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Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas

Von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada
Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas
Kṛṣṇa - Der Höchste Persönliche Gott
Originale Version 1. Auflage 1974
8. Kapitel:
 
Krishna
 
Die Vision der universalen Form


 

Nach diesem Ereignis bat Vasudeva seinen Familienpriester Gargamuni, Nanda Mahārāja zu besuchen, um die Zukunft Kṛṣṇas astrologisch zu berechnen. Gargamuni war ein großer Heiliger, der viele Entbehrungen und Bußen auf sich genommen hatte. Als er im Hause Nanda Mahārājas eintraf, freute sich Nanda sehr, ihn zu sehen, und stand sofort mit gefalteten Händen auf, um ihm seine Ehrerbietungen zu erweisen. Er empfing Gargamuni mit dem gleichen Respekt, der dem Höchsten Persönlichen Gott gebührt. Er bot ihm einen bequemen Sitz an, und nachdem sich Gargamuni niedergelassen hatte, hieß ihn Nanda Mahārāja mit herzlichen Worten willkommen. Er sagte: »Mein lieber brāhmaṇa, Du erscheinst im Hause eines Haushälters nur, um Erleuchtung zu bringen. Wir Haushälter sind immer so sehr mit unserer Familie beschäftigt, daß wir darüber unsere eigentliche Pflicht vergessen, nämlich nach Selbstverwirklichung zu streben. Wenn Du zu uns kommst, willst Du uns in spirituellem Leben unterweisen; Du hast kein anderes Ziel, wenn Du die Haushälter besuchst.«

Es ist die Pflicht eines Heiligen, die Haushälter zu besuchen, die gewöhnlich tief in Geldangelegenheiten stecken, um sie aus dem Schlummer des Familienlebens zu erwecken. Man wird sich vielleicht fragen, warum die Haushälter nicht selbst zu einem Heiligen oder einem brāhmaṇa gehen, um sich erleuchten zu lassen; nun, die Haushälter sind im allgemeinen sehr engstirnig und glauben, es sei ihre vornehmste Pflicht, sich um ihre Familie zu kümmern. Selbstverwirklichung oder Erleuchtung im spirituellen Wissen halten sie für weniger wichtig. Daher kommen die Heiligen oder die brāhmaṇas aus Mitleid zu den Haushältern.

Nanda Mahārāja bezeichnete Gargamuni auch als große Autorität in der astrologischen Wissenschaft. Die Voraussagen der Astrologie, wie z. B. der Zeitpunkt einer Sonnen- oder Mondfinsternis, beruhen auf genauen Berechnungen, und durch diese Wissenschaft kann man seine Zukunft klar vor sich sehen. Gargamuni war auf diesem Gebiet sehr erfahren. Mit Hilfe der Astrologie kann man auch feststellen, was man in seinem vorherigen Leben getan hat und welche Ergebnisse man im jetzigen Leben genießen oder erleiden wird.

Nanda Mahārāja nannte Gargamuni auch »den Besten der brāhmaṇas.« Ein brāhmaṇa ist derjenige, der mit dem Wissen vom Brahman vertraut ist. Ohne Wissen über die Absolute Wahrheit zu besitzen, kann man nicht als brāhmaṇa bezeichnet werden. Das genaue Wort, das in diesem Zusammenhang gebraucht wird, lautet »brahmavidām«, was soviel bedeutet, wie »diejenigen, die den Höchsten sehr gut kennen.« Ein erfahrener brāhmaṇa kann den untergeordneten Kasten, den kṣatriyas und vaiśyas, die Möglichkeit zur Reinigung geben; die śūdras kümmern sich nicht um solche Rituale. Die brāhmaṇas gelten als die geistigen Meister der kṣatriyas und vaiśyas und erfüllen auch alle priesterlichen Aufgaben. Nanda Mahārāja war ein vaiśya, und daher sah er Gargamuni als seinen geistigen Meister an. Er holte seine beiden Pflegesöhne, Kṛṣṇa und Balarāma, und bat ihn, sie der üblichen Reinigungszeremonie zu unterziehen. Er war der Meinung, daß nicht nur seine beiden Söhne, sondern alle Menschen gleich nach der Geburt einen qualifizierten brāhmaṇa als geistigen Meister annehmen sollten. Auf Nandas Bitte hin antwortete Gargamuni: »Vasudeva hat mich geschickt, damit ich die Reinigungsvorgänge für die beiden Knaben, ganz besonders für Kṛṣṇa, durchführe. Ich bin der Familienpriester der Yadu-Dynastie, und, nebenbei bemerkt, mir scheint, als sei Kṛṣṇa der Sohn Devakīs.« Anhand seiner astrologischen Berechnungen wußte Gargamuni, daß Kṛṣṇa der Sohn Devakīs war und daß Er der Obhut Nandas anvertraut worden war, ohne daß dieser davon wußte. Er deutete an, daß sowohl Kṛṣṇa als auch Balarāma die Söhne Vasudevas seien. Es war allgemein bekannt, daß Balarāma der Sohn Vasudevas war, denn seine Mutter Rohiṇī wohnte in Gokula; doch Nanda Mahārāja hatte keine Ahnung, daß auch Kṛṣṇa der Sohn seines Freundes war. Gargamuni deutete also indirekt an, daß Kṛṣṇa der Sohn Devakīs sei, und warnte Nanda Mahārāja gleichzeitig vor Kaṁsa, der sehr sündig war und durch die Reinigungszeremonie bestimmt erfahren würde, daß Kṛṣṇa der Sohn Devakīs und Vasudevas war. Obwohl jeder glaubte, Devakīs achtes Kind sei ein Mädchen gewesen, konnte Devakī nach astrologischen Berechnungen unmöglich eine Tochter zur Welt gebracht haben. Auf diese Weise enthüllte Gargamuni Nanda Mahārāja, daß die Tochter Devakīs in Wirklichkeit von Yaśodā geboren und daß Kṛṣṇa, der Sohn Devakīs, später gegen dieses Kind ausgetauscht worden war. Auch hatte das weibliche Kind, das in Wirklichkeit die Göttin Durgā war, Kaṁsa darüber informiert, daß das Kind, welches ihn töten würde, bereits anderwärts geboren worden sei. Gargamuni fuhr fort: »Wenn du deinem Kind einen Namen gibst und es die Prophezeihung erfüllt, die Durgā Kaṁsa verkündet hat, wird der sündige Dämon nicht zögern, hierher zu kommen und das Kind gleich nach der Namengebung zu töten. Ich möchte nicht für all dieses zukünftige Unheil verantwortlich sein.«

Nachdem Nanda die Worte Gargamunis gehört hatte, sagte er: »Wenn die Situation derart gefährlich ist, ist es wohl besser, keine öffentliche Namengebungszeremonie zu feiern. Es ist vielleicht klüger, wenn Du einfach die erforderlichen vedischen Hymnen chantest und die Reinigungsvorgänge in aller Stille vollziehst. Wir gehören zur zweitgeborenen Kaste; daher möchte ich Deine Anwesenheit nutzen. Bitte führe also die Namengebungszeremonie ohne großes Aufsehen durch.« Nanda Mahārāja wollte die Zeremonie so geheim wie möglich halten, doch zur gleichen Zeit die günstige Gelegenheit, die die Anwesenheit Gargamunis bot, nutzen und die Feierlichkeit von ihm durchführen lassen.

Als Gargamuni so inständig von Nanda Mahārāja gebeten wurde, vollzog er die Namengebungszeremonie unauffällig im Kuhstall Nandas. Er teilte ihm mit, daß Balarāma, der Sohn Rohiṇīs, seinen Familienmitgliedern und Verwandten sehr viel Freude bereiten und deswegen auch Rāma genannt werden würde. Außerdem werde Er einmal ungewöhnlich stark sein und deshalb auch Balarāma heißen. Gargamuni sagte weiter: »Weil Deine Familie so eng mit der Familie der Yadus verbunden ist und Ihr Euch so gut versteht, wird man Ihn auch Saṅkarṣaṇa nennen. Gargamuni gab dem Sohne Rohiṇīs drei Namen: Balarāma, Saṅkarṣaṇa und Baladeva. Doch er sagte vorsichtshalber nichts davon, daß Balarāma ebenfalls im Schoße Devakīs erschien und daraufhin in den Schoß Rohiṇīs versetzt worden war. Kṛṣṇa und Balarāma sind wirkliche Brüder, denn Sie sind ursprünglich die Söhne Devakīs. Gargamuni gab Nanda Mahārāja weitere Informationen: »Was den anderen Jungen betrifft, so ist Er in den verschiedenen yugas (Zeitaltern) mit unterschiedlicher Hautfarbe erschienen. Zuerst erschien Er mit weißer Haut, danach mit roter, dann mit gelber, und nun ist Er mit schwarzer Hautfarbe erschienen. Er wurde schon früher einmal als der Sohn Vasudevas geboren, und deshalb soll Er Vāsudeva und Kṛṣṇa heißen. Manche Menschen werden Ihn Kṛṣṇa nennen und andere Vāsudeva. Noch eines sollst Du wissen: Dieses Kind hat noch viele andere Namen, und es hat in Seinen unzähligen Geburten bereits viele göttliche Spiele offenbart. Gargamuni gab Nanda Mahārāja einen weiteren Hinweis: Dein Sohn wird auch Giridharī genannt werden, denn Er wird als eines Seiner transzendentalen Spiele den Govardhana-Hügel hochheben.« Da Gargamuni Einblick in Vergangenheit und Zukunft hatte, fuhr er fort: Ich kenne als einziger alle Seine Spiele und Namen; andere wissen nichts davon. Das Kind wird allen Kuhhirten und Kühen sehr viel Freude bereiten; Es wird in Vṛndāvana berühmt sein und dir viel Glück bringen. Durch Seine Anwesenheit wirst Du trotz vieler Hindernisse alle materiellen Schwierigkeiten überwinden. Gargamuni sagte weiter: »Mein lieber König von Vraja, in Seinen früheren Leben hat dieses Kind viele Male, wenn Gottlosigkeit überhandnahm, die rechtschaffenen Menschen vor den Räubern und Schurken beschützt. Dein Kind ist so mächtig, daß jeder, der Sein Geweihter wird, vor Feinden sicher ist. So wie die Halbgötter immer von Viṣṇu beschützt werden, so werden die Geweihten deines Sohnes immer von Nārāyaṇa, dem Höchsten Persönlichen Gott, vor allen Gefahren bewahrt werden. Dieses Kind wird an Macht, Schönheit und Reichtum Nārāyaṇa in jeder Hinsicht gleichkommen. Deshalb gebe ich Dir den Rat, Deinen Sohn sorgfältig zu behüten, so daß Er ungestört aufwachsen kann. Weil Du ein Geweihter Nārāyaṇas bist, hat Dieser dich mit einem Sohn gesegnet, der Ihm Selbst ebenbürtig ist. Dein Sohn wird von vielen Dämonen angegriffen werden; sei also vorsichtig und beschütze Ihn.« Auf diese Weise überzeugte Gargamuni Nanda Mahārāja davon, daß Nārāyaṇa persönlich sein Sohn geworden war. Er beschrieb in vielen Einzelheiten die transzendentalen Eigenschaften Kṛṣṇas, und nachdem er so gesprochen hatte, kehrte er nach Hause zurück. Nanda Mahārāja hielt sich für den glücklichsten Menschen der Welt und war sehr zufrieden, so gesegnet worden zu sein.

Kurz danach begannen Kṛṣṇa und Balarāma auf Händen und Knien umherzukriechen, was Ihre Mütter mit großer Freude erfüllte. Die Glöckchen an Ihren Hüften und Gelenken bezauberten jeden mit ihrem wunderschönen Klingeln. Manchmal wurden Sie genau wie gewöhnliche Kinder von anderen erschreckt, worauf Sie sogleich zu Ihren Müttern flohen, um bei ihnen Schutz zu suchen. Oft fielen Sie auch in den Schlamm und kamen dann über und über mit Lehm und Safran beschmiert nach Hause. Eigentlich waren Sie von Ihren Müttern mit Safran und Sandelholzpaste eingerieben worden, doch weil sie im schlammigen Lehm gespielt hatten, waren ihre Körper ganz voll Lehm. Sowie sie zu Yaśodā und Rohiṇī kamen, nahmen diese ihre beiden Kinder auf den Schoß, legten sich ein Tuch auf den unteren Teil ihres saris und gaben ihnen die Brust. Als die Kinder an ihren Brüsten saugten, fühlten die Mütter, daß bereits die ersten Zähnchen kamen, und so steigerte sich ihre Freude nur noch mehr, da sie sahen, daß ihre Kinder heranwuchsen. Manchmal krabbelten die beiden auch zum Kuhstall, ergriffen den Schwanz eines Kalbes und zogen Sich daran hoch. Die erschreckten Kälber begannen sofort, wild durcheinanderzulaufen, und zogen die Kinder durch Kuhfladen und Schlammpfützen hinter sich her. Wenn Yaśodā und Rohiṇī dies sahen, riefen sie sogleich ihre Nachbarinnen, die gopīs, herbei, damit alle diesen Spaß miterleben konnten. Als die gopīs die Spiele Kṛṣṇas und Balarāmas sahen, wurden sie in transzendentale Glückseligkeit getaucht, und in ihrer übergroßen Freude lachten sie aus vollem Halse. Kṛṣṇa und Balarāma waren so unruhig, daß ihre Mütter ständig damit zu tun hatten, sie vor Kühen, Stieren, Affen, Vögeln, Wasser und Feuer zu schützen, während sie gleichzeitig ihren Haushaltspflichten nachkommen mußten. Weil sie ständig ängstlich darum bemüht waren, auf die Kinder aufzupassen und gleichzeitig ihre übrigen Pflichten zu erfüllen, waren beide Mütter immer in Aufregung. Schon nach kurzer Zeit begannen Kṛṣṇa und Balarāma, Sich auf Ihre Beinchen zu stellen und unbeholfen hin und her zu tapsen. Als Sie Ihre ersten Gehversuche machten, schlossen sich Ihnen einige gleichaltrige Freunde an, und so bereiteten sie alle den gopīs, ganz besonders aber Mutter Yaśodā und Mutter Rohiṇī, transzendentale Freude.

Alle Freundinnen von Yaśodā und Rohiṇī hatten ihre Freude an den frechen, kindlichen Spielen Kṛṣṇas und Balarāmas. Um noch größere transzendentale Glückseligkeit zu erfahren, trafen sie sich eines Tages alle und gingen zu Mutter Yaśodā, um sich bei ihr über die ungezogenen Jungen zu beklagen. Als Kṛṣṇa gerade vor Mutter Yaśodā auf dem Boden saß, begannen die älteren gopīs ihre Klagen gegen Ihn vorzubringen, so daß auch Er sie hören konnte. Sie sagten: »Liebe Yaśodā, warum läßt du deinen frechen Sohn Kṛṣṇa tun und lassen, was Er will? Er kommt jeden Abend und Morgen, bevor die Kühe gemolken werden, zusammen mit Balarāma zu unseren Häusern und bindet die Kälber los, die natürlich sofort zu den Kühen laufen und deren Milch trinken. Wenn wir dann die Kühe melken wollen, finden wir, daß ihre Euter leer sind, und so müssen wir mit leeren Eimern und Töpfen zurückkehren. Wenn wir dann Kṛṣṇa und Balarāma schelten, nicht noch einmal so etwas zu tun, lächeln Sie einfach nur zauberhaft. Wir fühlen uns so hilflos; auch bereitet es Kṛṣṇa und Balarāma große Freude, unseren Yoghurt und unsere Buttervorräte zu stibitzen. Wir können unsere Vorräte nicht vor Ihnen verstecken; ganz gleich, wo wir sie auch aufbewahren, die beiden finden sie immer. Wenn wir Sie dann ertappen, wie Sie den Yoghurt und die Butter davontragen, sagen Sie: »Warum macht ihr Uns für das Stehlen verantwortlich? Denkt ihr etwa, daß es bei Uns zuhause an Butter und Yoghurt mangelt?« Manchmal nehmen Sie auch den Yoghurt, die Butter und die Milch und verteilen sie an die Affen. Wenn die Affen dann sattgefüttert sind und nichts mehr nehmen wollen, fangen deine Söhne an zu schimpfen und sagen: »Die Milch, die Butter und auch der Yoghurt sind wertlos - nicht einmal die Affen wollen davon nehmen. Dann zerbrechen Sie die Töpfe und werfen sie durcheinander. Und selbst dann, wenn wir unsere Butter, den Yoghurt und die Milch an einem abgelegenen, dunklen Ort aufbewahren, finden Kṛṣṇa und Balarāma unsere Vorräte, da der Schmuck, den sie tragen, eine leuchtende Ausstrahlung um sie verbreitet. Sollten sie aber zufällig einmal nicht die versteckte Butter und den Yoghurt finden, dann necken Sie unsere kleinen Kinder und zwicken sie, daß sie zu weinen beginnen, und dann machen Sich die beiden Übeltäter schnell aus dem Staub. Selbst wenn wir unsere Butter- und Yoghurtvorräte hoch unter der Zimmerdecke auf eine Schaukel stellen, so daß sie sich außerhalb Ihrer Reichweite befinden, gelingt es Ihnen dennoch, an diese Vorräte heranzukommen, indem Sie Kisten auf einem Mörser aufeinanderstapeln. Und wenn Sie die Butter einmal nicht erreichen können, werfen Sie ein Loch in den Topf. Wir möchten dich daher bitten, deinen Kindern den Juwelenschmuck abzunehmen.

Als Mutter Yaśodā die Klagen der gopīs hörte, sagte sie: »Gut, ich werde allen Schmuck der Kinder an mich nehmen, so daß die beiden die versteckte Butter nicht mehr finden können.« Doch die gopīs erwiderten schnell: »Aber was nützt es schon, wenn du den Schmuck fortnimmst? Wir wissen nicht, was es mit diesen Jungen auf sich hat, aber auch ohne Schmuck geht ein Leuchten von Ihnen aus, so daß Sie auch in der Dunkelheit alles sehen können.« Mutter Yaśodā gab den gopīs daraufhin den Rat, in Zukunft ihre Butter besser zu verstecken. »Bewahrt Eure Butter so auf, daß die Jungen sie nicht erreichen können«, sagte sie. Doch die gopīs entgegneten: »Das tun wir schon seit langem, aber weil wir auch unseren hausfraulichen Pflichten nachgehen müssen, gelingt es diesen ungezogenen Jungen immer wieder, Sich unbemerkt ins Haus zu schleichen und Unordnung zu stiften. Und wenn es Ihnen einmal nicht gelingt, unsere Butter und unseren Yoghurt zu entwenden, pinkeln oder spucken Sie aus Zorn auf den sauberen Fußboden. Sieh dir nur einmal die beiden an, die wissen sehr gut, wovon wir sprechen. Den ganzen Tag hecken Kṛṣṇa und Balarāma Pläne aus, wie Sie an unsere Butter und unseren Yoghurt herankommen können. Da sitzen Sie nun wie zwei artige Jungen. Sieh nur einmal Ihre Gesichter.« Als Mutter Yaśodā all diese Klagen hörte, überlegte sie, wie sie ihre Söhne bestrafen könne, doch als sie Ihre reuigen Gesichter saḥ, mußte sie lächeln und vergaß ihr Vorhaben.

Ein anderes Mal, als Kṛṣṇa und Balarāma mit Ihren Freunden spielten, taten sich alle Jungen mit Balarāma zusammen und erzählten Mutter Yaśodā, Kṛṣṇa habe Lehm gegessen. Als Mutter Yaśodā dies hörte, nahm sie Kṛṣṇa sofort bei der Hand und sagte zu Ihm: »Mein lieber Kṛṣṇa, warum bist Du immer so ungezogen? Sieh doch nur, alle Deine Freunde, selbst Balarāma, beklagen sich über Dich.« Weil Kṛṣṇa Angst vor Seiner Mutter hatte, antwortete Er: »Meine liebe Mutter, diese Jungen und auch Mein älterer Bruder Balarāma schwindeln. Ich habe keinen Lehm gegessen. Als wir heute morgen zusammen spielten, wurde Balarāma zornig auf Mich, und deshalb hat Er Sich mit den anderen verbündet, um Sich bei dir über Mich zu beklagen. Sie stecken alle unter einer Decke. Sie wollen Mich bei dir anschwärzen und hoffen, daß du ärgerlich wirst und Mich bestrafst. Wenn du glaubst, daß sie die Wahrheit sagen, dann schau in Meinen Mund und sieh nach, ob Ich Lehm gegessen habe oder nicht.« »Gut«, erwiderte Mutter Yaśodā, »wenn Du wirklich keinen Lehm gegessen hast, dann öffne Deinen Mund, damit ich mich davon überzeugen kann.«

Als dem Höchsten Persönlichen Gott, Kṛṣṇa, so von Seiner Mutter befohlen wurde, machte Er wie ein gewöhnlicher Junge gehorsam Seinen Mund auf, und da sah Mutter Yaśodā die gesamte Fülle der Schöpfung. Sie sah den grenzenlosen Weltenraum, und konnte alle Berge, Meere, Ozeane, Inseln, Planeten, die Luft, das Feuer, den Mond und die Sterne erkennen. Außerdem sah sie alle Elemente, das Wasser, den Himmel, den alldurchdringenden Äther, das gesamte Ich, die Erzeugnisse der Sinne und den Beherrscher der Sinne, alle Halbgötter, die Objekte der Sinne, wie Klang, Geruch, Geschmack, Form und Berührung, und die drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur. Sie konnte auch erkennen, daß sich in Kṛṣṇas Mund alle Lebewesen, die ewige Zeit, die materielle und die spirituelle Natur, Aktivität, Bewußtsein und die verschiedenen Zustände der gesamten Schöpfung befanden. Yaśodā sah im Munde ihres Kindes alles, was für eine kosmische Manifestation erforderlich ist; sie sah sogar sich selbst, wie sie Kṛṣṇa auf ihren Schoß nahm und Ihm die Brust gab. Als sie all dies erblickte, wurde sie von Ehrfurcht ergriffen und fragte sich, ob sie träume, oder ob das alles Wirklichkeit sei. Sie kam zu dem Schluß, sie müsse entweder träumen oder dem Spiel der illusionierenden Energie des Höchsten Persönlichen Gottes zusehen. Sie glaubte, sie sei nicht bei Sinnen, und dachte: Vielleicht hat all dies seine Ursache in der kosmischen mystischen Kraft meines Kindes. Vielleicht sehe ich deshalb solche Visionen in Seinem Mund. Ich will nun dem Höchsten Persönlichen Gott meine respektvollen Ehrerbietungen darbringen, unter dessen Energie man sich mit seinem Körper und seinen körperlichen Besitztümern identisch fühlt. Ich will Ihm meine demütigen Ehrerbietungen erweisen, unter dessen illusionierender Energie ich glaube, Nanda Mahārāja sei mein Ehemann und Kṛṣṇa mein Sohn, all das, was Nanda Mahārāja besitzt, gehöre auch mir, und alle Kuhhirten und ihre Frauen seien meine Untergebenen. All diese falschen Vorstellungen haben ihre Ursache in der illusionierenden Energie des Höchsten Herrn. Möge Er mich immer beschützen.

Während Mutter Yaśodā diesen erhabenen philosophischen Gedanken nachhing, erweiterte Kṛṣṇa Seine Energie erneut. Augenblicklich vergaß Mutter Yaśodā ihre philosophischen Spekulationen und hielt Kṛṣṇa wieder für ihr Kind. Sie nahm Ihn auf den Schoß und wurde von mütterlicher Zuneigung überwältigt. Für einen kurzen Augenblick dachte sie: »Die gewöhnlichen Menschen können Kṛṣṇa mit ihren materiellen Sinnen nicht verstehen, doch Er kann durch die Upaniṣaden, den Vedānta oder das mystische yoga-System und die sāṅkhya-Philosophie erkannt werden.« Dann sah sie den Höchsten Persönlichen Gott wieder als ihr Kind.

Zweifellos hatte Mutter Yaśodā in früheren Leben sehr oft fromm gehandelt und so die Möglichkeit bekommen, den Höchsten Persönlichen Gott als ihren Sohn zu lieben. Auch Nanda Mahārāja mußte sicher viele große Opfer dargebracht und fromme Dinge getan haben, denn Śrī Kṛṣṇa wurde sein Sohn und nannte ihn »Vater«. Doch es ist überraschend, daß nicht auch Vasudeva und Devakī an der transzendentalen Glückseligkeit der Kindheitsspiele Kṛṣṇas teilhaben konnten, obwohl Kṛṣṇa eigentlich ihr Sohn war. Die Kindheitsspiele Kṛṣṇas werden selbst heute noch von vielen Weisen und Heiligen verherrlicht, doch Vasudeva und Devakī konnten sich nicht persönlich an diesen Spielen Kṛṣṇas erfreuen.

Śukadeva Gosvāmī erklärte Mahārāja Parīkṣit den Grund hierfür wie folgt: Als der Beste der Vasus mit Namen Droṇa zusammen mit seiner Frau Dharā von Brahmā angewiesen wurde, die Bevölkerung zu vergrößern, sagte Droṇa: »O mein lieber Vater, wir erbitten Deinen Segen. Wir möchten, daß der Höchste Herr, Kṛṣṇa, in unserem nächsten Leben in Seiner anziehendsten Kindheitsgestalt unsere ganze Aufmerksamkeit auf Sich zieht. Unsere Beziehung zu Kṛṣṇa soll so mächtig sein, daß jeder, der von den Spielen und Taten Kṛṣṇas hört, die Unwissenheit von Geburt und Tod mit Leichtigkeit überwindet.« Brahmā erklärte sich bereit, ihnen diese Segnung zu erteilen, und so erschienen Droṇa als Nanda Mahārāja und Dharā als Mutter Yaśodā in Gokula.

Auf diese Weise konnten Nanda Mahārāja und seine Frau Yaśodā ihre reine Hingabe zum Höchsten Persönlichen Gott entwickeln, da sie Ihn als ihren Sohn bekamen, und alle gopīs und Kuhhirten, die mit Kṛṣṇa zusammen sein durften, entwickelten ganz natürlich ihre verschiedenen liebevollen Empfindungen für Ihn. Nur um die Segnung Brahmās zu erfüllen, und die transzendentale Freude der Einwohner von Gokula zu vergrößern, erschien Śrī Kṛṣṇa daher zusammen mit Seiner vollständigen Erweiterung Balarāma in Gokula und führte dort alle Arten von Kindheitsspielen aus.

Hiermit enden die Erklärungen Bhaktivedantas zum 8. Kapitel des Buches Kṛṣṇa:
»Die Vision der universalen Form«.