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Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas

Von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada
Die Transzendentalen Spiele Sri Krishnas
Kṛṣṇa - Der Höchste Persönliche Gott
Originale Version 1. Auflage 1974
2. Kapitel:
 
Krishna
 
Die Gebete der Halbgötter an Kṛṣṇa im Mutterleib


 

König Kaṁsa besetzte nicht nur die Reiche der Yadu-, Bhoja- und Andhaka-Dynastien und das Königreich Śūrasenas, sondern verbündete sich auch mit allen dämonischen Königen wie den Dämonen Pralamba, Baka, Cāṇūra, Tṛṇāvarta, Aghāsura, Muṣṭika, Ariṣṭa, Dvivida, Pūtanā, Keśī und Dhenuka. Zu jener Zeit war Jarāsandha König über die Magadha-Provinz, die heute als Behar bekannt ist. Unter dem Schutz Jarāsandhas errichtete Kaṁsa durch seine geschickte Politik das mächtigste Imperium seiner Zeit. Er schloß weitere Bündnisse mit Königen wie Bāṇāsura und Bhaumāsura, bis er schließlich alles beherrschte. Daraufhin begann er mit feindseligen Aktionen gegen die Yadu-Dynastie, in der Kṛṣṇa geboren werden sollte.

Als sie von Kaṁsa verfolgt wurden, mußten die Könige der Yadu-, Bhoja- und Andhaka-Dynastien in andere Königreiche fliehen, wie in das Reich der Kurus, das der Pañcālas und in die Reiche, die als Kekaya, Śālva, Vidarbha, Niṣadha, Videha und Kośala bekannt sind. Kaṁsa brach sowohl die Solidarität des Yadu-Königreichs als auch die des Bhoja- und Andhaka-Reiches und machte seine Position zur stärksten im ganzen Land, das zu jener Zeit als Bhāratavarṣa bekannt war.

Als Kaṁsa die sechs Kinder Devakīs und Vāsudevas eines nach dem anderen umbrachte, suchten ihn viele Freunde und Verwandte auf und baten ihn, von diesen Greueltaten abzulassen, doch sie alle wurden schließlich zu Verehrern Kaṁsas.

Als Devakī zum siebten Mal schwanger wurde, erschien Ananta, eine vollständige Erweiterung Kṛṣṇas, in ihrem Leibe. Devakī war von Freude und Schmerz zugleich überwältigt. Sie war freudig, weil sie verstehen konnte, daß Viṣṇu in ihrem Leib erschienen war; doch zur gleichen Zeit war sie auch sehr bekümmert, da sie befürchtete, daß Kaṁsa auch dieses Kind töten würde.

Zur selben Zeit ordnete der Höchste Persönliche Gott, Kṛṣṇa, den die furchtbare Lage, in der sich die Yadus aufgrund der von Kaṁsa begangenen Grausamkeiten befanden, mit Mitleid erfüllte, das Erscheinen Yogamāyās, Seiner inneren Kraft, an. Kṛṣṇa ist der Herr des Universums, doch vor allem ist Er der Herr der Yadu-Dynastie.

Yogamāyā ist die innere Kraft des Persönlichen Gottes. In den Veden wird gesagt, daß der Höchste Persönliche Gott viele Kräfte hat: parāsya śaktir vividhaiva śrūyate. All diese verschiedenen Kräfte wirken äußerlich und innerlich, und Yogamāyā ist die höchste aller Kräfte. Kṛṣṇa gab Yogamāyā den Auftrag, in Gokula im Land von Vrajabhūmi zu erscheinen, das immer geschmückt ist und wo Tausende von schönen Kühen weiden.

In Gokula lebte Rohiṇī, eine der Frauen Vāsudevas, im Hause des Königs Nanda und der Königin Yaśodā. Nicht nur Rohiṇī, sondern auch viele andere Angehörige der Yadu-Dynastie waren aus Furcht vor den Grausamkeiten Kaṁsas geflohen und über das ganze Land verstreut. Einige von ihnen lebten sogar in Berghöhlen.

Der Herr sagte daher zu Yogamāyā: »Devakī und Vāsudeva liegen im Kerker Kaṁsas, und zum gegenwärtigen Zeitpunkt befindet sich Meine vollständige Erweiterung Śeṣa im Schoß Devakīs. Sorge dafür, daß Śeṣa aus dem Schoß Devakīs in den Leib Rohiṇīs gebracht wird. Danach werde Ich persönlich mit all Meinen Kräften in den Leib Devakīs eingehen und daraufhin als der Sohn Vāsudevas und Devakīs erscheinen. Du wirst als die Tochter Nandas und Yaśodās in Gokula erscheinen. Da du als Meine Schwester bekannt sein wirst, werden dich die Menschen mit wertvollen Gaben verehren wie Weihrauch, Kerzen, Blumen und Opferdarbringungen. Du sollst ihre Wünsche nach Sinnenfreuden schnell erfüllen. Menschen, die materialistische Neigungen haben, werden dich in den verschiedenen Formen deiner Erweiterung verehren, die man Durgā, Bhadrakālī, Vijayā, Vaiṣṇavī, Kumudā, Caṇḍikā, Kṛṣṇā, Mādhavī, Kanyakā, Māyā, Nārāyaṇī, Īśānī, Śāradā und Ambikā nennen wird.«

Kṛṣṇa und Yogamāya erschienen als Bruder und Schwester - der Höchste Mächtige und die höchste Macht. Obwohl es im Grunde keinen Unterschied zwischen dem Mächtigen und der Macht gibt, ist die Macht dennoch dem Mächtigen immer untergeordnet. Die Materialisten verehren die Macht, wohingegen die Transzendentalisten den Mächtigen verehren. Kṛṣṇa ist der Höchste Mächtige, und Durgā ist die höchste Macht in der materiellen Welt. Tatsächlich verehren die Menschen der vedischen Kultur sowohl den Mächtigen als auch die Macht. Es gibt Hunderttausende von Tempeln, in denen Viṣṇu und Durgā, manchmal sogar zusammen, verehrt werden. Die Verehrer der Macht, Durgās bzw. der äußeren Energie Kṛṣṇas, mögen in materieller Hinsicht sehr erfolgreich sein, doch wer auf die transzendentale Ebene erhoben werden möchte, muß dem Mächtigen, muß Kṛṣṇa dienen.

Der Herr erklärte auch, daß Sich Seine vollständige Erweiterung, Ananta Śeṣa, im Schoß Devakīs befand. Weil Sich Śeṣa sehr stark zu Rohiṇī hingezogen fühlte, würde Er Saṅkarṣaṇa genannt werden und Sich als die Quelle aller spirituellen Kraft (bala) offenbaren, durch die man die höchste Glückseligkeit des Lebens (rāmana) erlangen könne. Daher würde der vollständige Teil Ananta nach Seinem Erscheinen entweder als Saṅkarṣaṇa oder als Balarāma bekannt sein.

In den Upaniṣaden heißt es: nāyam ātma bala hinena labhya. »Ohne von Balarāma hinreichend begünstigt zu werden, kann man weder den Höchsten noch irgendeine Form der Selbstverwirklichung erreichen.« »Bala« bedeutet nicht körperliche Stärke. Niemand kann spirituelle Vollkommenheit durch körperliche Stärke erreichen. Man muß die spirituelle Kraft besitzen, die Balarāma bzw. Saṅkarṣaṇa gewähren kann. Ananta oder Śeṣa ist die Macht, die alle Planeten in der Schwebe hält. In der materiellen Welt wird diese erhaltende Kraft als das Gesetz der Schwerkraft bezeichnet, doch in Wirklichkeit ist es die Wirkung der Energie Saṅkarṣaṇas. Balarāma bzw. Saṅkarṣaṇa ist die spirituelle Kraft, der ursprüngliche geistige Meister. Daher ist Nityānanda Prabhu, der ebenfalls eine Inkarnation Balarāmas ist, der ursprüngliche geistige Meister. Der geistige Meister wiederum ist der Repräsentant des Höchsten Persönlichen Gottes, der spirituelle Kraft spendet. Im Śrī Caitanya-caritāmṛta wird bestätigt, daß der geistige Meister die Manifestation der Barmherzigkeit Kṛṣṇas ist.

Nachdem Yogamāyā in dieser Weise vom Höchsten Persönlichen Gott angewiesen worden war, umkreiste sie den Herrn und erschien dann in der materiellen Welt. Als der Höchste Mächtige Persönliche Gott Śeṣa aus dem Schoße Devakīs in den Schoß Rohiṇīs versetzte, standen beide Frauen unter dem Einfluß Yogamāyās, der auch yoga-nidrā genannt wird. Als dies geschehen war und das erwartete Kind nicht geboren wurde, vermutete man, daß Devakīs siebte Schwangerschaft als Fehlgeburt geendet habe. Somit wurde also Balarāma, obwohl Er zuerst als der Sohn Devakīs empfangen wurde in den Leib Rohiṇīs überführt, um als deren Sohn zu erscheinen. Daraufhin offenbarte Sich der Höchste Persönliche Gott, Kṛṣṇa, der immer bereit ist, Seine Geweihten mit all Seinen Kräften auszustatten, als der Herr der gesamten Schöpfung dem Geist Vāsudevas.

Als Vāsudeva die Gestalt des Höchsten Persönlichen Gottes in seinem Herzen trug, glich er der glühenden Sonne, deren Strahlen für den gewöhnlichen Menschen unerträglich und versengend sind. Die Gestalt des Herrn im reinen Herzen Vāsudevas war von der ursprünglichen Gestalt Kṛṣṇas nicht verschieden. Das Erscheinen der Gestalt Kṛṣṇas, besonders im Herzen, wird dhāma genannt. Dhāma bezieht sich nicht nur auf Kṛṣṇas Gestalt, sondern auch auf Seinen Namen, Seine Eigenschaften, Seine Spiele usw., denn alles wird gleichzeitig offenbart. Dann übertrug sich die ewige Gestalt des Höchsten Persönlichen Gottes mit all ihren Kräften vom Geiste Vāsudevas in den Geist Devakīs, genau wie sich die Strahlen der untergehenden Sonne auf den im Osten aufgehenden Mond übertragen. Den Bedingungen der gewöhnlichen Lebewesen nicht unterworfen, trat Kṛṣṇa, der Höchste Persönliche Gott, aus dem Körper Vāsudevas in den Körper Devakīs über. Man muß in diesem Zusammenhang verstehen, daß Kṛṣṇa in das reine Herz Devakīs einging und dort blieb. Er wurde nicht durch körperliche Zeugung in den Leib Devakīs gebracht. Der Höchste Persönliche Gott kann durch Seine unbegreifliche Macht nach Belieben erscheinen. Er ist nicht gezwungen, auf gewöhnlichem Wege durch den Zeugungsvorgang im Schoß einer Frau zu erscheinen. Wenn Kṛṣṇa erscheint, begleiten Ihn alle Seine vollständigen Erweiterungen wie Nārāyaṇa und Inkarnationen wie Nṛsiṁha, Varāha usw. Sie alle sind den Bedingungen des materiellen Daseins nicht unterworfen. Auf diese Weise wurde Devakī zur Residenz des Höchsten Persönlichen Gottes, dem niemand gleichkommt, und der die Ursache der Schöpfung ist. Devakī wurde der Aufenthaltsort der Absoluten Wahrheit, aber weil sie sich im Gefängnis Kaṁsas befand, glich sie verborgenem Feuer oder mißbrauchter Bildung. Wenn Feuer im Innern eines Kruges brennt, kann sich niemand an seinem Licht erfreuen. Ebenso wird der Mißbrauch von Wissen, der den meisten Menschen schadet, nicht geschätzt. Devakī war in den Gefängnismauern von Kaṁsas Palast gefangen, und daher konnte niemand ihre transzendentale Schönheit sehen, die darauf beruhte, daß sie den Höchsten Persönlichen Gott in sich trug.

Die Gebete der Halbgötter an Krishna im MutterleibKaṁsa jedoch bemerkte die übernatürliche Schönheit seiner Schwester und wußte sofort, daß der Höchste Persönliche Gott in ihren Leib eingegangen war. Sie hatte niemals zuvor so schön ausgesehen, und ihm war klar, daß sich etwas Wunderbares in ihrem Leib befinden mußte. Kaṁsa wurde von Entsetzen gepackt. Er war sicher, daß der Höchste Persönliche Gott nun gekommen war und ihn sehr bald töten werde. Er begann zu überlegen: »Was ist mit Devakī zu tun? Gewiß trägt sie Viṣṇu oder Kṛṣṇa in ihrem Leib; also ist es sicher, daß Kṛṣṇa gekommen ist, um die Bitte der Halbgötter zu erfüllen. Und selbst wenn ich Devakī sofort töte, kann Sein Vorhaben nicht verhindert werden.« Kaṁsa wußte sehr wohl, daß niemand imstande ist, den Plan Viṣṇus zu vereiteln. Jeder intelligente Mensch kann verstehen, daß die Gesetze Gottes nicht übertreten werden können. Sein Willenswunsch wird trotz aller Widerstände der Dämonen erfüllt. Kaṁsa dachte weiter: »Wenn ich Devakī zum gegenwärtigen Zeitpunkt töte, wird Viṣṇu Seinen höchsten Willen um so heftiger durchsetzen. Devakī jetzt zu töten, wäre eine höchst verruchte Handlung. Niemand will seinen Ruf aufs Spiel setzen - nicht einmal in einer gefährlichen Situation -, und wenn ich Devakī jetzt töte, ist es um mein Ansehen geschehen. Devakī ist eine Frau und befindet sich unter meiner Obhut; außerdem ist sie schwanger, und wenn ich sie töte, habe ich mein Ansehen, das Ergebnis frommer Handlungen und meine Lebensdauer verspielt. Er dachte weiter: »Wer zu grausam ist, ist schon zu Lebzeiten so gut wie tot. Niemand mag einen grausamen Menschen, und nach seinem Tode verfluchen ihn die Leute. Weil er sich mit dem Körper identifiziert, muß er erniedrigt und in die finstersten Regionen der Hölle geworfen werden.« In dieser Weise zog Kaṁsa alle Für und Wider in Betracht, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt für bzw. gegen eine Ermordung Devakīs sprachen.

Schließlich kam Kaṁsa zu dem Schluß, Devakī nicht sofort zu töten, sondern die unvermeidliche Zukunft abzuwarten. Seine Gedanken jedoch waren von Haß gegen den Persönlichen Gott erfüllt. Er wartete geduldig auf die Geburt des Kindes, in der Absicht, es sofort zu töten, wie er es bereits mit den anderen Kindern Devakīs getan hatte. Versunken in einen Ozean des Hasses gegen den Persönlichen Gott begann er, im Sitzen, im Stehen, im Gehen, beim Schlafen, beim Essen, beim Arbeiten - immer und unter allen Umständen - an Kṛṣṇa und Viṣṇu zu denken. Sein Geist wurde so sehr von Gedanken an den Höchsten Persönlichen Gott erfüllt, daß er indirekt überall nur noch Kṛṣṇa oder Viṣṇu sah. Obwohl er so sehr in Gedanken an Viṣṇu versunken war, kann Kaṁsa nicht als Gottgeweihter anerkannt werden, da er an Kṛṣṇa als Feind dachte. Große Gottgeweihte sind auch ständig in Gedanken an Kṛṣṇa versunken, doch sie denken an Ihn mit Liebe, und nicht mit Haß. Mit Liebe an Kṛṣṇa zu denken ist Kṛṣṇa-Bewußtsein, aber mit Haß an Kṛṣṇa zu denken ist kein Kṛṣṇa-Bewußtsein.

Zu dieser Zeit erschienen Brahmā und Śiva, begleitet von großen Weisen wie Nārada und gefolgt von vielen Halbgöttern, unsichtbar im Palast Kaṁsas. Sie begannen den Höchsten Persönlichen Gott in auserwählten Gebeten zu preisen, die die Gottgeweihten erfreuen und ihren Wünschen Erfüllung verheißen. Mit den ersten Worten, die sie sprachen, drückten sie ihre Freude über den Herrn aus, der Sein Versprechen stets hält. Wie in der Bhagavad-gītā gesagt wird, erscheint Kṛṣṇa in der materiellen Welt nur, um die Gottgeweihten zu beschützen und die Dämonen zu vernichten. Das ist Sein Versprechen. Die Halbgötter wußten, daß Sich der Herr im Leibe Devakīs befand, um dieses Versprechen zu halten. Sie waren sehr froh, daß der Herr zur Freude Seiner Geweihten erschienen war und priesen Ihn daher als satyam param, als die Höchste Absolute Wahrheit.

Jeder sucht nach der Wahrheit. Von den Halbgöttern erfahren wir, daß die Höchste Absolute Wahrheit Kṛṣṇa ist. Wer völlig Kṛṣṇa-bewußt wird, kann die Höchste Absolute Wahrheit erkennen. Kṛṣṇa ist die Absolute Wahrheit. Eine relative Wahrheit kann nicht in allen drei Phasen der ewigen Zeit, d. h. in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Wahrheit sein. Kṛṣṇa hingegen ist immer Wahrheit - in der Vergangenheit wie in der Gegenwart und auch in der Zukunft. In der materiellen Welt wird durch den Ablauf von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft alles von der höchsten Zeit kontrolliert. Kṛṣṇa jedoch existierte bereits vor der Schöpfung, die während ihrer Existenz in Ihm ruht und die, wenn sie aufgelöst wird, in Ihm bleibt. Daher ist Er unter allen Umständen die Absolute Wahrheit. Wenn es eine Wahrheit in der materiellen Welt gibt, so geht sie von der Höchsten Wahrheit, Kṛṣṇa, aus; wenn es Reichtum in der materiellen Welt gibt, so ist die Ursache dieses Reichtums Kṛṣṇa; wenn es Ruhm in der materiellen Welt gibt, so ist der Grund dieses Ruhms Kṛṣṇa; wenn es Macht in der materiellen Welt gibt, so ist der Ursprung dieser Macht Kṛṣṇa, und wenn es Weisheit und Bildung in der materiellen Welt gibt, so ist die Quelle dieser materiellen Weisheit ebenfalls Kṛṣṇa. Daher ist Kṛṣṇa der Urgrund aller relativen Wahrheiten.

Die materielle Welt besteht aus fünf Hauptelementen: Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther. Alle diese Elemente sind Emanationen Kṛṣṇas. Die materialistischen Wissenschaftler erkennen zwar diese fünf Hauptelemente als die Ursache der materiellen Manifestation an, doch sie wissen nicht, daß diese Elemente in ihren groben und feinen Zuständen von Kṛṣṇa geschaffen sind. Die Lebewesen, die in der materiellen Welt aktiv sind, gehören zur am Rande verlaufenden Kraft. Im Siebten Kapitel der Bhagavad-gītā wird erklärt, daß die gesamte kosmische Manifestation eine Kombination zweier Energien Kṛṣṇas ist, der höheren und der niederen Energie. Die Lebewesen sind von höherer Energie, und die toten, materiellen Elemente sind Seine niedere Energie. Im unmanifestierten Zustand ruht alles in Kṛṣṇa.

Die Halbgötter setzten ihre ehrfurchtsvollen Gebete an die Höchste Gestalt des Persönlichen Gottes, Kṛṣṇa, mit einer eingehenden Studie der materiellen Manifestation fort: Was ist die materielle Manifestation? Sie ist wie ein Baum, denn ähnlich wie ein Baum im Erdreich wurzelt, so wurzelt der Baum der materiellen Manifestation im Boden der materiellen Natur. Die materielle Manifestation wird auch deshalb mit einem Baum verglichen, weil ein Baum nach einer gewissen Zeit gefällt wird. Das Sanskritwort für »Baum« ist »vṛkṣa«. »Vṛkṣa« bedeutet »das, was letzten Endes vernichtet wird«. Daher kann der Baum der materiellen Manifestation nicht als die endgültige Wahrheit angesehen werden. Der Einfluß der Zeit lastet auf der materiellen Manifestation, doch Kṛṣṇas Körper ist ewig. Er bestand vor der materiellen Manifestation, Er besteht während der materiellen Manifestation, und Er wird auch nach ihrer Vernichtung noch bestehen.

Auch in der Kaṭha Upaniṣad finden wir das Beispiel vom Baum der materiellen Manifestation, der im Boden der materiellen Natur wurzelt. Dieser Baum trägt zwei Früchte: Glück und Leid. Diejenigen, die im Baum des Körpers leben, werden mit zwei Vögeln verglichen. Der eine Vogel ist der lokalisierte Aspekt Kṛṣṇas, die Überseele (der Paramātmā), und der andere Vogel ist das Lebewesen, die Seele (der jīvātma). Das Lebewesen ißt die Früchte der materiellen Manifestation. Manchmal ißt es die Früchte des Glücks, und manchmal ißt es die Früchte des Leids. Der andere Vogel jedoch ist nicht daran interessiert, die Früchte des Leids oder des Glücks zu essen, denn Er ist in Sich Selbst zufrieden. Die Kaṭha Upaniṣad sagt, daß der eine Vogel auf dem Baum des Körpers die Früchte verzehrt, während der andere Vogel Zeuge ist. Die Wurzeln des Baumes erstrecken sich in drei Richtungen und bilden somit die drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur: Reinheit, Leidenschaft und Unwissenheit. Durch den Kontakt mit diesen drei Erscheinungsweisen verlängert man die Dauer seines Aufenthalts in der materiellen Welt. Es gibt vier verschiedene Früchte: Religiosität, wirtschaftliche Entwicklung, Sinnenfreude und schließlich Befreiung. Je nach ihrer unterschiedlichen Verbindung mit den drei Erscheinungsweisen finden die Lebewesen Geschmack an verschiedenen Arten der Religiosität, des materiellen Fortschritts, der Sinnenfreude und der Befreiung. Im Grunde wird jede Handlung in der materiellen Welt in Unwissenheit ausgeführt, doch weil es drei Erscheinungsweisen gibt, ist die Erscheinungsweise der Unwissenheit manchmal auch mit Reinheit oder Leidenschaft vermischt. Der Geschmack dieser materiellen Früchte wird mit fünf Sinnen wahrgenommen. Die fünf Sinnesorgane (Augen, Ohren, Nase, Zunge und Haut), durch die Kenntnis der Dinge erworben wird, sind sechs Leiden unterworfen: Klagen, Illusion, Schwäche, Tod, Hunger und Durst. Der materielle Körper wird von sieben Schichten bedeckt: Haut, Muskeln, Fleisch, Mark, Knochen, Fett und Sperma. Der Baum hat acht Zweige: Erde, Wasser, Feuer, Luft, Äther, Geist, Intelligenz und falsches Ich. Es gibt neun Öffnungen im Körper: zwei Augen, zwei Ohren und zwei Nasenlöcher, den Mund, das Geschlechtsteil und den After. Außerdem kreisen zehn Arten von innerer Luft im Körper: prāna, apāna, udāna, vyāna, samāna usw. Die beiden Vögel, die in diesem Baum sitzen, sind, wie oben erklärt, das Lebewesen und der lokalisierte Aspekt des Höchsten Persönlichen Gottes, die Überseele.

Die ursprüngliche Ursache der materiellen Manifestation ist der Höchste Persönliche Gott. Der Höchste Persönliche Gott erweitert Sich und lenkt die drei Erscheinungsweisen der materiellen Welt: Viṣṇu lenkt die Erscheinungsweise der Reinheit; Brahmā lenkt die Erscheinungsweise der Leidenschaft, und Śiva lenkt die Erscheinungsweise der Unwissenheit. Brahmā erschafft das Universum durch die Erscheinungsweise der Leidenschaft; Viṣṇu erhält es durch die Erscheinungsweise der Reinheit, und Śiva vernichtet es durch die Erscheinungsweise der Unwissenheit. Die gesamte Schöpfung ruht letztlich im Höchsten Herrn. Er ist der Ursprung von Schöpfung, Erhaltung und Vernichtung. Wenn die gesamte Manifestation aufgelöst worden ist, ruht sie in ihrer feinen Form, als Energie, im Körper des Höchsten Herrn.

»Und nun«, beteten die Halbgötter, »erscheint der Höchste Herr Kṛṣṇa zur Erhaltung des Universums.« Es gibt nur eine höchste Ursache, doch weniger intelligente Menschen, die von den drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur verwirrt werden, glauben, die Entstehung der Welt habe verschiedene andere Ursachen. Wer hingegen intelligent ist, kann erkennen, daß es nur eine Ursache gibt - Kṛṣṇa. Denn in der Brahma-saṁhitā wird bestätigt: sarva kāraṇa kāraṇam. Kṛṣṇa, der Höchste Persönliche Gott, ist die Ursache aller Ursachen.« Brahmā ist für die Schöpfung verantwortlich; Viṣṇu, eine Erweiterung Kṛṣṇas, ist für die Erhaltung, und Shiva, ebenfalls eine Erweiterung des Höchsten, ist für die Auflösung zuständig.

»O Herr«, beteten die Halbgötter, »es ist sehr schwierig, Deine ewige persönliche Gestalt zu verstehen.« Die Menschen sind im allgemeinen nicht imstande, Deine wirkliche Gestalt zu erkennen; daher erscheinst Du, um Deine ursprüngliche ewige Gestalt zu offenbaren. Auf irgendeine Weise können die Menschen zwar Deine verschiedenen Inkarnationen verstehen, doch bereitet es ihnen große Schwierigkeiten, Dich in Deiner ewigen Gestalt, als Kṛṣṇa, mit zwei Händen zu verstehen, der Sich unter ihnen bewegt wie einer der ihren. Diese ewige Gestalt bereitet den Gottgeweihten ständig wachsende transzendentale Freude, doch für die Nicht-Gottgeweihten ist sie sehr gefahrvoll.

Wie in der Bhagavad-gītā gesagt wird (paritrāṇāya sādhūnām) ist Kṛṣṇa für die sādhus die Quelle aller Freude, für die Dämonen jedoch ist Er die Ursache fürchterlicher Angst, denn Kṛṣṇa kommt auch, um die Dämonen zu töten.

»O Lotosäugiger«, fuhren die Halbgötter fort, »Du bist die Quelle reiner Güte. Es gibt viele große Weise, die den weiten Ozean der Unwissenheit, der von der materiellen Natur geschaffen wurde, auf die Größe einer Wasserpfütze im Hufabdruck eines Kalbes verringerten, da sie die Stufe des samādhi erreichten, d. h. über Deine Lotosfüße meditierten und somit in Gedanken an Dich versanken.«

Das Ziel der Meditation besteht darin, den Geist auf den Persönlichen Gott zu richten, wobei man als erstes über Seine Lotosfüße meditiert. Die Meditation über die Lotosfüße des Herrn allein läßt große Weise ohne Schwierigkeiten den weiten Ozean des materiellen Daseins überqueren. »O Selbsterleuchteter«, beteten die Halbgötter, »die großen Heiligen, die den Ozean der Unwissenheit im transzendentalen Boot Deiner Lotosfüße überquerten, haben das Boot nicht fortgenommen. Es liegt noch immer am Ufer.«

Die Halbgötter gebrauchten einen sehr schönen Vergleich. Wenn jemand ein Boot benutzt, um einen Fluß zu überqueren, so nimmt er das Boot mit sich auf die andere Seite des Flusses. Wie kann also, wenn jemand auf diese Weise sein Ziel erreicht hat, das gleiche Boot immer noch denen zur Verfügung stehen, die am anderen Ufer zurückgeblieben sind? Als Antwort auf diese schwierige Frage sagen die Halbgötter in ihrem Gebet, daß das Boot gar nicht fortgenommen wurde. Die Geweihten, die auf der anderen Seite zurückgeblieben sind, können den Ozean der materiellen Natur ebenfalls überqueren, weil die reinen Gottgeweihten das Boot nicht mitnehmen, wenn sie hinüberfahren. Denn schon dadurch, daß man sich nur dem Boot nähert, wird der weite Ozean der materiellen Unwissenheit auf die Größe einer Pfütze im Hufabdruck eines Kalbes verkleinert.

Daher benötigen die reinen Gottgeweihten kein Boot, um ans andere Ufer zu gelangen - sie überqueren den Ozean mit Leichtigkeit, mit einem kleinen Schritt. Weil die großen Heiligen mit allen bedingten Seelen Mitleid haben, liegt das Boot immer noch bei den Lotosfüßen des Herrn. Man kann jederzeit über Seine Lotosfüße meditieren und auf diese Weise den Ozean der materiellen Unwissenheit überqueren.

Meditation bedeutet »Konzentration des Geistes auf die Lotosfüße des Herrn«. Das Wort »Lotosfüße« weist auf den Höchsten Persönlichen Gott hin. Die Anhänger der Unpersönlichkeitstheorie erkennen die Lotosfüße des Herrn nicht an, und daher ist ihr Objekt der Meditation etwas Unpersönliches. Die Halbgötter erklären jedoch eindeutig, daß diejenigen, die über etwas Leeres und Unpersönliches meditieren, den Ozean der Unwissenheit nicht überqueren können. Solche Menschen bilden sich nur ein, sie seien befreit.

Die Halbgötter sagten: »O Lotosäugiger, ihre Intelligenz ist unrein, da sie nicht über Deine Lotosfüße meditieren.«

Aufgrund dieses Fehlers fallen die Anhänger des Unpersönlichen wieder ins materielle, bedingte Leben zurück, obwohl sie vorübergehend die Stufe der unpersönlichen Verwirklichung erreichen mögen. Die Unpersönlichkeitsanhänger gehen, nachdem sie strenge Entsagungen und Bußen auf sich genommen haben, in die Brahman-Ausstrahlung, d. h. in die unpersönliche Brahman-Existenz ein. Doch ihr Geist ist nicht frei von materieller Verunreinigung; sie haben lediglich versucht, die materielle Denkweise zu negieren. Das bedeutet jedoch noch lange nicht, daß sie befreit sind; vielmehr fallen sie wieder herab. In der Bhagavad-gītā wird gesagt, daß es für die Unpersönlichkeitsanhänger sehr schwierig ist, das endgültige Ziel zu erreichen. Auch aus dem Srīmad-Bhāgavatam kann man erfahren, daß man aus der Gefangenschaft der Reaktionen hervorrufenden Tätigkeiten nicht befreit werden kann, wenn man nicht dem Höchsten Persönlichen Gott in hingebungsvoller Liebe dient. Diese Feststellung Śrī Kṛṣṇas ist in der Bhagavad-gītā zu finden; im Śrīmad Bhāgavatam wird diese Tatsache von dem großen Weisen Nārada bestätigt, und hier sagen es auch die Halbgötter: »Wer Dir nicht in liebender Hingabe dient, hat das endgültige Ziel der Erkenntnis nicht verstanden, denn er ist nicht mit Deiner Gnade gesegnet.«

Die Verehrer des Unpersönlichen bilden sich nur ein, sie seien befreit worden. In Wirklichkeit jedoch haben sie keine Vorstellung vom Persönlichen Gott. Sie glauben, Kṛṣṇa nehme einen materiellen Körper an, wenn Er in die materielle Welt kommt. Sie ignorieren also den transzendentalen Körper Kṛṣṇas. Dies wird ebenfalls in der Bhagavad-gītā (Bg. 9.11) bestätigt: Avajānanti mām mūḍhāḥ. Obwohl die Unpersönlichkeitsanhänger die materielle Lust besiegen und sich um Befreiung bemühen, fallen sie wieder zurück. Wenn sie sich Wissen nur um des Wissens willen aneignen und sich nicht im hingebungsvollen Dienst beschäftigen, können sie das ersehnte Ziel nicht erreichen. Was sie erreichen, ist die Mühe, die sie sich machen - sonst nichts. Es wird in der Bhagavad-gītā eindeutig gesagt, daß die Erkenntnis der eigenen Zugehörigkeit zum Brahman nicht alles ist. Die Identifizierung mit dem Brahman mag einem Menschen helfen, frei von materieller Anhaftung und Abneigung zu werden und die Ebene der Ausgeglichenheit und der Freude zu erreichen, doch von dieser Stufe muß man einen Schritt weitergehen und mit hingebungsvollem Dienen beginnen. Wer sich im hingebungsvollen Dienen beschäftigt, nachdem er die Ebene der Brahman-Erkenntnis erreicht hat, kann in das spirituelle Königreich eingehen, um dort für immer mit dem Höchsten Persönlichen Gott zusammenzusein. Das ist das Ergebnis des hingebungsvollen Dienens. Die Geweihten des Höchsten Persönlichen Gottes fallen niemals wieder zurück, wie die Anhänger des Unpersönlichen. Selbst wenn die Gottgeweihten straucheln, bleiben sie dem Höchsten Herrn in Liebe verbunden. Sie mögen auf dem Pfad des hingebungsvollen Dienens auf viele Hindernisse stoßen, doch können sie solche Hindernisse sehr leicht und ohne Furcht überwinden. Da sie dem Höchsten Herrn hingegeben sind, können sie sicher sein, daß Er sie, wie Er es in der Bhagavad-gītā verspricht, immer beschützen wird: »Meine Geweihten werden niemals besiegt.«

»O Herr«, beteten die Halbgötter, »Du bist zum Wohl aller Lebewesen in der materiellen Welt in Deiner ursprünglichen, reinen Gestalt, der ewigen Gestalt der Güte, erschienen. Wenn Du erscheinst, haben sie die Möglichkeit, Dein Wesen und Deine Gestalt zu verstehen. Die Menschen aller vier Stufen des Lebens (brahmacarya, gṛhasta, vānaprastha und sannyāsa) können bei Deinem Erscheinen bei Dir Zuflucht suchen. O Herr, Gemahl der Glücksgöttin, Gottgeweihte die Dir in Hingabe dienen, fallen nicht wieder von ihrer Stufe herab, wie die Verfechter der Unpersönlichkeitslehre. Von Dir beschützt können Deine Geweihten viele der Gehilfen māyās besiegen, die ihnen ständig Hindernisse auf dem Weg der Befreiung bereiten. O Herr, Du erscheinst zum Wohl aller Lebewesen in Deiner transzendentalen Gestalt, so daß sie Dich von Angesicht zu Angesicht sehen und Dir ihre verehrenden Opferungen, ihre mystische Meditation und ihre hingebungsvollen Dienste darbringen können, wie es in den Schriften empfohlen wird. O Herr, erschienest Du nicht in Deiner ewigen transzendentalen Gestalt, die voller Glückseligkeit und Wissen ist, dann würde jeder, je nach der Erscheinungsweise der materiellen Natur, von der er beherrscht wird, über Dich spekulieren.«

Die Halbgötter beten zu Krishna im MutterleibDas Erscheinen Kṛṣṇas ist die Antwort auf alle phantasiehaften Darstellungen des Höchsten Persönlichen Gottes. Jeder stellt sich die Gestalt des Höchsten Persönlichen Gottes gemäß der Erscheinungsweise der materiellen Natur vor, von der er beeinflußt wird. In der Brahma-saṁhitā wird gesagt, daß der Höchste Herr die älteste Person ist. Aus diesem Grunde glauben einige Menschen, Gott müsse sehr alt sein, und stellen Ihn daher als alten Mann dar. Doch in derselben Brahma-saṁhitā wird auch das genaue Gegenteil erklärt: »Obwohl Er der Älteste unter allen Lebewesen ist, ist Er dennoch von ewiger, jugendlicher Gestalt. Die genauen Worte, die in diesem Zusammenhang im Śrīmad-Bhāgavatam gebraucht werden, lauten: vijñānam ajñānabhid āpamārjanam. »Vijñānam« bedeutet »transzendentales Wissen von der Höchsten Person«. Vijñānam meint auch erfahrenes Wissen. Transzendentales Wissen, wie das Wissen, das Brahmā von Kṛṣṇa empfing und in der Brahma-saṁhitā darlegte, muß man durch die Nachfolge der geistigen Meister empfangen. Die Brahma-saṁhitā ist vijñānam, da das ihr zugrunde liegende Wissen von Brahmā in transzendentaler Verwirklichung erfahren wurde. Nur so war es ihm möglich, die Gestalt und die Spiele Kṛṣṇas in dessen transzendentalem Reich zu beschreiben. »Ajñānabhid« bedeutet »das, was alle Arten von Spekulationen widerlegen kann«. Unter dem Einfluß der Erscheinungsweise der Unwissenheit stellen sich die Menschen Gott nach ihrem Gutdünken vor: Manchmal hat Er eine Gestalt, und manchmal hat Er keine Gestalt. Die Darstellung in der Brahma-saṁhitā ist jedoch vijñānam — wissenschaftliches, verwirklichtes Wissen, das von Brahmā weitergegeben und von Śrī Caitanya angenommen wurde. Deshalb besteht kein Zweifel darüber. Die Gestalt Śrī Kṛṣṇas, Seine Flöte, Seine Hautfarbe - all das ist Realität. Hier wird gesagt, daß vijñānam alle Arten spekulativen Wissens besiegt.

Die Halbgötter beteten weiter: »Daher würde, wenn Du nicht als Kṛṣṇa, so wie Du bist, erscheinen würdest, niemand ajñānabhid (Wissen, das nicht auf Spekulationen beruht), noch vijñānam verwirklichen können. Ajñānabhid āpamārjanam - durch Dein Erscheinen jedoch wird die Unwissenheit spekulativen Wissens besiegt, und das wirkliche Wissen, das man von Autoritäten wie Brahmā empfängt, wird evident. Menschen, die von den drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur beeinflußt werden, schaffen sich, je nach den Erscheinungsweisen, von denen sie beherrscht werden, ihren eigenen Gott. Aus diesem Grunde wird Gott auf verschiedene Arten dargestellt, aber Du wirst die wirkliche Gestalt Gottes zeigen.«

Der größte Irrtum, dem die Verehrer des Unpersönlichen unterliegen, ist die Vorstellung, die Inkarnation Gottes nehme eine materielle Gestalt in der Erscheinungsweise der Reinheit an. In Wirklichkeit nämlich befindet sich die transzendentale Gestalt Kṛṣṇas bzw. Nārāyaṇas jenseits jeder materiellen Vorstellung. Sogar der bedeutendste Vertreter der Unpersönlichkeitslehre, Śaṅkarācārya, bestätigte: nārāyaṇaḥ paro 'vyaktāt. »Die materielle Schöpfung wird durch die avyakta -(unpersönliche) Manifestation der Materie bzw. die nicht-phänomenale, gesamte Ausbreitung der Materie verursacht, und Nārāyaṇa (Kṛṣṇa) ist transzendental zu dieser materiellen Natur.« Auch im Śrīmad-Bhāgavatam wird die Stellung Kṛṣṇas als śuddha-sattva, als transzendental, bezeichnet. Er befindet Sich nicht in der materiellen Erscheinungsweise der Reinheit, sondern steht über ihr. Er ist transzendental - ewig, voller Wissen und voller Glückseligkeit.

»O Herr«, fuhren die Halbgötter fort, »wenn Du in Deinen verschiedenen Inkarnationen erscheinst, nimmst Du, entsprechend den jeweiligen Umständen, verschiedene Namen und Formen an. Kṛṣṇa ist Dein Name, weil Du alles-anziehend bist, und Śyāmasundara wirst Du wegen Deiner transzendentalen Schönheit genannt. ›Śyāma‹ bedeutet ›schwärzlich‹, und dennoch wird gesagt, daß Du Tausende von Liebesgöttern an Schönheit übertriffst - kandarpa-koṭi-kamanīya. Obgleich Du in einer Farbe erscheinst, die mit der einer schwärzlichen Wolke verglichen wird, ist Deine Schönheit, da Du transzendental und absolut bist, um viele Male anziehender als die anmutige Gestalt des Liebesgottes. Du wirst Giridharī genannt, weil Du den Berg Govardhana emporgehoben hast, und Du wirst Nanda-nandana oder Vāsudeva oder Devakī-nandana genannt, weil Du als der Sohn von Mahārāja Nanda bzw. von Devakī und Vāsudeva erscheinst. Die Unpersönlichkeitsanhänger denken, Deine vielen Namen oder Gestalten entsprächen jeweils einer bestimmten Handlungsweise und Eigenschaft, weil sie Dich mit den Augen der Materialisten sehen.

O Herr, man kann Dein absolutes Wesen, Deine absolute Gestalt und Deine absoluten Taten nicht durch Spekulationen verstehen. Man muß sich im hingebungsvollen Dienen beschäftigen - dann erst kann man Dich wirklich erkennen. Im Grunde kann nur ein Mensch, der gewillt ist, Deinen Lotosfüßen zu dienen, Dein transzendentales Wesen, Deine transzendentale Gestalt und Deine transzendentalen Eigenschaften verstehen. Andere mögen Millionen von Jahren fortfahren zu spekulieren, doch es wird ihnen nicht gelingen, Deine wirkliche Position auch nur zu einem geringen Teil zu erkennen.«

Mit anderen Worten: Der Höchste Persönliche Gott, Kṛṣṇa, kann von Nicht-Gottgeweihten nicht verstanden werden, weil Er für sie von dem Schleier Yogamāyās bedeckt ist. In der Bhagavad-gītā wird dies vom Herrn bestätigt: nāhaṁ prakāśaḥ sarvasya. »Ich bin nicht allen und jedem sichtbar.« Als Kṛṣṇa erschien, war Er tatsächlich auf dem Schlachtfeld von Kurukṣetra anwesend, und jeder sah Ihn. Aber nicht jeder konnte verstehen, daß Er der Höchste Persönliche Gott war. Und dennoch - jeder, der in Seiner Gegenwart starb, wurde aus der materiellen Gefangenschaft befreit und in die spirituelle Welt erhoben.

»Lieber Herr«, beteten die Halbgötter weiter, »die Unpersönlichkeitsanhänger und Nicht-Gottgeweihten können nicht begreifen, daß Dein Name mit Deiner Gestalt identisch ist.«

Da der Herr absolut ist, besteht kein Unterschied zwischen Seinem Namen und Seiner Gestalt. In der materiellen Welt jedoch sind der Name und die Form eines Gegenstandes voneinander verschieden. Eine Mangofrucht z. B. ist von dem Wort »Mango« verschieden. Man kann den Geschmack der Mangofrucht nicht verspüren, wenn man lediglich »Mango, Mango, Mango« ruft. Der Gottgeweihte aber, der weiß, daß es keinen Unterschied zwischen dem Namen und der Gestalt Gottes gibt, chantet »Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa, Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare - Hare Rāma, Hare Rāma, Rāma Rāma, Hare Hare« und ist auf diese Weise ständig mit Kṛṣṇa zusammen. Für diejenigen, die im absoluten Wissen vom Höchsten noch nicht so weit fortgeschritten sind, offenbart Śrī Kṛṣṇa Seine transzendentalen Spiele. Indem man einfach an die Spiele des Herrn denkt, kann man Sein Bewußtsein reinigen und auf die spirituelle Ebene gelangen. Da zwischen dem transzendentalen Namen und der transzendentalen Gestalt kein Unterschied besteht, gibt es auch keinen Unterschied zwischen den transzendentalen Spielen und der Gestalt des Herrn. Für die weniger Intelligenten (wie Frauen, Arbeiter und Kaufleute) schrieb der große Weise Vyāsadeva das Mahābhārata, welches von Kṛṣṇa und Seinen verschiedenen Taten und Spielen berichtet. Das Mahābhārata schildert historische Begebenheiten, und einfach, indem er die transzendentalen Taten Kṛṣṇas studiert, über sie hört und sich an sie erinnert, kann auch der weniger intelligente Mensch allmählich die Befähigungen eines reinen Gottgeweihten entwickeln. Von den reinen Geweihten, die immer in Gedanken an Kṛṣṇas Lotosfüße versunken und ständig im hingebungsvollen Dienen in völligem Kṛṣṇa-Bewußtsein beschäftigt sind, sollte man niemals denken, sie befänden sich immer noch in der materiellen Welt. Śrīla Rūpa Gosvāmī erklärte, daß diejenigen, die ständig mit Körper, Geist und Taten im Kṛṣṇa-Bewußtsein beschäftigt sind, als befreit angesehen werden müssen - auch wenn sie sich noch in einem materiellen Körper befinden. Dies wird auch in der Bhagavad-gītā bestätigt. Dort heißt es, daß diejenigen, die dem Herrn in Liebe dienen, die Grenzen der materiellen Welt bereits überschritten haben. Kṛṣṇa erscheint, um sowohl Seinen Geweihten als auch den Nichtgeweihten die Möglichkeit zur Erkenntnis des eigentlichen Zieles des Lebens zu geben. Die Gottgeweihten erhalten die Gelegenheit, Ihn direkt, von Angesicht zu Angesicht zu sehen und zu verehren. Diejenigen, die sich noch nicht auf dieser Ebene befinden, bekommen die Möglichkeit, mit Seinen Spielen vertraut und auf diese Weise in die gleiche Position erhoben zu werden.

»O Herr«, beteten die Halbgötter weiter, »Du bist ungeboren, und daher finden wir für Dein Erscheinen keinen anderen Grund, als daß du kommst, um Dich Deiner transzendentalen Spiele zu erfreuen.«

Obwohl der Grund für das Erscheinen des Herrn in der Bhagavad-gītā erklärt wird (Er kommt, um die Gottgeweihten zu schützen und die Dämonen zu vernichten), erscheint Er in Wirklichkeit nur zur Freude Seiner Geweihten, und nicht, um die Nicht-Gottgeweihten zu töten. Die Nicht-Gottgeweihten könnten auch einfach durch die materielle Natur vernichtet werden.

»Die Aktionen und Reaktionen der äußeren Energie, der materiellen Natur (nämlich Schöpfung, Erhaltung und Vernichtung), geschehen automatisch«, sagten die Halbgötter, »doch Deine Geweihten sind, indem sie einfach bei Deinem heiligen Namen Schutz suchen, in Sicherheit; denn Dein heiliger Name und Deine Persönlichkeit sind nicht voneinander verschieden.«

Um die Gottgeweihten zu schützen und die Dämonen zu vernichten, braucht der Höchste Persönliche Gott nicht unbedingt Selbst zu kommen. Er erscheint nur aus Seiner transzendentalen Freude - es kann keinen anderen Grund geben.

»O Herr, Du erscheinst als der Beste der Yadu-Dynastie, und wir bringen Deinen Lotosfüßen unsere respektvollen, demütigen Ehrerbietungen dar. Vor Deinem jetzigen Erscheinen bist Du bereits in einer Inkarnation als Fisch erschienen, ein anderes Mal als Pferd, dann als Schildkröte, als Schwan, als König Rāmacandra, als Paraśurāma und in vielen anderen Inkarnationen. Du erscheinst nur, um Deine Geweihten zu schützen, und daher bitten wir Dich, daß Du uns auch in Deiner gegenwärtigen Erscheinung als der Höchste Persönliche Gott in allen drei Welten Schutz gewähren mögest und alles beseitigst, was uns daran hindert, in Frieden zu leben.

Liebe Mutter Devakī, in Deinem Leib befindet Sich der Höchste Persönliche Gott, der zusammen mit all Seinen vollständigen Erweiterungen erscheint. Er ist der Ursprüngliche Persönliche Gott, der zu unserem Wohl erscheint; daher brauchst du Dich vor Deinem Bruder, dem König von Bhoja, nicht zu fürchten. Dein Sohn, Kṛṣṇa, der Ursprüngliche Persönliche Gott, kommt zum Schutz der frommen Yadu-Dynastie. Er erscheint nicht allein, sondern wird von Seiner unmittelbaren, vollständigen Erweiterung, Balarāma, begleitet.«

Devakī fürchtete sich sehr vor ihrem Bruder Kaṁsa, weil dieser bereits sechs ihrer acht Kinder getötet hatte. Daher war sie um Kṛṣṇa sehr in Sorge. Im Viṣṇu-Purāṇa wird gesagt, daß alle Halbgötter mit ihren Frauen Devakī des öfteren besuchten, um sie zu beruhigen und sie zu ermutigen, keine Angst zu haben, daß ihr Sohn von Kaṁsa getötet werde. Kṛṣṇa, der in ihrem Leib war, erscheine nicht nur, um die Welt von ihrer Last zu befreien, sondern vor allem, um die Yadu-Dynastie und natürlich Devakī und Vāsudeva zu beschützen.

Hiermit enden die Erklärungen Bhaktivedantas zum 2. Kapitel des Buches Kṛṣṇa: »Die Gebete der Halbgötter an Kṛṣṇa und Seine Mutter Devakī.«.