Unterweisungen getröstet, und sie baten ihn, noch einige Tage länger in Vṛndāvana zu bleiben. Uddhava nahm ihre Bitte an und blieb nicht nur für ein paar Tage, sondern einige Monate lang bei ihnen. Er ließ sie ständig an die transzendentale Botschaft des Herrn und Seine Spiele denken, und die gopīs hatten das Gefühl, direkt mit Kṛṣṇa zusammenzusein. Während Uddhavas Aufenthalt in Vṛndāvana freuten sich alle Einwohner an seiner Anwesenheit. Die Tage, die sie damit zubrachten, über Kṛṣṇas transzendentale Taten zu sprechen, verstrichen ihnen wie Augenblicke. Vṛndāvanas natürliche Umgebung, die Nähe des Flusses Yamunā, die hübschen Obstgärten, in denen Bäume mit allerlei Früchten wuchsen, der Govardhana-Hügel, die Höhlen und die blühenden Blumen - all dies regte Uddhava dazu an, von Kṛṣṇas transzendentalen Spielen zu erzählen. Und die Bewohner von Vṛndāvana genossen Uddhavas Anwesenheit so wie sonst die Gesellschaft Kṛṣṇas. Uddhava war von der Gesinnung der gopīs sehr beeindruckt, die ganz und gar an Kṛṣṇa hafteten, und auch er war von ihrer Sehnsucht nach Kṛṣṇa inspiriert. Er pflegte ihnen seine achtungsvollen Ehrerbietungen darzubringen und verfaßte Lieder, die ihre transzendentalen Eigenschaften priesen. Eines dieser Lieder lautete: »Von allen Wesen, die die menschliche Form des Lebens angenommen haben, haben die gopīs in einzigartiger Vollkommenheit die Bestimmung des Lebens erfüllt; ihre Gedanken sind gänzlich bei den Lotosfüßen Śrī Kṛṣṇas. Auch die großen Weisen und Heiligen versuchen, sich in Meditation über die Lotosfüße Kṛṣṇas zu versenken, der auch Mukunda genannt wird, derjenige, der Befreiung gewährt, doch die gopīs, die den Herrn lieben, meditieren ganz selbstverständlich über Ihn, ohne auf irgendeinen yoga-Vorgang angewiesen zu sein. Folgerichtig braucht jemand, der die Stufe der gopīs erreicht hat, nicht mehr als Brahmā oder in einer brāhmaṇa-Familie geboren oder als brāhmaṇa eingeweiht zu werden.«

Śrī Uddhava bestätigte damit Kṛṣṇas Aussage in der Bhagavad-gītā: »Jeder, der mit dem richtigen Vorsatz bei Mir Zuflucht sucht, wird das höchste Ziel des Lebens erreichen - selbst wenn er nur ein śūdra oder von noch niedrigerer Herkunft ist.« Die gopīs geben der ganzen Welt das vollkommene Beispiel der Hingabe. Wenn man ihrem Vorbild folgt, indem man ständig an Kṛṣṇa denkt, kann man die höchste Stufe des spirituellen Lebens erreichen. Die gopīs wurden nicht in vornehmen Familien geboren - im Gegenteil, sie waren Töchter von Kuhhirten; aber dennoch entwickelten sie die höchste Liebe zu Kṛṣṇa. Zur Selbstverwirklichung oder zur Gotterkenntnis ist es also nicht notwendig, in einer hohen Familie geboren zu sein. Die einzige Notwendigkeit ist die ekstatische Entwicklung von Liebe zu Gott. Um die Vollkommenheit im Kṛṣṇa-Bewußtsein zu erlangen, bedarf es keiner anderen Qualifizierung, als ständig in Kṛṣṇas liebevollem Dienst tätig zu sein. Kṛṣṇa ist der höchste Nektar, die Quelle aller Freude. Wenn man sich daher dem Kṛṣṇa-Bewußtsein zuwendet, ist es so, als trinke man Nektar: es wirkt, ob man davon weiß oder nicht. Das aktive Prinzip des Kṛṣṇa-Bewußtseins wird sich überall manifestieren, gleichgültig, wie und wo man Geburt genommen hat. Kṛṣṇa wird ohne Zweifel jedem, der sich dem Kṛṣṇa-Bewußtsein zugewandt hat, Seine Segnungen erteilen. Die gopīs z. B. erhielten, obwohl sie nur in Familien von Kuhhirten geboren waren, die höchste Segnung, wie sie selbst die Glücksgöttin niemals erlangen konnte, ganz zu schweigen von den Bewohnern des Himmels, die lotosgleiche Körper haben. Das Glück der gopīs war so groß, daß Kṛṣṇa sie persönlich während des rāsa-Tanzes umarmte und sie küßte - Angesicht zu Angesicht. Solch etwas zu erlangen ist mit Sicherheit keinen anderen Frauen innerhalb der drei Welten möglich.

Uddhava wußte die hohe Stufe der gopīs zu würdigen und wünschte, vor ihnen niederzufallen und sich den Staub von ihren Lotosfüßen über sein Haupt zu streuen. Er wagte jedoch nicht, die gopīs um den Staub von ihren Füßen zu bitten, denn er befürchtete, daß ihnen dies möglicherweise nicht angenehm sei. Vielmehr beschloß er, seinen Kopf ohne das Wissen der gopīs mit dem Staub von ihren Füßen einzureiben, und daher wünschte sich Uddhava, ein unbedeutender Grashalm oder irgendein Kraut im Land von Vṛndāvana zu werden. Die gopīs fühlten sich so sehr zu Kṛṣṇa hingezogen, daß sie, wenn sie den Klang Seiner Flöte vernahmen, augenblicklich ihre Familien und Kinder verließen, und sogar Ehre und weibliche Befangenheit vergaßen, um sofort zu der Stelle zu eilen, an der Kṛṣṇa wartete. Sie achteten nicht einmal darauf, ob sie auf dem Fußweg oder durch den Dschungel liefen. Unbemerkt wurden dabei die kleinen Gräser und Sträucher von Vṛndāvana mit dem Staub von ihren Füßen gesegnet. Weil Uddhava sich nicht traute, sich den Staub von den Füßen der gopīs auf den Kopf zu streuen, sehnte er sich danach, später einmal im Körper eines Grashalms oder Strauches in Vṛndāvana geboren zu werden. Dann, so hoffte er, würde er den Staub von den Füßen der gopīs erlangen können. Uddhava wußte das außerordentliche Glück der gopīs zu schätzen, welche sich von allen materiellen Verunreinigungen befreit hatten, indem sie die Lotosfüße Kṛṣṇas auf ihre hohen, schönen Brüste setzten; diese Lotosfüße werden nicht nur von der Glücksgöttin, sondern auch von solch hochgestellten Persönlichkeiten wie Brahmā und Śiva verehrt. Uddhava nun wünschte sich, fortwährend darum beten zu können, mit dem Staub von den Lotosfüßen der gopīs gesegnet zu werden. Die Gesänge und Gespräche der gopīs über die transzendentalen Taten Śrī Kṛṣṇas sind überall in den drei Welten berühmt geworden.

Nachdem Uddhava eine Zeitlang in Vṛndāvana verbracht hatte, begehrte er, wieder zu Kṛṣṇa zurückzukehren, und so bat er Nanda Mahārāja und Mutter Yaśodā um Erlaubnis, sie zu verlassen. Anschließend traf er sich noch einmal mit den gopīs, und nachdem er auch sie um ihr Einverständnis gebeten hatte, bestieg er seinen Wagen, um nach Mathurā zu fahren.

Gerade, als Uddhava abfahren wollte, erschienen noch einmal alle Bewohner von Vṛndāvana, allen voran Mahārāja Nanda und Yaśodā, um ihm Lebewohl zu sagen, und sie beschenkten ihn mit verschiedenen Kostbarkeiten, wie man sie nur in Vṛndāvana findet. In ihrer tiefen Zuneigung für Kṛṣṇa standen ihnen Tränen in den Augen, während sie ihre Gefühle zum Ausdruck brachten. Sie alle baten Uddhava um seinen Segen. Sie wollten sich immer an die glorreichen Taten Kṛṣṇas erinnern können; sie wünschten sich, daß ihr Geist immer auf die Lotosfüße Kṛṣṇas gerichtet sein möge, daß ihre Worte immer damit beschäftigt sein mögen, Kṛṣṇa zu preisen, und daß ihre Körper sich immer wieder vor Ihm niederbeugen möchten. Vor allem aber wollten sie ständig in Erinnerungen an Ihn vertieft sein. So zu beten wie die Bewohner von Vṛndāvana stellt die vortrefflichste Art der Selbstverwirklichung dar. Die Methode ist sehr einfach: den Geist ständig auf Kṛṣṇas Lotosfüße zu richten, ständig über Kṛṣṇa zu sprechen, ohne auf ein anderes Thema abzuschweifen und den Körper ständig in Kṛṣṇas Dienst zu beschäftigen. Besonders in der menschlichen Form soll man sein ganzes Leben, seine Kräfte, Seine Worte und Seine Intelligenz in den Dienst des Herrn stellen. Nur auf diese Weise kann der Mensch zur höchsten Ebene der Vollkommenheit erhoben werden, was von allen Autoritäten bestätigt wird.

Die Bewohner von Vṛndāvana sagten: »Es kümmert uns nicht, wo wir durch den Willen der höchsten Autorität und gemäß unseren Taten künftig geboren werden. Das einzige, wofür wir beten, ist nur noch im Kṛṣṇa-Bewußtsein tätig sein zu dürfen. Ein reiner Gottgeweihter begehrt nie, zu den himmlischen Planeten zu gelangen; nicht einmal nach Vaikuṇṭha oder Goloka Vṛndāvana wünscht er sich zu kommen, denn er hat kein Verlangen nach eigener Zufriedenstellung. Ein reiner Gottgeweihter sieht keinen Unterschied zwischen Himmel und Hölle. Ohne Kṛṣṇa ist der Himmel die Hölle, und mit Kṛṣṇa ist die Hölle der Himmel. Nachdem Uddhava also die Verehrung Kṛṣṇas an den reinen Gottgeweihten ausgiebig bewundert hatte, kehrte er zurück nach Mathurā, zu seinem Meister, Kṛṣṇa. Bei seiner Ankunft brachte er Śrī Kṛṣṇa und Balarāma als erstes seine achtungsvollen Ehrerbietungen dar, indem er sich vor Ihnen verbeugte, und erzählte dann von der wundervollen Hingabe der Bewohner Vṛndāvanas. Anschließend überreichte er Vāsudeva, dem Vater, und Ugrasena, dem Großvater Kṛṣṇas, die Geschenke der Bewohner von Vṛndāvana.

Hiermit endet die Erläuterung Bhaktivedāntas zum 46. Kapitel des Buches Kṛṣṇa:
»Kṛṣṇas Botschaft an die gopīs«.