Original Version 1. Auflage 1974 - von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada
- Bhagavad-gītā - Wie Sie Ist -
Erstes Kapitel
Die Armeen auf dem Schlachtfeld von Kurukṣetra
VERS 1
धृतराष्ट्र उवाच ।
धर्मक्षेत्रे कुरुक्षेत्रे समवेता युयुत्सवः ।
मामकाः पाण्डवाश्चैव किमकुर्वत सञ्जय ॥१॥
dhṛtarāṣṭra uvāca
dharma-kṣetre kuru-kṣetre
samavetā yuyutsavaḥ
māmakāḥ pāṇḍavāś caiva
kīm akurvata sañjaya
dhṛtarāṣṭraḥ – König Dhṛtarāṣṭra; uvāca – sagte; dharma-kṣetre – an der Pilgerstätte; kuru-kṣetre – an dem Ort, der Kurukṣetra genannt wird; samavetāḥ – versammelt; yuyutsavaḥ – danach verlangen zu kämpfen; māmakāḥ – meine Partei (Söhne); pāṇḍavāḥ – die Söhne Pāṇḍus; ca – und; eva – gewiß; kīm – was; akurvata – taten sie; sañjaya – O Sañjaya.
ÜBERSETZUNG
Dhṛtarāṣṭra sagte: O Sañjaya, was taten meine Söhne und die Söhne des Pāṇḍu, als sie sich an der Stätte der Pilgerfahrten, in Kurukṣetra, versammelt hatten und danach verlangten zu kämpfen?
ERKLÄRUNG
Bhagavad-gītā ist die viel gelesene Schrift der Wissenschaft von Gott, die in der Gītā-māhātmya (Verherrlichung der Gītā) zusammengefaßt ist. Dort wird gesagt, daß man die Bhagavad-gītā unter der Anleitung eines reinen Geweihten Śrī Kṛṣṇas sehr sorgfältig studieren sollte und versuchen sollte, sie frei von subjektiv motivierten Interpretationen zu verstehen. Wie die Bhagavad-gītā zu verstehen ist, wird in der Gītā selbst gesagt: man muß diese Lehre wie Arjuna aufnehmen, der die Gītā direkt vom Herrn hörte. Wenn jemand in der glücklichen Lage ist, die Bhagavad-gītā in dieser Nachfolge der geistigen Meister, ohne eigene Interpretation, zu verstehen, läßt er alle Studien der vedischen Weisheit und das Studium aller Schriften der Welt hinter sich. Man wird in der Bhagavad-gītā all das finden, was in anderen Schriften enthalten ist, aber der Leser wird auch Dinge erfahren, die an anderer Stelle nicht zu finden sind. Das ist die besondere Bedeutung der Gītā. Sie ist die vollkommene Gotteswissenschaft, weil sie direkt vom Höchsten Persönlichen Gott, Śrī Kṛṣṇa, gesprochen wird.
Die Themen, die von Dhṛtarāṣṭra und Sañjaya besprochen wurden, und die im Mahābhārata beschrieben sind, bilden die Grundlage dieser bedeutenden Philosophie.
Man muß verstehen, daß diese Philosophie auf dem Schlachtfeld von Kurukṣetra offenbart wurde, das schon seit den längst vergangenen Zeiten der vedischen Kultur eine heilige Pilgerstätte ist. Sie wurde vom Herrn gesprochen, als Er auf diesem Planeten persönlich erschienen war, um die Menschheit zu unterweisen.
Das Wort dharma-kṣetra (ein Ort, an dem religiöse Rituale vollzogen werden) ist bedeutsam, weil auf dem Schlachtfeld von Kurukṣetra der Höchste Persönliche Gott auf der Seite Arjunas stand. Dhṛtarāṣṭra, der Vater der Kurus, hatte am endgültigen Sieg seiner Söhne starke Zweifel, und so fragte er seinen Sekretär Sañjaya: „Was taten meine Söhne und die Söhne Pāṇḍus?“ Er wußte, daß sich sowohl seine Söhne als auch die Söhne seines jüngeren Bruders Pāṇḍu auf dem Schlachtfeld von Kurukṣetra zu einer Entscheidungsschlacht versammelt hatten, aber dennoch ist seine Frage von Bedeutung. Er wünschte keinen Kompromiß zwischen den Vettern und Brüdern und wollte über das Schicksal seiner Söhne auf dem Schlachtfeld Gewißheit haben. Da es so arrangiert war, daß diese Schlacht auf der geheiligten Erde von Kurukṣetra gekämpft werden sollte, das an einer anderen Stelle in den Veden als eine Stätte der Verehrung – selbst für die Bewohner der himmlischen Planeten – erwähnt wird, war Dhṛtarāṣṭra über den Einfluß des heiligen Ortes auf den Ausgang der Schlacht mit großer Sorge erfüllt. Er wußte sehr wohl, daß die Pilgerstätte Arjuna und dessen Brüder günstig beeinflussen würde, da sie alle von Natur aus tugendhaft waren. Sañjaya war ein Schüler Vyāsas, und daher war er durch die Barmherzigkeit Vyāsas befähigt, das Schlachtfeld von Kurukṣetra intuitiv vor sich zu sehen, obwohl er sich im Zimmer Dhṛtarāṣṭras befand. Somit befragte ihn Dhṛtarāṣṭra über die Lage auf dem Schlachtfeld.
Obwohl die Pāṇḍavas und die Söhne Dhṛtarāṣṭras derselben Familie angehörten, behauptete Dhṛtarāṣṭra dennoch in böser Absicht, daß nur seine Söhne Kurus seien, und schloß die Söhne Pāṇḍus vom Familienerbe aus. Man kann somit die besondere Position Dhṛtarāṣṭras in seiner Beziehung zu seinen Neffen, den Söhnen Pāṇḍus, verstehen. Schon jetzt zu Beginn kann man ahnen, daß, genau wie in einem Reisfeld die überflüssigen Pflanzen ausgerissen werden, auf dem geheiligten Feld von Kurukṣetra, wo der Vater der Religion, Śrī Kṛṣṇa, anwesend war, die unerwünschten Pflanzen wie Dhṛtarāṣṭras Sohn Duryodhana und andere vernichtet werden würden und den religiösen Menschen, angeführt von Yudhiṣṭhira, vom Herrn die Herrschaft übertragen werden würde. Dies ist die Bedeutung der Worte dharma-kṣetre und kuru-kṣetre, wenn man sie einmal losgelöst von ihrem geschichtlichen und vedischen Inhalt betrachtet.
VERS 2
सञ्जय उवाच ।
दृष्ट्वा तु पाण्डवानीकं व्यूढं दुर्योधनस्तदा ।
आचार्यमुपसंगम्य राजा वचनमब्रवीत् ॥२॥
sañjaya uvāca
dṛṣṭvā tu pāṇḍavānīkaṁ
vyūḍhaṁ duryodhanas tadā
ācāryam upasaṅgamya
rājā vacanam abravīt
sañjayaḥ – Sañjaya; uvāca – sagte; dṛṣṭvā – nachdem er gesehen hatte; tu – aber; pāṇḍava-anīkam – die Soldaten der Pāṇḍavas; vyūḍham – in militärischer Ordnung aufgestellt; duryodhanaḥ – König Duryodhana; tadā – zu dieser Zeit; ācāryam – der Lehrer; upasaṅgamya – ging zu ihm, da er in der Nähe war; rājā – der König; vacanam – Worte; abravīt – sprach.
ÜBERSETZUNG
Sañjaya sagte: O König, nachdem König Duryodhana über die Armee geblickt hatte, die von den Söhnen Pāṇḍus aufgestellt worden war, ging er zu seinem Lehrer und sprach folgende Worte:
ERKLÄRUNG
Dhṛtarāṣṭra war von Geburt an blind, und unglücklicherweise mangelte es ihm auch an spiritueller Sicht. Er wußte sehr wohl, daß seine Söhne, was Religion anbetraf, gleichermaßen blind waren, und er war überzeugt, daß sie sich niemals mit den Pāṇḍavas einigen konnten, die alle von Geburt an fromm waren. Dennoch fürchtete er den Einfluß der Pilgerstätte, und Sañjaya konnte verstehen, warum er Fragen über die Lage auf dem Schlachtfeld stellte. Er wollte daher den König ermutigen und machte ihn somit warnend darauf aufmerksam, daß seine Söhne nicht bereit seien, unter dem Einfluß der heiligen Stätte irgendeine Art von Kompromiß zu schließen. Sañjaya teilte dem König deshalb mit, daß sein Sohn Duryodhana, nachdem er die militärische Stärke der Pāṇḍavas gesehen habe, sofort zu seinem Oberbefehlshaber Droṇācārya gegangen sei, um ihn über die wirkliche Lage zu informieren. Obwohl Duryodhana König war, mußte er dennoch, aufgrund der ernsten Lage, zu seinem Befehlshaber gehen. Er war daher durchaus geeignet, Politiker zu werden. Aber Duryodhanas diplomatische Scheinheiligkeit konnte nicht die Furcht verbergen, die er verspürte, wenn er die militärische Aufstellung der Pāṇḍavas sah.
VERS 3
पश्यैतां पाण्डुपुत्राणामाचार्य महतीं चमूम् ।
व्यूढां द्रुपदपुत्रेण तव शिष्येण धीमता ॥३॥
paśyaitāṁ pāṇḍu-putrāṇām
ācārya mahatīṁ camūm
vyūḍhāṁ drupada-putreṇa
tava śiṣyeṇa dhīmatā
paśya – betrachte; etām – diese; pāṇḍu-putrāṇām – die Söhne Pāṇḍus; ācārya – O Lehrer; mahatīm – große; camūm – Streitmacht; vyūḍhām – aufgestellt; drupada-putreṇa – von dem Sohn des Drupada; tava – deinem; śiṣyeṇa – Schüler; dhīmatā – sehr intelligent.
ÜBERSETZUNG
O mein Lehrer, betrachte die gewaltige Armee der Söhne Pāṇḍus, die so geschickt von deinem intelligenten Schüler, dem Sohn Drupaḍas, aufgestellt wurde.
ERKLÄRUNG
Duryodhana, ein großer Diplomat, wollte auf die Schwächen Droṇācāryas, des großen brāhmaṇa-Oberbefehlshabers, hinweisen. Droṇācārya hatte mit König Drupada, dem Vater Draupadīs, die Arjunas Gattin war, einige politische Streitigkeiten gehabt, woraufhin Drupada ein großes Opfer darbrachte, durch das er mit einem Sohn gesegnet wurde, der imstande war, Droṇācārya zu töten. Droṇācārya wußte dies nur allzu genau, und dennoch zögerte er als freimütiger brāhmaṇa nicht, dem Sohn Drupadas, Dhṛṣṭadyumna, all seine militärischen Geheimnisse mitzuteilen, als dieser ihm zur militärischen Erziehung anvertraut wurde. Nun, auf dem Schlachtfeld von Kurukṣetra, wählte Dhṛṣṭadyumna die Seite der Pāṇḍavas, und er war es, der ihre Schlachtordnung aufstellte, nachdem er die Kunst von Droṇācārya erlernt hatte. Duryodhana machte Droṇācārya auf diesen Fehler aufmerksam, damit dieser während des Kampfes wachsam und unnachgiebig wäre. Auf diese Weise wollte er außerdem darauf hinweisen, daß Droṇācārya in der Schlacht gegen die Pāṇḍavas, die zudem noch seine liebsten Schüler waren, keine Nachsicht üben solle. Besonders Arjuna war sein liebster und hervorragendster Schüler. Duryodhana warnte auch davor, daß solche Nachsicht im Kampf zu einer Niederlage führen würde.
VERS 4
अत्र शूरा महेष्वासा भीमार्जुनसमा युधि ।
युयुधानो विराटश्च द्रुपदश्च महारथः ॥४॥
atra śūrā maheṣvāsā
bhīmārjuna-samā yudhi
yuyudhāno virāṭaś ca
drupadaś ca mahā-rathaḥ
atra – hier; śūrāḥ – Helden; maheṣvāsāḥ – mächtige Bogenschützen; bhīma-arjuna – Bhīma und Arjuna; samāḥ – ebenbürtig; yudhi – im Kampf; yuyudhānaḥ – Yuyudhāna; virāṭaḥ – Virāṭa; ca – auch; drupadaḥ – Drupada; ca – auch; mahā-rathaḥ – großer Kämpfer.
ÜBERSETZUNG
In dieser Armee gibt es viele heldenhafte Bogenschützen, die Bhīma und Arjuna im Kampf ebenbürtig sind. Auch sind dort große Kämpfer wie Yuyudhāna, Virāṭa und Drupada.
ERKLÄRUNG
Obwohl Dhṛṣṭadyumna angesichts der hervorragenden Fähigkeiten Droṇācāryas auf dem Gebiet der Kriegführung kein sehr großes Hindernis war, gab es dennoch viele andere, die Anlaß zu Befürchtungen gaben. Sie werden von Duryodhana als große Hindernisse auf dem Weg zum Sieg bezeichnet, denn jeder einzelne von ihnen war ebenso furchterregend wie Bhīma und Arjuna. Er kannte die Stärke Bhīmas und Arjunas und verglich daher die anderen mit ihnen.
VERS 5
धृष्टकेतुश्चेकितानः काशिराजश्च वीर्यवान् ।
पुरुजित्कुन्तिभोजश्च शैब्यश्च नरपुङ्गवः ॥५॥
dhṛṣṭaketuś cekitānaḥ
kāśirājaś ca vīryavān
purujit kuntibhojaś ca
śaibyaś ca nara-puṅgavaḥ
dhṛṣṭaketuḥ – Dhṛṣṭaketu; cekitānaḥ – Cekitāna; kāśīrājaḥ – Kāśirāja; ca – auch; vīryavān – sehr mächtig; purujit – Purujit; kuntībhojaḥ – Kuntibhoja; ca – und; śaībyaḥ – Śaibya; ca – und; nara-pungavaḥ – Helden der menschlichen Gesellschaft.
ÜBERSETZUNG
Dort sind auch so bedeutende, heldenhafte und mächtige Kämpfer wie Dhṛṣṭaketu, Cekitāna, Kāśirāja, Purujit, Kuntibhoja und Śaibya.
VERS 6
युधामन्युश्च विक्रान्त उत्तमौजाश्च वीर्यवान् ।
सौभढ्रो ढ्रौपदेयाश्च सर्व एव महारथाः ॥६॥
yudhāmanyuś ca vikrānta
uttamaujāś ca vīryavān
saubhadro draupadeyāś ca
sarva eva mahā-rathāḥ
yudhāmanyuḥ – Yudhāmanyu; ca – und; vīkrāntaḥ – mächtig; uttamanjāḥ – Uttamanjā; ca – und; vīryavān – sehr mächtig; saubhadraḥ – der Sohn der Subhadrā; draupadeyāḥ – der Sohn der Draupadī; ca – und; sarve – alle; eva – gewiß; mahā-rathāḥ – große Wagenkämpfer.
ÜBERSETZUNG
Dort stehen der gewaltige Yudhāmanyu, der machtvolle Uttamanjā, der Sohn Śubhadrās und die Söhne Draupadīs. All diese Krieger sind große Wagenkämpfer.
VERS 7
अस्माकन्तु विशिष्टा ये तान्निबोध द्विजोत्तम ।
नायका मम सैन्यस्य संज्ञार्थं तान्ब्रवीमि ते ॥७॥
asmākaṁ tu viśiṣṭā ye
tān nibodha dvijottama
nāyakā mama sainyasya
saṁjñārthaṁ tān bravīmi te
asmākam – unser; tu – aber; vīśiṣtāḥ – besonders mächtig; ye – diejenigen; tān – ihnen; nibodha – beachte bitte, sei unterrichtet; dvijottama – der Beste der brāhmaṇas; nāyakāḥ – Hauptleute; mama – meine; sainyasya – der Soldaten; saṁjñā-artham – zur Information; tān – ihnen; bravīmi – ich spreche; te – dir.
ÜBERSETZUNG
O Bester der brāhmaṇas, laß mich dir zu deiner Information mitteilen, welche Hauptleute besonders geeignet sind, unsere Streitmacht zu führen.
VERS 8
भवान्भीष्मश्च कर्णश्च कृपश्च समितिञ्जयः ।
अश्वत्थामा विकर्णश्च सौमदत्तिर्जयद्रथः ॥८॥
bhavān bhīṣmaś ca karṇaś ca
kṛpaś ca samitiñjayaḥ
aśvatthāmā vikarṇaś ca
saumadattis tathaiva ca
bhavān – du selbst; bhīṣmah – Großvater Bhīṣma; ca – auch; karṇaḥ – Karṇa; ca – und; kṛpaḥ – Kṛpa; ca – und; samitiñjayaḥ – in der Schlacht immer siegreich; aśvatthāmā – Aśvatthāmā; vikarṇah – Vikarṇa; ca – ebenso wie; saumadattiḥ – der Sohn des Somadatta; tathā – und wie; eva – gewiß; ca – und.
ÜBERSETZUNG
Es sind Persönlichkeiten wie du selbst, wie Bhīṣma, Karṇa, Kṛpa, Aśvatthāmā, Vikarṇa und der Sohn Somadattas, Bhuriśravā, die im Kampf immer siegreich sind.
ERKLÄRUNG
Duryodhana erwähnte die herausragenden Helden der Schlacht, die alle immer siegreich sind. Vikarṇa ist der Bruder Duryodhanas, Aśvatthāmā ist der Sohn Droṇācāryas, und Saumadatti oder Bhuriśravā ist der Sohn des Königs der Bhaliker. Karṇa ist der Halbbruder Arjunas, da er von Kuntī geboren wurde, bevor sie König Pāṇḍu heiratete. Kṛpācārya heiratete die Zwillingsschwester Droṇācāryas.
VERS 9
अन्ये च बहवः शूरा मदर्थे त्यक्तजीविताः ।
नानाशस्त्रप्रहरणाः सर्वे युद्धविशारदाः ॥९॥
anye ca bahavaḥ śūrā
mad-arthe tyakta-jīvitāḥ
nānā-śastra-praharaṇāḥ
sarve yuddha-viśāradāḥ
anye – viele andere; ca – auch; bahavaḥ – in großer Zahl; śūrāḥ – Helden; mad-arthe – mir zuliebe; tyakta-jīvitāḥ – bereit, das Leben zu riskieren; nānā – viele; śastra – Waffen; praharaṇāḥ – ausgerüstet mit; sarve – sie alle; yuddhā – Schlacht; viśāradāḥ – in der militärischen Wissenschaft erfahren.
ÜBERSETZUNG
Es gibt noch viele andere Helden, die bereit sind, ihr Leben für mich zu opfern. Sie alle sind sehr gut mit verschiedenartigen Waffen ausgerüstet und in der militärischen Wissenschaft erfahren.
ERKLÄRUNG
Auch die anderen Kämpfer auf seiten der Kurus, wie zum Beispiel Jayadratha, Kṛtavarmā oder Śalya, sind alle entschlossen, ihr Leben für Duryodhana zu opfern. Mit anderen Worten, es ist schon entschieden, daß sie alle in der Schlacht von Kurukṣetra sterben werden, da sie sich der Partei des sündigen Duryodhana angeschlossen haben. Aufgrund der obenerwähnten vereinigten Kräfte seiner Freunde war Duryodhana von seinem Sieg überzeugt.
VERS 10
अपर्याप्तं तदस्माकं बलं भीष्माभिरक्षितम् ।
पर्याप्तं त्विदमेतेषां बलं भीमाभिरक्षितम् ॥१०॥
aparyāptaṁ tad asmākaṁ
balaṁ bhīṣmābhirakṣītam
paryāptaṁ tv idam eteṣāṁ
balaṁ bhīmābhirakṣitam
aparyāptam – unermeßlich; tat – das; asmākam – unsere; balam – Stärke; bhīṣma – von Großvater Bhīṣma; abhīrakṣitam – vollkommen geschützt; paryāptam – begrenzt; tu – aber; idam – all diese; eteṣām – der Pāṇḍavas; balam – Stärke; bhīma – von Bhīma; abhirakṣitam – sorgfältig beschützt.
ÜBERSETZUNG
Unsere Stärke ist unermeßlich, und wir werden von Großvater Bhīṣma in jeder Hinsicht beschützt, wohingegen die Stärke der Pāṇḍavas, die von Bhīma sorgfältig geschützt werden, begrenzt ist.
ERKLÄRUNG
Hier wird von Duryodhana das Stärkeverhältnis abgeschätzt. Er glaubt, die Stärke seiner Streitkräfte sei unermeßlich, da sie vom erfahrensten General, von Großvater Bhīṣma, besonders beschützt würden. Demgegenüber seien die Streitkräfte der Pāṇḍavas begrenzt, da diese von einem weniger erfahrenen General, von Bhīma, geschützt würden, der in der Gegenwart Bhīṣmas wie ein Zwerg erscheine. Duryodhana war auf Bhīma immer schon neidisch gewesen, da er sehr genau wußte, daß er nur von Bhīma getötet werden würde, falls er überhaupt sterben sollte. Aber gleichzeitig war er aufgrund der Gegenwart Bhīṣmas, der ein weit überlegener General war, von seinem Sieg überzeugt. Seine Schlußfolgerung, daß er aus dieser Schlacht siegreich hervorgehen würde, beruhte also auf genauen Überlegungen.
VERS 11
अयनेषु च सर्वेषु यथाभागमवस्थिताः ।
भीष्ममेवाभिरक्षन्तु भवन्तः सर्व एव हि ॥११॥
ayaneṣu ca sarveṣu
yathā-bhāgam avasthitāḥ
bhīṣmam evābhirakṣantu
bhavantaḥ sarva eva hi
ayaneṣu – an den strategischen Punkten; ca – auch; sarveṣu – überall; yathā-bhāgam – wie sie auf verschiedene Arten aufgestellt sind; avasthitāḥ – gelegen; bhīṣmam – zu Großvater Bhīṣma; eva – gewiß; abhīrakṣantu – ihr müßt Unterstützung gewähren; bhavantaḥ – ihr alle; sarve – jeweilig; eva – gewiß; hī – und genau.
ÜBERSETZUNG
Nun müßt ihr mit all euren Kräften Großvater Bhīṣma unterstützen, indem ihr euch an euren jeweiligen strategischen Punkten an der Front der Armee bereithaltet.
ERKLÄRUNG
Nachdem Duryodhana die Tapferkeit Bhīṣmas gepriesen hatte, bedachte er, andere könnten glauben, sie seien als weniger wichtig angesehen worden, und so versuchte er in seiner üblichen diplomatischen Art, die Situation mit den obigen Worten zu bereinigen. Er betonte, Bhīṣmadeva sei zweifellos der größte Held, doch er sei ein alter Mann, und so solle jeder ganz besonders darauf achten, ihm von allen Seiten Deckung zu geben. Er könnte in den Kampf verwickelt werden, und wenn Bhīṣma auf einer Seite völlig in Anspruch genommen wäre, könnte der Feind dies ausnutzen. Daher sei es wichtig, daß die anderen Helden ihre strategischen Stellungen nicht verlassen und so dem Feind gestatten würden, die Front zu durchbrechen. Duryodhana spürte deutlich, daß der Sieg der Kurus von der Gegenwart Bhīṣmadevas abhing. Er war sich der vollen Unterstützung Bhīṣmadevas und Droṇācāryas in der Schlacht gewiß, da er sehr wohl wußte, daß sie nicht ein einziges Wort gesagt hatten, als Arjunas Gattin Draupadī sie um Gerechtigkeit angefleht hatte, als sie in völliger Hilflosigkeit gezwungen wurde, sich in der Versammlung aller großen Generäle zu entkleiden. Obwohl er wußte, daß die beiden Generäle eine gewisse Zuneigung für die Pāṇḍavas hegten, hoffte er dennoch, daß sie jetzt diese Zuneigung vollständig aufgeben würden, wie es während der gemeinsamen Glückspiele üblich gewesen war.
VERS 12
तस्य सञ्जनयन्हर्षं कुरुवृद्धः पितामहः ।
सिंहनादं विनद्योच्चैः शङ्खं दध्मौ प्रतापवान् ॥१२॥
tasya sañjanayan harṣaṁ
kuru-vṛddhaḥ pitāmahaḥ
siṁha-nādaṁ vinadyoccaiḥ
śaṅkhaṁ dadhmau pratāpavān
tasya – sein; sañjanayan – anwachsend; harṣam – Fröhlichkeit; kuru-vṛddhaḥ – der Herr der Kuru-Dynastie (Bhīṣma); pitāmahaḥ – der Großvater; sīṁha-nādam – Dröhnen, wie das Brüllen eines Löwen; vīnadya – erzitternd; uccaīḥ – sehr laut; saṅkhaṁ – Muschelhorn; dadhmau – blies; pratāpavān – der heldenhafte.
ÜBERSETZUNG
Daraufhin blies Bhīṣma, der große, heldenhafte Ahnherr der Kuru-Dynastie, der Großvater der Kämpfer, sehr laut sein Muschelhorn. Es dröhnte wie das Gebrüll eines Löwen und erfüllte Duryodhana mit Freude.
ERKLÄRUNG
Der Ahnherr der Kuru-Dynastie konnte erkennen, was im Herzen seines Enkels Duryodhana vorging, und aus natürlichem Mitgefühl für ihn versuchte er, ihn zu ermutigen, indem er sein Muschelhorn sehr laut ertönen ließ; dies war seiner Position angemessen, die der eines Löwen glich. Indirekt jedoch gab er seinem niedergeschlagenen Enkel durch die Symbolik des Muschelhorns zu verstehen, daß für ihn in der Schlacht keine Aussicht auf Sieg bestehe, da sich der Höchste Herr Śrī Kṛṣṇa auf der anderen Seite befinde.
Aber dennoch war es seine Pflicht, den Kampf anzuführen, und er würde dabei keine Mühen scheuen.
VERS 13
ततः शङ्खाश्च भेर्यश्च पणवानकगोमुखाः ।
सहसैवाभ्यहन्यन्त स शब्दस्तुमुलोऽभवत् ॥१३॥
tataḥ śaṅkhāś ca bheryaś ca
paṇavānaka-gomukhāḥ
sahasaivābhyahanyanta
sa śabdas tumulo ’bhavat
tataḥ – danach; śankhāḥ – Muschelhörner; ca – auch; bheryaḥ – Signalhörner; ca – und; paṇava-ānaka – Trompeten und Trommeln; go-mukhāḥ – Hörner; sahasā – alle auf einmal; eva – gewiß; abhyahanyanta – sie ertönten gleichzeitig; saḥ – daß; śabdaḥ – gemeinsamer Klang; tumulaḥ – stürmisch; abhavat – wurde.
ÜBERSETZUNG
Da ertönten plötzlich alle Muschelhörner, Signalhörner, Trompeten, Trommeln und Hörner, und der gemeinsame Klang war gewaltig.
VERS 14
ततः श्वेतैर्हयैर्युक्ते महति स्यन्दने स्थितौ ।
माधवः पाण्डवश्चैव दिव्यौ शङ्खौ प्रदध्मतुः ॥१४॥
tataḥ śvetair hayair yukte
mahati syandane sthitau
mādhavaḥ pāṇḍavaś caiva
divyau śaṅkhau pradadhmatuḥ
tataḥ – danach; śvetaīḥ – von weißen; hayaiḥ – Pferden; yukte – angespannt; mahatī – in dem großen; syandane – Streitwagen; sthītau – so befindlich; mādhavaḥ – Kṛṣṇa (der Gemahl der Glücksgöttin); pāṇḍavaḥ – Arjuna (der Sohn Pāṇḍus); ca – auch; eva – gewiß; divyau – transzendentale; śaṅkhau – Muschelhörner; pradadhmatuḥ – erschallen.
ÜBERSETZUNG
Auf der Gegenseite ließen sowohl Kṛṣṇa als auch Arjuna, die auf einem großen, von weißen Pferden gezogenen Streitwagen standen, ihre transzendentalen Muschelhörner erschallen.
ERKLÄRUNG
Im Gegensatz zu dem Muschelhorn, das Bhīṣmadeva blies, werden die Muschelhörner in den Händen von Kṛṣṇa und Arjunas als transzendental bezeichnet. Das Erschallen der transzendentalen Muschelhörner weist darauf hin, daß es für die andere Seite keine Hoffnung auf Sieg gab, da Kṛṣṇa auf der Seite der Pāṇḍavas stand. Jayas tu pāṇḍu-putrāṇāṁ yeṣāṁ pakṣe janārdanaḥ. „Sieg ist immer auf seiten derer, die wie die Söhne Pāṇḍus sind, da Śrī Kṛṣṇa mit ihnen zusammen ist.“ Und wann immer und wo immer der Herr gegenwärtig ist, dort ist auch die Göttin des Glücks, die niemals allein und ohne ihren Gemahl lebt. Daher erwarteten Arjuna Sieg und Glück, wie durch den transzendentalen Klang, der aus dem Muschelhorn Kṛṣṇas erschallte, angedeutet wird. Außerdem war der Streitwagen, auf dem die beiden Freunde saßen, ein Geschenk Agnis (des Feuergottes) an Arjuna, und dies weist darauf hin, daß man mit diesem Streitwagen, wo auch immer er in drei Welten gezogen würde, alle Feinde besiegen konnte.
VERS 15
पाञ्चजन्यं हृषीकेशो देवदत्तं धनञ्जयः ।
पौण्ड्रं दध्मौ महाशङ्खं भीमकर्मा वृकोदरः ॥१५॥
pāñcajanyaṁ hṛṣīkeśo
devadattaṁ dhanañjayaḥ
pauṇḍraṁ dadhmau mahā-śaṅkhaṁ
bhīma-karmā vṛkodaraḥ
pāñcajanyam – das Muschelhorn namens Pāñcajanya; hṛṣīkeśaḥ – Hṛṣīkeśa (Kṛṣṇa, der Herr, der die Sinne der Gottgeweihten lenkt); devadattam – das Muschelhorn namens Devadatta; dhanañjayaḥ – Dhanañjaya (Arjuna, der Gewinner von Reichtum); pauṇḍram – Das Muschelhorn namens Pauṇḍram; dadhmau – blies; mahā-śaṅkham – die furchterregende Muschel; bhīma-karmā – jemand, der herkulische Aufgaben ausführt; vṛkodaraḥ – der unersättliche Esser (Bhīma).
ÜBERSETZUNG
Hṛṣīkeśa [Śrī Kṛṣṇa] ließ Sein Muschelhorn, das den Namen Pāñcajanya trägt, erschallen; Dhanañjaya [Arjuna] blies in das seine, das Devadatta, und Bhīma, der unersättliche Esser und Vollbringer herkulischer Taten, ließ sein furchterregendes Muschelhorn ertönen, das Pauṇḍram genannt wird.
ERKLÄRUNG
Śrī Kṛṣṇa wird in diesem Vers als Hṛṣīkeśa bezeichnet, da Er der Eigentümer aller Sinne ist. Die Lebewesen sind Seine Teile, und daher sind die Sinne der Lebewesen ebenfalls Bestandteile Seiner Sinne. Die Unpersönlichkeitsanhänger können für die Sinne der Lebewesen keine Erklärung finden und sind deshalb immer bestrebt, die Lebewesen als ohne Sinne oder unpersönlich darzustellen. Der Herr, der in den Herzen aller Lebewesen weilt, lenkt ihre Sinne, doch Er lenkt sie je nach dem Grad der Hingabe des Lebewesens, und im Falle eines reinen Gottgeweihten kontrolliert Er die Sinne unmittelbar. Hier auf dem Schlachtfeld von Kurukṣetra kontrolliert der Herr die transzendentalen Sinne Arjunas direkt, und daher wird Er in diesem Vers als Hṛṣīkeśa bezeichnet. Der Herr hat verschiedene Namen, die Seinen verschiedenen Aktivitäten entsprechen. Zum Beispiel trägt Er den Namen Madhusūdana, weil Er den Dämonen Madhu tötete; Sein Name ist Govinda, weil Er den Kühen und den Sinnen Freude schenkt; Sein Name ist Vāsudeva, weil Er als der Sohn Vasudevas erschien; Sein Name ist Devakī-nandana, weil Er Devakī als Seine Mutter annahm; Sein Name ist Yaśodā-nandana, weil Er mit den Spielen Seiner Kindheit Yaśodā in Vṛndāvana erfreute; Sein Name ist Pārtha-sārathi, weil Er der Wagenlenker Seines Freundes Arjuna war, und Er trägt den Namen Hṛṣikeśa, weil Er Arjuna auf dem Schlachtfeld von Kurukṣetra Anweisungen gab.
Arjuna wird in diesem Vers als Dhanañjaya bezeichnet, weil er seinem älteren Bruder dabei half, Reichtum zu erlangen, als dieser vom König für verschiedene aufwendige Opferdarbringungen benötigt wurde. Bhīma ist als Vṛkodara bekannt, weil er sowohl unersättlich viel essen als auch herkulische Taten vollbringen konnte, wie zum Beispiel den Dämonen Hiḍimba töten. Der Klang der einzelnen Muschelhörner, die die verschiedenen Persönlichkeiten, angefangen mit dem Herrn, auf seiten der Pāṇḍavas bliesen, war für die Soldaten sehr ermutigend.
Auf der anderen Seite gab es keine solche Zuversicht, noch waren der Herr, der höchste Lenker, oder die Göttin des Glücks gegenwärtig. Es war ihnen also vorherbestimmt, die Schlacht zu verlieren – das war die Botschaft, die durch den Klang der Muschelhörner verkündet wurde.
VERS 16–18
अनन्तविजयं राजा कुन्तीपुत्रो युधिष्टिरः ।
नकुलः सहदेवश्च सुघोषमणिपुष्पकौ ॥१६॥
काश्यश्च परमेष्वासः शिखण्डी च महारथः ।
धृष्टद्युम्नो विराटश्च सात्यकिश्चापराजितः ॥१७॥
द्रुपदो द्रौपदेयाश्च सर्वशः पृथिवीपते ।
सौभद्रश्च महाबाहुः शङ्खान्दध्मुः पृथक्पृथक् ॥१८॥
anantavijayaṁ rājā
kuntī-putro yudhiṣṭhiraḥ
nakulaḥ sahadevaś ca
sughoṣa-maṇipuṣpakau
kāśyaś ca parameṣvāsaḥ
śikhaṇḍī ca mahā-rathaḥ
dhṛṣṭadyumno virāṭaś ca
sātyakiś cāparājitaḥ
drupado draupadeyāś ca
sarvaśaḥ pṛthivī-pate
saubhadraś ca mahā-bāhuḥ
śaṅkhān dadhmuḥ pṛthak pṛthak
anantavijayam – die Muschel namens Anantavijaya; rājā – der König; kuntī-putraḥ – der Sohn der Kuntī; yudhiṣṭhiraḥ – Yudhiṣṭhira; nakulaḥ – Nakula; sahadevaḥ – Sahadeva; ca – und; sughoṣa-maṇipuṣpakau – die Muscheln namens Sughoṣa und Maṇipuṣpaka; kāśyah – der König von Kāśī (Vārāṇasī); ca – und; parameṣvāsaḥ – der große Bogenschütze; śikhaṇḍī – Śikhaṇḍī; ca – auch; mahā-rathaḥ – jemand, der allein gegen Tausende kämpfen kann; dhṛṣṭadyumnaḥ – Dhṛṣṭadyumna (der Sohn Drupadas); vīrāṭaḥ – Virāṭa (der Prinz, der den Pāṇḍavas Zuflucht gewährte, als sie sich verbergen mußten); ca – auch; sātyakiḥ – Sātyaki (auch Yuyudhāna genannt, der Wagenlenker Śrī Kṛṣṇas); ca – und; aparājitaḥ – die niemals vorher besiegt wurden; drupadaḥ – Drupada, der König von Pāñcāla; draupadeyāḥ – die Söhne Draupadīs; ca – auch; sarvaśaḥ – alle; pṛthivī-pate – O König; saubhadraḥ – der Sohn Subhadrās (Abhimanyu); ca – auch; mahā-bāhuḥ – mächtig bewaffnet; śankhān – Muschelhörner; dadhmuḥ – bliesen; pṛthak pṛthak – jeder getrennt.
ÜBERSETZUNG
König Yudhiṣṭhira, der Sohn Kuntīs, ließ sein Muschelhorn Anantavijaya ertönen, und Nakula und Sahadeva bliesen das Sughoṣa und das Maṇipuṣpaka. Der große Bogenschütze, der König von Kāśi, der große Kämpfer Śikhaṇḍī, Dhṛṣṭadyumna, Virāṭa und der unbezwingbare Sātyaki, Drupada, die Söhne Draupadīs und die anderen, o König, wie der Sohn Subhadrās, bliesen ebenfalls, mächtig bewaffnet, ihre jeweiligen Muschelhörner.
ERKLÄRUNG
Sañjaya gab König Dhṛtarāṣṭra mit sehr viel Feingefühl zu verstehen, daß seine unkluge Politik, die Söhne Pāṇḍus zu betrügen und sich darum zu bemühen, die eigenen Söhne auf den Thron des Königreichs zu bringen, nicht sehr lobenswert sei.
Die Vorzeichen deuteten schon jetzt darauf hin, daß die gesamte Kuru-Dynastie in dieser großen Schlacht vernichtet werden würde. Angefangen mit dem Ahnherrn, Bhīṣma, bis hinunter zu den Enkeln wie Abhimanyu und anderen – einschließlich der Könige aus vielen Reichen der Erde – waren alle dort Anwesenden dem Untergang geweiht. Die ganze Katastrophe war die Schuld König Dhṛtarāṣṭras, weil er die Politik seiner Söhne unterstützte.
VERS 19
स घोषो धार्तराष्ट्राणां हृदयानि व्यदारयत् ।
नभश्च पृथिवीञ्चैव तुमुलोऽभ्यनुनादयन् ॥१९॥
sa ghoṣo dhārtarāṣṭrāṇāṁ
hṛdayāni vyadārayat
nabhaś ca pṛthivīṁ caiva
tumulo ’bhyanunādayan
saḥ – diese; ghoṣaḥ – Beben; dhārtarāṣṭrāṇāṁ – die Söhne Dhṛtaraṣṭras; hṛdayāni – Herzen; vyadārayat – zerrissen; nabhaḥ – der Himmel; ca – auch; pṛthivīm – die Erdoberfläche; ca – auch; eva – gewiß; tumulaḥ – tosend; abhyanunādavan – durch Widerhall.
ÜBERSETZUNG
Der Klang der verschiedenen Muschelhörner wurde tosend, und da sowohl der Himmel als auch die Erde erbebten, zerriß er die Herzen der Söhne Dhṛtarāṣṭras.
ERKLÄRUNG
Als Bhīṣma und die anderen Krieger auf seiten Duryodhanas ihre jeweiligen Muschelhörner ertönen ließen, gab es auf der Seite der Pāṇḍavas kein Herzzerreißen. Vorkommnisse dieser Art werden nicht erwähnt, doch in diesem Vers wird gesagt, daß die Herzen der Söhne Dhṛtarāṣṭras von den Klängen zerrissen wurden, die auf der Seite der Pāṇḍavas ertönten. Dies ist auf die Pāṇḍavas und ihr Vertrauen in Śrī Kṛṣṇa zurückzuführen. Jeder, der beim Höchsten Herrn Zuflucht sucht, hat selbst inmitten des größten Unheils nichts zu fürchten.
VERS 20
अथ व्यवस्थितान्दृष्ट्वा धार्तराष्ट्रान्कपिध्वजः ।
प्रवृत्ते शस्त्रसंपाते धनुरुद्यम्य पाण्डवः ।
हृषीकेशं तदा वाक्यमिदमाह महीपते ॥२०॥
atha vyavasthitān dṛṣṭvā
dhārtarāṣṭrān kapi-dhvajaḥ
pravṛtte śastra-sampāte
dhanur udyamya pāṇḍavaḥ
hṛṣīkeśaṁ tadā vākyam
idam āha mahī-pate
atha – daraufhin; vyavasthitān – saß; dṛṣṭvā – blicken auf; dhārtarāṣṭrān – die Söhne Dhṛtarāṣṭras; kapi-dhvajaḥ – einer, dessen Fahne mit dem Zeichen Hanumāns versehen ist; pravṛtte – während er gerade daran ging; śastra-sampāte – die Pfeile abzuschießen; dhanuḥ – Bogen; udyamya – nachdem er aufgenommen hatte; pāṇḍavaḥ – der Sohn Pāṇḍus (Arjuna); hṛṣīkeśam – zu Śrī Kṛṣṇa; tadā – zu dieser Zeit; vākyam – Worte; idam – diese; āha – sagte; mahī-pate – O König.
ÜBERSETZUNG
O König, zu diesem Zeitpunkt nahm Arjuna, der Sohn Pāṇḍus, der auf seinem Streitwagen saß und dessen Fahne mit dem Zeichen Hanumāns versehen war, seinen Bogen auf, und während er nach den Söhnen Dhṛtarāṣṭras blickte, bereitete er sich darauf vor, seine Pfeile zu schießen. Daraufhin, o König, sprach Arjuna zu Hṛṣīkeśa [Kṛṣṇa] folgende Worte:
ERKLÄRUNG
Die Schlacht sollte jeden Augenblick beginnen. Es ist aus der obenerwähnten Darstellung zu entnehmen, daß die Söhne Dhṛtarāṣṭras entmutigt waren, als sie die unerwartete Aufstellung der Streitkräfte der Pāṇḍavas sahen, die durch die direkten Unterweisungen Śrī Kṛṣṇas auf dem Schlachtfeld geführt wurden.
Das Emblem Hanumāns auf der Fahne Arjunas ist ein weiteres Zeichen des Sieges, denn Hanumān kämpfte in der Schlacht zwischen Rāma und Rāvaṇa auf seiten Śrī Rāmas, der aus diesem Kampf siegreich hervorging. Jetzt waren sowohl Rāma als auch Hanumān auf dem Streitwagen Arjunas anwesend, um ihn zu unterstützen. Śrī Kṛṣṇa ist Rāma Selbst, und wo immer Śrī Rāma ist, dort sind auch Sein ewiger Diener Hanumān und Seine ewige Gefährtin Sītā, die Göttin des Glücks, anzutreffen.
Daher gab es für Arjuna keinen Grund, irgendwelche Feinde zu fürchten. Und vor allem war der Herr der Sinne, Hṛṣīkeśa, persönlich anwesend, um ihm Anweisungen zu geben. Somit standen Arjuna, was die Durchführung der Schlacht betraf, alle guten Ratschläge zur Verfügung. In solch glückverheißenden Bedingungen, die vom Herrn für Seinen Geweihten geschaffen worden waren, lagen die Zeichen sicheren Sieges.
VERS 21–22
अर्जुन उवाच ।
सेनयोरुभयोर्मध्ये रथं स्थापय मेऽच्युत ॥२१॥
यावदेतान्निरीक्षेऽहं योद्धुकामानवस्थितान् ।
कैर्मया सह योद्धव्यमस्मिन्रणसमुद्यमे ॥२२॥
arjuna uvāca
senayor ubhayor madhye
rathaṁ sthāpaya me’cyuta
yāvad etān nirīkṣe’haṁ
yoddhu-kāmān avasthitān
kair mayā saha yoddhavyam
asmin raṇa-samudyame
arjunaḥ – Arjuna; uvāca – sagte; senayoḥ – der Armeen; ubhayoḥ – beider Seiten; madhye – zwischen sie; ratham – den Streitwagen; sthāpaya – bitte fahre; me – meinen; acyuta – O Unfehlbarer; yāvat – solange wie; etān – all diese; nirīkṣe – sehen kann; aham – ich; yoddhu-kāmān – verlangen zu kämpfen; avasthītān – auf dem Schlachtfeld aufgestellt; kaiḥ – mit wem; mayā – von mir; saha – mit; yoddhavyam – zu kämpfen mit; asmin – in diesem; raṇa – Kampf; samudyame – bei dem Versuch.
ÜBERSETZUNG
Arjuna sagte: O Unfehlbarer, bitte lenke meinen Streitwagen zwischen die beiden Armeen, so daß ich sehen kann, wer hier anwesend ist, wen es zu kämpfen verlangt und mit wem ich mich in dieser großen Schlacht zu messen habe.
ERKLÄRUNG
Obwohl Śrī Kṛṣṇa der Höchste Persönliche Gott ist, beschäftigte Er sich aus Seiner grundlosen Barmherzigkeit im Dienste Seines Freundes. Er ist Seinen Geweihten immer zugeneigt, und deshalb wird Er als Unfehlbarer angesprochen. Als Wagenlenker mußte Er Arjunas Befehle ausführen, und da Er nicht zögerte, dies zu tun, wird Er als unfehlbar bezeichnet. Obwohl Er die Rolle als Wagenlenker Seines Geweihten akzeptiert hatte, war Seine Position als der Höchste dennoch unangefochten. Unter allen Umständen ist Er der Höchste Persönliche Gott, Hṛṣīkeśa, der Herr aller Sinne. Die Beziehung zwischen dem Herrn und Seinem Geweihten ist voller Liebe und transzendental. Der Gottgeweihte ist immer bereit, dem Herrn zu dienen, und so sucht auch der Herr ständig nach einer Gelegenheit, Seinem Geweihten irgendeinen Dienst zu erweisen. Er findet größere Freude daran, wenn Sein reiner Geweihter die Position einnimmt, Ihm zu befehlen, als wenn Er es ist, der Befehle erteilt. Da Er der Meister ist, muß jeder Seinen Anordnungen nachkommen, und es befindet sich niemand über Ihm, der Ihm Anweisungen geben könnte. Doch wenn Ihm ein reiner Gottgeweihter Befehle gibt, erfährt Er transzendentale Freude, obwohl Er unter allen Umständen der unfehlbare Meister ist.
Als reiner Gottgeweihter hatte Arjuna kein Verlangen, mit seinen Vettern und Brüdern zu kämpfen, doch durch den Eigensinn Duryodhanas, der sich mit keiner friedlichen Übereinkunft einverstanden erklärte, war er gezwungen, das Schlachtfeld zu betreten. Deshalb wollte er sehen, wer die anwesenden Feldherren waren. Obwohl zu diesem Zeitpunkt auf dem Schlachtfeld jedes Bemühen um eine friedliche Lösung ausgeschlossen war, wollte er seine Gegner dennoch sehen und erfahren, wie sehr sie danach drängten, diesen unerwünschten Krieg zu führen.
VERS 23
योत्स्यमानानवेक्षेऽहं य एतेऽत्र समागताः ।
धार्तराष्ट्रस्य दुर्बुद्धेर्युद्धे प्रियचिकीर्षवः ॥२३॥
yotsyamānān avekṣe’haṁ
ya ete’tra samāgatāḥ
dhārtarāṣṭrasya durbuddher
yuddhe priya-cikīrṣavaḥ
yotsyamānān – diejenigen, die kämpfen werden; avekṣe – laß mich sehen; aham – ich; ye – die; ete – diejenigen; atra – hier; samāgatāḥ – versammelt; dhārtarāṣṭrasya – der Sohn Dhṛtarāṣṭras; durbuddheḥ – bösartig; yuddhe – im Kampf; priya – gut; cikīrṣavaḥ – wünschen.
ÜBERSETZUNG
Laß mich all die sehen, die zum Kampf gekommen sind, um so den bösartigen Sohn Dhṛtarāṣṭras zu erfreuen.
ERKLÄRUNG
Es war ein offenes Geheimnis, daß Duryodhana in Zusammenarbeit mit seinem Vater Dhṛtarāṣṭra durch üble Machenschaften das Königreich der Pāṇḍavas an sich reißen wollte. Daher mußten alle, die sich Duryodhana angeschlossen hatten, von gleicher Gesinnung sein. Arjuna wollte sie vor Beginn des Kampfes auf dem Schlachtfeld sehen, um zu erfahren, um wen es sich handelte; er hatte jedoch nicht die Absicht, ihnen Friedensverhandlungen vorzuschlagen. Obwohl er sich des Sieges völlig sicher war – denn Kṛṣṇa saß neben ihm – wollte er sie dennoch sehen, um die Stärke abzuschätzen, der er zu begegnen hatte.
VERS 24
सञ्जय उवाच ।
एवमुक्तो हृषीकेशो गुडाकेशेन भारत ।
सेनयोरुभयोर्मध्ये स्थापयित्वा रथोत्तमम् ॥२४॥
sañjaya uvāca
evam ukto hṛṣīkeśo
guḍākeśena bhārata
senayor ubhayor madhye
sthāpayitvā rathottamam
sañjaya – Sañjaya; uvāca – sagte; evam – so; uktaḥ – angesprochen; hṛṣīkeśaḥ – Kṛṣṇa; guḍākeśena – von Arjuna; bhārata – O Nachkomme Bharatas; senayoḥ – der Armeen; ubhayoḥ – beider; madhye – in der Mitte von; sthāpayitva – indem Er stellte; rathottamam – den vortrefflichen Streitwagen.
ÜBERSETZUNG
Sañjaya sagte: O Nachkomme Bharatas [Dhṛtarāṣṭra], als Hṛṣīkeśa [Kṛṣṇa] so von Guḍākeśa [Arjuna] angewiesen wurde, lenkte Er den vortrefflichen Streitwagen zwischen die Armeen beider Parteien.
ERKLÄRUNG
In diesem Vers wird Arjuna als Guḍākeśa bezeichnet. Guḍāka bedeutet Schlaf, und wer den Schlaf bezwingt, wird guḍākeśa genannt. Schlaf bedeutet auch Unwissenheit. Arjuna bezwang sowohl den Schlaf als auch die Unwissenheit, weil er ein Freund Kṛṣṇas war. Als großer Geweihter Kṛṣṇas, konnte er Kṛṣṇa nicht einmal für einen Augenblick vergessen – denn das ist das Wesen eines Gottgeweihten. Ein Gottgeweihter kann weder im Wach- noch im Schlafzustand aufhören, an Kṛṣṇas Namen, Seine Gestalt, Seine Eigenschaften und Seine Spiele zu denken. Somit kann ein Gottgeweihter Schlaf und Unwissenheit überwinden, indem er fortwährend an Kṛṣṇa denkt. Das wird Kṛṣṇa-Bewußtsein oder samādhī genannt. Als Hṛṣīkeśa, der Lenker der Sinne und des Geistes aller Lebewesen, konnte Kṛṣṇa Arjunas Absicht verstehen, als dieser Ihm befahl, den Streitwagen zwischen beide Armeen zu lenken. Er folgte also dieser Anweisung und wandte Sich an Arjuna, indem Er sagte:
VERS 25
भीष्मद्रोणप्रमुखतः सर्वेषां च महीक्षिताम् ।
उवाच पार्थ पश्यैतान्समवेतान्कुरूनिति ॥२५॥
bhīṣma-droṇa-pramukhataḥ
sarveṣāṁ ca mahīkṣitām
uvāca pārtha paśyaitān
samavetān kurūn iti
bhīṣma – Großvater Bhīṣma; droṇa – Droṇa, der Lehrer; pramukhataḥ – vorne; sarveṣām – alle; ca – auch; mahīkṣitam – Herrscher der Welt; uvāca – sagte; pārtha – O Pārtha (Sohn der Pṛthā); paśya – betrachte nur; etān – sie alle; samavetān – versammelt; kurūn – alle Mitglieder der Kuru-Dynastie; iti – so.
ÜBERSETZUNG
In Gegenwart von Bhīṣma, Droṇa und allen anderen Herrschern der Welt sagte Hṛṣīkeśa, der Herr: O Pārtha, sieh nur all die Kurus, die hier versammelt sind.
ERKLÄRUNG
Als Überseele aller Lebewesen konnte Śrī Kṛṣṇa verstehen, was in Arjuna vorging. Der Gebrauch des Wortes Hṛṣīkeśa in diesem Zusammenhang weist daraufhin, daß Er alles wußte. Und auch das Wort Pārtha oder Sohn Kuntīs oder Pṛthās, das sich auf Arjuna bezieht, ist in ähnlicher Weise bezeichnend. Als Freund wollte Er Arjuna darauf hinweisen, daß Er eingewilligt hatte, sein Wagenlenker zu sein, weil Arjuna der Sohn Pṛthās war, der Schwester Seines Vater Vasudeva. Was meinte Kṛṣṇa nun, als Er zu Arjuna sagte, „betrachte dir die Kurus“. Wollte Arjuna sich zurückziehen und nicht kämpfen? Kṛṣṇa erwartete niemals so etwas von dem Sohn Seiner Tante Pṛthā. Das Denken Arjunas wurde auf diese Weise vom Herrn in freundlichem Scherzen enthüllt.
VERS 26
तत्रापश्यत्स्थितान्पार्थः पितॄनथ पितामहान् ।
आचार्यान्मातुलान्भ्रातॄन्पुत्रान्पौत्रान्सखींस्तथा ।
श्वशुरान्सुहृदश्चैव सेनयोरुभयोरपि ॥२६॥
tatrāpaśyat sthitān pārthaḥ
pitṝn atha pitāmahān
ācāryān mātulān bhrātṝn
putrān pautrān sakhīṁs tathā
śvaśurān suhṛdaś caiva
senayor ubhayor api
tatra – dort; apaśvat – er konnte sehen; sthitān – stehend; pārthaḥ – Arjuna; pitṝn – Väter; atha – auch; pitāmahān – Großväter; ācāryān – Lehrer; mātulān – Onkel mütterlicherseits; bhrātṝn – Brüder; putrān – Söhne; pautrān – Enkel; sakhīn – Freunde; tathā – auch; śvaśurān – Schwiegerväter; suhṛdaḥ – Gönner; ca – auch; eva – gewiß; senayoḥ – der Armeen; ubhayoḥ – beider Seiten; api – einschließlich.
ÜBERSETZUNG
Da konnte Arjuna, der zwischen beiden Armeen stand, seine Väter, Großväter, Lehrer, Onkel mütterlicherseits, Brüder, Söhne, Enkel, Freunde und auch seinen Schwiegervater und seine Gönner erkennen – alle waren dort versammelt.
ERKLÄRUNG
Auf dem Schlachtfeld konnte Arjuna all seine Verwandten sehen. Er erkannte Persönlichkeiten wie Bhūriśravā, die Altersgenossen seines Vaters waren, und er sah seine Großväter Bhīṣma und Somadatta, Lehrer wie Droṇācārya und Kṛpācārya, Onkel mütterlicherseits wie Śalya und Śakuni, Brüder wie Duryodhana, Söhne wie Lakṣmaṇa, Freunde wie Aśvatthāmā, Gönner wie Kṛtavarmā usw. Auch konnte er in den Armeen viele seiner Freunde erkennen.
VERS 27
तान्समीक्ष्य स कौन्तेयः सर्वान्बन्धूनवस्थितान् ।
कृपया परयाविष्टो विषीदन्निदमब्रवीत् ॥२७॥
tān samīkṣya sa kaunteyaḥ
sarvān bandhūn avasthitān
kṛpayā parayāviṣṭo
viṣīdann idam abravīt
tān – sie alle; samīkṣya – nachdem er sie gesehen hatte; saḥ – er; kaunteyaḥ – der Sohn Kuntīs; sarvān – viele verschiedene; bandhūn – Verwandte; avasthitān – befindlich, kṛpayā – von Mitleid; parayā – sehr stark; āviṣṭaḥ – überwältigt von; viṣīdan – während er klagte; idam – so; abravīt – sagte.
ÜBERSETZUNG
Als der Sohn Kuntīs, Arjuna, all seine verschiedenen Freunde und Verwandten sah, wurde er von Mitleid überwältigt und sprach:
VERS 28
अर्जुन उवाज ।
दृष्ट्वेमां स्वजनान् कृष्ण युयुत्सुन्समवस्थितान् ।
सीदन्ति मम गात्राणि मुखञ्च परिशुष्यति ॥२८॥
arjuna uvāca
dṛṣṭvemaṁ svajanaṁ kṛṣṇa
yuyutsuṁ samupasthitam
sīdanti mama gātrāṇi
mukhaṁ ca pariśuṣyati
arjunaḥ – Arjuna; uvāca – sagte; dṛṣṭvā – wenn ich sehe; imam – all diese; svajanam – Verwandten; kṛṣṇa – O Kṛṣṇa; yuyutsum – alle im Kampfgeist; samupasthitam – alle anwesend; sīdanti – zitternd; mama – meine; gātrāṇi – Körperteile; mukham – Mund; ca – auch; pariśuṣyati – austrocknend.
ÜBERSETZUNG
Arjuna sagte: Mein lieber Kṛṣṇa, wenn ich meine Freunde und Verwandten so kampflustig vor mir sehe, fühle ich, wie mir die Glieder zittern und mein Mund trocken wird.
ERKLÄRUNG
Jeder, der sich dem Herrn aufrichtig hingibt, besitzt alle guten Eigenschaften, die man bei göttlichen Personen bzw. Halbgöttern findet, wohingegen es dem Nicht-Gottgeweihten gänzlich an göttlichen Eigenschaften mangelt, gleichgültig wie fortgeschritten er durch Bildung und Kultur in materiellen Qualifikationen auch sein mag. Daher wurde Arjuna, als er seine Familienangehörigen, seine Freunde und Verwandten auf dem Schlachtfeld sah, augenblicklich von Mitleid überwältigt, da sie sich entschieden hatten, gegeneinander zu kämpfen. Seinen eigenen Soldaten war er natürlich von Anfang an zugeneigt, doch nun empfand er auch Mitleid mit den Soldaten der Gegenseite, da er ihren bevorstehenden Tod voraussah. Bei diesen Gedanken begannen seine Glieder zu zittern, und sein Mund wurde trocken. Es verwunderte ihn sehr, sie so kampflustig zu sehen. Nahezu die gesamte Familie – alle Blutsverwandten Arjunas – war gekommen, um gegen ihn zu kämpfen. Dies überwältigte einen gütigen Gottgeweihten wie Arjuna. Obwohl es hier nicht erwähnt wird, kann man sich dennoch vorstellen, daß nicht nur die Glieder Arjunas zitterten und sein Mund austrocknete, sondern daß er auch aus Mitleid weinte. Solche Merkmale Arjunas beruhten nicht auf Schwäche, sondern auf Weichherzigkeit, einem der Kennzeichen eines reinen Gottgeweihten. Deshalb wird gesagt:
yasyāsti bhaktir bhagavaty akiñcanā
sarair guṇais tatra samāste surāḥ
harāv abhaktasya kuto mahad-guṇā
mano-rathenāsati dhāvato bahiḥ
„Wer sich unerschütterlich dem Höchsten Persönlichen Gott hingibt, besitzt alle guten Eigenschaften der Halbgötter. Wer aber kein Gottgeweihter ist, besitzt nur materielle Qualifikationen, die von geringem Wert sind, denn er befindet sich auf der verstandesmäßigen Ebene und wird mit Sicherheit von der glitzernden materiellen Energie angezogen.“ (Bhāg. 5.18.12)
VERS 29
वेपथुश्च शरीरे मे रोमहर्षश्च जायते ।
गाण्डीवं स्रंसते हस्तात्तवक्चैव परिदह्यते ॥२९॥
vepathuś ca śarīre me
roma-harṣaś ca jāyate
gāṇḍīvaṁ sraṁsate hastāt
tvak caiva paridahyate
vepathuḥ – Zittern des Körpers; ca – auch; śarīre – am Körper; me – meine; roma-harṣaḥ – Haarsträuben; ca – auch; jāyate – ereignet sich; gāṇḍīvam – der Bogen Arjunas; sraṁsate – gleitet; hastāt – aus den Händen; tvak – Haut; ca – auch; eva – gewiß; paridahyate – brennend.
ÜBERSETZUNG
Ich zittere am ganzen Körper, und meine Haare stehen mir zu Berge. Mein Bogen Gāṇḍīva gleitet mir aus der Hand, und meine Haut brennt.
ERKLÄRUNG
Körperzittern und Haarsträuben sind Phänomene, die entweder in großer spiritueller Ekstase oder in großer Angst im materiellen Leben auftreten. Wenn man die transzendentale Verwirklichung erlangt hat, ist man frei von Furcht. Die Gefühle Arjunas in dieser Situation entspringen materieller Angst, nämlich der Angst, das Leben zu verlieren. Dies geht auch aus anderen Symptomen hervor; er wurde so ungeduldig, daß ihm sein berühmter Bogen Gāṇḍīva aus den Händen glitt, und weil sein Herz im Innern brannte, spürte er ein Brennen auf der Haut. All dies hatte seine Ursache in einer materiellen Auffassung des Lebens.
VERS 30
न च शक्नोम्यवस्थातुं भ्रमतीव च मे मनः ।
निमित्तानि च पश्यामि विपरीतानि केशव ॥३०॥
na ca śaknomy avasthātuṁ
bhramatīva ca me manaḥ
nimittāni ca paśyāmi
viparītāni keśava
na – auch nicht; ca – auch; śaknomi – bin ich imstande; avasthātum – zu bleiben; bhramati – vergessen; iva – wie; ca – und; me – mein; manaḥ – Geist; nimittāni – verursacht; ca – auch; paśyāmi – ich sehe voraus; viparītāni – genau das Gegenteil; keśava – O Vernichter des Dämonen Keśī (Kṛṣṇa).
ÜBERSETZUNG
Ich kann hier nicht länger bleiben. Ich vergesse mich, und mein Geist gerät ins Wanken. Ich sehe nur Unheil drohen, O Vernichter des Keśī Dämonen.
ERKLÄRUNG
Arjuna war voller Unruhe und deshalb unfähig, länger auf dem Schlachtfeld zu bleiben; aufgrund dieser Schwäche des Geistes vergaß er sich. Übermäßiges Verhaftetsein mit materiellen Dingen führt den Menschen in völlige Verwirrung. Bhayam dvitīyābiniveśataḥ: solche Furcht und der Verlust des geistigen Gleichgewichts treten bei Menschen auf, die zu sehr von materiellen Dingen beeinflußt werden. Arjuna sah im Geist auf dem Schlachtfeld nur Unheil drohen – er wäre nicht einmal glücklich, wenn er den Feind besiegte.
Das Wort nimitta ist in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung. Wenn ein Mensch erkennt, daß ihn nur Frustration erwartet, denkt er: „Warum bin ich hier?“ Jeder ist an sich selbst und seinem eigenen Wohlergehen interessiert, und daher kümmert sich niemand um das Höchste Selbst. Arjuna sollte seinem eigenen Interesse keine Beachtung schenken und sich dem Willen Kṛṣṇas fügen, der das wirkliche Selbstinteresse eines jeden ist. Die bedingte Seele vergißt dies und ist deshalb materiellen Leiden ausgesetzt. Arjuna dachte, ein Sieg in der Schlacht werde ihm nur Leid bringen.
VERS 31
न च श्रेयोऽनुपश्यामि हत्वा स्वजनमाहवे ।
न काङ्क्षे विजयं कृष्ण न च राज्यं सुखानि च ॥३१॥
na ca śreyo ’nupaśyāmi
hatvā svajanam āhave
na kāṅkṣe vijayaṁ kṛṣṇa
na ca rājyaṁ sukhāni ca
na – auch nicht; ca – auch; śreyaḥ – Gutes; anupaśyamī – sehe ich voraus; hatvā – indem ich töte; svajanam – eigene Verwandten; āhave – im Kampf; na – auch nicht; kāṅkṣe – wünsche ich; vijayam – Sieg; kṛṣṇa – O Kṛṣṇa; na – auch nicht; ca – auch; rājyam – Königreich; sukhani – Glück davon; ca – auch.
ÜBERSETZUNG
Ich kann mir nicht vorstellen, wie Gutes entstehen kann, wenn ich meine Verwandten in dieser Schlacht töte, noch kann ich, mein lieber Kṛṣṇa, einen Sieg, ein Königreich oder Glück begehren.
ERKLÄRUNG
Ohne zu wissen, daß Viṣṇu (oder Kṛṣṇa) ihr wahres Selbstinteresse ist, werden die bedingten Seelen von körperlichen Beziehungen angezogen und hoffen, auf diese Weise glücklich zu werden. In ihrer Verblendung vergessen sie, daß Kṛṣṇa auch die Ursache ihres materiellen Glücks ist.
Es wird gesagt, daß zwei Arten von Menschen in den gigantischen und strahlenden Sonnenplaneten eingehen können: der kṣatriya, der in den vordersten Reihen der Schlachtordnung unter Kṛṣṇas direkten Anweisungen fällt, und derjenige, der sich auf der Lebensstufe der Entsagung befindet und der spirituellen Lebensweise hingegeben ist.
Arjuna schien sogar die moralischen Grundsätze eines kṣatriya vergessen zu haben, denn er weigerte sich sogar, seine Feinde zu töten, von seinen Verwandten ganz zu schweigen. Er dachte, er werde in seinem Leben nicht glücklich werden, wenn er seine Verwandten tötete, und deshalb wollte er nicht kämpfen – genau wie ein Mensch, der keinen Hunger verspürt, nicht daran interessiert ist zu kochen. Er hatte sich nun entschlossen, in den Wald zu gehen und ein einsames Leben in Frustration zu verbringen. Doch als kṣatriya benötigte er ein Königreich, denn kṣatriyas müssen Regierungsgeschäften nachgehen können – andernfalls können sie nicht glücklich leben. Aber Arjuna besaß kein Königreich, und seine einzige Möglichkeit, ein Königreich zu erlangen, bestand darin, mit seinen Vettern und Brüdern zu kämpfen und das Königreich zurückzufordern, das er von seinem Vater geerbt hatte. Aber das wollte er nicht. Daher war er bereit, in den Wald zu gehen, um dort den Rest seines Lebens in Frustration zuzubringen.
VERS 32–35
किं नो राज्येन गोविन्द किं भोगैर्जीवितेन वा ।
येषामर्थे काङ्क्षितं नो राज्यं भोगाः सुखानि च ॥३२॥
त इमेऽवस्थिता युद्धे प्राणांस्त्यक्त्वा धनानि च ।
आचार्याः पितरः पुत्रास्तथैव च पितामहाः ॥३३॥
मातुलाः श्वशुराः पौत्राः श्यालाः सम्बन्धिनस्तथा ।
एतान्न हन्तुमिज्छामि घ्नतोऽपि मधुसूदन ॥३४॥
अपि त्रैलोक्यराज्यस्य हेतोः किन्नु महीकृते ।
निहत्य धार्तराष्ट्रान्नः का प्रीतिः स्याज्जनार्दन ॥३५॥
kiṁ no rājyena govinda
kiṁ bhogair jīvitena vā
yeṣām arthe kāṅkṣitaṁ no
rājyaṁ bhogāḥ sukhāni ca
ta ime’vasthitā yuddhe
prāṇāṁs tyaktvā dhanāni ca
ācāryāḥ pitaraḥ putrās
tathaiva ca pitāmahāḥ
mātulāḥ śvaśurāḥ pautrāḥ
śyālāḥ sambandhinas tathā
etān na hantum icchāmi
ghnato’pi madhusūdana
api trailokya-rājyasya
hetoḥ kiṁ nu mahī-kṛte
nihatya dhārtarāṣṭrān naḥ
kā prītiḥ syāj janārdana
kim – was nützt; naḥ – uns; rājyena – das Königreich; govinda – O Kṛṣṇa; kim – was; bhogaiḥ – Genuß; jīvitena – indem man lebt; vā – entweder; yeṣām – für wen; arthe – für; kānkṣitam – verlangt; naḥ – unser; rājyam – Königreich; bhogāḥ – materieller Genuß; sukhāni – alles Glück; ca – auch; te – sie alle; ime – diese; avasthitāḥ – die sich befinden; yuddhe – auf diesem Schlachtfeld; prāṇān – Leben; tyaktvā – aufgeben; dhanāni – Reichtümer; ca – auch; ācāryāḥ – Lehrer; pitaraḥ – Väter; putrāḥ – Söhne; tathā – ebenso wie; eva – gewiß; ca – auch; pitāmahāḥ – Großväter; mātulāḥ – Onkel mütterlicherseits; śvaśurāḥ – Schwiegerväter; pautrāḥ – Enkel; śyālāḥ – Schwäger; sambandhinaḥ – Verwandte; tathā – ebenso wie; etān – all diese; na – niemals; hantum – zu töten; icchāmi – möchte ich; ghnataḥ – getötet werden; api – sogar; madhusūdana – O Vernichter des Dämonen Madhu (Kṛṣṇa); api – selbst wenn; trailokya – der drei Welten; rājyasya – der Königreiche; hetoḥ – im Tausch; kim – ganz zu schweigen von; nu – nur; mahī-kṛte – zum Wohle der Erde; nihatya – indem ich töte; dhārtarāṣṭrān – die Söhne Dhṛtarāṣṭra; naḥ – unser; ka – was; prītiḥ – Freude ; syāt – wird es dort geben; janārdana – O Erhalter aller Lebewesen.
ÜBERSETZUNG
O Govinda, was nützen uns ein Königreich, Glück oder selbst das Leben, wenn alle, für die wir dies begehren, auf dem Schlachtfeld aufgestellt sind? O Madhusūdana, wenn Lehrer, Väter, Söhne, Großväter, Onkel mütterlicherseits, Schwiegerväter, Enkel, Schwäger und alle Verwandten bereit sind, ihr Leben und ihre Besitztümer aufzugeben, warum sollte ich den Wunsch haben, sie zu töten, obwohl ich selbst vielleicht überlebe? O Janārdana, Erhalter aller Lebewesen, ich bin nicht einmal bereit, um die drei Welten mit ihnen zu kämpfen – geschweige denn um diese Erde.
ERKLÄRUNG
Arjuna sprach Śrī Kṛṣṇa als Govinda an, weil Kṛṣṇa für die Kühe und die Sinne das Objekt aller Freude ist. Indem er dieses bedeutungsvolle Wort gebrauchte, deutete Arjuna an, was seine Sinne zufriedenstellen würde. Obwohl es nicht die Aufgabe Govindas ist, unsere Sinne zu befriedigen, sind unsere Sinne dennoch von selbst zufrieden, wenn wir die Sinne Govindas zufriedenstellen. Auf der materiellen Ebene will jeder seine eigenen Sinne befriedigen, und Gott soll der Lieferant für diese Befriedigung sein. Der Herr wird die Sinne der Lebewesen in dem Maße befriedigen, wie sie es verdienen, doch nicht in dem Maße, wie sie es begehren. Wenn man jedoch versucht, die Sinne Govindas zufriedenzustellen, ohne dabei nach eigener Sinnesbefriedigung zu streben, werden durch die Gnade Govindas alle Verlangen des Lebewesens befriedigt.
Hier zeigt sich ein wenig von Arjunas tiefer Zuneigung für die Gemeinschaft und seine Familienmitglieder, da er natürliches Mitleid mit ihnen empfindet. Er ist daher nicht bereit zu kämpfen. Jeder will seinen Freunden und Verwandten seinen Reichtum zeigen, aber Arjuna befürchtete, daß alle seine Verwandten und Freunde auf dem Schlachtfeld getötet würden und daß er deshalb nicht in der Lage wäre, nach dem Sieg seinen Reichtum mit ihnen zu teilen. Dies ist eine typische Denkweise des materiellen Lebens.
Das transzendentale Leben ist jedoch von ganz anderer Natur. Da ein Gottgeweihter die Wünsche des Herrn erfüllen will, kann er, wenn der Herr es verlangt, alle Arten von Reichtümern für den Dienst des Herrn akzeptieren, doch gegen den Willen des Herrn sollte er nicht einmal einen Pfennig annehmen. Arjuna wollte seine Verwandten nicht töten, doch wenn es aus irgendeinem Grunde notwendig sein sollte, sie zu töten, wollte er, daß Kṛṣṇa sie persönlich tötete. Zu diesem Zeitpunkt wußte er noch nicht, daß Kṛṣṇa sie bereits getötet hatte, bevor sie auf das Schlachtfeld kamen, und daß er nur ein Instrument Kṛṣṇas werden sollte. Diese Tatsache wird in den folgenden Kapiteln ausführlicher erklärt. Als wirklicher Gottgeweihter wollte sich Arjuna nicht an seinen ruchlosen Vettern und Brüdern rächen; doch es war der Plan des Herrn, daß sie alle getötet werden sollten. Der Geweihte des Herrn rächt sich niemals an Übeltätern, aber der Herr duldet kein Unrecht, das Seinem Geweihten von Übeltätern angetan wird. Der Herr kann jemandem, der gegen Ihn Selbst ein Vergehen begeht, jederzeit verzeihen, doch vergibt Er niemandem, der Seinen Geweihten Leid zugefügt hat. Deshalb war der Herr entschlossen, die Schurken zu töten, obwohl Arjuna sie entschuldigen wollte.
VERS 36
पापमेवाश्रयेदस्मान्हत्वैतानाततायिनः ।
तस्मान्नार्हा वयं हन्तुं धार्तराष्ट्रान्सबान्धवान् ।
स्वजनं हि कथं हत्वा सुखिनः स्याम माधव ॥३६॥
pāpam evāśrayed asmān
hatvaitān ātatāyinaḥ
tasmān nārhā vayaṁ hantuṁ
dhārtarāṣṭrān svabāndhavān
svajanaṁ hi kathaṁ hatvā
sukhinaḥ syāma mādhava
pāpam – Fehler; eva – gewiß; āśrayet – muß überkommen; asmān – uns; hatvā – wenn wir töten; etān – all diese; ātatāyinaḥ – Angreifer; tasmāt – daher; na – niemals; arhāḥ – verdienen; vayam – uns; hantum – zu töten; dhārtarāṣṭrān – die Söhne Dhṛtarāṣṭras; svabāndhavān – zusammen mit Freunden; svajanam – Verwandten; hi – gewiß; katham – wie; hatvā – wenn wir töten; sukhinaḥ – glücklich; syāma – werden; mādhava – O Kṛṣṇa, Gemahl der Glücksgöttin.
ÜBERSETZUNG
Sünde wird über uns kommen, wenn wir die Angreifer erschlagen. Deshalb ist es nicht richtig, die Söhne Dhṛtarāṣṭras und unsere Freunde zu töten. O Mādhava, was könnten wir schon gewinnen und wie könnten wir glücklich sein, wenn wir unsere eigenen Verwandten erschlügen?
ERKLÄRUNG
Nach den Unterweisungen der Veden gibt es sechs Arten von Angreifern: 1) jemand, der andere vergiftet, 2) jemand, der das Haus in Brand setzt, 3) jemand, der mit tödlichen Waffen angreift, 4) jemand, der plündert, 5) jemand, der eines anderen Land besetzt, und 6) jemand, der eines anderen Frau entführt. Solche Angreifer müssen sofort getötet werden, und man begeht keine Sünde, wenn man sich ihrer erwehrt. Einem gewöhnlichen Menschen steht es zu, solche Angreifer zu töten, doch Arjuna war kein gewöhnlicher Mensch. Dem Wesen nach war er ein Heiliger, und deshalb wollte er ihnen als ein solcher entgegentreten. Diese Art von Heiligkeit steht jedoch einem kṣatriya nicht zu. Obwohl für einen verantwortlichen Menschen in der Verwaltung eines Staates heilige Eigenschaften erforderlich sind, sollte dieser dennoch kein Feigling sein. Sri Rāma zum Beispiel war so heilig, daß sich alle Menschen wünschten, in seinem Königreich (Rāmarājya) zu leben, aber Śrī Rāma zeigte niemals irgendein Anzeichen von Feigheit. Rāvaṇa war ein Angreifer, weil er Rāmas Frau Sītā raubte, doch Rāma erteilte ihm ausreichende Lektionen, die in der Geschichte der Welt nicht ihresgleichen finden. Im Falle Arjunas jedoch sollte man die besondere Art der Angreifer bedenken, denn es handelte sich bei ihnen um seinen Großvater, seinen Lehrer, seine Freunde, Söhne, Enkel usw. Daher glaubte Arjuna, daß er nicht wie bei gewöhnlichen Angreifern zu den notwendigen harten Mitteln greifen sollte. Außerdem wird heiligen Menschen geraten, anderen zu vergeben. Solche Anweisungen für heilige Menschen sind wichtiger als jeder politische Notfall. Arjuna war der Meinung, es sei besser, seinen Verwandten aus religiösen Gründen zu verzeihen und ein heiliges Verhalten zu bewahren, als sie aus politischen Erwägungen zu töten. Er hielt deshalb dieses Töten, durch das er nur zeitweiliges, körperliches Glück erlangen würde, nicht für vorteilhaft. Schließlich sind Königreiche und andere materielle Freuden, die daraus gewonnen werden, vergänglich; warum also sollte er sein Leben und seine ewige Befreiung aufs Spiel setzen, indem er seine eigenen Verwandten tötete? Daß Arjuna Kṛṣṇa als „Mādhava“ (Gemahl der Glücksgöttin) anspricht, ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Er wollte darauf hinweisen, daß Kṛṣṇa als Gemahl der Göttin des Glücks ihn nicht dazu verleiten solle, an einem Kampf teilzunehmen, die ihm letztlich doch nur Unglück bringen würde. Kṛṣṇa jedoch bringt niemandem Unglück – und erst recht nicht Seinem Geweihten.
VERS 37-38
यद्यप्येते न पश्यन्ति लोभोपहतचेतसः ।
कुलक्षयकृतं दोषं मित्रद्रोहे च पातकम् ॥३७॥
कथं न ज्ञेयमस्माभिः पापादस्मान्निवर्त्तितुम् ।
कुलक्षयकृतं दोषं प्रपश्यद्भिर्जनार्दन ॥३८॥
yadyapy ete na paśyanti
lobhopahata-cetasaḥ
kula-kṣaya-kṛtaṁ doṣaṁ
mītra-drohe ca pātakam
kathaṁ na jñeyam asmābhiḥ
pāpād asmān nivartitum
kula-kṣaya-kṛtaṁ doṣaṁ
prapaśyadbhir janārdana
yadi – wenn; api – gewiß; ete – sie; na – nicht; paśyanti – sehen; lobha – Gier; upahata – überwältigt; cetasaḥ – die Herzen; kula-kṣaya – wenn man die Familie vernichtet; kṛtam – getan; doṣam – Fehler; mitra-drohe – mit Freunden streiten; ca – auch; pātakam – sündhafte Reaktionen; katham – warum; na – werden nicht; jñeyam – die wissen; asmābhiḥ – von uns; pāpāt – von Sünden; asmāt – uns; nivartitum – aufzuhören; kula-kṣaya – die Zerstörung einer Dynastie; kṛtam – wenn man so handelt; doṣam – Verbrechen; prapaśyadbhiḥ – von denen, die sehen können; janārdana – O Kṛṣṇa.
ÜBERSETZUNG
O Janārdana, obwohl diese Menschen, die von Gier überwältigt sind, keinen Fehler darin sehen, ihre Familie zu töten oder mit ihren Freunden zu streiten, sollten wir, die wir diese Sünde kennen, nicht Gleiches mit Gleichem vergelten.
ERKLÄRUNG
Ein kṣatriya darf einen Kampf oder ein Glücksspiel nicht ausschlagen, wenn er von Rivalen dazu aufgefordert wird. Arjuna war also zum Kampf verpflichtet und durfte ihn nicht verweigern, da er von der Seite Duryodhanas herausgefordert worden war. In diesem Falle jedoch, glaubte Arjuna, sei sich die andere Seite über die Auswirkungen einer solchen Herausforderung nicht im klaren. Er konnte jedoch die üblen Folgen voraussehen und sah sich daher nicht imstande, die Herausforderung anzunehmen. Eine Verpflichtung ist erst dann wirklich bindend, wenn die Auswirkung positiv ist – wenn aber die Auswirkung negativ ist, kann niemand verpflichtet werden. Da Arjuna all diese Für und Wider in Betracht zog, entschloß er sich, nicht zu kämpfen.
VERS 39
कुलक्षये प्रणश्यन्ति कुलधर्माः सनातनाः ।
धर्मे नष्टे कुलं कृत्स्नमधर्मोऽभिभवत्युत ॥३९॥
kula-kṣaye praṇaśyanti
kula-dharmāḥ sanātanāḥ
dharme naṣṭe kulaṁ kṛtsnam
adharmo’bhibhavaty uta
kula-kṣaye – wenn man die Familie zerstört; praṇaśyanti – wird besiegt; kula-dharmāḥ – die Familientradition; sanātanāḥ – ewig; dharme – in Religion; naṣṭe – wenn sie zerstört ist; kulam – Familie; kṛtsnam – gesamte; adharmaḥ – irreligiös; abhibhavati – wandelt um; uta – es wird gesagt.
ÜBERSETZUNG
Mit der Zerstörung der Dynastie wird die ewige Familientradition vernichtet, und so wird der Rest der Familie in irreligiöse Praktiken hineingezogen.
ERKLÄRUNG
Im System der varṇāśrama-Einrichtung gibt es viele Prinzipien religiöser Traditionen, die den Familienmitgliedern helfen sollen, in rechter Weise aufzuwachsen und spirituelle Werte zu erlangen. Die älteren Familienmitglieder sind für solche Reinigungsvorgänge in der Familie, die mit der Geburt beginnen und bis zum Tode währen, verantwortlich. Wenn aber die älteren Mitglieder der Familien sterben, kann es sein, daß solche Reinigungsgebräuche der Familie eingestellt werden und die zurückbleibenden jüngeren Familienangehörigen irreligiöse Gewohnheiten entwickeln und dadurch ihre Gelegenheit zur spirituellen Befreiung versäumen. Deshalb sollten die älteren Familienangehörigen unter keinen Umständen getötet werden.
VERS 40
अधर्माभिभवात्कृष्ण प्रदुष्यन्ति कुलस्त्रियः ।
स्त्रीषु दुष्टासु वार्ष्णेय जायते वर्णसङ्करः ॥४०॥
adharmābhibhavāt kṛṣṇa
praduṣyanti kula-striyaḥ
strīṣu duṣṭāsu vārṣṇeya
jāyate varṇa-saṅkaraḥ
adharma – Irreligion; abhibhavāt – die vorherrschend gewesen ist; kṛṣṇa – O Kṛṣṇa; praduṣyanti – werden verunreinigt; kula-striyaḥ – Frauen der Familie; strīṣu – der Frauen; duṣṭāsu – weil sie verderbt sind; vārṣṇeya – O Nachkomme des Vṛṣṇi; jāyate – so entsteht; varṇa-saṅkaraḥ – unerwünschte Nachkommenschaft.
ÜBERSETZUNG
O Kṛṣṇa, wenn Irreligiosität in der Familie überhandnimmt, verderben die Frauen, und wenn die Frauen entarten, o Nachkomme Vṛṣṇiṣ, entsteht unerwünschte Nachkommenschaft.
ERKLÄRUNG
Eine gute Bevölkerung ist das grundlegende Prinzip für Frieden, Wohlstand und spirituellen Fortschritt. Die religiösen Prinzipien des varṇāśrama waren so beschaffen, daß die gute Bevölkerung in der Gesellschaft überwog und daher ein allgemeiner spiritueller Fortschritt für Staat und Gemeinschaft möglich war. Eine solche Bevölkerung hängt von der Reinheit und Treue ihrer Frauen ab. Wie Kinder sehr dazu neigen, irregeführt zu werden, so sind Frauen sehr leicht geneigt zu entarten. Daher müssen sowohl die Kinder als auch die Frauen von den älteren Familienmitgliedern beschützt werden. Wenn die Frauen mit verschiedenen religiösen Praktiken beschäftigt sind, werden sie nicht zum Ehebruch verleitet. Nach Cāṇakya Paṇḍita sind Frauen im allgemeinen nicht sehr intelligent und deshalb nicht vertrauenswürdig. Daher sollten die religiösen Aktivitäten der verschiedenen Familiengebräuche sie ständig in Anspruch nehmen, denn so wird ihre Reinheit und Hingabe eine tugendhafte Bevölkerung hervorbringen, die fähig ist, aktiv am varṇāśrama-System teilzunehmen. Wenn solches varṇāśrama-dharma fehlt, können die Frauen tun und lassen, was sie wollen, und sich mit jedem beliebigen Mann einlassen; dann steht dem Ehebruch nichts mehr im Wege, und man riskiert unerwünschte Nachkommenschaft. Unverantwortliche Menschen befürworten den Ehebruch, wodurch die Menschheit mit ungewollten Kindern überschwemmt wird und Gefahren wie Kriege und Seuchen entstehen.
VERS 41
सङ्करो नरकायैव कुकघ्नानां कुलस्य च ।
पतन्ति पितरो ह्येषां लुप्तपिण्डोदकक्रियाः ॥४१॥
saṅkaro narakāyaiva
kula-ghnānāṁ kulasya ca
patanti pitaro hy eṣāṁ
lupta-piṇḍodaka-kriyāḥ
sankāraḥ – solche unerwünschten Kinder; narakāya – für höllisches Leben; eva – gewiß; kula-ghnānām – von denen, die die Familie zerstören; kulasya – der Familie: ca – auch; patanti – fallen herunter; pitaraḥ – Vorväter; hi – gewiß; eṣām – von ihnen; lupta – aufgehört; piṇḍa – Opferung; udaka – Wasser; kriyāḥ – Durchführung.
ÜBERSETZUNG
Wenn die Zahl der unerwünschten Kinder anwächst, entsteht eine höllische Situation – sowohl für die Familie als auch für diejenigen, die die Familientradition zerstören. In solchen verkommenen Familien wird den Vorvätern weder Speise noch Wasser dargebracht.
ERKLÄRUNG
Nach den Regeln und Regulierungen für fruchtbringende Aktivitäten muß man den Vorvätern der Familie in bestimmten Zeitabständen Speisen und Wasser opfern. Diese Opferung wird durchgeführt, indem man Viṣṇu verehrt; denn man kann von allen sündhaften Handlungen befreit werden, wenn man die Reste der Nahrung zu sich nimmt, die Viṣṇu dargebracht wurde. Manchmal leiden die Vorväter unter verschiedenen sündhaften Reaktionen und können daher nicht einmal in einen grobstofflichen Körper eingehen, sondern sind gezwungen, als Geister in feinstofflichen Körper zu bleiben. Wenn die Nachkommen ihren Vorvätern Überreste der prasādam Speisen opfern, werden diese von einem Leben als Geist oder einem anderen leidvollen Leben befreit. Es ist eine Familientradition, den Vorvätern durch solche Opferungen zu helfen, und diejenigen, die nicht im hingebungsvollen Dienen beschäftigt sind, sollten solche Rituale vollziehen. Wer sich jedoch im hingebungsvollen Dienen beschäftigt, braucht solche Handlungen nicht zu verrichten, denn schon allein durch hingebungsvolles Dienen kann man Hunderttausende von Vorvätern von allen Arten des Elends befreien. Im Bhāgavatam wird gesagt:
devarṣi-bhūtāpta-nṛnāṁ pitṝṇāṁ
na kiṅkaro nāyamṛṇī ca rājan
sarvātmanā yaḥ śaraṇaṁ śaraṇyaṁ
gato mukundaṁ parihṛtya kartam
„Jeder, der bei den Lotusfüßen Mukundas (dem, der Befreiung gewährt) Zuflucht gesucht und alle Arten von Verpflichtungen aufgegeben hat und diesem Pfad mit aller Ernsthaftigkeit folgt, ist weder den Halbgöttern noch den Weisen, noch anderen Lebewesen, noch seinen Familienangehörigen, noch der Menschheit, noch den Vorvätern verpflichtet.“ (Bhāg. 11.5.41)
Solche Verpflichtungen werden von allein erfüllt, wenn man im hingebungsvollen Dienen für den Höchsten Persönlichen Gott beschäftigt ist.
VERS 42
दोषैरेतैः कुलघ्नानां वर्णसङ्करकारकैः ।
उत्साद्यन्ते जातिधर्माः कुलधर्माश्च शाश्वताः ॥४२॥
doṣair etaiḥ kula-ghnānāṁ
varṇa-saṅkara-kārakaiḥ
utsādyante jāti-dharmāḥ
kula-dharmāś ca śāśvatāḥ
doṣaīḥ – durch solche Verbrechen; etaiḥ – all diese; kula-ghnānām – des Zerstörers einer Familie; varṇa-sankara – unerwünschte Kinder; kārakaiḥ – von den Handelnden; utsādyante – verursacht Verwüstung; jāti-dharmāḥ – Vorhaben zum Wohle der Gemeinschaft; kula-dharmāḥ – Familientradition; ca – auch; śāśvatāḥ – ewig.
ÜBERSETZUNG
Durch die üblen Machenschaften derer, die die Familientradition zerstören, werden alle gemeinschaftlichen Vorhaben und Aktivitäten, die dem Wohl der Familie dienen, zunichte gemacht.
ERKLÄRUNG
Die vier Einteilungen der menschlichen Gesellschaft zusammen mit den Aktivitäten zum Wohle der Familie, wie sie von der Einrichtung des sanātana-dharma bzw. varṇāśrama-dharma gegeben werden, sind dazu bestimmt, es dem Menschen zu ermöglichen, seine endgültige Erlösung zu erlangen. Wenn deshalb unverantwortliche Führer der Gesellschaft die Tradition des sanātana-dharma zerstören, entsteht ein Chaos in dieser Gesellschaft, und als Folge davon vergessen die Menschen das Ziel des Lebens – Viṣṇu. Solche Führer sind blind, und Menschen, die ihnen folgen, werden unweigerlich in ein Chaos geführt.
VERS 43
उत्सन्नकुलधर्माणां मनुष्याणां जनार्दन ।
नरके नियतं वासो भवतीत्यनुशुश्रुम ॥४३॥
utsanna-kula-dharmāṇāṁ
manuṣyāṇāṁ janārdana
narake niyataṁ vāso
bhavatīty anuśuśruma
utsanna – verdorben; kula-dharmāṇām – von denen, die die Familiengebräuche zerstört haben; manuṣyāṇām – von solchen Menschen; janārdana – O Kṛṣṇa; narake – in der Hölle; niyatam – immer; vāsaḥ – Aufenthaltsort; bhavati – es wird; iti – so; anuśuśruma – ich habe von der Nachfolge der geistigen Meister gehört.
ÜBERSETZUNG
O Janārdana, Erhalter aller Menschen, ich habe von der Nachfolge der geistigen Meister gehört, daß diejenigen, die die Familienbräuche zerstören, für immer in der Hölle leiden müssen.
ERKLÄRUNG
Arjunas Argumente beruhen nicht auf seiner eigenen, persönlichen Erfahrung, sondern auf dem, was er von Autoritäten gehört hat. Das ist der Weg, wirkliches Wissen zu empfangen. Man kann kein echtes Wissen erlangen, ohne von einem kundigen Menschen geführt zu werden, der bereits in diesem Wissen verankert ist. In der Einrichtung des varṇāśrama gibt es ein System, nach dem man sich für seine sündigen Aktivitäten vor dem Tode einem Reinigungsvorgang unterziehen muß. Wer ständig sündigt, muß diesen Reinigungsvorgang, der prāyaścitta genannt wird, nutzen. Wenn man diese Gelegenheit nicht wahrnimmt, wird man mit Sicherheit zu höllischen Planeten gebracht, um als Ergebnis seiner sündigen Handlungen ein erbärmliches Dasein zu erleiden.
VERS 44
अहो बत महत्पापं कर्त्तुं व्यवसिता वयम् ।
यद्राज्यसुखलोभेन हन्तुं स्वजनमुद्यताः ॥४४॥
aho bata mahat-pāpaṁ
kartuṁ vyavasitā vayam
yad rājya-sukha-lobhena
hantuṁ svajanam udyatāḥ
ahaḥ – auch; bata – wie seltsam es ist; mahat – große; pāpam – Sünden; kartum – begehen; vyavasitāḥ – entschieden; vayam – wir; yat – sodaß; rājya – Königreich; sukha-lobhena – getrieben von der Gier nach königlichem Glück; hantum – zu töten; svajanam – Verwandten; udyatāḥ – versuchen.
ÜBERSETZUNG
Ach, wie ist es möglich, daß wir bereit sind, schwere Sünden auf uns zu laden, nur weil wir von dem Verlangen getrieben werden, königliche Freuden zu genießen?
ERKLÄRUNG
Wenn man von selbstsüchtigen Motiven getrieben wird, schreckt man nicht einmal vor derart sündigen Handlungen wie dem Mord an Bruder, Vater oder Mutter zurück. Es gibt in der Geschichte der Welt viele Beispiele für solche Grausamkeiten. Doch als heiliger Gottgeweihter ist sich Arjuna immer der moralischen Prinzipien bewußt und daher sehr bemüht, sündige Aktivitäten zu vermeiden.
VERS 45
यदि मामप्रतीकारमशस्त्रं शस्त्रपाणयः ।
धार्तराष्ट्रा रणे हन्युस्तन्मे क्षेमतरं भवेत् ॥४५॥
yadi mām apratīkāram
aśastraṁ śastra-pāṇayaḥ
dhārtarāṣṭrā raṇe hanyus
tan me kṣemataraṁ bhavet
yadi – selbst wenn; mām – mir; apratīkāram – ohne Widerstand zu leisten; aśastraṁ – ohne bewaffnet zu sein; śastra-pāṇayaḥ – diejenigen, die bewaffnet sind; dhārtarāṣṭrāḥ – die Söhne Dhṛtarāṣṭras; raṇe – auf dem Schlachtfeld; hanyuḥ – können töten; tat – das; me – mich; kṣemataram – besser; bhavet – werden.
ÜBERSETZUNG
Ich glaube, es wäre besser, wenn mich die Söhne Dhṛtarāṣṭras unbewaffnet und widerstandslos töteten, als daß ich mit ihnen kämpfte.
ERKLÄRUNG
Nach den Kampfregeln der kṣatriyas ist es üblich, einen unbewaffneten und unwilligen Gegner nicht anzugreifen. Arjuna entschloß sich, nicht zu kämpfen, wenn er vom Feind angegriffen würde. Es war ihm gleich, wie sehr die Gegenseite zum Kampf drängte. Sein ganzes Verhalten beruhte auf Weichherzigkeit, dem Kennzeichen eines großen Gottgeweihten.
VERS 46
सञ्जय उवाच ।
एवमुक्त्वार्जुनः संखये रथोपस्थ उपाविशत् ।
विसृज्य सशरं चापं शोकसंविग्नमानसः ॥४६॥
sañjaya uvāca
evam uktvārjunaḥ saṅkhye
rathopastha upāviśat
visṛjya sa-śaraṁ cāpaṁ
śoka-saṁvigna-mānasaḥ
sañjayaḥ – Sañjaya; uvāca – sagte; evam – so; uktvā – sagen; arjunaḥ – Arjuna; saṅkhye – auf dem Schlachtfeld; ratha – Streitwagen; upasthaḥ – saß auf; upāviśat – setzte sich nieder; visṛjya – beiseite legen; sa-śaram – zusammen mit den Pfeilen; cāpam – der Bogen; śoka – klagen; saṁvigna – voller Leid; mānasaḥ – im Geist.
ÜBERSETZUNG
Sañjaya sagte: Nachdem Arjuna diese Worte auf dem Schlachtfeld gesprochen hatte, warf er Bogen und Pfeile zur Seite und setzte sich, von Schmerz überwältigt, auf dem Streitwagen nieder.
ERKLÄRUNG
Während Arjuna seine Feinde beobachtete, stand er aufrecht auf dem Streitwagen; doch mit einemmal wurde er von solchem Schmerz überwältigt, daß er sich wieder niedersetzte und seinen Bogen und seine Pfeile beiseite legte. Wer so gütig und weichherzig ist und sich im hingebungsvollen Dienst des Herrn beschäftigt, kann Wissen vom Selbst empfangen.
So enden die Erklärungen Bhaktivedantas zum Ersten Kapitel der
Śrīmad-Bhagavad-gītā, genannt „Die Armeen auf dem Schlachtfeld von Kurukṣetra.“
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