Śrī Īśopaniṣad - im HTML Format zum Online Lesen


Sri Isopanisad

von A.C Bhaktivedanta Swami Prabhupāda
 


Śrī Īśopaniṣad | Zehnter Mantra

अन्यद् एवाहुर् विद्ययान् यद् आहुर् अविद्यया।
इति शुश्रुम धीराणां ये नस् तद् विचचक्षिरे॥ १०॥

anyad evāhur vidyayān yad āhur avidyayā |
iti śuśruma dhīrāṇāṁ ye nas tad vicacakṣire || 10 ||

anyat – anders; eva – zweifellos; āhuḥ – gesagt; vidyayā – durch Bildung von Erkenntnis; anyat – anderes; āhuḥ – gesagt; avidyayā – Unwissenheit; iti – auf diese Weise; śuśruma – gehört; dhirāṇām – die nicht von der Materie Beeinflußten; ye – jene; naḥ – uns; tat – das; vicacakṣire – erklärt.

ÜBERSETZUNG

Die Weisen sagen, daß das Bemühen um Erkenntnis sich auf eine andere Art auswirkt als die Förderung der Unwissenheit.

ERKLÄRUNG

Die Bhagavad-gītā sagt im dreizehnten Kapitel, daß praktische Erkenntnis auf folgende Weise erlangt werden kann:

1. Man muß selbst ein Mensch von feinem Wesen werden und lernen, nicht sich selbst, sondern anderen Menschen Respekt zu erweisen.

2. Man darf sich nicht als ein religiöser Mensch ausgeben, um sich auf diese Weise Namen und Ruhm zu verschaffen.

3. Man darf anderen weder durch Handlungen des Körpers und des Geistes, noch durch Worte Anlaß zur Beängstigung geben.

4. Man muß Nachsicht üben, auch wenn man von anderen provoziert wird.

5. Man muß lernen, in seinem Umgang mit anderen Falschheit zu vermeiden.

6. Man muß einen echten geistigen Meister haben, der einen allmählich auf die Stufe der geistigen Erkenntnis erheben kann, und solch einem Ācārya, einem geistigen Meister, muß man sich hingeben, ihm dienen und aufschlußreiche Fragen stellen.

7. Man muß den regulierenden Prinzipien folgen, die in den Offenbarungsurkunden niedergelegt sind, um der Stufe der Selbsterkenntnis näherzukommen.

8. Man muß in den Lehren der Offenbarungsurkunden verankert sein.

9. Man muß sich vollkommen den Praktiken enthalten, die dem Interesse der Selbsterkenntnis entgegenstehen.

10. Man soll nicht mehr Nahrung zu sich nehmen, als für die Erhaltung des Körpers nötig ist.

11. Man darf sich nicht fälschlicherweise mit der stofflichen Hülle des grobstofflichen Körpers identifizieren, noch die Menschen als sein Eigen ansehen, die mit dem eigenen Körper verwandt sind.

12. Man muß sich immer daran erinnern, daß man den Leiden der sich wiederholenden Geburten, dem Tode, dem Alter und den Krankheiten ausgesetzt ist, solange man den stofflichen Körper hat. Es hat keinen Sinn, Pläne zu schmieden, um sich von den Leiden des stofflichen Körpers zu befreien. Das beste ist, den Weg zu finden, durch den man seine überweltliche Identität wiedererlangen kann.

13. Man darf nicht an mehr als an den zum Leben notwendigen Dingen hängen, um auf dem Weg der Erkenntnis Fortschritte machen zu können.

14. Man soll nur in dem Grade an Frau, Kind und Haus hängen, wie in den Offenbarungsurkunden empfohlen wird.

15. Man soll in Bezug auf das Erwünschte und Unerwünschte, welches einzig dem Geist entspringt, weder glücklich noch unglücklich sein.

16. Man muß sein Leben dem höchsten persönlichen Gott, Śrī Kṛṣṇa, weihen und Ihm mit ungeteilter Aufmerksamkeit dienen.

17. Man soll das Gefühl dafür entwickeln, an einem abgesonderten Ort mit ruhiger und stiller Atmosphäre wohnen zu wollen, die der überweltlichen Erkenntnis förderlich ist und die überfüllten Orte meiden, an denen die Nicht-Gottgeweihten sich zusammenfinden.

18. Man muß Wissenschaftler, Philosoph werden und nach geistiger Erkenntnis forschen – nicht nach materieller Erkenntnis – und erkennen, daß das transzendentale Wissen unvergänglich ist, während materielles Wissen mit dem Tod des Körpers endet.

Diese achtzehn Punkte bilden einen allmählich sich entfaltenden Vorgang, durch den wirkliche Erkenntnis entsteht. Außer diesen achtzehn Punkten werden alle anderen Punkte in die Kategorie der Unwissenheit eingestuft. Śrīla Bhaktivinode Ṭhākur, ein großer Ācārya, sagte, daß alle Arten materieller Erkenntnis nur äußere Aspekte der Illusionskraft seien; widmen wir uns solcher Erkenntnis, dann haben wir dem Esel nichts voraus. Hier in der Śrī Īśopaniṣad wird dasselbe Prinzip wiederholt. Fortschritt in materieller Erkenntnis bedeutet in Wirklichkeit, einen Menschen auf die Stufe eines Esels zurückzuversetzen. Einige materialistische Politiker, die vorgeben, geistige Erkenntnis zu besitzen, verurteilen die heutige Zivilisation als satanisch, aber leider sind sie nicht daran interessiert, nach den Grundsätzen der Bhagavad-gītā wirkliche Erkenntnis zu erlangen. Deshalb sind sie nicht imstande, den entarteten Zustand zu ändern.

Heutzutage glauben sogar die Kinder, sich selbst genug zu sein, und deshalb erweisen sie den Älteren keinen Respekt. Aufgrund der falschen Erziehungsmethoden an unseren Universitäten machen die jungen Menschen in aller Welt den Älteren Sorgen. Deshalb ermahnt uns die Śrī Īśopaniṣad sehr eindringlich, die Förderung der Unwissenheit von dem Streben nach Erkenntnis zu unterscheiden. Die Universitäten sind nichts weiter als Zentren vollkommener Unwissenheit. Infolgedessen erfinden die Wissenschaftler tödliche Waffen, um andere Länder damit zu vernichten.

Die Studenten der Universitäten werden heutzutage nicht über die regulierenden Prinzipien des Brahmacarya, des geistigen Lebens, unterrichtet, noch glauben sie an die verschiedenen Unterweisungen der heiligen Schriften. Die Prinzipien der Religion werden nur gelehrt, um damit Namen und Ruhm zu erwerben und nicht, um praktisch danach zu handeln. Deshalb herrschen nicht nur auf sozialen und politischen Gebieten Feindseligkeiten, sondern auch im Bereiche der Religion.

Auch der Nationalismus in den verschiedensten Teilen der Welt hat sich aufgrund der unzulänglichen Erziehung der Menschen entwickelt. Die Menschen wissen nicht, daß diese winzige Erde nur ein Häufchen Materie ist, das mit vielen anderen Teilchen im unermeßlichen Stoffesraum umherschwebt. Verglichen mit der Unermeßlichkeit des Raumes sind diese stofflichen Teilchen wie Staubpartikel in der Luft. Weil Gott gütigerweise diese Teilchen der Materie als in sich selbst vollkommen erschaffen hat, sind sie mit allem notwendigen Zubehör vollkommen ausgestattet, um im Raum umherschweben zu können. Die Lenker unserer Raumfahrzeuge sind sehr stolz auf ihre Errungenschaften, aber ihr Blick richtet sich nicht auf den Höchsten Lenker jener viel großartigeren, gigantischen Satelliten, die Planeten genannt werden.

Es gibt unzählige Sonnen, die sich im Raum befinden und unzählige Konstellationen der Planetensysteme. Wir winzigen Kreaturen, unscheinbare Teile des höchsten Herrn, versuchen, diese unendlich vielen Planeten im Laufe der sich wiederholenden Geburten und Tode zu beherrschen, aber im allgemeinen wird das durch Alter und Krankheit verhindert. Die Lebenserwartung eines Menschen beträgt ungefähr hundert Jahre, obgleich diese sich allmählich bis zu zwanzig oder dreißig Lebensjahren verringern wird. Aufgrund ihrer Erziehung, die auf vollkommener Unwissenheit beruht, haben die verblendeten Menschen ihren eigenen Nationalismus innerhalb dieser Planeten geschaffen, um sich für diese wenigen zwanzig oder dreißig Jahre an den Sinnesgenuß zu klammern. Diese verblendeten Menschen entwerfen unzählige Pläne, um irgendeinen abgegrenzten Teil dieser Erde so vollkommen wie möglich zu machen, was letzten Endes lächerlich ist. Und aufgrund dessen ist jede Nation Anlaß zur Beunruhigung für die anderen Nationen geworden. Mehr als fünfzig Prozent ihrer Kraft wird an Verteidigungsmaßnahmen verschwendet, ohne sich um die Bildung wirklichen Wissens zu kümmern, und fälschlicherweise sind sie stolz darauf, in materieller wie auch geistiger Erkenntnis Fortschritte zu machen.

Die Śrī Īśopaniṣad warnt uns vor dieser Art der Fehlerziehung, und die Bhagavad-gītā unterweist uns darin, wie wir wirkliches Wissen entwickeln können. In diesem Mantra wird darauf hingewiesen, daß die Unterweisung von Vidyā, d.h. Wissen, von einem Dhīra empfangen werden muß. Dhīra bedeutet ungestört, nicht durch materielle Illusion verwirrt. Niemand kann ungestört sein, wenn ihm nicht vollkommene geistige Erkenntnis zuteil geworden ist. Wenn einem vollkommene geistige Erkenntnis zuteil geworden ist, dann verlangt man nicht mehr nach Dingen, die man erworben hat, noch klagt man über Dinge, die verloren gingen. Solch ein Dhīra hat erkannt, daß der stoffliche Körper und Geist, die er durch zufällige stoffliche Verbindung erlangt hat, Fremdstoffe sind, und deshalb zieht er den bestmöglichen Nutzen aus seinem unglückseligen Zustand.

Der stoffliche Körper und Geist sind ein unglückseliger Zustand für das geistige Lebewesen. Dem Lebewesen obliegen verschiedene Funktionen in der lebendigen Welt, aber diese stoffliche Welt ist leblos. Solange die lebendigen geistigen Funken die leblosen Teilchen der Materie manipulieren, solange erscheint diese leblose Welt wie eine lebendige Welt. Aber in Wirklichkeit sind es die lebendigen Seelen, die wesentliche Bestandteile des höchsten lebenden Wesens sind, die die Welt bewegen. Die Dhīras sind diejenigen, die all diese Tatsachen durch das Hören von höherstehenden Autoritäten wissen, und die sie durch das Befolgen der regulierenden Prinzipien erkannt haben.

Um den regulierenden Prinzipien folgen zu können, muß man Zuflucht bei einem echten geistigen Meister suchen. Die transzendentale Botschaft kommt mit den regulierenden Prinzipien vom Geisteslehrer zum Schüler und nicht auf dem riskanten Weg der Erziehung, die auf vollständiger Unwissenheit beruht. Nur durch solch ergebenes Hören kann man ein Dhīra werden. In der Bhagavad-gītā wurde Arjuna durch ergebenes Hören der Worte des persönlichen Gottes ein Dhīra. Der vollkommene Schüler muß wie Arjuna sein, und der geistige Meister muß wie der Herr, wie Gott, sein. Das ist der Weg, durch den man vom Dhīra, von dem Ungestörten, Wissen empfangen kann.

Adhīra ist jemand, der nicht die Ausbildung eines Dhīra empfangen hat und der daher kein leitendes Vorbild sein kann. Die heutigen Politiker, die sich als Dhīras ausgeben, sind in Wirklichkeit Adhīras. Von ihnen kann man kein vollkommenes Wissen erwarten. Sie sind zu sehr mit ihren Vergütungen in Form von Dollars und Mark in Anspruch genommen. Wie könnten sie da wohl die Bevölkerung auf den richtigen Weg der Selbsterkenntnis führen? Man muß in ergebener Haltung von einem Dhīra hören, um wirklicher Bildung in seinem Leben teilhaftig zu werden. » weiter

 

Lotus - Sri Isopanisad