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Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas

Von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada
Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas
Kṛṣṇa - Der Höchste Persönliche Gott
Originale Version 1. Auflage 1974
35. Kapitel:
 
Krishna
 
Kaṁsa schickt Akrūra nach Vṛndāvana


 

Die Gedanken der Einwohner von Vṛndāvana weilten stets bei Kṛṣṇa. Jeder erinnerte sich an Seine transzendentalen Spiele und war daher ständig in den Ozean der transzendentalen Glückseligkeit getaucht. Doch die materielle Welt ist so unrein, daß die asuras, die Dämonen, selbst in Vṛndāvana versuchten, den Frieden zu stören.

Eines Tages kam ein Dämon namens Ariṣṭāsura in der Gestalt eines Stiers mit gigantischem Körper und riesigen Hörnern in das Dorf gestürmt, wobei er mit seinen Hufen das Erdreich aufwarf. Als der Stier in das Gebiet von Vṛndāvana eindrang, schien das ganze Land wie bei einem Erdbeben zu erzittern. Er brüllte furchterregend, und nachdem er die Erde am Fluß durchpflügt hatte, rannte er in das eigentliche Dorf hinein. Das fürchterliche Gebrüll des Stiers war so durchdringend, daß einige der trächtigen Kühe und schwangeren Frauen Fehlgeburten erlitten. Sein Körper war so riesig und stark, daß Staubwolken ihn umschwebten wie Wolken einen Berg. Ariṣṭāsura sah, als er in das Dorf stürmte, so furchterregend aus, daß schon beim bloßen Anblick des Dämons alle Männer und Frauen in Angst und Schrecken gerieten und die Tiere, einschließlich der Kühe, die Flucht ergriffen.

Die Lage schien äußerst bedrohlich, und so riefen die Einwohner von Vṛndāvana laut um Hilfe: »Kṛṣṇa, Kṛṣṇa, bitte rette uns!« Kṛṣṇa, der bereits bemerkt hatte, daß alle Kühe fortliefen, antwortete ihnen: »Habt keine Angst!« Dann stellte Er Sich dem Dämon entgegen und rief: »Du bist das niedrigste Geschöpf unter der Sonne. Warum erschreckst du die Einwohner von Gokula? Was versprichst du dir davon? Wenn du gekommen bist, um Meine Autorität herauszufordern, so bin Ich zum Kampf bereit.« Mit diesen Worten sprach Kṛṣṇa dem Dämon Seine Herausforderung aus, die Ariṣṭāsura bis aufs Blut reizte. Die ganze Zeit stand Kṛṣṇa vor dem Stier - mit einer Hand auf der Schulter Seines Freundes. Sowie Er zu Ende gesprochen hatte, stürzte der Dämon wutentbrannt auf Ihn zu. Dabei wirbelte Ariṣṭāsura die Erde wild mit seinen Hufen auf und hob den mächtigen Schwanz in die Luft, über dem Wolken zu schweben schienen. Seine blutunterlaufenen Augen rollten grimmig hin und her, als er mit gesenkten Hörnern wie ein von Indra gesandter Blitz auf Kṛṣṇa zuschoß. Doch Kṛṣṇa packte ihn geschwind bei den Hörnern und schleuderte ihn von Sich wie ein gewaltiger Elefant, der einen kleinen feindlichen Elefanten zurückdrängt. Der Dämon schien hart getroffen, doch obgleich ihm der Schweiß aus den Poren brach, nahm er noch einmal seinen ganzen Mut zusammen und erhob sich vom Boden. Aufs neue griff er Kṛṣṇa voller Ingrimm mit ungeheurer Gewalt an, doch ging sein Atem, während er auf Kṛṣṇa zustürzte, äußerst schwer. Auch diesmal ergriff Ihn Kṛṣṇa bei den Hörnern und warf ihn zu Boden, wobei Er die Hörner des Dämons abbrach. Darauf begann der Herr gegen seinen Körper zu treten, so wie man auf ein nasses Tuch am Boden tritt, um es auszuwringen. Ariṣṭāsura rollte dabei, mit den Beinen heftig um sich schlagend, hilflos hin und her. Blutend und Kot und Urin ausscheidend verschied er, wobei ihm die Augen aus den Höhlen traten.

Die Halbgötter auf den himmlischen Planeten ließen daraufhin Blumen auf Kṛṣṇa herabregnen, um Ihn zu Seinem wunderbaren Sieg zu beglückwünschen. Kṛṣṇa war bereits das Leben und die Seele der Einwohner von Vṛndāvana, doch nachdem er Ariṣṭāsura, den Dämon in Stiergestalt, erschlagen hatte, wurde Er zum Juwel ihrer Augen. Unter den lauten Jubelrufen der Bewohner von Vṛndāvana zog Er zusammen mit Balarāma im Triumph in das Dorf von Vṛndāvana ein. Wenn man eine wundervolle Tat vollbringt, ist es ganz natürlich, daß die Verwandten, Bekannten und Freunde voll Jubel sind.

Nach diesem Vorfall enthüllte der große Weise Nārada das Geheimnis der Geburt Kṛṣṇas. Nārada Muni ist als devardarśana bekannt, was bedeutet, daß er nur von Halbgöttern oder Lebewesen, die sich auf der gleichen Ebene wie Halbgötter befinden, gesehen werden kann. Trotzdem besuchte Nārada Kaṁsa, der sich nicht im geringsten mit einem Halbgott vergleichen ließ, und war ihm sichtbar. Natürlich konnte Kaṁsa auch Kṛṣṇa sehen, ganz zu schweigen also von Nārada Muni, doch im allgemeinen muß man gereinigte Augen haben, um den Herrn und Seine Geweihten sehen zu können. Durch das Zusammensein mit einem reinen Gottgeweihten kann man unmerklichen Nutzen (ajñatasukṛti) erfahren, d. h., man mag zwar nicht wahrnehmen, auf welche Weise man Fortschritte macht, doch man kommt voran, wenn man den Geweihten des Herrn sieht.

Es war Nārada Munis Aufgabe, die Ereignisse einem raschen Ende zuzuführen, denn Kṛṣṇa war erschienen, um die Dämonen zu töten, und Kaṁsa war ihr Anführer. Weil Nārada also den Ablauf der Dinge beschleunigen wollte, begab er sich eines Tages zu Kaṁsa, um ihm die ganze Wahrheit über Kṛṣṇas Geburt mitzuteilen. Er sagte zu dem König: »Dir ist es vorherbestimmt, von dem achten Sohn Vasudevas getötet zu werden. Dieser achte Sohn ist Kṛṣṇa. Vasudeva täuschte dich, damit du glauben solltest, sein achtes Kind sei ein Mädchen, doch in Wirklichkeit wurde Vasudevas angebliche Tochter von Yaśodā, der Frau Nanda Mahārājas, zur Welt gebracht. Vasudeva vertauschte seinen Sohn mit dieser Tochter und führte dich so hinters Licht. Kṛṣṇa ist also, genau wie Balarāma, ein Sohn Vasudevas. Weil Vasudeva wegen dir und deinem grausamen Wesen um die beiden fürchtete, hielt er Sie wohlweislich in Vṛndāvana versteckt.« Nārada enthüllte Kaṁsa noch mehr. »Alle deine Freunde, die asuras, die von Dir nach Vṛndāvana geschickt wurden, um dort Kinder zu morden, wurden von Kṛṣṇa und Balarāma, die bis jetzt unerkannt in der Obhut Nanda Mahārājas leben, getötet.«

Sowie Kaṁsa diese Information von Nārada Muni erhielt, zog er sein scharfes Schwert und wollte sofort zu Vasudeva gehen, um ihn für seinen Betrug umzubringen. Nārada konnte ihn gerade noch beschwichtigen: »Du sollst doch nicht von Vasudeva getötet werden«, hielt er ihm entgegen, »warum willst du ihn also ermorden? Es ist viel klüger, Kṛṣṇa und Balarāma zu töten.« Doch um wenigstens seine Wut zu stillen, nahm Kaṁsa Vasudeva und Devakī erneut gefangen und ließ sie in eiserne Ketten legen. Die neue Lage veranlaßte ihn zu sofortigem Handeln, und so ließ Kaṁsa gleich den Dämonen Keśī herbeirufen und trug ihm auf, nach Vṛndāvana zu gehen, um sich Balarāma und Kṛṣṇa zu holen. In Wirklichkeit hieß dies für Keśī, daß er nach Vṛndāvana geschickt wurde, um von Kṛṣṇa und Balarāma getötet zu werden und auf diese Weise Befreiung zu erlangen. Dann befahl Kaṁsa die erfahrenen Elefantenbändiger Cāṇūra, Muṣṭika, Śala, Tośala und andere zu sich und sagte zu ihnen: »Meine lieben Freunde, hört mir bitte aufmerksam zu! In Nanda Mahārājas Haus in Vṛndāvana leben die beiden Brüder Kṛṣṇa und Balarāma, die eigentlich Söhne Vasudevas sind. Wie ihr wißt, soll es mein Schicksal sein, von Kṛṣṇa getötet zu werden, da es eine deutliche Prophezeiung gibt, die dies besagt. Aus diesem Grunde will ich, daß ihr einen großen Ringkampf vorbereitet, zu dem Menschen aus allen Teilen des Landes kommen sollen. Ich werde dafür sorgen, daß die beiden hierhergebracht werden, und ihr werdet versuchen, Sie in der Kampfarena zu töten!«

Ringkampfspiele erfreuen sich heute noch bei den Einheimischen Nordindiens großer Beliebtheit, und aus dem Śrīmad-Bhāgavatam geht, wie man sieht, hervor, daß schon vor 5000 Jahren Ringkämpfe sehr geschätzt wurden. Deshalb war Kaṁsa auf die Idee gekommen, einen solchen Kampf zu veranstalten und viele Leute dazu einzuladen. Zuletzt befahl er seinen Elefantenbändigern: »Bringt vor allen Dingen den Elefanten Kuvalayāpīḍa zur Arena und postiert ihn direkt am Tor des Kampfplatzes. Dort müßt ihr dann versuchen, Kṛṣṇa und Balarāma gleich bei Ihrer Ankunft abzufangen und umzubringen.«

Kaṁsa riet außerdem all seinen Freunden, den mächtigen Halbgott Śiva zu verehren. Zu diesem Zweck sollten sie Tieropfer und den Dhanur-yajña durchführen, wie auch das Caturdaśī-Opfer, das am vierzehnten Tag nach Neu- und Vollmond vollzogen wird. Dieses Datum fällt auf den dritten Tag nach Ekādaśī und ist eigens für die Verehrung Śivas vorgesehen. Śiva besitzt eine vollständige Erweiterung, die als Kālabhairava bekannt ist. Kālabhairava wird von den Dämonen verehrt, die enthäutete Tiere vor ihm opfern. Dieser Opfervorgang wird heute noch in Vaidyanātha-dhāma in Indien durchgeführt, wo die Dämonen der Bildgestalt Kālabhairavas Tieropfer darbringen. Auch Kaṁsa gehörte zu dieser Art von Dämonen. Da er ein geschickter Diplomat war, fiel es ihm nicht schwer, sehr schnell seine Freunde dafür zu gewinnen, alles zu versuchen, um Kṛṣṇa und Balarāma zu töten.

Schließlich ließ er Akrūra zu sich kommen. Akrūra war ein Angehöriger der Yadu-Dynastie, in der auch Kṛṣṇa als Sohn Vasudevas und Devakīs erschienen war. Als Akrūra vor ihn trat, schüttelte Kaṁsa ihm mit aller Herzlichkeit die Hand und sagte: »Lieber Akrūra, es gibt für mich wohl in der Bhoja- und in der Yadu-Dynastie keinen besseren Freund als dich. Du bist der großmütigste Mensch, den ich kenne, und daher bitte ich dich als Freund um einen kleinen Gefallen. Genau wie Indra, der Viṣṇu völlig ergeben ist, so suche auch ich vollständig bei dir Zuflucht. Ich wünsche, daß du sofort nach Vṛndāvana aufbrichst und dort die beiden Jungen mit Namen Kṛṣṇa und Balarāma ausfindig machst, es sind Söhne Nanda Mahārājas. Eine hervorragende Kutsche, die eigens für die beiden Jungen gebaut wurde, steht bereit, so daß du Sie unverzüglich nach Mathurā holen kannst. Das ist meine Bitte an dich. Ich habe nämlich vor, diese beiden Jungen zu beseitigen. Sobald Sie durch das Tor des Kampflagers treten, werden Sie von dem gigantischen Elefanten Kuvalayāpīḍa in Empfang genommen, der Sie höchstwahrscheinlich auf der Stelle zerstampfen wird. Doch selbst, wenn es Ihnen gelingen sollte, ihm irgendwie zu entkommen, werden Sie als nächstes auf die Ringer treffen, die Sie ganz sicher umbringen werden. Und wenn die beiden Jungen tot sind, werde ich auch Vasudeva und Nanda, die Gönner der Vṛṣṇi- und der Bhoja-Dynastie, beseitigen. Auch meinen Vater Ugrasena und dessen Bruder Devaka werde ich töten, denn sie sind im Grunde meine Gegner und deshalb Hindernisse für meine Pläne und meine Politik. Auf diese Weise werde ich alle meine Feinde aus dem Weg räumen. Zum Glück ist der mächtige Jarāsandha mein Schwiegervater, und außerdem habe ich noch den Riesenaffen Dvivida zum Freund. Mit ihrer Hilfe wird es mir ein leichtes sein, alle Könige, die auf Seiten der Halbgötter stehen, von der Erdoberfläche verschwinden zu lassen. Das sind meine Pläne. Nach ihrer Durchführung werde ich keine Gegner mehr zu fürchten haben, und dann kann ich endlich völlig unbeschwert über die Welt herrschen. Du solltest auch wissen, daß Śambara, Narakāsura und Bāṇāsura meine engen Freunde sind, und wenn ich den Krieg gegen die Könige beginne, die die Halbgötter unterstützen, werden sie mir eine bedeutende Hilfe sein. Ohne Zweifel werde ich alle meine Feinde beseitigen können. Geh also bitte unverzüglich nach Vṛndāvana und lade die Jungen ein hierherzukommen; sage Ihnen, Sie sollten sich einmal die schöne Stadt Mathurā anschauen, und es sei ein Ringkampf geplant, an dem Sie Ihre Freude haben würden.«

Nachdem Akrūra den Plan Kaṁsas vernommen hatte, erwiderte er: »Lieber König, dein Plan ist vorzüglich geeignet, alle Hindernisse für deine Politik aus dem Wege zu räumen. Doch du solltest deine Absichten besser geheimhalten, da sie anderenfalls fehlschlagen könnten. Denn sei es, wie es will: Der Mensch denkt, Gott lenkt. Wir mögen vielleicht große Pläne schmieden, aber solange sie nicht von der höchsten Autorität gebilligt werden, sind sie zum Scheitern verurteilt. Jeder in der materiellen Welt weiß, daß die übernatürliche Macht letztlich alles entscheidet. Man mag zwar in seinem findigen Hirn viele große Pläne entwerfen, doch sollte man stets dabei bedenken, daß man am Ende gezwungen ist, die Früchte, nämlich Leid und Glück, zu ernten. Aber ich habe nichts gegen deinen Vorschlag einzuwenden. Als dein Freund werde ich deinen Auftrag selbstverständlich erfüllen und Kṛṣṇa und Balarāma nach Mathurā holen, wie du es wünschst.«

Nachdem Kaṁsa seinem Freund noch verschiedene andere Unterweisungen gegeben hatte, zog er sich in seine Gemächer zurück, und Akrūra machte sich auf den Weg nach Vṛndāvana.

Hiermit endet die Erläuterung Bhaktivedantas zum 35. Kapitel des Buches Kṛṣṇa:
»Kaṁsa schickt Akrūra nach Vrndāvana«.