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Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas

Von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada
Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas
Kṛṣṇa - Der Höchste Persönliche Gott
Originale Version 1. Auflage 1974
45. Kapitel:
 
Krishna
 
Uddhava besucht Vṛndavāna


 

Nanda Mahārāja kehrte also ohne Kṛṣṇa und Balarāma, nur von den Hirten und Hirtenjungen begleitet, nach Vṛndāvana zurück. Für die gopīs, Mutter Yaśodā, Śrīmatī Rādhārāṇī und alle anderen Bewohner von Vṛndāvana muß dies eine sehr traurige Szene gewesen sein.

Viele Gottgeweihte haben versucht klarzustellen, wie es zu verstehen ist, daß Kṛṣṇa Vṛndāvana fern war, denn nach Ansicht der fortgeschrittenen Gottgeweihten verläßt Kṛṣṇa Vṛndāvana niemals auch nur mit einem Schritt. Er bleibt immer dort. Die Erklärung der erfahrenen Gottgeweihten ist, daß Kṛṣṇa in Wirklichkeit nicht Vṛndāvana fern blieb; Er kehrte, wie versprochen, mit Nanda Mahārāja zurück.

Als Kṛṣṇa von Akrūra nach Mathurā gefahren wurde und die gopīs sich Ihm in den Weg stellten, versprach Er ihnen, sofort zu ihnen zurückzukehren, wenn Seine Aufgabe in Mathurā erfüllt sei. Er bat die Mädchen, nicht bekümmert zu sein, und konnte sie auf diese Weise beschwichtigen. Da Er aber nicht mit Nanda Mahārāja nach Vṛndāvana zurückkehrte, will es scheinen, als habe Er entweder die gopīs betrügen wollen oder Sein Versprechen nicht einlösen können. Erfahrene Gottgeweihte indessen haben entschieden, daß Kṛṣṇa weder betrügt noch Sein Versprechen bricht. Kṛṣṇa kehrte in Seiner ursprünglichen Form mit Nanda Mahārāja nach Vṛndāvana zurück und blieb in Seiner bhava-Erweiterung mit den gopīs und Mutter Yaśodā zusammen. Er und Balarāma blieben daher nicht in Ihren ursprünglichen Formen in Mathurā, sondern in Ihren Erweiterungen als Vasudeva und Saṅkarṣaṇa. Der wirkliche Kṛṣṇa und der wirkliche Balarāma waren in Ihrer bhava-Manifestation in Vṛndāvana, während Sie in Mathurā in Ihren prabhava- und vaibhava-Erweiterungen zu sehen waren. Dies ist die kundige Auskunft, die wir von den fortgeschrittenen Gottgeweihten erhalten. Doch als Nanda sich zur Rückreise nach Vṛndāvana anschickte, gab es zwischen ihm, Kṛṣṇa und Balarāma eine Unterredung darüber, ob die Jungen getrennt von Mahārāja Nanda würden leben können. Ihr Entschluß, sich dann doch zu trennen, wurde im gegenseitigen Einverständnis gefaßt.

Vasudeva und Devakī waren nun einmal Kṛṣṇas und Balarāmas wirkliche Eltern, und daher wollten sie ihre Söhne nun, da Kaṁsa tot war, bei sich behalten. Solange Kaṁsa lebte, wurden Sie unter dem Schutz Nanda Mahārājas in Vṛndāvana belassen. Doch nun wollten Vasudeva und Devakī, der Vater und die Mutter Kṛṣṇas und Balarāmas, natürlich mit ihren Kindern zusammenbleiben, zudem sie die beiden in der Reinigungszeremonie oder der Zeremonie der heiligen Schnur einweihen lassen wollten. Außerdem wollten sie ihren Söhnen eine angemessene Erziehung zukommen lassen, denn dies ist die Pflicht eines jeden Vaters. Eine weitere Überlegung Kṛṣṇas war es, daß alle Freunde Kaṁsas außerhalb Mathurās planten, Mathurā anzugreifen. Aus diesem Grunde war Kṛṣṇas Anwesenheit dort erforderlich. Kṛṣṇa wollte nämlich nicht, daß Vṛndāvana von Feinden wie Dantavakra und Jarāsandha heimgesucht würde. Doch wenn Er nach Vṛndāvana ginge, würden sie nicht nur Mathurā angreifen, sondern auch Vṛndāvana, und die Dorfbewohner in ihrem Frieden stören. Kṛṣṇa beschloß daher, in Mathurā zu bleiben, und so kehrte Nanda Mahārāja allein nach Vṛndāvana zurück. Aber obwohl sich die Dorfbewohner vom Herrn getrennt fühlten, war Er ständig durch Seine līlā oder Seine Spiele bei ihnen, und dies erfüllte sie mit ekstatischer Freude.

Seit Kṛṣṇa nach Mathurā gefahren war, dachten die Einwohner von Vṛndāvana, ganz besonders natürlich Mutter Yaśodā, Nanda Mahārāja, Śrīmatī Rādhārāṇī, die gopīs und die Hirtenjungen, bei jedem Schritt an Ihn. Sie erinnerten sich, wie Kṛṣṇa gespielt hatte, wie Er auf Seiner Flöte geblasen und mit ihnen gescherzt oder sie umarmt hatte. Dieses Erinnern wird līlā-smaraṇa genannt und wird von großen Gottgeweihten als Vorgang, mit Kṛṣṇa zusammenzusein, sehr empfohlen. Selbst Śrī Kṛṣṇa Caitanya erfreute Sich dieses līlā-smaraṇa-Zusammenseins mit Kṛṣṇa, als Er Sich in Purī aufhielt. Diejenigen, die die höchste Stufe des hingebungsvollen Dienens und der Ekstase erreicht haben, können ständig mit Kṛṣṇa leben, indem sie sich immer an Seine transzendentalen Spiele erinnern. Śrīla Viśvanātha Cakravartī Ṭhākura hinterließ uns eine transzendentale Schrift, den Kṛṣṇa-bhāvanāmṛta, der voller Geschichten über Kṛṣṇas Spiele ist. Die Gottgeweihten können immer in Gedanken bei Kṛṣṇa sein, indem sie solche Bücher lesen. Jedes Buch, das von Kṛṣṇas līlā handelt - auch das vorliegende Buch »Kṛṣṇa« und unser Buch »Die Lehren Śrī Kṛṣṇa Caitanyas« -, ist ein wirklicher Trost für alle Gottgeweihten, die die Trennung von Kṛṣṇa empfinden.

Dazu, daß Kṛṣṇa und Balarāma nicht nach Vṛndāvana zurückkehrten, muß folgendes klargestellt werden: Sie brachen weder Ihr Versprechen, nach Vṛndāvana zurückzukehren, noch waren Sie jemals von Vṛndāvana fort. Vielmehr war Ihre Anwesenheit in Mathurā notwendig.

In der Zwischenzeit wurde Kṛṣṇa von Uddhava, Seinem Vetter aus Dvārakā, besucht. Uddhava war der Sohn von Vasudevas Bruder, und er befand sich ungefähr im gleichen Alter wie Kṛṣṇa. Auch seine äußere Erscheinung glich fast aufs Haar der Kṛṣṇas. Kṛṣṇa war gerade erst aus dem āśrama Seines Lehrers zurückgekommen, und Er freute Sich natürlich sehr, Uddhava, Seinen liebsten Freund, zu sehen. Ihm kam der Gedanke, Seinen Freund mit einer Botschaft nach Vṛndāvana zu schicken, um den Trennungsschmerz der Einwohner zu lindern.

In der Bhagavad-gītā steht: ye yathā māṁ prapadyante - »Kṛṣṇa neigt sehr dazu, die Ihm entgegengebrachte Hingabe zu erwidern.« Er kommt den Gottgeweihten in dem Maße entgegen, wie sie im hingebungsvollen Dienen fortgeschritten sind. Die gopīs dachten vierundzwanzig Stunden am Tag an Kṛṣṇa und die Trennung von Ihm, und auch Kṛṣṇa dachte an die gopīs, an Mutter Yaśodā, Nanda Mahārāja und die übrigen Einwohner von Vṛndāvana, obwohl Er ihnen fern zu sein schien. Er konnte verstehen, wie groß ihr transzendentaler Kummer war, und daher wollte Er sogleich Uddhava nach Vṛndāvana schicken, um sie mit einer Botschaft zu trösten.

Uddhava, der Kṛṣṇa in vieler Hinsicht gleicht, wird als die höchstgestellte Persönlichkeit der Vṛṣṇi-Dynastie beschrieben. Er war ein großer Freund des Herrn, und weil er ein enger Schüler Bṛhaspatis, des Lehrers und Priesters der himmlischen Planeten, war, besaß er eine hohe Intelligenz und vorzügliche Entschlußkraft. Was seine geistigen Fähigkeiten betraf, so war er also hochbegabt. Kṛṣṇa wollte Uddhava, weil er Sein geliebter Freund war, nach Vṛndāvana schicken, um ihm so Gelegenheit zu geben, das hochentwickelte ekstatische hingebungsvolle Dienen der dortigen Gottgeweihten zu studieren. Selbst jemand, der eine vorzügliche materielle Bildung besitzt, selbst jemand, der ein Schüler Bṛhaspatis ist, muß von den gopīs und den anderen Bewohnern Vṛndāvanas lernen, wie man Kṛṣṇa in höchstem Maße lieben kann. Als Kṛṣṇa Uddhava daher mit der Botschaft nach Vmdāvana schickte, um die Einwohner des Dorfes zu trösten, erwies Er Seinem Freund damit eine besondere Gunst.

Ein Name Śrī Kṛṣṇas ist »Hari«, was soviel bedeutet wie »jemand, der alle Leiden von den Ihm hingegebenen Seelen nimmt«. Śrī Kṛṣṇa Caitanya sagte einmal, daß niemand eine ebenso vortreffliche Qualität der Verehrung erreichen kann wie die gopīs.

Weil Sich der Herr also große Sorgen um die betrübten gopīs machte, bat Er Uddhava höflich, nach Vṛndāvana zu gehen. Er schüttelte Uddhava die Hand und sagte zu ihm: »Lieber, gütiger Freund, bitte begib dich unverzüglich nach Vṛndāvana, und versuche, Meinen Vater Nanda Mahārāja und Meine Mutter Yaśodādevī zu beruhigen. Sie sind sehr bekümmert, als litten sie sehr unter der Trennung. Geh also bitte zu ihnen, und überbringe ihnen diese Botschaft. Ich hoffe, daß ihr Trennungsschmerz dadurch ein wenig gelindert werden kann. Die gopīs sind ständig in Gedanken an Mich vertieft. Sie haben Mir ihre Körper, ihre Wünsche, ihr Leben und ihre Seelen geweiht. Ich bemühe Mich nicht nur um die gopīs, sondern um jeden, der Gesellschaft, Freundschaft, Liebe und persönliche Annehmlichkeiten für Mich opfert. Es ist meine Pflicht, solche hervorragenden Gottgeweihten zu beschützen. Die gopīs sind Mir am liebsten, weil sie ständig so sehr an Mich denken, daß sie getrennt von Mir vor Sehnsucht fast sterben. Sie halten sich nur noch durch die Hoffnung am Leben, daß Ich bald zu ihnen zurückkehren werde. Als Uddhava Kṛṣṇas Bitte vernommen hatte, bestieg er unverzüglich seinen Wagen und verließ Mathurā, um Kṛṣṇas Botschaft nach Gokula zu bringen. Er erreichte Vṛndāvana bei Sonnenuntergang, als die Kühe gerade von den Weidegründen heimkehrten. Uddhava und sein Wagen wurden von dem Staub bedeckt, den die Kühe mit ihren Hufen aufwirbelten. Er sah Stiere Kühen zur Paarung nachlaufen; andere Kühe liefen mit prallen Eutern hinter ihren Kälbern her, um sie mit Milch zu tränken. Uddhava sah, daß das ganze Land von Vṛndāvana von weißen Kühen und ihren Kälbern wimmelte; überall in Gokula liefen Kühe umher. Dazu war das Geräusch des Melkens zu hören. Jedes Haus in Vṛndāvana war zur Verehrung des Sonnengottes und des Feuergottes und für den Empfang von Gästen, Kühen, brāhmaṇas und Halbgöttern geschmückt. In jedem Haus brannte Licht, und Räucherwerk war zur Weihung der Atmosphäre entzündet worden. Überall hingen hübsche Blumengirlanden, hüpften Vögel umher und summten Bienen. Die Seen waren mit Lotosblüten übersät, zwischen denen Enten und Schwäne umherschwammen.

Im Dorf angekommen, betrat Uddhava sogleich das Haus Nanda Mahārājas und seiner Frau, die ihn als Vertreter Vasudevas empfingen. Nanda Mahārāja bot seinem Gast einen Platz an und setzte sich zu ihm, um Neues von Kṛṣṇa, Balarāma und den anderen Verwandten zu erfahren. Er wußte, daß Uddhava ein enger Freund Śrī Kṛṣṇas war und daher mit guten Nachrichten gekommen sein mußte. Er fragte Uddhava: »Mein lieber Uddhava, genießt mein Freund Vasudeva das Leben? Er wurde doch aus Kaṁsas Gefängnis befreit und ist nun wieder mit seinen Freunden und seinen Kindern, Kṛṣṇa und Balarāma, zusammen. Bestimmt ist er deshalb sehr glücklich. Bitte erzähle mir etwas über ihn, und wie es ihm geht! Wir freuen uns auch darüber, daß Kaṁsa, der sündigste Dämon, der jemals lebte, nun endlich sein Ende gefunden hat. Er beneidete die Yadu-Familie, seine Freunde und Verwandten, ständig. Nun mußte er zusammen mit seinen Brüdern für die begangenen Sünden mit dem Leben büßen.

Bitte verrate uns, ob Sich Kṛṣṇa noch manchmal an Seinen Vater und Seine Mutter und Seine Spielgefährten und Freunde in Vṛndāvana erinnert. Denkt Er zuweilen noch an Seine Kühe, Seine gopīs, Seinen Govardhana-Hügel und Seine Weidegründe in Vṛndāvana - oder hat Er sie alle schon vergessen? Besteht irgendeine Möglichkeit, daß Er noch einmal zu Seinen Freunden und Verwandten zurückkommt, so daß wir wieder Sein schönes Gesicht mit der edlen Nase und den lotosgleichen Augen sehen können? Wir denken oft daran, wie Er uns vor dem Waldbrand, der großen Schlange Kāliya im Yamunā und vor so vielen anderen Dämonen rettete. Wir alle müssen Ihm so dankbar dafür sein, daß Er uns bei all den zahllosen Gefahren schützend zur Seite stand. Mein lieber Uddhava, wenn wir an Kṛṣṇas schönes Gesicht, Seine Augen und die vielen Taten denken, die Er hier in Vṛndāvana vollbrachte, übermannt uns die Erinnerung so stark, daß wir regungslos verharren. Wir denken einfach an Kṛṣṇa, wie Er lächelte, wie Er uns ansah. Wenn wir zum Ufer der Yamunā gehen oder zu den Seen von Vṛndāvana, zum Govardhana-Hügel oder zu den Weidegründen, sehen wir immer noch die Abdrücke von Kṛṣṇas Lotosfüßen auf dem Boden. Wir erinnern uns dann, wie Er an diesen Orten spielte, die Er so oft besuchte. Sobald Er in unserem Geist auftaucht, versinken wir augenblicklich in Gedanken an Ihn.

»Wir vermuten daher, daß Kṛṣṇa und Balarāma führende Halbgötter von den himmlischen Planeten sind, die wie gewöhnliche Jungen unter uns erschienen, um besondere Pflichten auf der Erde zu erfüllen. Dies wurde auch von Gargamuni prophezeit, als er Kṛṣṇas Horoskop erstellte. Wenn Kṛṣṇa keine große Persönlichkeit wäre, wie hätte Er dann Kaṁsa töten können, der die Kraft von zehntausend Elefanten besaß? Kaṁsa wurde dazu noch von starken Ringern und einem gigantischen Elefanten unterstützt. Doch Kṛṣṇa tötete sie alle, wie ein Löwe, der seine Beute reißt. Ist es nicht ein großes Wunder, daß Kṛṣṇa mit nur einer Hand den großen Bogen nahm, der aus drei zusammengebundenen Palmenbäumen bestand und ihn dann ohne weiteres zerbrach? Wie wunderbar ist es, daß Er sieben Tage lang den Govardhana-Hügel auf einem Finger trug! Und wie wunderbar ist es, daß Er all die Dämonen, wie Pralambhāsura, Dhenukāsura, Ariṣṭāsura, Tṛṇāvarta und Bakāsura, vernichtete! Sie alle waren so stark, daß sich selbst die Halbgötter auf den himmlischen Planeten vor ihnen fürchteten, doch Kṛṣṇa tötete sie mit spielerischer Leichtigkeit.«

Während Nanda Mahārāja von den außerordentlichen Taten Śrī Kṛṣṇas erzählte, wurde er mehr und mehr von Gefühlen der Trennung überwältigt, bis er schließlich nicht mehr imstande war, weiterzusprechen. Mutter Yaśodā saß die ganze Zeit neben ihrem Mann und hörte den Schilderungen der Spiele Kṛṣṇas wortlos zu. Sie weinte ununterbrochen, wobei Milch aus ihren Brüsten floß. Als Uddhava sah, wie stark Mahārāja Nanda und Yaśodā von Gedanken an Kṛṣṇa, den Höchsten Persönlichen Gott, bewegt wurden und wie groß ihre Zuneigung zu Ihm war, wurde auch er ergriffen und sagte: »Liebe Mutter Yaśodā und lieber Nanda Mahārāja, ihr seid die ehrwürdigsten Menschen, die es gibt, denn niemand außer euch kann in solch transzendentaler Ekstase über Kṛṣṇa meditieren.«

Balarāma und Kṛṣṇa sind beide die ursprünglichen Persönlichkeiten Gottes, und von Ihnen geht die kosmische Manifestation aus. Von allen Persönlichkeiten sind Sie die Führer. Beide sind die aktive Ursache der materiellen Schöpfung. Die materielle Natur wird von den puruṣa-Inkarnationen gelenkt, die ihrerseits unter der Aufsicht Kṛṣṇas und Balarāmas stehen. In Ihrer Teil-Repräsentation gehen Sie in die Herzen aller Lebewesen ein. Wie im Fünfzehnten Kapitel der Bhagavad-gītā bestätigt wird, sind Sie der Ursprung allen Wissens und allen Vergessens: »Ich weile im Herzen jedes Lebewesens, und von Mir kommen Erinnerung, Wissen und Vergessen. Das Ziel aller Veden ist es, Mich zu erkennen; wahrlich, Ich bin der Verfasser des Vedānta und Ich bin der Kenner der Veden.« (Bg. 15.15) Wenn ein Mensch zur Zeit des Todes imstande ist, seinen geläuterten Geist, und wenn auch nur für einen Moment, auf Kṛṣṇa zu richten, kann er den materiellen Körper aufgeben und in seinem ursprünglichen, spirituellen Körper erscheinen, wie die Sonne, die am Morgen mit strahlendem Glanz aufgeht. Wer auf diese Weise aus dem Leben scheidet, gelangt augenblicklich in das spirituelle Königreich, Vaikuṇṭha. Das ist das Ergebnis der Tätigkeiten im Kṛṣṇa-Bewußtsein.

Wenn wir in unserem gegenwärtigen Körper Kṛṣṇa-Bewußtsein praktizieren, solange wir uns noch bei guter Gesundheit befinden und einen gesunden Geist haben, wird es uns einfach durch das Chanten des heiligen mahā-mantras »Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare - Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma, Rāma, Hare Hare« durchaus möglich sein, unsere Gedanken zur Zeit des Todes auf Kṛṣṇa zu richten. Gelingt uns dies, so wird unser Leben ohne Zweifel erfolgreich sein. Bleibt unser Geist jedoch mit Bemühungen um materiellen Genuß beschäftigt, werden wir natürlich auch zur Zeit des Todes an solche Dinge denken und gezwungen sein, wieder in einen materiellen, bedingten Körper einzugehen und weiterhin die dreifachen Leiden des materiellen Daseins zu ertragen. Deshalb sind uns die Einwohner von Vṛndāvana, die immer im Kṛṣṇa-Bewußtsein versunken sind, wie dies an Nanda Mahārāja, Mutter Yaśodā und den gopīs deutlich wird, das beste Beispiel. Schon, wenn wir ihnen in geringem Maße folgen können, wird unserem Leben Erfolg beschieden sein, und wir gehen in das spirituelle Reich, Vaikuṇṭha, ein.

»Liebe Mutter Yasodā und lieber Nanda Mahārāja«, fuhr Uddhava fort, »ihr habt euren Geist völlig und einzig auf den Höchsten Persönlichen Gott, Nārāyaṇa, in Seiner transzendentalen Gestalt gerichtet, der die Ursache des unpersönlichen Brahman ist. Das Brahman ist nichts anderes als die Ausstrahlung, die von Nārāyaṇas Körper ausgeht. Da ihr ständig in ekstatische Gedanken an Kṛṣṇa und Balarāma vertieft seid, kann es keine Pflicht geben, die ihr noch verrichten müßtet. Ich habe euch eine Botschaft Kṛṣṇas mitzuteilen. Er wird bald nach Vṛndāvana zurückkehren und euch beide durch Seine persönliche Anwesenheit erfreuen. Kṛṣṇa versprach, sofort hierherzukommen, wenn Er Seine Aufgaben in Mathurā erfüllt hat. Ganz bestimmt wird Er dieses Versprechen halten. Ich möchte euch daher bitten, die ihr so sehr vom Glück begünstigt seid, nicht länger über Kṛṣṇas Abwesenheit bekümmert zu sein.

Ihr nehmt zwar schon vierundzwanzig Stunden am Tag Seine Gegenwart wahr, aber Er wird dennoch bald nach Vṛndāvana kommen und dann wieder mit euch zusammen sein. Eigentlich weilt Er im Herzen jedes Lebewesens, wie das Feuer im Holz, und ist allgegenwärtig. Da Kṛṣṇa die Überseele ist, ist niemand Sein Feind, noch Sein Freund, niemand kommt Ihm gleich, und niemand ist niedriger oder höher als Er. In Wirklichkeit hat Er weder Vater noch Mutter, noch Bruder, noch irgendwelche anderen Verwandten, noch braucht Er Gesellschaft, Freundschaft und Liebe. Er hat keinen materiellen Körper. Er wird auch nicht als gewöhnlicher Mensch geboren. Er erscheint nicht in höheren oder niederen Lebensformen, wie es gewöhnliche Lebewesen tun, die ihrer früheren Handlungen wegen zur Geburt gezwungen sind. Vielmehr erscheint der Herr durch Seine innere Energie, um Seine Geweihten zu beschützen. Er wird niemals von den Erscheinungsweisen der materiellen Natur berührt, obwohl Er Sich, wenn Er in die materielle Welt herabkommt, scheinbar wie ein gewöhnliches Lebewesen verhält, das unter dem Einfluß der materiellen Erscheinungsweisen steht. In Wirklichkeit gebietet Er über die gesamte materielle Schöpfung und kann daher gar nicht von den Erscheinungsweisen der materiellen Natur berührt werden. Er schafft, erhält und zerstört die gesamte kosmische Manifestation. Wir aber hielten Kṛṣṇa und Balarāma fälschlich für gewöhnliche menschliche Wesen. Wir sind wie Menschen, die unter Schwindelanfällen leiden, und in deren Augen sich deshalb die ganze Welt um sie dreht. Der Persönliche Gott ist niemandes Sohn; Er ist Vater, Mutter und der Höchste Kontrollierende eines jeden. Daran besteht kein Zweifel. Alles, was wir wahrnehmen, alles, was bereits existiert, alles, was nicht mehr existiert, und alles, was noch in Zukunft existieren wird, sowohl das Kleinste als auch das Größte - nichts kann ohne den Höchsten Persönlichen Gott bestehen. Alles ruht in Ihm, und doch wird Er von keinem der Dinge berührt, die Er hervorbringt.« - Nanda und Uddhava sprachen noch die ganze Nacht über Kṛṣṇa.

Am nächsten Morgen bereiteten die gopīs in Vṛndāvana wie gewöhnlich die maṅgala-ārātrika-Zeremonie vor, indem sie Lampen ansteckten und mit Yoghurt vermischte Butter versprengten. Nach der Zeremonie begannen sie dann damit, frischen Yoghurt zu Butter zu kirnen. Während sie so beschäftigt waren, wurde der Schein der Lampen, der sich auf den Schmuckstücken der gopīs spiegelte, noch heller. Das Butterfaß, die Arme, Ohrringe, Armreifen und Brüste der Mädchen - alles war in Bewegung. Und das kuṅkuma-Puder verlieh ihren Gesichtern ein safranfarbenes Leuchten, das der aufgehenden Sonne glich. Beim Buttern sangen die Mädchen von der Herrlichkeit Kṛṣṇas. Ihre Stimmen und die Geräusche beim Buttern vereinigten sich, stiegen zum Himmel auf und heiligten die ganze Atmosphäre. Nach Sonnenaufgang gingen die gopīs, wie jeden Tag, zu Nanda Mahārāja und Mutter Yaśodā, um ihnen ihre Ehrerbietungen zu erweisen. Die gopīs wußten noch nichts von Uddhavas Ankunft, und als sie daher seinen goldenen Wagen vor der Tür stehen sahen, fragten sie sich sofort nach seiner Herkunft und seinem Besitzer. Einige dachten, daß Akrūra, der Kṛṣṇa abgeholt hatte, wieder zurückgekehrt sei. Sie mochten Akrūra nicht, weil er Kṛṣṇa in Kaṁsas Diensten nach Mathurā gefahren hatte. Alle gopīs begannen zu argwöhnen, daß Akrūra wiedergekommen sein könnte, um einen anderen grausamen Plan auszuführen. Doch gleichzeitig dachten sie auch: »Wir sind nur noch tote Körper ohne unseren höchsten Meister, Kṛṣṇa. Was könnte Akrūra diesen toten Körpern noch zufügen?«

Während sie derartige Dinge zueinander sprachen, beendete Uddhava seine morgendlichen Waschungen, Gebete und sein Chanten und begab sich dann zu ihnen.

Hiermit endet die Erläuterung Bhaktivedantas zum 45. Kapitel des Buches Kṛṣṇa:
»Uddhava besucht Vṛndāvana«.